Aktenzeichen W 8 S 21.258
Leitsatz
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, die in der Rechtsform einer GmbH einen Online-Handel mit „Anti-Aging“ Produkten betreibt, begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen ein Verbot des Inverkehrbringens sämtlicher Produkte, die den Stoff Nicotinamidmononukleotid (NMN) enthalten und die Duldung des Betretens ihres Grundstücks sowie der darauf befindlichen Betriebsräume unter Androhung unmittelbaren Zwangs.
1. Im Rahmen einer Medienbeobachtung erfolgte am 14. September 2020 eine Eintragung durch die Schweizer Lebensmittelbehörden im Europäischen Schnellwarnsystem (RASFF) über das Produkt Nicotinamidmononukleotid unter dem Markennamen „… … … …“ als nicht zugelassenes Lebensmittel nach der Verordnung (EU) 2015/2283 („Novel-Food-Verordnung“).
Hierzu wurde seitens des Antragsgegners zunächst ein Herr … angehört und ein Verwaltungsverfahren gegenüber diesem eingeleitet.
Am 8. Oktober 2020 zog das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) eine risikoorientierte Planprobe des Produkts … … … … von einem Internetauftritt der Antragstellerin.
Im Gutachten vom 11. November 2020 führte das LGL im Wesentlichen aus: Das Produkt erfülle die Merkmale eines Nahrungsergänzungsmittels. Auf der Verpackung der entnommenen Probe sei der Hinweis „Zum sofortigen Verbrauch bestimmt“ angegeben. Da sich aus der Kennzeichnung somit kein Verwendungszweck ergebe, sei der Verbraucher auf weitere Informationen angewiesen. Im Onlineshop der Antragstellerin werde das Produkt unter der Bezeichnung „Probe mit 5g NMN zum Testen der Verträglichkeit“ angeboten. Diese Bezeichnung finde sich ebenfalls auf dem der Sendung beigefügten Lieferschein wieder. Wie die Verträglichkeit zu testen sei, werde in der Produktbeschreiben online näher ausgeführt. Demnach sei das Produkt dazu bestimmt „um die Verträglichkeit der sublingualen Verwendung (unter der Zunge zergehen lassen) zu testen“. Man könne das Produkt „wie Prof. Sinclair es tut einfach in seine Yogurt [sic !] [rühren]“. Zudem finde sich auf der Seite: „FAQ: Wenn das Thema NMN für Sie ganz neu ist, BITTE LESEN“ unter dem Punkt „2. Dosierung“ folgender Hinweis:
„Wir dürfen Ihnen keine Dosierempfehlungen geben. Würden wir Dosierempfehlungen geben, könnte das als ein Indiz gewertet werden, dass wir ein Nahrungsergänzungsmittel vertreiben, und NMN ist nicht als Nahrungsergänzungsmittel zugelassen. Wir vertreiben daher auch nur eine Chemikalie ! Wir machen es wie Sinclair, der auch niemals irgendeine Dosierung empfiehlt, sondern nur erzählt, was er tut ! (…) Sinclair nimmt (und wir machen es genau so) 1g NMN pro Tag. Die meisten von uns (also von der … … …) teilen das auf in 2 bis 3 Portionen, die wir jeweils vor den Mahlzeiten nehmen, die meisten sublingual, lassen also das Pulver unter der Zunge zergehen. […]Wenn Sie heute 0,75g nehmen und morgen 1,5g, spielt das keine Rolle.“
Auch wenn der Unternehmer hier im Wortlaut lediglich wiedergebe, was Prof. Sinclair bzw. die Mitglieder der … … … täten, gebe er gleichzeitig klar zu erkennen, dass es sich hierbei um Schutzbehauptungen handele, die eine Einstufung des Produkts als Nahrungsergänzungsmittel verhindern sollten. Es sei daher davon auszugehen, dass die Angaben in ihrer Gesamtheit vom Verbraucher dahingehend verstanden würden, dass täglich etwa ein Gramm des Produktes eingenommen werden solle. Zusammenfassend werde eine eindeutige Zweckbestimmung zur sublingualen oder oralen Aufnahme gegeben und vermittelt, dass die Aufnahme von etwa einem Gramm der Substanz erstrebenswert sei. Die vorliegende Probe sei demnach als Lebensmittel im Sinne von Art. 2 der Verordnung (EG) 178/2002 anzusehen, da nach vernünftigem Ermessen erwartet werden könne, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werde. Die Probe erfülle zudem die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 der Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel (NemV). Nach dem derzeitigen Kenntnisstand des LGL sei Nicotinamidmononukleotid nicht vor dem 15. Mai 1997 in nennenswertem Umfang in der Europäischen Union für den menschlichen Verzehr als Lebensmittel bzw. Lebensmittelzutat verwendet worden, weshalb davon ausgegangen werde, dass es sich um ein neuartiges Lebensmittel im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a Ziffer i der Verordnung (EU) 2015/2283 handele. Derzeit ließen sich für Nicotinamidmononukleotid keine Einträge in der Unionsliste für zugelassene neuartige Lebensmittel finden. Nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/2283 dürften jedoch nur zugelassene und in der Unionsliste aufgeführte neuartige Lebensmittel als solche in Verkehr gebracht und in oder auf Lebensmitteln verwendet werden.
Nach Ermittlung der Antragstellerin als Inverkehrbringer des Produktes wurde dieser am 28. Dezember 2020 das Gutachten des LGL eröffnet. Das Landratsamt … führte aufgrund eines Anordnungsbescheides zur Duldung des Betretens der Geschäftsräume der Antragstellerin vom 15. Februar 2021, der Geschäftsführerin der Antragstellerin persönlich übergeben am Tag der Kontrolle, am 17. Februar 2021 eine Kontrolle der Betriebsräume der Antragstellerin durch, wobei Nicotinamidmononukleotid tiefgekühlt und geöffnet im Kühlschrank aufgefunden wurde. Im Rahmen der Kontrolle wurde die Geschäftsführerin der Antragstellerin zum Vorwurf einer Straftat des Inverkehrbringens nicht zugelassener Lebensmittel angehört. Der Antragstellerin wurde mündlich unter anderem untersagt, Nicotinamidmononukleotid sowie Produkte, die diesen Stoff enthalten, in Verkehr zu bringen.
Mit schriftlichem Anordnungsbescheid vom 19. Februar 2021 bestätigte das Landratsamt … die mündlichen Anordnungen des Lebensmittelkontrolleurs vom 17. Februar 2021 bezüglich der Produkte der Antragstellerin, vertreten durch die Geschäftsführerin, die den Stoff „Nicotinamidmononukleotid“ enthalten, schriftlich (Nr. 1 des Bescheides). Der Antragstellerin wurde unverzüglich mit der mündlichen Anordnung das Inverkehrbringen sämtlicher Produkte, die den Stoff Nicotinamidmononukleotid enthalten, untersagt (Nr. 1.1). Ihr wurde aufgegeben, die in Nr. 1.1 genannten Produkte innerhalb eines Tages nach Erhalt des Bescheides aus dem Internetangebot des Onlineshops https://www.afega-anti-aging-shop.com/de/ sowie weiterer Internetshops wie z.B. Amazon und eBay zu entfernen (Nr. 1.2) sowie innerhalb einer Woche nach Erhalt des Bescheides dem Landratsamt … einen aktuellen Warenbestand (Nr. 1.3.1), das Schreiben an die Wiederverkäufer mit der Information über den Verkaufstopp (Nr. 1.3.2) sowie eine Liste aller mit dem Produkt belieferten Wiederverkäufer mit Kontaktdaten (Nr. 1.3.3) vorzulegen. Die Antragstellerin wurde verpflichtet, das Betreten ihres Grundstücks und die darauf befindlichen Betriebsräume durch die Mitarbeiter des Landratsamtes … – Verbraucherschutz – bzw. hinzugezogene beauftragte Fachpersonen zu dulden und im Falle der Nichtgewährung des Rechts auf Betreten und Untersuchung, die Durchsetzung durch unmittelbaren Zwang angedroht (Nr. 2). Für den Fall eines Verstoßes gegen die in Nr. 1.1 genannte Verpflichtung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR, gegen die Verpflichtung in Nr. 1.2 in Höhe von 1.500,00 EUR sowie gegen die Verpflichtungen in Nrn. 1.3.1, 1.3.2 und 1.3.3 jeweils in Höhe von 500,00 EUR angedroht (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 wurde angeordnet (Nr. 4). Der Antragstellerin wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt (Nr. 5) und eine Gebühr in Höhe von 111,64 EUR sowie Auslagen in Höhe von 3,12 EUR erhoben (Nr. 6).
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Die Anordnung in Nr. 1 beruhe auf Art. 138 Abs. 1 und 2 Buchst. d) der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 i.V.m. § 39 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 LFGB. Danach träfen die zuständigen Behörden bei Verstößen die erforderlichen Maßnahmen, um Ursprung und Umfang des Verstoßes sowie die Verantwortung des Unternehmers zu ermitteln und geeignete Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Verstoß beende und dass er erneute Verstöße dieser Art verhindere. Die mit Gutachten des LGL vom 11. November 2020 festgestellten Beanstandungen verstießen gegen die Verordnung (EU) Nr. 2015/ 2283. Bei dem untersuchten Produkt handele es sich um ein neuartiges Lebensmittel. Nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 dürften nur zugelassene und in der Unionsliste aufgeführte neuartige Lebensmittel nach Maßgabe der in der Liste festgelegten Bedingungen und Kennzeichnungsvorschriften als solche in Verkehr gebracht oder in und auf Lebensmitteln verwendet werden. Ausweislich des Gutachtens des LGL sei dies bei Nicotinamidmononukleotid nicht der Fall. Die Angabe der Geschäftsführerin der Antragstellerin bei der Vor-Ort-Kontrolle, dass es sich um den Vertrieb als Chemikalie handele, müsse entschieden zurückgewiesen werden. Gemäß dem Gutachten des LGL fehlten im Onlineshop jedwede für einen Chemikalienhandel typischen Elemente. Auch die generelle Aufmachung des Onlineshops suggeriere eine Verwendung der Produkte mit Nicotinamidmononukleotid als Nahrungsergänzungsmittel, weshalb es sich bei der Angabe, dass die Produkte lediglich als Chemikalien vertrieben würden, um eine bloße Schutzbehauptung zur Umgehung lebensmittelrechtlicher Vorschriften handele. Bei Produkten mit dem Stoff Nicotinamidmononukleotid handele sich laut LGL generell um neuartige Lebensmittel, unabhängig vom Grad der Reinheit. Aufgrund der vielfältigen Vertriebswege sei die Anordnung der Entfernung sämtlicher Produkte aus den diversen Onlineangeboten geboten. Auskünfte über den Warenbestand seien für die Rückverfolgbarkeit der Produkte und die Überprüfung der Übermittlung der Anordnung an Wiederverkäufer erforderlich. Bezüglich der Begriffsbestimmung für Nahrungsergänzungsmittel werde auf Art. 2 lit. a) der Richtlinie (EG) 2002/46 i.V.m. § 1 Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) verwiesen. In der Gesamtbetrachtung widerspreche die vorgefundene Situation in einigen wesentlichen Punkten den geltenden lebensmittelrechtlichen Vorschriften und könne aus Gründen des Verbraucherschutzes so nicht weiter hingenommen oder toleriert werden. Aufgrund der Art und des Ausmaßes der einzelnen Mängel und Beanstandungen seien die in Nr. 1 getroffenen Anordnungen bei Berücksichtigung pflichtgemäßen Ermessens geboten. Die Anordnungen seien zumutbar und angemessen, da sie den Betroffenen nicht über Gebühr in seinen Rechten beeinträchtigten und der Schutz der Verbraucher nicht durch mildere Maßnahmen gesichert werden könne. Art. 138 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 und § 39 LFGB räumten kein Entschließungssondern lediglich ein Auswahlermessen ein. Die angeordneten Maßnahmen seien geeignet, um zu vermeiden, dass Substanzen bzw. Lebensmittel in den Verkehr gebracht würden, die keine Zulassung nach den geltenden lebensmittelrechtlichen Vorschriften besäßen. Sie seien hierzu auch erforderlich, da ein weiteres Zuwarten, bis die fehlende Zulassung eventuell erteilt werde, den Zielen des Verbraucherschutzes entgegenlaufe. Die Antragstellerin sei auf das Angebot, die Produkte freiwillig vom Markt zu nehmen, nicht eingegangen. Die zeitliche Verzögerung sei auf das teilweise verschleierte Geschäftsgebaren sowie die mehrfache Umgestaltung des Onlineshops zurückzuführen. Gemäß §§ 42, 43 und 44 LFBG dürften Personen, die von der zuständigen Behörde beauftragt seien, zum Zwecke der Nachschau, Überwachung oder Probennahme Grundstücke, Geschäftsräume und Wirtschaftsgebäude des Auskunftspflichtigen betreten. Deshalb sei es erforderlich, geeignet und angemessen, vorsorglich die Duldung der Betretung und der erforderlichen Maßnahmen anzuordnen. Zudem habe sich die Geschäftsführerin der Antragstellerin äußerst unkooperativ gezeigt, weshalb unmittelbarer Zwang anzudrohen gewesen sei. Mildere Zwangsmittel liefen ins Leere und seien nicht erfolgsversprechend. Die Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 des Bescheides stütze sich auf die Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Die sofortige Vollziehung sei gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet worden, da es im besonderen öffentlichen Interesse liege, dass die dem Schutz des Verbrauchers und der menschlichen Gesundheit dienenden lebensmittelrechtlichen Vorschriften für Betriebe, in denen Lebensmittel gewerbsmäßig hergestellt, behandelt oder in Verkehr gebracht würden, ohne Verzögerung durchgesetzt würden. Dem stünden keine gleichwertigen oder gar überwiegenden Interessen der Antragstellerin gegenüber, die im Falle einer mit aufschiebender Wirkung versehenen Anfechtungsklage ein Zuwarten bis zum zeitlich noch nicht absehbaren Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit rechtfertigen könnten.
2. Am 24. Februar 2021 ließ die Antragstellerin im Verfahren W 8 K 21.257 Klage erheben und im vorliegenden Verfahren beantragen,
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Nr. 1 und 2 des Bescheides vom 19. Februar 2021 wird gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wiederhergestellt.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt:
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei formell rechtswidrig und die Interessenabwägung falle zu Gunsten der Antragstellerin aus. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht ordnungsgemäß begründet worden und damit formell rechtswidrig. Der Antragsgegner habe lediglich den Gesetzeswortlaut wiederholt. Er setze das Vorliegen des Tatbestands mit der Erforderlichkeit der Anordnung des Sofortvollzugs gleich, obwohl dieser gesetzlich gerade nicht angeordnet werde. Jedenfalls habe das öffentliche Vollzugsinteresse hinter dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage zurückzutreten, weil der Bescheid rechtswidrig sei. Die Anordnung in Nr. 1.1 gehe weit über die Zuständigkeit des Antragsgegners hinaus und sei zu unbestimmt. Der Antragstellerin werde das Inverkehrbringen sämtlicher Produkte mit dem Bestandteil Nicotinamidmononukleotid untersagt. Dies sei unverhältnismäßig, soweit dies auch für Produkte gelte, in denen der Bestandteil NMN nur in Spuren vorhanden sei. Es handele sich nicht um verbotene Substanzen oder ähnliches. Die Anordnung erfolge ausweislich des Bescheides allein aufgrund der Einstufung als neuartiges Lebensmittel / Nahrungsergänzungsmittel. Eine Einschränkung auf das Inverkehrbringen als Lebensmittel / Nahrungsergänzungsmittel werde in dem Bescheid aber gerade nicht vorgenommen. Nach dem Wortlaut der Anordnung werde auch das Inverkehrbringen als Chemikalie untersagt, wofür der Antragsgegner weder zuständig, noch eine Rechtsgrundlage ersichtlich sei. Die Anordnung sei zudem hinsichtlich der örtlichen Begrenzung wegen Unzuständigkeit rechtswidrig, da das Inverkehrbringen weltweit untersagt werde. Des Weiteren liege ein Verstoß vor, da Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/2283 falsch ausgelegt werde. Die Antragstellerin habe ihre Produkte nicht als neuartiges Lebensmittel gekennzeichnet und in Verkehr gebracht. Dies führe auch der Antragsgegner nicht aus. Vielmehr sei NMN im Sinne der Vorschrift nicht als Lebensmittel in Verkehr gebracht worden. Der Antragsgegner gehe selbst davon aus, dass es sich nur um ein Nahrungsergänzungsmittel handele. Die Anordnung sei auch ermessensfehlerhaft, da als milderes Mittel vorliegend die Kennzeichnung der Produkte als Chemikalie und als nicht zum Verzehr geeignet gewesen in Betracht gekommen sei. Die gesetzte Frist sei im Hinblick auf die lange Bearbeitungszeit des Antragsgegners als unangemessen kurz anzusehen. Die Anordnung der Entfernung aller Produkte aus dem Internetangebot und weiterer Internetangebote in Nr. 1.2 sei insoweit rechtswidrig, als eine Zuständigkeit für das Angebot im nicht-europäischen Raum nicht gegeben sei. Der Antragsgegner stütze sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im Gutachten des LGL vom 11. November 2020, welches auf den Internetauftritt der Antragstellerin Bezug nehme. Die Internetseite entspreche jedoch nicht mehr dem Stand aus November 2020. Die Antragstellerin habe NMN nunmehr als Chemikalie ausgewiesen und klar kommuniziert, dass es nicht zum Verzehr geeignet sei. Die Anordnung sei ebenfalls ermessensfehlerhaft und die Frist zu kurz bemessen. Die Anordnung 1.3 genüge wiederum nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz. Insbesondere aus der Anordnung 1.3.3 sei nicht ersichtlich, welches Produkt überhaupt gemeint sei, denn Produkte würden ja gerade nicht aufgezählt. Die Frist sei zu kurz bemessen. Nr. 1.3.2 sehe die Vorlage eines Schreibens an die Wiederverkäufer vor, ohne dass die Versendung eines solchen Schreibens überhaupt angeordnet gewesen sei. Die Nr. 2 der Anordnung sei schon deshalb viel zu unbestimmt, als dass unklar bleibe, was „hinzugezogene beauftragte Fachpersonen“ beinhalten solle. Zudem sei die Regelung in sich widersprüchlich. Während die Anordnung nur das Betreten beinhalte, werde die Androhung unmittelbaren Zwangs auf das Betreten und Untersuchen gestützt. In die Interessenabwägung sei einzubeziehen, dass NMN nicht als gefährliche Substanz eingestuft worden und damit keine Gefahr für den Verbraucher gegeben sei. Es ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass das Gutachten des LGL bereits vor über drei Monaten erstellt worden und seitdem nichts seitens des Antragsgegners unternommen worden sei. Soweit ausgeführt werde, dass zunächst gegen Herrn … vorgegangen worden sei, sei dies nicht nachvollziehbar. Ganz offensichtlich habe es ein Impressum der Internetseite der gezogenen Probe gegeben, aus dem sich der Verantwortliche ergebe. Es erschließe sich nicht, weshalb hier Verzögerungen eingetreten seien. NMN sei auf dem Markt frei erhältlich und werde von einer Vielzahl von Anbietern in Onlineshops und auf Verkaufsplattformen wie Ebay und Amazon angeboten. Der Antragsgegner habe auch nicht berücksichtigt, dass die Anordnungen zu einem Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 GG (eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb) der Antragstellerin führten.
Mit Schriftsatz vom 2. März 2021, bei Gericht eingegangen am 5. März 2021, beantragte das Landratsamt … für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird unter Bezugnahme auf das Gutachten des LGL vom 11. November 2020 sowie die Begründung des Anordnungsbescheides im Wesentlichen ausgeführt: Das Interesse an der sofortigen Vollziehung sei ausreichend begründet worden. Es sei auf das Gutachten des LGL Bezug genommen und auf den konkreten Verstoß eingegangen worden. Im vorliegenden Fall seien die Gründe für die Anordnung und die Gründe für die sofortige Vollziehung identisch. Bei lebensmittelrechtlichen Anordnungen im Interesse des Verbraucherschutzes falle das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug regelmäßig mit dem Erlassinteresse zusammen. Das Bestehen einer Gesundheitsgefahr sei keine Voraussetzung für die Anordnung des Sofortvollzugs. Im Rahmen der zu treffenden Güterabwägung sei der nicht zu verkennende, auch grundrechtsrelevante Nachteil, den die getroffenen Anordnungen dem Betrieb auferlegten, nicht schwerer zu gewichten als das entgegenstehende öffentliche Interesse. Ohne den Sofortvollzug sei damit zu rechnen, dass die Antragstellerin das streitgegenständliche Produkt unter Negierung der Lebensmitteleigenschaft weiter vertreibe, ohne die einschlägigen lebensmittelrechtlichen Vorschriften beachten zu wollen und sich so womöglich absatzfördernde Vorteile – auch im Vergleich zu anderen Wettbewerbern – zu verschaffen. Im Übrigen sei der Anordnungsbescheid rechtmäßig. Das LGL habe mit Gutachten vom 11. November 2020 festgestellt, dass es sich bei Nicotinamidmononukleotid um ein neuartiges Lebensmittel handele, das noch nicht in der Unionsliste für zugelassene neuartige Lebensmittel aufgeführt sei. Das Inverkehrbringen sei insofern verboten. Weiterhin sei vom LGL ergänzend telefonisch mitgeteilt worden, dass dies unabhängig vom Prozentsatz der Reinheit gelte. Die Anordnung stütze sich auf das Gutachten des LGL, welches zudem die Lebensmitteleigenschaft festgestellt habe, worauf Bezug genommen werde. Auch aufgrund der Vermarktung auf der Homepage sowie weiterer Internetseiten müsse davon ausgegangen werden, dass es sich um ein Lebensmittel und nicht um eine Chemikalie handele. Diesbezüglich sei auch zu berücksichtigen, dass das Produkt zum Zeitpunkt der Probennahme zur sublingualen Verwendung angeboten und zur Verzehrempfehlung angegeben worden sei, man könne es auch in den Joghurt geben. Weiterhin fänden sich in der aktuellen Version der Internetseite der Antragstellerin Links zu der von der … … … betriebenen Facebook-Seite, wo NMN als „Anti-Aging-Produkt“ beworben werde. Das Landratsamt … sei für die Anordnung der Untersagung des Inverkehrbringens zuständig. Sie stütze sich auf EU- bzw. nationales Recht. Weltweite Rechtsvorschriften seien nicht bekannt und würden auch nicht zitiert, sodass hier eine weltweite Untersagung des Produktes weder verfügt worden sei, noch im Raum stehe. Der Antragstellerin sei bekannt gewesen, dass NMN in Europa bislang nicht zugelassen worden sei. Eine Kennzeichnung als Chemikalie komme als milderes Mittel nicht in Betracht, da es sich bei Produkten mit NMN um ein beworbenes Lebensmittel handele. Ferner sei als milderes Mittel angeboten worden, die Produkte freiwillig aus dem Verkehr zu nehmen, was die Antragstellerin abgelehnt habe. Die gesetzte Frist sei angemessen. Dem Betrieb sei spätestens mit der Gutachteneröffnung am 28. Dezember 2020 bewusst gewesen, dass ein nicht zugelassenes Lebensmittel in Verkehr gebracht werde. Zwar sei die Homepage des Online-Shops zwischenzeitlich immer wieder abgeändert worden, jedoch gehe aus der Gesamtaufmachung sowie den Verlinkungen zu Facebook und YouTube und den Rubriken, unter denen die Produkte auf den Plattformen Amazon und eBay vertrieben würden, klar hervor, dass die Produkte weiterhin dazu bestimmt seien, von Menschen aufgenommen zu werden. Ergänzend sei anzumerken, dass das Gutachten bereits am 15. Dezember 2020 aufgrund der im Impressum des Online-Shops gemachten Angaben per E-Mail an Herrn … eröffnet worden und mit Bescheid vom 17. Dezember 2020 schriftliche Anordnungen getroffen worden seien. Herr … sei nach Kenntnissen des Landratsamtes für die Antragstellerin tätig, weshalb bereits von einer früheren Kenntnis des Gutachtens des LGL auszugehen sei. Die Feststellung der Verantwortlichkeit habe sich aufgrund fehlerhafter Angaben im Impressum als schwierig gestaltet, zumal die Geschäftsführerin der Antragstellerin eine Vor-Ort-Kontrolle verweigert habe. Der Bescheid genüge auch dem Bestimmtheitsgrundsatz. So bezögen sich die Anordnungspunkte 1.3.1 bis 1.3.3 auf die Anordnung in Nr. 1.1, weshalb sämtliche Produkte, die den Stoff Nicotinamidmononukleotid enthielten, betroffen seien. Als Lebensmittelunternehmer sei der Betrieb verpflichtet, etwaige Beanstandungen seiner Produkte an Wiederverkäufer (soweit vorhanden) zu übermitteln und habe dafür Sorge zu tragen, dass diese über das Verbot des Inverkehrbringens informiert würden. Die Anordnung der Vorlage des Schreibens an die Wiederverkäufer sei erforderlich, um nachvollziehen zu können, ob diese ausreichend informiert worden seien und um die Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten. § 42 Abs. 2 LFGB lege die Befugnisse der mit der Überwachung beauftragten Personen fest, benenne die Personengruppe jedoch selbst nicht abschließend. Dazu zählten die Beamten der Überwachungsbehörden, denen vielfach Lebensmittelkontrolleure zur Seite stünden. Zu deren Unterstützung würden die (lebensmittel-)chemischen, tierärztlichen und medizinischen Sachverständigen der staatlichen oder kommunalen Untersuchungsanstalten/-ämter herangezogen. Des Weiteren erhielten Polizeibeamte durch diese Regelung Kontrollbefugnisse. Das Recht zum Betreten umfasse auch das Recht, die Örtlichkeiten sowie die Waren und Gegenstände auf dem Grundstück oder in den Räumen zu besichtigen.
3. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Statthaft ist ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO, da die von der Antragstellerin am 24. Februar 2021 im Verfahren W 8 K 21.257 erhobene Klage gegen die mündlichen Anordnungen vom 17. Februar 2021, bestätigt in Nr. 1 des Anordnungsbescheides vom 19. Februar 2021, sowie die Nr. 2 Satz 1 des Anordnungsbescheides aufgrund der angeordneten sofortigen Vollziehung wegen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung hat. Die Nr. 2 Satz 2 des Bescheides ist kraft Gesetzes gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG sofort vollziehbar.
Der Antrag ist unbegründet, da die vom Landratsamt Würzburg bei der Kontrolle am 17. Februar 2021 und im Bescheid vom 19. Februar 2021 bestätigten bzw. getroffenen Anordnungen bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen, aber auch ausreichenden, summarischen Prüfung voraussichtlich rechtmäßig sind und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog). Das Gericht verweist insoweit zunächst auf die bei überschlägiger Prüfung zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids (§ 117 Abs. 5 VwGO analog) und sieht von einer nochmaligen Darstellung ab. Darüber hinaus fällt auch eine reine Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus, da das öffentliche Interesse am Vollzug des Bescheides ihr privates Interesse an der Aussetzung der Vollziehung überwiegt.
Im Einzelnen:
1. Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Falle des § 80 Abs. 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind und trifft im Übrigen eine eigene Abwägungsentscheidung. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung der Antragstellerin auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei sind an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist gleichwohl eine auf den konkreten Einzelfall abstellende, nicht lediglich formelhafte Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 80 Rn. 85 m.w.N.)
Gemessen hieran hat der Antrag keinen Erfolg:
a.) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist im vorliegenden Fall knapp aber noch im ausreichenden Maße schriftlich begründet worden. Maßgebend ist, dass der Antragsgegner mit seiner Begründung in hinreichender Weise zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Anordnung des Sofortvollzugs wegen der besonderen Situation im Einzelfall für unverzichtbar hält. Ausreichend ist jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalles eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind. Je nach Fallgestaltung können die Gründe für die sofortige Vollziehung auch ganz oder teilweise mit den Gründen für den Erlass des Verwaltungsaktes identisch sein. Der Antragsgegner hat im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt, dass es im besonderen öffentlichen Interesse liege, dass die dem Schutz des Verbrauchers und der menschlichen Gesundheit dienenden Vorschriften für Betriebe, in denen Lebensmittel gewerbsmäßig hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht würden, ohne Verzögerung durchgesetzt werden müssten. Er hat dem auch die Interessen der Antragstellerin gegenübergestellt und sie nicht als gleichwertig oder gar überwiegend bewertet, so dass sie im Falle einer mit aufschiebender Wirkung versehene Anfechtungsklage ein Zuwarten bis zum zeitlich noch nicht absehbaren Eintritt der Unanfechtbarkeit rechtfertigen könnten. Daraus wird deutlich, dass sich der Antragsgegner die besondere Rechtfertigungsbedürftigkeit des Sofortvollzugs bewusstgemacht hat. Damit ist die Forderung, die besonderen auf den konkreten Fall bezogenen Gründe für die Anordnung des Sofortvollzugs anzugeben, auch mit Blick darauf, dass die hier zur Begründung des Verwaltungsaktes angestrebte Erwägung zugleich für die Dringlichkeit der Vollziehung sprechen, Rechnung getragen. Denn bei lebensmittelrechtlichen Anordnungen im Interesse des Verbraucherschutzes fällt das öffentliche Interesse an einem Sofortvollzug (Vollzugsinteresse) regelmäßig mit dem Erlassinteresse zusammen. Ob von dem betreffenden Stoff eine Gesundheitsgefahr ausgeht, ist für die Anordnung des Sofortvollzugs keine zwingende Voraussetzung. Die weitere Frage, ob die vom Antragsgegner angeführte Begründung die Anordnung des Sofortvollzugs in der Sache trägt, ist eine Frage der inhaltlichen Richtigkeit und damit des materiellen Rechts BayVGH, Be.v. 25.9.2020 – 23 CS 20.1928, 23 CS 20.1931, 23 CS 20.1935 – jeweils juris; OVG SH, B.v. 5.6.2019 – 4 MB 42/19 – juris; NdsOVG, B.v. 29.11.2017 – 11 ME 268/17 – RdL 2018, 80; OVG LSA, B.v. 27.10.2017 – 3 M 240/17 – LKV 2018, 80).
b.) Eine summarische Prüfung, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geboten, aber auch ausreichend ist, ergibt, dass der Rechtsbehelf der Antragstellerin in der Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Die getroffenen Regelungen sind rechtmäßig und verletzen die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog). Unabhängig davon ist ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung zu erkennen.
Abzustellen ist hinsichtlich der Nr. 1 des Anordnungsbescheides vom 19. Februar 2021 auf die mündlichen Anordnungen bei der am 17. Februar 2021 durchgeführten Kontrolle. Diese werden in Nr. 1 des Anordnungsbescheides schriftlich bestätigt. Die schriftliche Bestätigung (vgl. Art. 37 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG) stellt für sich genommen keinen neuen Erlass oder eine Wiederholung eines Verwaltungsakts dar, sondern dient als schlichthoheitliche Maßnahme lediglich Beweiszwecken, wenn die schriftliche Bestätigung nicht wesentlich vom Inhalt des ursprünglichen Verwaltungsaktes abweicht (vgl. Tiedemann in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, 50. Edition, Stand: 1.1.2021, § 37 Rn. 37 f.; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 37 Rn. 23). Weicht die schriftliche Bestätigung inhaltlich wesentlich vom Inhalt des ursprünglichen Verwaltungsaktes ab, kommt es darauf an, ob das Schriftstück dennoch eindeutig eine bloße Bestätigung sein soll oder nicht. Gegebenenfalls handelt es sich um eine falsche Bestätigung, die ohne Weiteres durch eine richtige ersetzt werden kann. Es kommt aber auch die Möglichkeit in Betracht, dass es sich um einen neuen Verwaltungsakt handelt.
Ausweislich des Aktenvermerks zur Vor-Ort-Kontrolle am 17. Februar 2021 (Bl. 253 ff. der Behördenakte) wurden in den Räumlichkeiten in … NMN-Produkte aufgefunden und deren Inverkehrbringen sowie sämtlicher Produkte, die NMN enthalten, mündlich untersagt. Diese Anordnung ist bei summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).
Rechtsgrundlage des lebensmittelrechtlichen Inverkehrbringungsverbots in Nr. 1.1 des streitgegenständlichen Bescheids und für die Anordnung des Entfernens der streitgegenständlichen Produkte aus dem Internetangebot der Antragstellerin sowie anderer Onlineshops in Nr. 1.2 des streitgegenständlichen Bescheids ist Art. 138 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) und Abs. 2 Buchst. d) der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 vom 15. März 2017 (ABl. L 95/1) i.V.m. Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 327/1). Danach ergreifen die zuständigen Behörden, wenn sie einen Verstoß gegen das Lebensmittelrecht festgestellt haben, geeignete Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Verstoß beendet und dass er erneute Verstöße dieser Art verhindert. Bei der Entscheidung über die zu ergreifenden Maßnahmen berücksichtigen die zuständigen Behörden die Art des Verstoßes und das bisherige Verhalten des betreffenden Unternehmers in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften, Art. 138 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625. Die zuständigen Behörden ergreifen alle ihnen geeignet erscheinenden Maßnahmen, um die Einhaltung der Vorschriften gemäß Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 zu gewährleisten, Art. 138 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625. Zu diesen Maßnahmen gehört nach Art. 138 Abs. 2 Buchst. d) der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 auch die Untersagung des Inverkehrbringens von Waren.
Bei der in Nr. 1.2 des streitgegenständlichen Bescheids angeordneten Entfernung der betreffenden Produkte aus dem Internetangebot handelt es sich ebenfalls um eine geeignete Maßnahme im Sinne des Art. 138 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625, auch wenn diese in der Vorschrift nicht ausdrücklich genannt ist. Denn die Aufzählung der geeigneten Maßnahmen in Art. 138 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 ist nicht abschließend (vgl. Satz 1 Halbsatz 2: „dazu gehören, jedoch nicht ausschließlich, die folgenden Maßnahmen: …“). Zudem gelten nach Art. 138 Abs. 2 Buchst. g) der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 auch die Anordnung der Beseitigung von Waren und nach Buchst. i) die Anordnung der Aussetzung (eines Teils) der Tätigkeiten des betreffenden Unternehmers sowie gegebenenfalls der Abschaltung der von dem Unternehmer betriebenen oder genutzten Internetseiten als geeignete Maßnahmen, so dass die Entfernung der Produkte aus dem Internetangebot als „Minus“ – auch schon im Verhältnis zum Inverkehrbringungsverbot – als sonstige geeignete Maßnahmen im Sinne des Art. 138 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 anzusehen sind. Unter den Begriff „Waren“ fallen auch Lebensmittel, vgl. Art. 3 Nr. 11 i.V.m. Art. 1 Abs. 2 Buchst. a) der Verordnung (EU) Nr. 2017/625.
Als unmittelbar in allen Mitgliedstaaten geltendes EU-Recht hat Art. 138 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 in seinem Anwendungsbereich Vorrang vor nationalem Recht. Insoweit ist daher § 39 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs – LFGB – als Eingriffsgrundlage des nationalen Rechts unanwendbar (vgl. zu Art. 54 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004, welche durch Art. 146 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 mit Wirkung zum 14. Dezember 2019 aufgehoben wurde: OVG NW, B.v. 26.11.2014 – 13 B 1250/14 – juris Rn. 10 ff; VGH BW, U.v. 16.6.2014 – 9 S 1273/13 – juris Rn. 22 ff; OVG HH, B.v. 5.9.2009 – 5 Bs 139/11 – juris; VG Berlin, U.v. 14.3.2018 – 14 K 328.16 – juris Rn. 22; VG Würzburg, B.v. 27.7.2018 – W S 18.904 – juris; Zipfel/ Rathke, Lebensmittelrecht, § 39 LFGB Rn. 10 f.; differenzierend OVG Lüneburg, B.v. 12.12.2019 – 13 ME 320/19 – juris Rn. 42). Der Umstand, dass der Antragsgegner die in Rede stehende Verbotsverfügung auch auf § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB gestützt hat, ist rechtlich gleichwohl unschädlich, denn das Auswechseln der Rechtsgrundlage ist hier zulässig (Art. 47 BayVwVfG). Wegen der identischen Zielrichtung, strukturellen Vergleichbarkeit sowie des Gleichlaufs von Befugnisrahmen und Rechtsfolgen lässt der Austausch von § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB gegen Art. 138 Abs. 1 und 2 Buchst. d) der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 den Regelungsgehalt (Tenor) der Grundverfügung unberührt und sind zur Begründung auch keine wesentlich anderen oder zusätzlichen Erwägungen erforderlich (vgl. zu Art. 54 Abs. 1 und 2 Buchst. b) der Verordnung (EG) Nr. 882/2004: VG Hannover, B.v. 18.11.2019 – 15 B 3035/19 – juris; VG Würzburg, B.v. 27.7.2018 – W S 18.904 – juris).
Die Voraussetzungen für das Inverkehrbringungsverbot und die Anordnung der Entfernung von NMN aus dem Internetangebot der Antragstellerin liegen bei summarischer Prüfung vor. Bei NMN – wie es von der Antragstellerin vertrieben und angeboten wird -, handelt es sich um ein neuartiges Lebensmittel im Sinne der Verordnung (EU) 2015/2283 (Novel-Food Verordnung).
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin stellt NMN ein Lebensmittel im Sinne des Art. 2 der Verordnung (EU) Nr. 178/2002 dar, wie der Antragsgegner im streitgegenständlichen Bescheid unter Bezugnahme auf das Gutachten des LGL vom 11. November 2020 bereits zutreffend ausgeführt hat.
Danach sind Lebensmittel alle Stoffe, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Der Begriff des Lebensmittels ist dem Schutzzweck des Gesetzes entsprechend weit auszulegen. Erfasst werden alle Stoffe, die dazu bestimmt sind, verzehrt zu werden, auch wenn daneben noch ein anderer Verwendungszweck möglich ist. Ein generell zum Verzehr bestimmter Stoff hört erst dann auf, Lebensmittel zu sein, wenn ein anderer Verwendungszweck eindeutig feststeht und erkennbar ist. Eine bloß abweichende Bezeichnung genügt dafür nicht (vgl. Rohnfelder/Freytag in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Werkstand 233. EL Oktober 2020, § 2 LFBG Rn. 7 ff.). Die primär subjektive Zweckbestimmung durch den verantwortlichen Lebensmittelunternehmer wird durch die nach objektiver Auffassung zu bestimmende Frage, ob die Aufnahme des betroffenen Stoffes vernünftigerweise erwartet werden kann, korrigiert (vgl. Meisterernst, Lebensmittelrecht, 1. Aufl. 2019, § 4 Rn. 5). An die Erkennbarkeit einer Zweckänderung sind strenge Anforderungen zu stellen. Zwar sind beispielsweise Spielwaren sowie Scherzartikel zunächst keine Lebensmittel (vgl. § 2 Abs. 6 Nr. 5 LFGB). Etwas anderes gilt, wenn ihre Verzehrbestimmung – Verzehr durch Menschen – nicht aufgehoben ist, wie etwa bei Scherzpralinen (mit Essig gefüllt), mit Senf gefüllte Krapfen an Fasching, Schokoladenzigaretten sowie Schokoladentäfelchen, Zuckerwaren, Backwaren, Süßigkeiten in Wein- und Spirituosenfläschchen, die für den Spielzeugkaufladen vertrieben werden. Derartige Produkte haben neben ihrer Funktion als Scherzartikel oder Spielwaren gleichzeitig die Lebensmitteleigenschaft. Sie haben eine Doppelfunktion (vgl. zum Ganzen Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 177. EL Juli 2020, § 2 Basisverordnung Rn. 23 f., 26 f., Boch, LFGB, 8. Online-Aufl. 2019, § 2 Rn. 3 f.). Nahrungsergänzungsmittel unterfallen den Lebensmitteln. Nach § 1 Abs. 1 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) ist ein Nahrungsergänzungsmittel ein Lebensmittel, das dazu bestimmt ist, die allgemeine Ernährung zu ergänzen (Nr. 1), ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in Zusammensetzung darstellt und (Nr. 2) in dosierter Form, insbesondere in Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen, in den Verkehr gebracht wird (Nr. 3).
Entsprechend der Definition des Lebensmittels ist davon auszugehen, dass das streitgegenständliche Produkt NMN, auch als Nahrungsergänzungsmittel im Sinne von § 1 Abs. 1 NemV, nach vernünftigem Ermessen erwartungsgemäß von Menschen aufgenommen wird und dass der Verzehr und die Aufnahme durch andere Menschen auch weiterhin von der Antragstellerin intendiert ist. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung, ob es sich bei NMN um ein Lebensmittel handelt, ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Denn bei der Untersagung des Inverkehrbringens eines Lebensmittels handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt, der während seiner gesamten Wirkungsdauer rechtmäßig sein muss, weshalb sich der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in Ermangelung abweichender spezieller Regelungen im Lebensmittelrecht zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bestimmt (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 3 C 7.14 – juris Rn. 10; VGH BW, U.v. 16.6.2014 – 9 S 1273/13 – juris Rn. 2; VG Karlsruhe, U.v. 15.10.2020 – 3 K 2148/19 – juris Rn. 42; VG Hannover, U.v. 15.1.2020 – 15 A 819/18 – juris Rn. 18).
Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung handelt es sich bei NMN um ein Lebensmittel im Sinne obiger Definition. Ausgehend vom Zeitpunkt der Probenahme durch das LGL und des Gutachtens vom 11. November 2020 war zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der Aufmachung des Internetauftritts der Antragstellerin ohne weiteres davon auszugehen, dass das streitgegenständliche Produkt NMN zum Verzehr durch Menschen bestimmt ist und ein solcher nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann. Wie das LGL in seinem Gutachten ausführt, sei das Produkt zur sublingualen Verwendung und damit zur oralen Aufnahme durch den Menschen bestimmt gewesen und so angeboten worden. Auch der weitere Verweis im Rahmen der Dosierempfehlung, welche die Antragstellerin nicht als solche verstanden wissen will, dass NMN beispielsweise dem Jogurt beigemischt werden könne und auch die konkret gemachten Mengenangaben sprechen für die Eigenschaft als Lebensmittel. Die insoweit vorgenommene Formulierung – unter Verweis auf Prof. Sinclair und die Mitarbeiter der … … … – stellen bei verständiger Würdigung in der Sache gerade eine Verzehr- bzw. Dosierempfehlung dar. Dass lediglich der Konsum durch andere Personen beschrieben wird, führt zu keiner abweichenden Sichtweise. Denn die gemachten Angaben sollen eine Verzehr- bzw. Dosierempfehlung darstellen. Die Formulierung wurde durch die Antragstellerin im Wissen um die Nichtzulassung von NMN als Lebensmittel gewählt („Wir dürfen Ihnen keine Dosierempfehlungen geben. Würden wir Dosierempfehlungen geben, könnte das als ein Indiz gewertet werden, dass wir ein Nahrungsergänzungsmittel vertreiben, und NMN ist nicht als Nahrungsergänzungsmittel zugelassen.“) und stellt mithin den Versuch einer Umgehung lebensmittelrechtlicher Vorschriften dar, der an der Einordnung von NMN als Lebensmittel nichts zu ändern vermag.
Bei dieser Einschätzung verbleibt es, auch wenn die Antragstellerin im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt ihren Internetauftritt nunmehr geändert hat und die oben genannte Verzehrempfehlung dort nicht mehr zu finden ist und die Antragstellerin sich auf den Standpunkt stellt, sie vertreibe NMN als Chemikalie. Ein etwaiges Wohlverhalten der Antragstellerin unter dem Eindruck eines laufenden Verwaltungs- und Strafverfahren (vgl. Bl. 218 f. der Behördenakte) führt zunächst nicht ohne weiteres zu der Annahme, dass die Antragstellerin nunmehr gewillt ist, die lebensmittelrechtlichen Vorschriften zu beachten und das Inverkehrbringungsverbot aus diesem Grund ggf. rechtswidrig wäre (vgl. zur vergleichbaren Thematik im Gewerberecht etwa BayVGH, B.v. 24.1.2013 – 22 ZB 12.2778 – juris Rn. 7 m.w.N.; allgemein Brüning in BeckOK, GewO, 52. Edition, Stand: 1.3.2020, § 35 Rn. 21).
Auch aus dem aktuellen Internetauftritt der Antragstellerin, welcher insbesondere ausführlich das vorgerichtliche Verfahren mit dem LGL und dem Landratsamt … dokumentiert (… zuletzt abgerufen am 9.3.2021) ist zu entnehmen, dass es sich bei NMN im Ergebnis um ein Produkt handelt, welches dazu bestimmt ist, von Menschen aufgenommen und verzehrt zu werden. Dort heißt es ausdrücklich:
„Es sei allerdings die Frage erlaubt, mit welchem Recht irgendeine Behörde es in einem Rechtsstaat wagen kann, Menschen zu verbieten, Chemikalien, die nicht als gefährlich eingestuft worden sind und deren Verkauf daher keinen Beschränkungen unterliegt, zu konsumieren, wenn sie das wollen !“
… … … … …
Es verbleibt damit bei der Einschätzung des Antragsgegners, welcher sich zulässigerweise auf das Gutachten des LGL stützt (BayVGH, B.v. 13.11.2014 – 20 CS 14.2022 – juris; VG Würzburg, B.v. 10.2.2021 – W 8 S 21.117), dass NMN ein Lebensmittel im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 178/2002 darstellt. Unter der Gesamtbetrachtung der Zweckbestimmung der Kennzeichnung, Aufmachung, Vermarktung und Werbung und augenscheinlich auch der Intention der Antragstellerin soll das Produkt offenkundig weiterhin von Menschen erworben und aufgenommen werden, so dass die Lebensmitteleigenschaft zu bejahen ist.
Die bloße Bezeichnung als Chemikalie führt zu keinem anderen Ergebnis. Hierzu ist anzumerken, dass der Vertrieb von Chemikalien insbesondere diversen Einstufungs-, Kennzeichnungs- und Verpackungspflichten, sowohl nach nationalem (vgl. § 13 ChemG) als auch nach europäischem Recht (vgl. etwa Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008) unterliegt. Dass die Antragstellerin NMN nunmehr auf Grundlage dieser Vorschriften als eine Chemikalie vertreibt, bei der im Übrigen sichergestellt ist, dass es durch gewisse Vorkehrungen keinesfalls zum Verzehr durch den Menschen kommt, etwa durch Weglassen verwendungsbezogener Angaben und der Verzehrempfehlung für Menschen sowie weiterer lebensmitteltypischer Kennzeichnungselemente (gegebenenfalls ersetzt durch chemikalienrechtliche Kennzeichnungen) oder andere eindeutige Maßnahmen, um den Lebensmittelcharakter auszuschließen, ist für das Gericht im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt bei summarischer Prüfung nicht zu erkennen. Dies kann etwa durch äußere Umstände (z.B. Darreichung in Futtereimern) oder durch stoffliche Veränderung (z.B. Vergällen, Beizen) geschehen. Entscheidend ist, dass ein Unbeteiligter den Charakter als Lebensmittel, insbesondere auch als Nahrungsergänzungsmittel, unschwer ausscheiden kann (Wehlau, LFGB, 2010, § 5 Rn. 56; VG Würzburg, B.v. 10.2.2021 – W 8 S 21.117 – BeckRS 2021, 2891 Rn. 29). Ein zum Verzehr durch Menschen bestimmter Stoff hört erst dann auf, ein Lebensmittel zu sein, wenn eindeutig erkennbar und zweifelsfrei feststeht, dass der Stoff nicht (mehr) zum menschlichen Verzehr bestimmt ist. Die Möglichkeit, den Stoff noch zum Essen oder Trinken zu verwenden, muss – anders als hier – ausgeschlossen sein. Nicht ausreichend ist hierfür die von der Antragstellerin angedachte Vorgehensweise, NMN als Chemikalie zu bezeichnen und so zu vertreiben. Andernfalls könnten allein durch eine vom Lebensmittelunternehmer vorgenommene Bezeichnung bei ansonsten gleichbleibender Eigenschaft des jeweiligen Produktes, lebensmittelrechtliche Vorschriften, gerade aus dem „Novel-Food-Bereich“ ohne weiteres umgangen werden. Das Gericht merkt an, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass bei entsprechender Veränderung der Aufmachung des Produkts die Lebensmitteleigenschaft verloren geht. Vorliegend braucht aber nicht abschließend entschieden zu werden, wann dieser Punkt erreicht wird, wann also eindeutig und zweifelsfrei feststeht, dass der Stoff nicht zum menschlichen Verzehr bestimmt ist und die Möglichkeit, dass ein Mensch den Stoff doch zum Essen oder Trinken verwendet, ausgeschlossen ist.
Das Gericht hat jedenfalls bei summarischer Prüfung keine Zweifel, dass es sich bei dem von der Antragstellerin vertriebenen NMN um ein Lebensmittel handelt und dieses trotz der Bezeichnung als Chemikalie weiter als Lebensmittel zu behandeln ist. Der insoweit beweisbelastete Antragsgegner (vgl. BayVGH, B.v. 2.4.2020 – 20 CE 20.286 – juris Rn. 9) hat sich bei seiner eigenen Beurteilung in nicht zu beanstandender Weise auf das Gutachten des LGL vom 11. November 2020 gestützt und an seiner Einschätzung in der Begründung des Anordnungsbescheides sowie der Antragserwiderung nachvollziehbar anhand der aktuellen Gegebenheiten festgehalten. Die Antragstellerin hat insoweit nicht substantiiert vorgebracht, weshalb es sich bei NMN nicht um ein Lebensmittel handelt geschweige denn dies in hinreichender Form glaubhaft gemacht. Es wird vielmehr lediglich pauschal vorgebracht, bei NMN handele es sich um eine Chemikalie, was aber nach obigen Ausführungen gerade nicht ausreicht, um die Lebensmitteleigenschaft für NMN zu widerlegen.
Als solches ist NMN in der Europäischen Union neuartig im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a, Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/2283. Danach dürfen nur zugelassene und in der Unionsliste aufgeführte neuartige Lebensmittel nach Maßgabe der in der Liste festgelegten Bedingungen und Kennzeichnungsvorschriften als solche in den Verkehr gebracht oder in und auf Lebensmitteln verwendet werden. Nach der Definition in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) der Verordnung (EU) 2015/2283 ist ein Lebensmittel neuartig, wenn es vor dem 15. Mai 1997 in der Union nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurde und in mindestens eine der in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) Unterabs. i) bis x) der Verordnung (EU) 2015/2283 genannten Kategorien fällt. Die Neuartigkeit eines Lebensmittels muss anhand aller Merkmale dieses Lebensmittels und des hierfür verwendeten Herstellungsvorgangs beurteilt werden (vgl. EuGH, U.v. 15.1.2009 – C-383/07 – juris Rn. 26 f.). Die Neuartigkeit ist produktbezogen zu prüfen. Der Begriff „in nennenswertem Umfang“ darf außerdem nicht nur quantitativ gesehen werden. Eine andere Auslegung würde dazu führen, dass nur von der Mehrheit der Verbraucher verzehrte Produkte kein Novel Food darstellen (VG Cottbus, B.v. 8.1.2020 – 3 L 230/19 – juris Rn. 18; BayVGH, U.v. 12.5.2009 – 9 B 09.199 – juris Rn. 18).
Maßgebliche Indizwirkung für die Annahme eines neuartigen Lebensmittels kommt dem sogenannten Novel-Food-Katalog der Europäischen Kommission zu, auch wenn dieser als solcher keine rechtliche Bindungswirkung entfaltet (BGH, U.v. 16.4.2015 – I ZR 27/14 – juris Rn. 33; VG Hannover, B.v. 18.11.2019 – 15 B 3035/19 – juris Rn. 26). In die Einträge des Katalogs, der von einer Arbeitsgruppe der Europäischen Gemeinschaft als Orientierungshilfe im Hinblick auf die VO (EG) Nr. 258/97 erarbeitet wurde, fließen die Erkenntnisse der Europäischen Kommission sowie der für neuartige Lebensmittel zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten ein. Nach Art. 6 Abs. 1 der VO (EU) 2015/2283 ist die Europäische Kommission verpflichtet, den Katalog auf dem neuesten Stand zu halten (VG Cottbus, B.v. 8.1.2020 – 3 L 230/19 – juris Rn. 19).
Gemessen hieran ist das streitgegenständliche Produkt als neuartiges Lebensmittel zu klassifizieren. NMN findet sich, wie vom LGL im Gutachten vom 11. November 2020 ausgeführt, nicht auf der Unionsliste zugelassener neuartiger Lebensmittel bzw. im Novel-Food-Katalog. Gegenteilige Anhaltspunkte für eine Bewertung der streitgegenständlichen Lebensmittel als nicht neuartig im Sinne der Novel-Food-Verordnung bestehen auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Antragstellerin bei summarischer Prüfung nicht. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein Lebensmittel oder eine Lebensmittelzutat nicht neuartig ist, trägt der Lebensmittelunternehmer, der das Lebensmittel oder die Lebensmittelzutat in Verkehr bringt oder bringen will (VGH BW, B.v. 8.2.2021 – 9 S 3951/20 – juris Rn. 16; B.v. 16.10.2019 – 9 S 535/19 – juris Rn. 16; NdsOVG, B.v. 12.12.2019 – 13 ME 320/19 – juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 12.5.2009 – 9 B 09.199 – juris Rn. 19 ff.; VG Würzburg, U.v. 13.7.2020 – W 8 K 20.161 – juris Rn. 41).
Die Antragstellerin ist der nachvollziehbaren Einschätzung des Antragsgegners, gestützt auf das Gutachten des LGL, dass es sich bei NMN um ein neuartiges Lebensmittel handelt, nicht substantiiert entgegengetreten. Ein Verzehr in der Europäischen Union im nennenswerten Umfang vor dem Stichtag des 15. Mai 1997 wurde nicht ansatzweise glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin bestreitet letztlich nicht, dass NMN als Lebensmittel neuartig im obigen Sinne ist, was sich auch aus dem Internetauftritt der Antragstellerin ergibt, die selbst einräumt, dass NMN als Nahrungsergänzungsmittel noch nicht zugelassen ist (…; zuletzt abgerufen am 9.3.2021). Vielmehr zieht sich die Antragstellerin auf das Vorbringen zurück, NMN werde von ihr als Chemikalie vertrieben, was nach Vorstehendem aber nicht durchdringt.
Die Eingriffsvoraussetzungen nach Art. 138 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 liegen somit vor, denn das Inverkehrbringen der streitgegenständlichen Produkte verstößt, wie vorstehend erörtert, gegen die Verordnung (EU) 2015/2283. Nach der Feststellung dieses Verstoßes war die zuständige Behörde unionsrechtlich zum Einschreiten verpflichtet. Das Gericht hat bei summarischer Prüfung dabei keine durchgreifenden Bedenken gegen die Anordnung des Inverkehrbringungsverbotes in seiner konkreten Form. Dieses ist hinreichend bestimmt und auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Das Verbot des Inverkehrbringens sämtlicher Produkte, die den Stoff NMN enthalten, lässt ohne weiteres erkennen, auf welche von der Antragstellerin vertriebenen Produkte es sich bezieht. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin bezieht sich das Verbot gerade nicht auf das ordnungsgemäße Inverkehrbringen als Chemikalie, welches wie dargestellt nicht durch eine bloße Bezeichnung als solche erfolgen kann, sondern als Lebensmittel, wie von der Antragstellerin bislang vorgenommen, wobei es nach Einschätzung des LGL nicht auf den Reinheitsgrad des NMN ankommt. Insoweit ist das Verbot von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Es knüpft zudem an das Inverkehrbringen von NMN und Produkten, die NMN enthalten, an. Inverkehrbringen meint gemäß der Begriffsdefinition aus Art. 3 Nr. 8 der Verordnung (EG) 178/2002, welche im Novel-Food-Bereich nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2015/2283 gleichermaßen Anwendung findet, das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst. Das Bereithalten von Lebensmitteln zum Verkauf setzt nur den Besitz eines Lebensmittels mit der inneren Absicht des Verkaufs voraus, ohne dass diese bereits nach außen durch Art und Ort der Verwahrung oder durch Angebote erkennbar ist. Die Ware muss sich im verkaufsfertigen Zustand befinden und der Herstellungsprozess muss abgeschlossen sein (Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Werkstand: 177. EL, Juli 2020, Art. 3 EG-Lebensmittel-Basisverordnung, Rn. 43 m.w.N.). Nach dieser Begriffsbestimmung hat die Antragstellerin NMN im Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes … zum Verkauf bereitgehalten und in Verkehr gebracht. Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/2283 knüpft an das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel an. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, wenn der Antragsgegner das Inverkehrbringen von NMN als Lebensmittel generell untersagt, ohne dass es darauf ankommt, dass dieses gegebenenfalls über das Internet von der Antragstellerin auch außerhalb der EU verkauft wird.
Die hier erfolgte Untersagung des Inverkehrbringens der streitgegenständlichen Produkte sowie die Anordnung ihrer Sperrung und ihres Entfernens aus dem Internetangebot gehören dabei zu den nach Art. 138 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 zulässigen Maßnahmen. Die Anordnungen waren und sind auch erforderlich und geeignet, um sicherzustellen, dass die von der Antragstellerin begangenen Verstöße gegen das Lebensmittelrecht beendet werden. Insbesondere in Ansehung des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 2 der VO (EU) 2015/2283 ist ein gleich geeignetes, milderes Mittel nicht erkennbar. Ein solches ist insbesondere nicht im Vertrieb als Chemikalie in der von der Antragstellerin angedachten Form zu sehen. Wie oben näher ausgeführt, genügt die bloße Angabe, dass es sich bei NMN um eine Chemikalie handele ohne weitere Maßnahmen zur Vermeidung eines tatsächlichen Verzehrs durch Menschen, nicht. Dass die Antragstellerin entsprechende Maßnahmen zeitnah getroffen hat bzw. hätte treffen können, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, weshalb das Inverkehrbringungsverbot nicht als ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig erscheint. Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG der Antragstellerin ist durch vernünftige Allgemeinwohlerwägungen, wie etwa den Verbraucherschutz und die Lebensmittelsicherheit, gerechtfertigt. Ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) erscheint nicht ohne weiteres gegeben, da nicht konkret vorgetragen oder anderweitig erkennbar ist, inwieweit in wesensmäßige Funktionsabläufe des betrieblichen Organismus und das Recht des Eigentümers, von dem Gewerbebetrieb als der von ihm aufgebauten und aufrechterhaltenen Organisation sachlicher und persönlicher Mittel bestimmungsgemäß Gebrauch zu machen, eingegriffen wird. Der bloße Einfluss einer Anordnung auf die Gestaltung eines einzigen Produktes, ohne dass dies zur Erdrosselung des Betriebs führt, reicht hierfür nicht aus (BVerfG, B.v. 29.7.1991 – 1 BvR 868/90 – DVBl 1991, 1253 f.).
Die erfolgte Fristsetzung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Geht man vom allgemeinen Begriffsverständnis von „unverzüglich“ als „ohne schuldhaftes Zögern“ (vgl. Rechtsgedanke des § 121 Abs. 1 BGB) aus, ist die mündliche angeordnete Frist für das Verbot des Inverkehrbringens von NMN bestimmt und im Übrigen rechtsfehlerfrei. Dies gilt auch für die Frist von einem Tag ab Erhalt des Anordnungsbescheides für die Entfernung der NMN-Produkte aus dem Internet in Nr. 1.2 des Anordnungsbescheides. Es ist nicht erkennbar, dass die gesetzten Fristen für die Antragstellerin auch vor dem Hintergrund des Ablaufs des Verwaltungsverfahrens unangemessen kurz wären. Das LGL-Gutachten wurde der Antragstellerin mit Schreiben vom 28. Dezember 2020 eröffnet, weshalb dieser jedenfalls ab diesem Zeitpunkt bekannt war, dass ein Verwaltungsverfahren ihr gegenüber eröffnet wurde. Insoweit erscheint es für das Gericht nicht nachvollziehbar, inwiefern die Bearbeitungszeit des Antragsgegners eine abweichende Fristsetzung rechtfertigen würde. Konkreter Vortrag, etwa weshalb es der Antragstellerin unmöglich oder unzumutbar sein sollte, den Anordnungen innerhalb der Frist nachzukommen, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich geschweige denn glaubhaft gemacht. Nicht von Relevanz für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anordnungen aus Nr. 1.1 und Nr. 1.2 des Anordnungsbescheides ist, dass NMN von anderen Lebensmittelunternehmern weiterhin im Internet vertrieben wird. Die Antragstellerin kann sich nicht auf ein Nichteinschreiten des Antragsgegners berufen, weil andere Behörden (bislang) keine entsprechenden Anordnungen getroffen haben. Eine Gleichbehandlung im Unrecht kann die Antragstellerin nicht für sich beanspruchen.
Nicht zu beanstanden sind weiter die Anordnungen aus Nr. 1.3 des Anordnungsbescheides. Insoweit kann auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).
Ergänzend ist auszuführen, dass das Gericht keine durchgreifenden Bedenken gegen die Bestimmtheit der Anordnung hat. Für eine hinreichende Bestimmtheit einer Regelung ist es nicht erforderlich, dass sich der Inhalt eines Verwaltungsaktes allein aus dem Anordnungssatz präzise ergibt. Zur Auslegung des Regelungsgehalts ist vor allem die dem Verwaltungsakt beigefügte Begründung heranzuziehen. Zulässig sind auch Bezugnahmen im Verwaltungsakt auf den Beteiligten bekannte und ihnen vorliegende oder jederzeit zugängliche Unterlagen. Es genügt, dass aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts und aus dem Zusammenhang, vor allem aus der von der Behörde gegebenen Begründung des Verwaltungsakts, aus den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Erlasses usw. im Wege einer an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 37 Rn. 6 f., 12). Insoweit kann neben der mündlichen Anordnung ergänzend auch die schriftliche Begründung im Anordnungsbescheid vom 19. Februar 2021 herangezogen werden. In Zusammenschau mit der Begründung ergibt sich für das Gericht eindeutig, dass sich die Nr. 1.3 insgesamt auf die in Nr. 1.1 genannten Produkte bezieht und nicht etwa allein auf das als Planprobe bei der Antragstellerin gezogene Produkt. Dies entspricht erkennbar Sinn und Zweck der Anordnung und dem Willen des Antragsgegners, was dieser in der Antragserwiderung nochmals klargestellt hat.
Wenn die Antragstellerin vorbringt, die in Nr. 1.3.2 angeordnete Information an die Wiederverkäufer sei nicht mündlich angeordnet worden, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Anordnung. Selbst wenn dies zutreffen sollte, ist der Antragsgegner nicht gehindert eine entsprechende Anordnung auch noch im Anordnungsbescheid vom 19. Februar 2021 zu treffen. Die Voraussetzungen liegen wie dargestellt vor. Etwaige Anhörungsmängel wären jedenfalls durch die Stellungnahme in der Antragserwiderung geheilt. Die gesetzten Fristen sind nach oben Gesagtem wiederum nicht zu beanstanden.
Zuletzt ist auch die Duldungsanordnung unter Androhung unmittelbaren Zwangs in Nr. 2 des Anordnungsbescheides bei summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).
Rechtsgrundlage für die Befugnis zum Betreten des Grundstücks und der Betriebsräume der Antragstellerin und die korrespondierende Duldungsverpflichtung ist § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB i.V.m. § 44 Abs. 1 und § 42 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a LFGB. Gemäß § 44 Abs. 1 LFGB sind die Inhaberinnen oder Inhaber der in § 42 Abs. 2 bezeichneten Grundstücke, Räume, Einrichtungen und Geräte und die von ihnen bestellten Vertreter verpflichtet, die Maßnahmen nach den §§ 41 bis 43 LFGB zu dulden und die in der Überwachung tätigen Personen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen, insbesondere ihnen auf Verlangen die Räume und Geräte zu bezeichnen, Räume und Behältnisse zu öffnen und die Entnahme der Proben zu ermöglichen. § 42 Abs. 2 LFGB bestimmt, dass die mit der Überwachung beauftragten Personen, bei Gefahr im Vollzug auch alle Beamten der Polizei u.a. befugt sind, Grundstücke, Betriebsräume und Transportmittel, in oder auf denen Erzeugnisse hergestellt, behandelt oder in Verkehr gebracht werden, sowie die dazugehörigen Geschäftsräume während der üblichen Betriebs- oder Geschäftszeit zu betreten, soweit es zur Überwachung der Einhaltung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union, des LFGB und der aufgrund des LFGB erlassenen Rechtsverordnungen erforderlich ist.
Dass die Voraussetzungen der gesetzlich normierten Duldungspflicht vorliegen, ist bei summarischer Prüfung nicht in Zweifel zu ziehen und wird im Übrigen auch von der Antragstellerin selbst nicht bestritten. Ebenso steht außer Frage, dass der Antragsgegner gehalten ist, die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften durch regelmäßige Kontrollen zu überwachen und sicherzustellen. Damit korrespondiert die Befugnis, eine entsprechende Duldungsanordnung zu erlassen (vgl. auch VG Minden, U.v. 16.10.2013 – 7 K 2763/12 – juris Rn. 33). Voraussetzung hierfür ist, dass der oder die zur Duldung verpflichtete auch Anlass für die Anordnung einer entsprechenden Duldungsverfügung gegeben hat. Diese darf nicht rein vorsorglich ausgesprochen werden (vgl. VG Würzburg, U.v. 22.10.2018 – W 8 K 17.502 – juris Rn. 46 mit Verweis auf: HessVGH, B.v. 15.9.1994 – 4 TH 655/94 – juris Orientierungssatz).
Vorliegend hat sich die Antragstellerin, vertreten durch ihre Geschäftsführerin, bereits Kontrollen verweigert, was eine vorherige Duldungsanordnung für die Vor-Ort-Kontrolle am 17. Februar 2021 notwendig gemacht hat und sich im Übrigen im Rahmen der Kontrolle ebenfalls uneinsichtig und unkooperativ gezeigt. Vor diesem Hintergrund ist die Duldungsanordnung in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides nicht zu beanstanden. Diese ist wiederum hinsichtlich der Formulierung „hinzugezogene beauftragte Fachpersonen“ hinreichend bestimmt. Wie der Antragsgegner in seiner Erwiderung nochmals klargestellt hat, sind hiermit neben den ausdrücklich genannten Mitarbeitern des Landratsamtes … – Verbraucherschutz, die sachverständigen amtlichen Kontrollpersonen im Sinne von § 42 Abs. 1 LFGB gemeint.
Die Androhung unmittelbaren Zwangs ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie beruht auf Art. 36 Abs. 1 VwZVG i.V.m. Art. 34 Satz 1 VwZVG. Bei summarischer Prüfung hat das Gericht keine Bedenken gegen die Wahl des Zwangsmittels und die Verhältnismäßigkeit der Androhung. Die Geschäftsführerin der Antragstellerin hat sich wie dargestellt in der Vergangenheit geweigert, ihren Duldungspflichten nachzukommen und die Vor-Ort-Kontrolle am 17. Februar 2021 musste bereits mit einem Duldungsbescheid und unter Anwendung unmittelbaren Zwangs durchgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund drängt es sich bei summarischer Prüfung nicht auf, dass ein anderes Zwangsmittel, etwa die Androhung eines Zwangsgeldes insoweit erfolgversprechend gewesen wäre, um die Antragstellerin zur Mitwirkung zu veranlassen.
Die Androhung ist zudem hinreichend bestimmt. In Zusammenschau mit der Begründung des Anordnungsbescheides bezieht sich das Recht zum Betreten auch auf das Recht auf Besichtigen der genannten Räumlichkeiten (vgl. Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Werkstand: 177. EL, Juli 2020, § 42 Rn. 48 ff.), weshalb insoweit hinreichend klar erkennbar ist, worauf sich die Duldungspflicht der Antragstellerin und damit die Androhung des unmittelbaren Zwangs bezieht. Insoweit ist keine widersprüchliche Anordnung zu erkennen, wie die Antragstellerin meint.
c.) Selbst wenn man den Ausgang des Klageverfahrens trotz vorstehender Ausführungen insgesamt oder teilweise als offen bewerten wollte – wovon das Gericht nicht ausgeht -, würde dies nicht zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung führen. Denn auch eine reine Interessenabwägung spricht für die Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs. Denn die sofortige Vollziehung der im streitgegenständlichen Bescheid bestätigten bzw. getroffenen Maßnahmen für den Schutz der Verbraucher sind im überwiegenden öffentlichen Interesse geboten. Im Rahmen der zu treffenden Güterabwägung ist der nicht zu verkennende, auch grundrechtsrelevante Nachteil, den die getroffenen Anordnungen der Antragstellerin auferlegen, nicht schwerer zu gewichten als das entgegenstehende öffentliche Interesse. Es ist nicht hinnehmbar, nicht zugelassene Produkte bis zu einer möglichen Entscheidung in der Hauptsache im Verkehr zu belassen oder dass die Antragstellerin sich bis dahin notwendigen lebensmittelrechtlichen Kontrollen entzieht. Ohne den sofort wirksamen Vollzug der Untersagung und der Duldungsanordnung wäre damit zu rechnen, dass die Antragstellerin das streitgegenständliche Produkt unter Negierung der Lebensmitteleigenschaft weiter vertreibt, ohne die einschlägigen lebensmittelrechtlichen Vorschriften beachten zu wollen und um sich so womöglich absatzfördernde Vorteile – auch im Vergleich zu anderen Wettbewerbern – verschafft. Sollte die Antragstellerin durch Scheindeklarierungen oder Fantasiebezeichnungen bewusst die lebensrechtlichen Vorgaben umgehen wollen, würde sich überdies – ohne dass es hier darauf streiterheblich ankommt – ohnehin die Frage stellen, ob sie generell die Gewähr bietet, ihr Lebensmittelunternehmen ordnungsgemäß zu betreiben, was vorliegend aber nicht weiter vertieft werden braucht.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 und Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 25.2 des Streitwertkatalogs. Nach Nr. 25.2 des Streitwertkatalogs richtet sich der Streitwert nach dem Auffangwert, wenn sich die wirtschaftlichen Auswirkungen der streitgegenständlichen Anordnung wie hier nicht im Einzelnen beziffern lassen. Zum einen hat sich die Antragstellerin selbst nicht zu den möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen geäußert. Zum anderen fehlen weitergehende Informationen darüber, in welcher Größenordnung der mögliche Gewinn zu beziffern wäre, auf den abzustellen ist (vgl. VGH BW, B.v. 17.9.2020 – 9 S 2343/20 – juris). Mangels anderweitiger greifbarer Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts bleibt es damit beim Auffangwert. Der Auffangwert von 5.000,00 EUR war im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren, so dass ein Streitwert von 2.500,00 EUR festzusetzen war.