Aktenzeichen 8 O 218/20
Fahrzeugemissionen-VO Art. 5 Abs. 2
Leitsatz
1. Zu – jeweils verneinten – (Schadensersatz-)Ansprüchen von Käufern eines Porsche-Fahrzeugs, in das ein von Audi entwickelter Diesel-Motor eingebaut ist, vgl. auch OLG Köln BeckRS 2020, 25732; OLG München BeckRS 2020, 41015; BeckRS 2020, 44392; BeckRS 2021, 7739; OLG Dresden BeckRS 2020, 32522; BeckRS 2021, 6203; OLG Bamberg BeckRS 2021, 2533; BeckRS 2021, 31199; LG Augsburg BeckRS 2021, 8686; LG München I BeckRS 2020, 42410; LG München II BeckRS 2020, 43746; LG Nürnberg-Fürth BeckRS 2020, 43093; BeckRS 2021, 37945; BeckRS 2021, 37979; LG Passau BeckRS 2021, 37975; LG Würzburg BeckRS 2020, 44850. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Porsche AG kommt ihrer sekundären Darlegungslast umfassend nach, wenn sie zum Produktionsprozess des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps und den Verantwortlichkeiten der beteiligten Firmen detailliert vorträgt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es kann offenbleiben, ob tatsächlich eine Pflicht von Porsche bestand, die von Audi bezogenen Motoren zu überprüfen, da jedenfalls eine Verletzung einer etwaigen Überwachungs- oder Überprüfungspflicht grundsätzlich allenfalls einen Fahrlässigkeitsvorwurf, nicht jedoch den Vorwurf eines vorsätzlichen sittenwidrigen Verhaltens begründen könnte. (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Software-Update, welches auch ein Thermofenster enthält, ist nicht sittenwidrig. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird … festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klage ist zulässig. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I folgt aus § 32 ZPO, die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts München I ergibt sich aus §§ 23, 71 GVG.
II.
Die Klage ist unbegründet. Dies gilt sowohl in Bezug auf die Anträge zum Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit behaupteter unzulässiger Abschalteinrichtung als auch in Bezug auf die hilfsweise gestellten Anträge betreffend das Software-Update mit sog. „Thermofenster“.
1. Dem Kläger stehen gegen die Beklagte weder vertragliche noch deliktische Schadenersatzansprüche wegen des Inverkehrbringens des Fahrzeugs mit behaupteter unzulässiger Abschalteinrichtung zu.
a) Vertragliche Schadensersatzansprüche hat der Kläger gegen die Beklagte schon deshalb nicht, weil der Kläger den streitgegenständlichen Wagen nicht von der Beklagten gekauft hat. Vertragliche Ansprüche macht der Kläger auch nicht geltend.
b) Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 der Verordnung 715/2007/EG. Der Kläger stützt seinen Schadensersatzanspruch darauf, dass er von der Beklagten zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst worden sei. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt jedoch weder im Aufgabenbereich des § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV noch im Aufgabenbereich von Art. 5 der Verordnung 715/2007/EG (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20, Rn. 10-16, zitiert nach juris).
c) Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB, § 31 BGB. Ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB würde voraussetzen, dass sämtliche objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des Betrugstatbestands gemäß § 263 Abs. 1 StGB erfüllt sind. Der subjektive Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB setzt die Absicht voraus, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Dabei müssten der vom Täter erstrebte Vermögensvorteil und der verursachte Vermögensschaden einander „spiegelbildlich“ entsprechen. Dazu müssen erstrebter Vermögensvorteil und eingetretener Vermögensvorteil durch dieselbe Vermögensverfügung vermittelt sein. Dies ist hier nicht der Fall, vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20, Rn. 17-26, zitiert nach juris.
d) Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch kein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB in Bezug auf das Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit behaupteter unzulässiger Abschalteinrichtung zu.
(1) Nach allgemeinen Grundsätzen trägt derjenige, der einen Anspruch aus § 826 BGB geltend macht, die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, das heißt sowohl für die Umstände, die die Schädigung und deren Sittenwidrigkeit in objektiver Hinsicht begründen, als auch für den zumindest bedingten Vorsatz des Schädigers hinsichtlich des Vorliegens dieser Umstände (BGH, NJW 2020, 1962, 1966 – Rn. 35 m.w.N.). Der Anspruchsteller hat daher auch darzulegen und zu beweisen, dass der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßiger Vertreter (§ 31 BGB) des in Anspruch genommenen Unternehmens die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat (BGH, a.a.O.). Der hier für eine Haftung der Beklagten relevante Zeitpunkt ist jener des Kaufvertragsschlusses, d.h. der 03.03.2014, der deutlich vor dem öffentlichen Bekanntwerden des sog. „Diesel-Abgasskandals“ im September 2015 datiert.
(2) Diesen Anforderungen genügen die Darlegungen des Klägers nicht. Zwar kann das auf der Grundlage einer im eigenen Gewinninteresse getroffenen grundlegenden Entscheidung durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA erfolgte systematische und umfangreiche Inverkehrbringen von Fahrzeugen, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgaswerte mittels einer unzulässigen Abschaltvorrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten werden, ein objektiv als sittenwidrig zu qualifizierendes Verhalten darstellen. Allerdings müsste der Kläger substantiiert darlegen und ggf. nachweisen, dass Personen, deren Wissen der Beklagten zuzurechnen wäre, eine solche strategische Entscheidung getroffen und umgesetzt hätten oder zumindest dies gewusst und gebilligt hätten. Daran fehlt es. Vorsätzliches Handeln der Beklagten bzw. ihrer verfassungsmäßigen Vertreter ist weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen. Der Kläger hat im Wesentlichen pauschal behauptet, die Vorstände der Beklagten hätten gewusst, dass der von … gelieferte und programmierte Motor „eine unzulässige Abschaltvorrichtung“ aufweise. Dieser Vortrag ist schon deshalb nicht hinreichend substantiiert, weil nicht jede Art einer später beanstandeten Steuerung des Motors ihre Illegalität gleichsam „auf der Stirn trägt“, so dass selbst bei Kenntnis von einer bestimmten Steuerung nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass damit die Vorstellung verbunden wäre, den Käufer eines solchen Pkws zu schädigen. Insofern käme es wiederum auf die tatsächlich im streitgegenständlichen Pkw ursprünglich verwendete Software an.
Zwar hat der Kläger von den maßgeblichen Umständen innerhalb der Gesellschaft der Beklagten keine Kenntnis und keine weitere Möglichkeit der Sachaufklärung, weswegen die Beklagte hinsichtlich der Umstände des Einbaus des streitgegenständlichen Motors nebst Steuerung eine sekundäre Darlegungslast trifft (BGH, NJW 2020, 1962, 1966 – Rn. 36, 37). Die Beklagte ist ihrer Pflicht, sich zu den Behauptungen der beweispflichtigen Klagepartei substantiiert zu äußern, jedoch umfassend nachgekommen, indem sie zum Produktionsprozess des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps und den Verantwortlichkeiten der beteiligten Firmen vorgetragen hat.
So ist die Beklagte der behaupteten Kenntnis von einer unzulässigen Software entgegengetreten und hat detailliert vorgetragen, dass die Mitglieder ihres damaligen Vorstands keine Kenntnis hatten, sondern vielmehr im Zeitraum zwischen … mehrfach von der … versichert bekommen hätten, dass der im streitgegenständlichen Fahrzeug verwendete Motor keine unzulässige Abschalteinrichtung aufweise. Die Beklagte hat ihr Tätigwerden und den jeweiligen hier maßgeblichen Kenntnisstand bezogen auf etwaige Unregelmäßigkeiten dargelegt und damit ihrer sekundären Darlegungslast genügt. Eine (weitergehende) sekundäre Darlegungslast der Beklagten kann vorliegend nicht angenommen werden. Anders als in den vom BGH entschiedenen …-Fällen hat die Beklagte den streitgegenständlichen Motor unstreitig weder entwickelt noch hergestellt, sondern sich lediglich von der …, einem selbständigen Unternehmen, liefern lassen. Es liegt damit gerade nicht auf der Hand, dass „jedenfalls irgendwer“ im Unternehmen der Beklagten eine Entscheidung zur Entwicklung einer solchen Abschaltautomatik und zur Verwendung in dem vom Kläger gekauften Fahrzeug getroffen haben muss. Aus diesem Grund kommt es auf die nähere Darstellung von Entscheidungsabläufen innerhalb der Beklagten nicht an. Es obläge vielmehr nach den allgemeinen Regeln dem Kläger, unter Beweisangebot vorzutragen, wer innerhalb der Beklagten davon gewusst habe, dass eine oder mehrere konkret zu bezeichnende Abschalteinrichtung(en) in dem gelieferten Motor eingebaut gewesen waren (vgl. OLG München, Hinweisbeschluss vom 28.05.2020, Az. 5 U 1005/20, BeckRS 2020, 23596 – Rn. 9).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die den Motor liefernde … wie die Beklagte selbst ein Tochterunternehmen des … Konzerns ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte … eine Wissensorganisationspflicht traf, auf deren Grundlage die Beklagte Zugriff auf die bei … vorhandenen Informationen hatte und vorwerfbar nicht nutzte, sind vom Kläger weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die bloße Behauptung seitens des Klägers, es sei auszuschließen, dass die Herstellerin des Motors, die ein Schwesterunternehmen … ist, die Beklagte als Herstellerin des Fahrzeugs nicht kontaktiert habe und die unzulässige Motorsteuerung nicht erläutert habe, stellt dabei eine unzulässige Behauptung ins Blaue hinein dar.
(3) Den Zeugenbeweisangeboten des Klägers zur behaupteten Kenntnis von verfassungsmäßigen Vertretern der Beklagten war nicht nachzugehen. …. Es hätte sich jeweils um eine unzulässige Ausforschung gehandelt, der nicht nachzukommen war. So wurde in der Klageschrift nicht hinreichend konkret vorgetragen, wer innerhalb der Beklagten davon gewusst haben soll, dass eine oder mehrere konkret zu bezeichnende Abschalteinrichtung(en) in dem gelieferten Motor eingebaut gewesen seien. Dies betrifft insbesondere die Zeugenbeweisangebote auf S. 12 der Klageschrift, Bl. 12 d.A., die sich nicht auf die konkrete Kenntnis von einer oder mehrerer konkret zu bezeichnender Abschalteinrichtung(en) in dem gelieferten Motor beziehen. Die Zeugenbeweisangebote auf S. 9-11 der Klageschrift, Bl. 9-11 d.A., wiederum betreffen die behauptete Kenntnis der … und eben nicht eine Kenntnis der Beklagten. …. Auch hierbei hätte es sich um eine unzulässige Ausforschung gehandelt. …. Ein entsprechender Vortrag mit Beweisantritt ist nicht erfolgt. Dem Beweisangebot betreffend den Zeugen … war im Ergebnis nicht nachzugehen.
Gleiches gilt in Bezug auf den neuen Sachvortrag des Klägers mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 22.12.2020, Bl. 237/249 d.A., mitsamt neuen Beweisangeboten. Der neue Sachvortrag und die neuen Beweisangebote des Klägers aus dem nicht nachgelassenen Schriftsatz des Klägers vom 22.12.2020, Bl. 237/249 d.A., waren insgesamt nicht mehr zu berücksichtigen, § 296a ZPO. Dieser Schriftsatz des Klägers bot auch keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 Abs. 1 ZPO.
(4) Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe fahrlässig Prüfpflichten verletzt, kann hieraus keine Schadensersatzpflicht gemäß §§ 826, 31 BGB hergeleitet werden. Der gemäß §§ 826, 31 BGB erforderliche Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (BGH, NJW 2017, 250, 253 – Rn. 25). Insoweit kann offenbleiben, ob tatsächlich eine Pflicht der Beklagten bestand, die von der … bezogenen Motoren zu überprüfen. Denn jedenfalls könnte eine Verletzung einer etwaigen Überwachungs- oder Überprüfungspflicht grundsätzlich allenfalls einen Fahrlässigkeitsvorwurf, nicht jedoch den Vorwurf eines vorsätzlichen sittenwidrigen Verhaltens begründen. Für eine bewusste Verletzung von Überprüfungspflichten im Sinne eines vorsätzlichen Wegschauens bestehen wiederum keine Anhaltspunkte.
(5) Die subjektiven Voraussetzungen der §§ 826, 31 BGB können auch nicht über eine Zusammenrechnung bzw. Zurechnung von Wissen von Mitarbeitern der …, der … und der Beklagten bejaht werden. Zwar ist im Ansatz richtig, dass innerhalb einer juristischen Person Wissensorganisationspflichten bestehen können, die im Einzelfall zur Zurechnung eines sogenannten „Aktenwissens“ an die Unternehmensleitung führen kann. Dies setzt jedoch voraus, dass es sich dabei um solches Wissen handelt, das typischerweise im Unternehmen aktenmäßig festgehalten wird. An diesen Voraussetzungen fehlt es hier. Der streitgegenständliche Motor wie auch dessen Steuerung wurden samt Software bei einem konzernzugehörigen Unternehmen zugekauft und ohne eigene Einbindung in die Entwicklungsarbeit fertig „modular“ übernommen. An einem substantiierten Vortrag, dass und gegebenenfalls auf welche Weise der Beklagten Informationen im Hinblick auf Mängel der Motorsteuerungssoftware aktenmäßig vermittelt worden sein sollen, fehlt es. Jedenfalls aber führt über eine Wissenszusammenrechnung kein Weg zu dem für das Merkmal der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB erforderlichen moralischen Unwerturteil. Eine solche Konstruktion würde dem personalen Charakter der Schadensersatzpflicht gemäß § 826 BGB, die sich hierdurch von der vertraglichen oder vertragsähnlichen Haftung deutlich unterscheidet, nicht gerecht (vgl. auch BGH, NJW 2017, 250, 252 f. – Rn. 23).
e) Auch aus § 831 Abs. 1 BGB folgt kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte in Bezug auf das Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit behaupteter unzulässiger Abschalteinrichtung. Entsprechend den vorstehenden Ausführungen ist den Verrichtungsgehilfen der Beklagten hier keine unerlaubte Handlung im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB zur Last zu legen. Dass Verrichtungsgehilfen der Beklagten eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung im Sinne von § 826 BGB zur Last zu legen wäre, hat der Kläger entsprechend vorstehenden Ausführungen gleichfalls nicht dargelegt und bewiesen. Damit scheidet auch ein Anspruch aus § 831 Abs. 1 BGB aus.
f) Der neue Sachvortrag und die neuen Beweisangebote des Klägers aus dem nicht nachgelassenen Schriftsatz des Klägers vom 22.12.2020, Bl. 237/249 d.A., waren insgesamt nicht mehr zu berücksichtigen, § 296 a ZPO. Dieser Schriftsatz des Klägers bot auch keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 Abs. 1 ZPO.
g) Mangels Hauptforderung bestehen in Bezug auf die Hauptanträge Ziff. 1. bis Ziff. 3. im Hinblick auf das Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit behaupteter unzulässiger Abschalteinrichtung auch keine Ansprüche auf Zinsen, Feststellung eines Annahmeverzugs oder Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gegen die Beklagte. Auch der Hilfsantrag Ziff. 4. war entsprechend den vorstehenden Ausführungen abzuweisen.
2. Nachdem die Klage sich in den Anträgen zum Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit behaupteter unzulässiger Abschalteinrichtung als unbegründet darstellt, ist noch über die Hilfsanträge zum Software-Update mit sog. „Thermofenster“ zu entscheiden. Dem Kläger stehen gegen die Beklagte weder vertragliche noch deliktische Schadenersatzansprüche wegen des Software-Updates unter Verwendung eines sog. „Thermofensters“ zu.
a) Vertragliche Schadensersatzansprüche scheiden bereits deshalb aus, da der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug nicht von der Beklagten erworben hat. Vertragliche Ansprüche macht der Kläger auch nicht geltend.
b) Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 der Verordnung 715/2007/EG in Bezug auf das Software-Update mit sog. „Thermofenster“. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt weder im Aufgabenbereich des § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV noch im Aufgabenbereich von Art. 5 der Verordnung 715/2007/EG (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20, Rn. 10-16, zitiert nach juris).
c) Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB, § 31 BGB in Bezug auf das Software-Update mit sog. „Thermofenster“. Erneut fehlt es jedenfalls an der Bereicherungsabsicht und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden. Auf vorstehende Ausführungen wird Bezug genommen. Weiter war zu berücksichtigen, dass das Software-Update erst nach Erwerb des Fahrzeugs aufgespielt wurde und damit in Bezug auf die Voraussetzung der Vermögensverfügung beim Betrugstatbestand nicht auf den Kaufvertragsschluss abgestellt werden kann. Eine Vermögensverfügung ist im Zusammenhang mit dem kostenlosen Software-Update weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch aus diesem Grund scheidet ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB, § 31 BGB aus.
d) Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch kein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB in Bezug auf das Software-Update mit sog. „Thermofenster“ zu. Ob das Software-Update seinerseits eine unzulässige Abschalteinrichtung enthält, kann dahinstehen (OLG München, Beschluss vom 29.09.2020 – 8 U 201/20, Rn. 24, zitiert nach juris). Jedenfalls ist das Software-Update nicht sittenwidrig. Es liegt kein Verstoß gegen „das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ vor. Auf die zutreffenden Ausführungen des Oberlandesgerichts München, Beschluss vom 29.09.2020 – 8 U 201/20, Rn. 25-34, wird Bezug genommen. Demnach sprechen Experten von einem „Thermofenster“, wenn die Abgasreinigung abhängig von der Außentemperatur gesteuert wird. Grund sind Kohlenwasserstoffe und Ruß im Abgas. Wenn die unverbrannten Rückstände in den kalten Rohrleitungen kondensieren, setzen sie die abgasführenden Bauteile zu. Unter Hinweis auf den gesetzlich zulässigen Bauteilschutz reduzieren die Hersteller die Abgasrückführung bei deutschen Durchschnittstemperaturen. Eine vom Bundesverkehrsminister eingesetzte „Untersuchungskommission“ hat dazu festgestellt: „Alle Hersteller nutzen Abschalteinrichtungen …“. Die Automobilindustrie und ihr folgend der Bundesverkehrsminister gehen davon aus, ein „Thermofenster“ sei zulässig (Führ, NVwZ 2017, 265). Bei dieser Sachlage ist in dem Inverkehrbringen von Fahrzeugen, die mit einem Thermofenster ausgerüstet sind, kein sittenwidriges Verhalten zu sehen. Denn selbst wenn man der Auffassung der Klagepartei folgen würde, dass das Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, könnte nicht festgestellt werden, dass die Beklagte gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen hätte. Thermofenster sind bei der Regelung der Abgasrückführung in Dieselmotoren weit verbreitet, von den Zulassungsbehörden anerkannt und selbst noch im Untersuchungsbericht als offenbar zulässig und sinnvoll angesehen worden. In Bezug auf die Manipulationssoftware zum … Motor EA 189 hat der BGH bereits entschieden, dass durch die Verhaltensänderung der … wesentliche Elemente, die das Unwerturteil des bisherigen Verhaltens gegenüber bisherigen Käufern begründeten, derart relativiert wurden, dass der Vorwurf der Sittenwidrigkeit bezogen auf das Gesamtverhalten nicht mehr gerechtfertigt ist. Das muss erst Recht für das streitgegenständliche Software-Update gelten, das vom Kraftfahrt-Bundesamt geprüft und freigegeben worden ist. Deshalb wäre ein Vorwurf der Sittenwidrigkeit bezogen auf das Gesamtverhalten der Beklagten auch dann nicht gerechtfertigt, wenn das Software-Update seinerseits eine unzulässige Abschalteinrichtung enthalten sollte. Auch ein vorsätzliches Handeln der Beklagten ließe sich insoweit nicht feststellen. Es fehlt hierzu bereits an ausreichendem Vortrag zu einem vorsätzlichen Handeln der Beklagten bezüglich der angeblich mit dem Software-Update einhergehenden weiteren Mängel sowie auch an greifbaren Anhaltspunkten hierfür. Dazu wäre jedenfalls eine konkrete Darlegung und greifbare Anhaltspunkte dafür erforderlich gewesen, warum und wodurch Organe der Beklagten die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in dem Software-Update mindestens billigend in Kauf genommen haben sollen. Eine entsprechende Darlegung ist nicht erfolgt. Erneut war zu berücksichtigen, dass das Software-Update nicht von der Beklagten selbst entwickelt wurde, sondern von einer Schwestergesellschaft im … Konzern. Auf die vorstehenden Ausführungen zur Ablehnung einer automatischen pauschalen Zurechnung von Wissen im Konzern wird Bezug genommen. Sollte das Software-Update gleichwohl noch eine objektiv unzulässige Abschalteinrichtung enthalten haben, hätte sich die Beklagte außerdem in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden (vgl. BGH, Urteil vom 10.7.2018 – VI ZR 263/17, zu vergleichbaren Auskünften der BaFin zu objektiv unerlaubten Bankgeschäften). Auch die Beklagte hier hat alles Zumutbare getan, um einen solchen Verbotsirrtum zu verhindern.
Zudem erschöpft sich der Klagevortrag zum sog. „Thermofenster“ im Wesentlichen in der Darstellung, dass bei dem streitgegenständlichen Motor ein sog. „Thermofenster“ bei der Abgasregulierung zur Anwendung komme. …. Demgegenüber bringt die Beklagte vor, dass in dem Fahrzeug keine unzulässige temperaturgesteuerte Emissionsreduktion in der Form eines unzulässigen sog. Thermofensters stattfinde. Der Einsatz von Thermofenstern entspreche dem Stand der Technik und diene dem Bauteilschutz. Der klägerische Vortrag ist nicht ausreichend substantiiert. Der Kläger stellt weder Konstruktionsteile oder spezielle Umwelt- und Fahrsituationen in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug näher dar noch setzt er sich mit der Notwendigkeit der gewählten Ausgestaltung auseinander. …. Eine nähere Darlegung zum streitgegenständlichen Fahrzeugtyp Porsche Macan S 3,0 TDI wird nicht vorgebracht und unter Beweis gestellt. Letztlich erschöpft sich der Vortrag des Klägers zum sog. Thermofenster in weiten Teilen aus einkopierten Urteilszitaten von Gerichten bzw. Verweisen auf Urteilsgründe von Gerichten, ohne nähere Darlegung in Einzelnen, ob den Urteilen überhaupt dem streitgegenständlichen Fahrzeug vergleichbare Fahrzeugtypen zugrunde lagen (zum Beispiel verweist der Kläger zur Stützung seiner Argumentation zum sog. „Thermofenster“ im Klageschriftsatz S. 29, Bl. 29 d.A., auf ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 31.07.2019, Az. 7 O 166/18, das jedoch einen völlig anderen Fahrzeugtyp und zwar einen PKW … betraf). Die Aneinanderreihung von Urteilszitaten vermag insoweit nicht den notwendigen, auf den konkreten Einzelfall bezogenen Sachvortrag ersetzen. Die Ausführungen des Klägers genügen den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast der Klagepartei nicht. Der Kläger trägt ins Blaue hinein vor, ohne zumindest greifbare Anhaltspunkte aufzeigen. Konkrete Anknüpfungstatsachen, weshalb das konkret beim streitgegenständlichen Fahrzeug eingesetzte Thermofenster nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen sollte, trägt die Klagepartei nicht vor. Zudem wäre bei Vorliegen einer neuen unzulässigen Abschalteinrichtung beim streitgegenständlichen Fahrzeugtyp, ein neuerlicher Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts nach Aufspielen des Software-Updates zu erwarten, der aber nicht einmal von der Klagepartei behauptet wird. Die Erholung des angebotenen Beweises eines Sachverständigengutachtens wäre unter diesen Voraussetzungen eine unzulässige Ausforschung.
Aus dem jüngsten EuGH-Urteil zum sog. „Thermofenster“ folgt für den vorliegenden Fall nichts Gegenteiliges (vgl. EuGH Urteil vom 17.12.2020 – C-693/18).
Ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB in Bezug auf das sog. „Thermofenster“ scheidet damit hier im Ergebnis aus.
Schließlich ergibt sich ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 31 BGB auch nicht aus dem Vortrag des Klägers zum …. Der klägerische Vortrag ist nicht ausreichend substantiiert. Der Kläger stellt weder Konstruktionsteile oder spezielle Umwelt- und Fahrsituationen in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug näher dar noch setzt er sich mit der Notwendigkeit der gewählten Ausgestaltung auseinander. Eine nähere Darlegung zum streitgegenständlichen Fahrzeugtyp Porsche Macan S 3,0 TDI wird nicht vorgebracht und unter Beweis gestellt. Die Erholung des angebotenen Beweises eines Sachverständigengutachtens wäre unter diesen Voraussetzungen eine unzulässige Ausforschung. Ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB in Bezug auf den Vortrag zum … scheidet bereits aus diesem Grund aus. Zudem ist die bemängelte Programmierung … jedenfalls nicht sittenwidrig. Es liegt kein Verstoß gegen „das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ vor. Auch ein vorsätzliches Handeln der Beklagten ließe sich insoweit nicht feststellen. Es fehlt hierzu bereits an ausreichendem Vortrag zu einem vorsätzlichen Handeln der Beklagten bezüglich der angeblich mit der Programmierung … einhergehenden weiteren Mängel sowie auch an greifbaren Anhaltspunkten hierfür. Dazu wäre jedenfalls eine konkrete Darlegung und greifbare Anhaltspunkte dafür erforderlich gewesen, warum und wodurch Organe der Beklagten die Verwendung einer unzulässigen Programmierung des … mindestens billigend in Kauf genommen haben sollen. Eine entsprechende Darlegung ist nicht erfolgt. Erneut war zu berücksichtigen, dass das Software-Update nicht von der Beklagten selbst entwickelt wurde, sondern von einer Schwestergesellschaft …. Auf die vorstehenden Ausführungen zur Ablehnung einer automatischen pauschalen Zurechnung von Wissen im Konzern wird Bezug genommen. Ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB scheidet auch in Bezug auf den Vortrag zum … Ergebnis aus.
Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 28.01.2020, Az. VIII ZR 57/19, ändert nichts an den vorstehenden Ausführungen. Keineswegs sollte diese höchstrichterliche Entscheidung den Kläger von jeglichen Anforderungen an einen substantiierten Vortrag befreien. Der Bundesgerichtshof zeigte hier lediglich für den Einzelfall eine Grenze auf, jenseits derer er eine Überspannung der Substantiierungsanforderungen sah. In dem Beschluss heißt es aber auch: „Vielmehr ist von ihm nur zu fordern, dass er greifbare Umstände anführt, auf die er den Verdacht gründet, sein Fahrzeug weise eine oder mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen auf.“ An solchen greifbaren Umständen fehlt es jedoch im Vortrag des Klägers im hiesigen Verfahren.
Ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB scheidet im Ergebnis insgesamt aus.
e) Auch aus § 831 Abs. 1 BGB folgt kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte in Bezug auf das Software-Update mit sog. „Thermofenster“. Entsprechend den vorstehenden Ausführungen ist den Verrichtungsgehilfen der Beklagten hier keine unerlaubte Handlung im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB bzw. im Sinne von § 826 BGB zur Last zu legen. Damit scheidet auch ein Anspruch aus § 831 Abs. 1 BGB aus.
f) Der neue Sachvortrag und die neuen Beweisangebote des Klägers aus dem nicht nachgelassenen Schriftsatz des Klägers vom 22.12.2020, Bl. 237/249 d.A., waren insgesamt nicht mehr zu berücksichtigen, § 296a ZPO. Dieser Schriftsatz des Klägers bot auch keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 Abs. 1 ZPO.
g) Mangels Hauptforderung bestehen in Bezug auf die Anträge zum Software-Update mit sog. „Thermofenster“ auch keine Ansprüche auf Zinsen, Feststellung eines Annahmeverzugs oder Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gegen die Beklagte. Gleiches gilt in Bezug auf den Hilfsantrag Ziff. 4.
3. Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 22.12.2020 (Bl. 237/249 d.A.) nach der mündlichen Verhandlung war nur noch im Hinblick auf Rechtsausführungen zu berücksichtigen, § 296 a ZPO. Es bestand insoweit keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1 ZPO.
Die Klage war im Ergebnis insgesamt unbegründet und daher vollumfänglich abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung war gemäß §§ 63 Abs. 2, 48 Abs. 1 S. 1 GKG, § 3 ZPO vorzunehmen. Die Hilfsanträge führten gemäß § 45 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 45 Abs. 1 S. 2 GKG nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts.