Patent- und Markenrecht

28 W (pat) 534/17

Aktenzeichen  28 W (pat) 534/17

Datum:
26.10.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:261021B28Wpat534.17.0
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, der Richterin k. A. Berner und des Richters Hermann
beschlossen:
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 31, vom 9. November 2016 wird aufgehoben.

Gründe

I.
1
Die Anmelderin hat am 24. August 2016 beim Deutschen Patent- und Markenamt beantragt, das Wort-Bild-Zeichen
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
2
für folgende Waren und Dienstleistungen in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister einzutragen:
3
Klasse 16: Schachteln aus Papier, Pappe oder Kunststoff; Taschen, Beutel und Waren für Verpackungs-, Einpack- und Ablegezwecke aus Papier, Pappe oder Kunststoff; Papier und Kunststofffolien für Verpackungs-, Einpack- und Ablegezwecke;
4
Klasse 31: Blumen und Blumensträuße; Pflanzen;
5
Klasse 35: Groß- und Einzelhandel mit Pflanzen, Blumen und Inneneinrichtungsgegenständen;
6
Klasse 44: Gestaltung von Blumenarrangements.
7
Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 31, hat die Anmeldung nach vorangegangener Beanstandung mit Beschluss vom 9. November 2016 wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Das aus Grundworten der französischen Sprache zusammengesetzte Zeichen werde von den angesprochenen Fachkreisen und Endabnehmern mit „Blumen von/aus der Stadt Paris“ übersetzt. Demzufolge werde es in Verbindung mit den angemeldeten Waren und Dienstleistungen nur dahingehend verstanden, dass Blumen, Blumensträuße und blühende Pflanzen angeboten würden, die aus der französischen Hauptstadt und Metropolregion Paris stammten oder dort angebaut worden seien. In Bezug auf die Waren der Klasse 16 vermittele das gegenständliche Zeichen die Aussage, dass sie für die Verpackung von Blumen aus Paris, die unter die Waren der Klasse 31 fielen, bestimmt seien. Des Weiteren werde der Gegenstand der Dienstleistungen der Klassen 35 und 44 von ihm benannt. Ebenso könne die einfache graphische Ausgestaltung die Unterscheidungskraft des in Rede stehenden Zeichens nicht begründen.
8
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie darauf hinweist, dass Paris für die Züchtung und den Anbau von Blumen nicht bekannt sei. Die Verkehrskreise würden allenfalls einen beschreibenden Anklang wahrnehmen. Die französische Wortwahl führe dazu, dass die Waren und Dienstleistungen mit Attributen wie Eleganz, Charme, Lebensfreude und Liebe versehen würden. Das Deutsche Patent- und Markenamt habe nicht dargelegt, dass Paris über eine nennenswerte Anzahl von Blumenzüchtern verfüge oder in Zukunft verfügen werde. Zudem seien die praktisch bedeutsamen Verwendungsarten des Zeichens in der Branche zu berücksichtigen.
9
Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in den mündlichen Verhandlungen vom 21. Juni 2018 und 26. Oktober 2021 hat die Anmelderin das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis eingeschränkt, so dass es zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde wie folgt lautet:
10
Klasse 35: Groß- und Einzelhandel mit Inneneinrichtungs-gegenständen, nämlich Kerzenhalter, Teelichthalter, Kissen, Decken, Rahmen, Spiegel, Sitzmöbel, Lampen, Laternen, Aschenbecher, Kerzen, Duftkerzen, Windlichter, Glashauben, Wohntextilien, Teppiche.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
12
Nach der Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses hat die zulässige Beschwerde in der Sache Erfolg, denn für die noch beanspruchten Dienstleistungen stehen der Eintragung des angemeldeten Zeichens keine absoluten Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG entgegen.
13
1. Dem Zeichen fehlt nicht die erforderliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
14
a) Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610, Rdnr. 42 – Freixenet; GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 f. – EUROHYPO; BGH GRUR 2014, 569, Rdnr. 10 – HOT; GRUR 2013, 731, Rdnr. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 – Starsat; GRUR 2012, 1044, Rdnr. 9 – Neuschwanstein; GRUR 2010, 825, Rdnr. 13 – Marlene-DietrichBildnis II; GRUR 2010, 935, Rdnr. 8 – Die Vision; GRUR 2006, 850, Rdnr. 18 – FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, Rdnr. 45 – Standbeutel; GRUR 2006, 229, Rdnr. 27 – BioID; GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 – EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710, Rdnr. 12 – VISAGE; GRUR 2009, 949, Rdnr. 10 – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 – Starsat; GRUR 2012, 1044, Rdnr. 9 – Neuschwanstein; GRUR 2012, 270, Rdnr. 8 – Link economy).
15
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943 – SAT.2; BGH GRUR 2010, 935 – Die Vision; GRUR 2010, 825 – Marlene-DietrichBildnis II; GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006).
16
Hiervon ausgehend besitzen Zeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143 – Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 – Link economy; GRUR 2009, 952 – DeutschlandCard; GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417 – BerlinCard; GRUR 2001, 1151 – marktfrisch; GRUR 2001, 1153 – antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050 – Cityservice; GRUR 2001, 1143 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 – TOOOR!; GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006).
17
b) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den französischen Wörtern „fleurs“ und „de“ sowie dem auch im Deutschen gebräuchlichen Namen der französischen Hauptstadt „Paris“ zusammen. In seiner Gesamtheit kommt der Wortfolge „FLEURS DE PARIS“ die deutsche Bedeutung „Blumen von/aus der Stadt Paris“ zu (vgl. Pons Handwörterbuch Französisch – Deutsch, 2004, Seiten 208, 353 und 581). Sie erschließt sich nicht nur dem angesprochenen Fachverkehr, sondern auch den Durchschnittsverbrauchern, die Abnehmer der weiterhin beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 sein können. Die Zeichenbestandteile „fleurs“ und „de“ gehören zum Grundwortschatz der französischen Sprache. Die Singularform von Erstgenanntem hat zudem als weiblicher Vorname und als Synonym für „das Beste von etwas, Zierde, Glanz“ Eingang in die deutsche Sprache gefunden (vgl. Duden unter „https://www.duden.de/suchen/dudenonline/fleur“). Die deutschen Bedeutungen gehen auf das Grundverständnis „Blume“ zurück, was beispielsweise an den deutschen Wörtern „Fleurist“ oder „Fleuristin“ für Blumenfreund bzw.-freundin deutlich wird. Insofern ist davon auszugehen, dass relevante Teile der maßgeblichen Verkehrskreise das beanspruchte Zeichen wie oben ausgeführt übersetzen werden.
18
c) Unter Zugrundelegung dieser Bedeutung kann dem Anmeldezeichen kein beschreibender Sinngehalt in Verbindung mit den gegenständlichen Dienstleistungen
19
Klasse 35: Groß- und Einzelhandel mit Inneneinrichtungs-gegenständen, nämlich Kerzenhalter, Teelichthalter, Kissen, Decken, Rahmen, Spiegel, Sitzmöbel, Lampen, Laternen, Aschenbecher, Kerzen, Duftkerzen, Windlichter, Glashauben, Wohntextilien, Teppiche
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entnommen werden. Die den Gegenstand der Groß- und Einzelhandels-dienstleistungen bildenden Waren weisen keine sachlichen Berührungspunkte zu Blumen (mehr) auf. Sofern solche doch in Betracht kommen, wie dies bei Gestaltungen beispielsweise von Kerzenhaltern oder bei Motiven beispielsweise auf Kissen der Fall sein kann, lässt die Ortsangabe „aus Paris“ einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Aussagegehalt, aber auch einen engen Sachbezug entfallen.
21
2. Aus vorgenannten Gründen handelt es sich bei dem Anmeldezeichen nicht um eine unmittelbar beschreibende Angabe, so dass seiner Eintragung auch nicht das Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht.
22
Da zusammenfassend für die noch beanspruchten Dienstleistungen keine absoluten Eintragungshindernisse feststellbar sind, war der angefochtene Beschluss auf die Beschwerde aufzuheben.

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