Aktenzeichen M 5 K 13.5969
VwGO VwGO § 43 Abs. 2, § 92 Abs. 3, § 124a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 3, Nr. 4, § 161 Abs. 2 S. 1
AzV AzV § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 2
BayPersVG Art. 73
AEUV AEUV Art. 288 Abs. 3
BayBG BayBG Art. 87 Abs. 2 S. 2, S. 3
BayBesG BayBesG Art. 61 Abs. 1 S. 1, S. 2
Leitsatz
1 Durch die freiwillige Insividualvereinbarung (Opt-Out-Regelung) eines (Feuerwehr-)Beamten mit seinem Dienstherrn, nach der er bereit ist, über 48 Stunden hinaus Dienst bis zur höchstmöglichen Arbeitszeit von 56 Stunden zu leisten, wird die Öffnungklausel des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) ausgefüllt. Art. 6 der Arbeitszeitrichtlinie ist in diesem Fall nicht anwendbar. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Nichtanwendbarkeit des Art. 6 der Arbeitszeitrichtlinie wegen der Öffnungsklausel des Art. 22 Abs. 1 dieser Richtlinie setzt nicht voraus, dass in der mitgliedstaatlichen Umsetzungsregelung für die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit ein nach der Richtlinie zulässiger Bezugszeitraum festgelegt ist (Abweichung zu OVG Bln-Bbg BeckRS 2015, 48576). Eine dementsprechende Festlegung in einer Dienstvereinbarung oder einer Opt-Out-Erklärung reicht vielmehr aus. Die fehlende Festlegung eines Bezugszeitraums in § 4 Abs. 2 AzV ist demnach rechtlich unschädlich. (redaktioneller Leitsatz)
3 Selbst wenn in der fehlenden Festlegung eines Bezugszeitraums in § 4 Abs. 2 AzV ein Verstoß gegen die Arbeitszeitrichtlinie gesehen werden würde, begründete dieser Verstoß keinen unionsrechtlichen Entschädigungsanspruch, da er angesichts der divergierenden Rechtsprechug nicht hinreichend qualifiziert wäre. (redaktioneller Leitsatz)
4 Ein beamtenrechtlicher Anspruch auf Zahlung einer Mehrarbeitsvergütung liegt nicht vor, wenn sich der Beamte durch Unterzeichnung einer Opt-Out-Regelung mit der Mehrarbeit einverstanden erklärt hat (entgegen zB OVG Bln-Bbg BeckRS 2015, 48576 und OVG NRW BeckRS 2015, 43070). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
II.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V.
Die Berufung wird zugelassen.
Gründe
I.
Über die Streitsache kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt haben (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
II.
Soweit die Beteiligten übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt (§ 92 Abs. 3 VwGO entsprechend).
III.
Die zulässige Leistungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Freizeitausgleich noch auf die beantragte Mehrarbeitsvergütung, ihm steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 19.759,20 EUR bzw. 14.071,08 EUR nicht zu.
Grundsätzlich haben Beamte, von denen eine über der in Art. 6 b) der Arbeitszeitrichtlinie liegende durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 48 Stunden liegende Dienstzeit verlangt wurde, ab 1. Januar 2001 Anspruch auf Ausgleich der unionswidrig geleisteten Zuvielarbeit. Ein solcher Anspruch ergibt sich sowohl als unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch wie auch als antragsbedingter beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch. Dieser ist vorrangig durch Freizeit auszugleichen. Kann aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht innerhalb eines Jahres Freizeitausgleich gewährt werden, wandelt sich der Ausgleichsanspruch in einen Geldanspruch um. Dieser Anspruch unterliegt den Verjährungsregeln des nationalen Rechts (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U. v. 26.7.2012 – 2 C 29/11 – BVerwGE 143, 381 – juris).
1. Fraglich ist bereits, ob sich die Klage gegen den richtigen Beklagten richtet. Denn der Kläger hat zum 1. Februar 2015 den Dienstherren gewechselt und steht nunmehr im Dienst der Beigeladenen. Das Gericht vertrat bisher die Auffassung, dass Ansprüche im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf einen neuen Dienstherren übergehen und von diesem zu erfüllen sind, so dass Ansprüche im vorliegenden Fall gegenüber der Beigeladenen gelten zu machen wären (VG München, U. v. 29.9.2015 – M 5 K 15.1214; VG Münster, U. v. 26.2.2013 – 4 K 222/11 – jeweils juris). Demgegenüber hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (B. v. 16.3.2016 – 6 A 190/14 – juris Rn. 34 ff.) entschieden, dass ein entsprechender Anspruch gegenüber dem Dienstherren entsteht, zu dem das Dienstverhältnis während des Zeitraums besteht, für welchen Ausgleichsansprüche geltend gemacht werden. Die Verpflichtung zur Erfüllung dieses Ausgleichsanspruchs gehe bei einem Wechsel zu einem neuen Dienstherrn jedoch nicht auf diesen über.
Die Entscheidung dieser Streitfrage kann jedoch dahinstehen, da die Klage bereits aus anderen Gründen unbegründet ist.
2. Ein unionsrechtlicher Entschädigungsanspruch steht dem Kläger nicht zu.
Ein solcher Anspruch setzt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (U. v. 25.11.2010 – C-429/09, Fuß-II – juris Rn. 49 ff.) und des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 26.7.2012 – 2 C 29/11 – juris Rn. 15 ff.) voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, dem Geschädigten Rechte verleiht, der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist und zwischen dem Verstoß und dem Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht.
a) Die erste Voraussetzung liegt vor. Art. 6 b) der Arbeitszeitrichtlinie verleiht mit der Festsetzung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit dem Einzelnen Rechte, die dieser nach Ablauf der Frist zur Umsetzung in das Arbeitszeitrecht des Beklagten unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend machen kann (EuGH, U. v. 25.11.2010 – C-429/09, Fuß-II – juris Rn. 49 f.; BVerwG, U. v. 26.7.2012 – 2 C 29/11 – juris Rn. 16).
b) Allerdings ist von einem hinreichend qualifizierten Verstoß gegen diese Vorschrift nicht auszugehen.
aa) Es spricht viel dafür, dass Art. 6 b) der Arbeitszeitrichtlinie vorliegend keine Anwendung findet. Art. 22 Abs. 1 a) der Arbeitszeitrichtlinie stellt es einem Mitgliedsstaat frei, die Vorschrift des Artikel 6 nicht anzuwenden, wenn der Mitgliedstaat u. a. die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 b) der Arbeitszeitrichtlinie genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentagezeitraums zu arbeiten, es sei denn der Arbeitnehmer hat sich hierzu bereit erklärt. Weiter ist in der Vorschrift u. a. festgelegt, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, eine solche Arbeit zu leisten. Nach Art. 16 b) der Arbeitszeitrichtlinie beträgt der Bezugszeitraum für die wöchentliche Höchstarbeitszeit entsprechend Art. 6 der Arbeitszeitrichtlinie vier Monate.
Da der Kläger am … August 2007 eine Individualvereinbarung (Opt-Out-Regelung) mit dem Beklagten unterschrieben hat, dass er bereit ist, in einem Zeitraum von 12 Monaten über die 48 Stunden hinaus Dienst bis zur höchstmöglichen Arbeitszeit von 56 Stunden zu leisten, kommt Art. 6 b) der Arbeitszeitrichtlinie nicht zum Tragen. In der Opt-Out-Regelung wird auf die Möglichkeit des Widerrufs sowie den Umstand, dass dem Beamten dadurch keine Nachteile entstehen, hingewiesen.
Soweit der Kläger rügt, dass die Erklärung unter Druck abgegeben worden sei, vermag das Gericht dies nicht nachzuvollziehen. Durch die Einräumung eines Widerrufsrechts wird die Freiwilligkeit der Erklärung unterstrichen (LAG Hamm, U. v. 2.2.2012 – 17 Sa 1001/11 – juris Rn. 155 ff.; VG Aachen, U. v. 17.03.2016 – 1 K 1252/14 – juris Rn. 34), so dass der Kläger seine Erklärung jederzeit zum Ablauf eines Kalenderhalbjahres hätte widerrufen können. Auch die Ankündigung des Beklagten, es werde im Fall des Nicht-Unterzeichnens der Erklärung zu Umstrukturierungen kommen, ändert daran nichts. Denn dann hätte der Beklagte für die Einhaltung der 48-Stunden-Woche sorgen müssen (LAG Hamm, U. v. 2.2.2012 – 17 Sa 1001/11 – juris, Rn. 157). Es obliegt dem Dienstherrn, Sorge dafür zu tragen, dass weder die Funktions- noch die Einsatzfähigkeit der Feuerwehr leidet. Die vom Kläger behaupteten Tatsachen hinsichtlich angeblichem personellen Fehlmanagement sind nicht dazu geeignet, von einer unzulässigen Druckausübung durch den Beklagten auszugehen. Selbst wenn die vorgetragenen Tatsachen zutreffen sollten und personelle Engpässe bei Einführung eines 48-Stunden-Schichtbetriebs entstanden wären, hätte dies nicht in der Verantwortung des Klägers gelegen. Der Beklagte hätte vielmehr auf diese Situation reagieren und Lösungen entwickeln müssen. Dass solche Lösungen möglich sind, zeigt sich gerade daran, dass – wie vom Kläger selbst vorgetragen – inzwischen mindestens 14 Feuerwehrbeamte ihre Opt-Out-Erklärungen widerrufen haben und nun nur noch maximal 48 Stunden pro Woche eingesetzt werden können. Soweit der Kläger über mögliche negative Folgen einer Ablehnung der Opt-Out-Erklärung spekulierte, stellt dies keinen unzulässigen Zwang durch den Beklagten dar. Das Informieren über unvermeidliche Auswirkungen des Wechsels in die 48-Stunden-Woche ist ebenso zulässig wie das Betonen der Vorteile des 56-Stunden-Modells. Aus der Inaussichtstellung von dann notwendigen organisatorischen Änderungen kann nicht auf ausgeübten Zwang geschlossen werden. (BayVGH, B. v. 17.10.2014 – 3 CE 14.724 – juris Rn. 25 ff.).
Die Individualvereinbarung konnte wohl in rechtmäßiger Weise zwischen dem Kläger und dem Beklagten geschlossen werden, obwohl § 4 Abs. 2 der Arbeitszeitverordnung/AzV, wonach die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf bis zu 56 Stunden ausgedehnt werden kann, ausdrücklich keinen Bezugszeitraum enthält.
Bei der geschlossenen Opt-Out-Vereinbarung handelt es sich um eine Individualvereinbarung iSv § 4 Abs. 2 AzV. Dieser Annahme steht nicht entgegen, dass der Beklagte derartige Vereinbarungen mit nahezu jedem bei ihr beschäftigen Feuerwehrbeamten abgeschlossen hat und dabei die Einzelheiten der jeweiligen Vereinbarung nicht “individuell ausgehandelt” worden sind. Denn eine auf solche im Einzelfall ausgehandelte Vereinbarungen verengte Sichtweise wird dem Bedeutungsgehalt des Begriffs “Individualvereinbarung” nicht gerecht. Die “Individualvereinbarung” ist mit Blick auf den Sinn und Zweck der Regelung, den jeweiligen Beamten (bei Einhaltung weiterer Voraussetzungen) selbst darüber entscheiden zu lassen, ob er sich zu einer höheren durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit bereit erklären will, in Abgrenzung zur Kollektivvereinbarung oder einseitigen Anordnung durch den Dienstherrn zu sehen. Die hier im Streit stehende Opt-Out-Vereinbarung wurde jedoch mit jedem einzelnen Beamten, der über den Abschluss frei entscheiden konnte, jeweils (individuell) getroffen (OVG NRW, B. v. 6.3.2015 – 6 A 2272/13 – juris Rn. 10).
Nach dem Wortlaut und der Semantik des Art. 22 Abs. 1 a) der Arbeitszeitrichtlinie kommt es auf den Bezugszeitraum gerade nicht an, wenn der Beamte sich mit einer höheren wöchentlichen Arbeitszeit einverstanden erklärt. Dies verdeutlicht der letzte Halbsatz des Art. 22 Abs. 1 a) der Arbeitszeitrichtlinie, der mit „es sei denn…“ eingeleitet wird. Somit soll der erste Halbsatz nicht zur Anwendung kommen, wenn die Ausnahme des zweiten Halbsatzes greift (OVG NRW, B. v. 6.3.2015 – 6 A 2272/13 – juris Rn. 11; U. v. 7.5.2009 – 1 A 2652/07 – juris, Rn. 172; LAG Hamm, U. v. 2.2.2012 – 17 Sa 1001/11 – juris Rn. 151 ff; a.A. OVG Berlin-Bbg., U. v. 1.7.2015 – 6 B 23.15 – juris Rn. 21 ff., U. v. 18.6.2015 – 6 B 31.15 – juris Rn. 25).
Ferner ist es den Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 3 c) iii) der Arbeitszeitrichtlinie unbenommen, vom in Art. 16 b) der Arbeitszeitrichtlinie genannten Bezugszeitraum abzuweichen. Art. 19 UA 2 der Arbeitszeitrichtlinie erlaubt die Festlegung eines höchstens zwölfmonatigen Bezugszeitraums, wenn die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer gewahrt werden und ein solcher in den Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern aus objektiven, technischen oder arbeitsorganisatorischen Gründen fixiert wird.
Eine entsprechende Vereinbarung findet sich in der zwischen dem Beklagten, dem Personalrat und der Beamtengruppe der … geschlossenen Dienstvereinbarung (Art. 73 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes/BayPersVG) vom 3. Dezember 2007 mit Wirkung vom 1. Januar 2008. Diese nimmt in Nr. 1 Bezug auf die Opt-Out-Regelung, in der wiederum ein zwölfmonatiger Bezugszeitraum festgelegt ist. Im Übrigen kann auch § 4 Abs. 2 AzV so ausgelegt werden, dass dort eine erweiternde Abweichung von Abs. 1 Satz 2 AzV unter bestimmten Voraussetzungen im Hinblick auf die wöchentliche Höchstarbeitszeit aber unter Beibehaltung des dort genannten Bezugszeitraums von zwölf Monaten geregelt wird.
Jedenfalls ist inhaltlich sichergestellt, dass die Obergrenze des Bezugszeitraums nicht überschritten und dem Zweck der Richtlinie, nämlich dem Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer, Rechnung getragen wird.
Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in seiner Rechtsprechung nicht beanstandet, dass die den Entscheidungen zugrunde liegende Vorschrift (§ 5 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes im Lande Nordrhein-Westfalen) keinen Bezugszeitraum enthält, so dass es entsprechend rechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn § 4 Abs. 2 AzV ebenfalls einen solchen nicht enthält, da Dienstvereinbarung und Opt-Out-Erklärung einen Bezugszeitraum regeln (OVG NRW, B. v. 6.3.2015 – 6 A 2272/13 – juris Rn. 11; U. v. 7.5.2009 – 1 A 2652/07 – juris, Rn. 172), was vorliegend auch der Fall ist.
Der Rüge des Klägerbevollmächtigten, dass Art. 22 der Arbeitszeitrichtlinie fehlerhaft umgesetzt sei, da § 4 AzV nur eine Regelung im Wege der Verordnung und nicht in Gesetzesform treffe, ist entgegenzutreten. Denn für die Umsetzung der unionsrechtlichen Richtlinien überlässt Art. 288 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union/AEUV den mitgliedstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Es bedarf nicht notwendig in jedem Mitgliedstaat eines Umsetzungsaktes des formellen Gesetzgebers in Gestalt der wörtlichen Übernahme der Richtlinienbestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Gesetzesvorschrift. Vielmehr reicht – je nach Richtlinieninhalt – aus, wenn ein allgemeiner rechtlicher Rahmen bestehender verfassungs- und verwaltungsrechtlicher Grundsätze die innerstaatliche Anwendung der Richtlinie sicherstellt. Dem Grundsatz des „effet utile“ genügen jedenfalls Parlamentsgesetze und Rechtsverordnungen (Ruffert in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Auflage 2011, Art. 288 AEUV Rn. 32).
Auch hat sich der Bayerische Gesetzgeber mit Erlass des Art. 87 BayBG nicht dergestalt festgelegt, dass alle Regelungen betreffend die Arbeitsleistung über die regelmäßige Wochenarbeitszeit hinaus durch ein förmliches Gesetz erfolgen müssen. Vielmehr steht es dem Gesetzgeber frei, die konkrete Ausgestaltung selbst zu wählen und in Form einer Verordnung vorzunehmen. Ein förmliches Gesetz ist insbesondere deshalb nicht erforderlich, da mit der Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie keine anderslautende, in einem formellen Gesetz enthaltene Norm ersetzt werden muss. Denn die Ersetzung wäre nur durch eine Regelung möglich, die denselben oder einen höheren Rang hat wie die zu ersetzende Norm. Vorliegend erfolgte durch die AzV jedoch eine Neuregelung.
bb) Für den Rechtsstreit entscheidend ist jedoch, dass – selbst wenn man mit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (U. v. 1.7.2015 – 6 B 23.15 – juris Rn. 21 ff.; U. v. 18.06.2015 – 6 B 31.15 – juris Rn. 25) einen Verstoß gegen die Arbeitszeitrichtlinie durch die fehlende Festlegung eines Bezugszeitraums in § 4 Abs. 2 AzV annehmen wollte – dieser nicht hinreichend qualifiziert ist.
Ein qualifizierter Verstoß liegt vor, wenn der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Umsetzungsermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat. Ob und wann dies der Fall ist, hängt unter anderem davon ab, wie eindeutig die verletzte Vorschrift ist und wie viel Spielraum dem Mitgliedstaat bei der Umsetzung eingeräumt ist. Ist eine Vorschrift der Auslegung fähig und bedürftig, ist ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht erst dann anzunehmen, wenn die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs verkannt worden ist (vgl. EuGH, U. v. 25.11.2010 – C-429/09, Fuß-II – juris Rn. 51 f. m. w. N.; BVerwG, U. v. 26.7.2012 – 2 C 29/11 – juris Rn. 18).
Dass der Freistaat Bayern bei der Regelung der wöchentlich zulässigen Höchstarbeitszeit in § 4 Abs. 2 AzV die Grenzen seines Umsetzungsermessens offenkundig und erheblich überschritten hat, ist nicht ersichtlich. Das zeigt sich bereits daran, dass § 4 Abs. 1 Satz 2 AzV auch so verstanden werden kann, dass er für § 4 Abs. 2 AzV Bedeutung erlangt. Vielmehr sind die Vorgaben der Arbeitszeitrichtlinie insofern auslegungsfähig, dass in der obergerichtlichen Rechtsprechung diesbezüglich Uneinigkeit besteht. Zumindest von einem offenkundigen Verstoß ist angesichts der divergierenden Rechtsprechung von Oberverwaltungsgerichten (OVG NRW, B. v. 6.3.2015 – 6 A 2272/13 – juris Rn. 11; U. v. 7.5.2009 – 1 A 2652/07 – juris, Rn. 172; LAG Hamm, U. v. 2.2.2012 – 17 Sa 1001/11 – juris Rn. 151 ff; a.A. OVG Berlin-Bbg., U. v. 1.7.2015 – 6 B 23.15 – juris Rn. 21 ff., U. v. 18.6.2015 – 6 B 31.15 – juris Rn. 25) daher nicht auszugehen. Soweit das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg der Ansicht ist, dass ein offenkundiger und absichtlicher Verstoß bei der Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie vorliege (U. v. 1.7.2015 – 6 B 23.15 – juris Rn. 21 ff.; U. v. 18.06.2015 – 6 B 31.15 – juris Rn. 25), wenn kein Bezugszeitraum geregelt ist, kann diese Ansicht nicht geteilt werden. Denn dort ist auf den Umstand, dass eine gegenteilige obergerichtliche Rechtsprechung besteht, nicht eingegangen.
3. Es besteht kein Anspruch auf Zahlung einer Mehrarbeitsvergütung.
Nach Art. 87 Abs. 2 Satz 2 des Bayerischen Beamtengesetzes/BayBG ist innerhalb eines Jahres für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren, wenn der Beamte durch dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht wird. Ist die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich, so können Beamte an ihrer Stelle nach Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG eine Vergütung erhalten. Gemäß Art. 61 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Besoldungsgesetzes/BayBesG setzt eine Vergütung nach Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG voraus, dass sich die angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit auf konkrete, zeitlich abgrenzbare und messbare Dienste bezieht. Darüber hinaus kann die Mehrarbeitsvergütung gemäß Art. 61 Abs. 1 Satz 2 BayBesG nur dann geleistet werden, wenn im Einzelnen nachgewiesen ist, dass eine Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht innerhalb eines Jahres möglich war.
Vergütungsfähige Mehrarbeit liegt nicht vor. Zweifelhaft ist bereits, ob überhaupt rechtswidrige Zuvielarbeit (= Mehrarbeit) vorliegen kann, wenn der Beamte sich dazu bereit erklärt (OVG NRW, B. v. 29.7.2014 – 6 A 1628/13 – juris Rn. 9; VG Köln, U. v. 12.8.2013 – 19 K 7275/12 – juris Rn. 39). Jedenfalls kann von einer Anordnung oder Genehmigung der Zuvielarbeit nicht ausgegangen worden. Dies setzt voraus, dass der Dienstherr einseitig festlegt oder im Nachhinein ausdrücklich billigt, dass der Beamte über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst tut. Da der Kläger sich durch die Unterzeichnung der Opt-Out-Regelung damit einverstanden erklärt hat, liegt eine beiderseitige Vereinbarung vor.
4. Da dem Kläger kein Zahlungsanspruch zusteht, kommt es auf die Frage der Auszahlung des Ausgleichsbetrages ohne Abzug von Einkommensteuer (vgl. hierzu VG München, U. v. 23.6.2015 – M 5 K 13.3191) nicht an. Das gilt auch für die vom Beklagten weiter aufgeworfenen Fragen der Berechnungsmethode sowie die Verwirkung.
IV.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Soweit die Beteiligten übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt haben, entspricht es billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 161 Rn. 15 ff.), dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Denn für die vom Kläger begehrte Feststellung war bereits zweifelhaft, ob ein Feststellungsinteresse bestand. Darüber hinaus lag ein Rechtsschutzbedürfnis aufgrund der Subsidiarität der Feststellungs- zur Leistungsklage nach § 43 Abs. 2 VwGO nicht vor. Aufgrund der Bindung des Beklagten an Recht und Gesetz nach Art. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes/GG wäre dem Kläger Freizeitausgleich bzw. eine Mehrarbeitsvergütung auch für künftige Mehrarbeit zu gewähren, würde ein solcher Anspruch bestehen. Soweit der für erledigt erklärte Teil die Gewährung von Freizeitausgleich betraf, bestanden hierfür aus denselben Erwägungen keine Erfolgsaussichten wie für die beantragte Entschädigung in Geld.
Im Übrigen trägt der Kläger als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst, da sie weder einen Antrag gestellt noch sonst das Verfahren maßgeblich gefördert hat.
V.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.
VI. Die Berufung wird nach §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die im vorliegenden Verfahren inmitten stehenden Rechtsfragen, insbesondere ob die Festlegung eines Bezugszeitraums notwendige Voraussetzung für den Abschluss einer Individualvereinbarung ist, sind in der Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet und stellen sich nach Darstellung der Beklagten wie der Klagepartei in zahlreichen weiteren Fällen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124 Rn. 36 ff.). Darüber hinaus weicht die Entscheidung von den Urteilen des OVG Berlin-Brandenburg (U. v. 1.7.2015 – 6 B 23.15 und U. v. 18.6.2015 – 6 B 31.15) ab, so dass der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ebenfalls einschlägig ist.
Nr. I. des Urteils ist unanfechtbar.
Im Übrigen ergeht folgende