Arbeitsrecht

Arbeitnehmer, Arbeitszeit, Betriebsrat, Leistungen, Arbeitgeber, Sonderzahlung, Betriebsvereinbarung, Arbeitsvertrag, Erkrankung, Arbeitsleistung, Gesundheitszustand, Frist, Urlaubsgeld, Auskunft, unangemessene Benachteiligung, wichtiger Grund, billigem Ermessen

Aktenzeichen  4 Ca 300/19

Datum:
17.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 50863
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnungen vom 19.03.2019 und vom 07.06.2019 aus der Personalakte zu entfernen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 886,55 € netto zu zahlen.
3. Die Entscheidung über den Antrag 8.2. aus dem Schriftsatz vom 15.06.2020 bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Widerbeklagte wird verurteilt, an die Widerklägerin 886,55 € netto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.07.2019 zu bezahlen.
6. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
7. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
8. Der Streitwert wird auf 22.633,91 Euro festgesetzt.
9. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur insoweit begründet, als die Abmahnungen vom 19.03.2019 und vom 07.06.2019 aus der Personalakte zu entfernen sind und die Beklagte 886,55 € netto an die Klägerin zu zahlen hat. Die zulässige Widerklage ist weitgehend begründet.
Im Einzelnen:
I.
1. Die Klage ist auch hinsichtlich ihrer Anträge 2 und 3 zulässig, was sich nach notwendiger Auslegung dieser Klageanträge ergibt. Die Anträge sind dahingehend zu verstehen, dass die Verpflichtung der Beklagten festgestellt werden soll, die Klägerin über den 30.04.2019 hinaus gemäß der Vereinbarung vom 28.04.2015 in alternierender Telearbeit zu beschäftigen. Denn das wohlverstandene Rechtsschutzziel der Klägerin ist ausweislich der Klagebegründung darauf gerichtet, wieder in alternierender Telearbeit beschäftigt zu werden.
Antrag 2 ist ausweislich seines Wortlauts, zwar darauf gerichtet festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Erklärung der Beklagten vom 01.04.2019 sozial ungerechtfertigt ist. Der Antrag ist demnach seinem Wortlaut nach einem Änderungsschutzantrag gemäß § 4 Satz 2 KSchG nachgebildet, bezieht sich ausdrücklich aber nicht auf eine Änderungskündigung. Eine Änderungskündigung wurde nach eigenem Vorbringen der Klägerin aber nicht ausgesprochen, so dass er nicht als Änderungsschutzantrag interpretiert werden kann.
Der Antrag kann auch nicht als Feststellungsantrag betreffend die Wirksamkeit einer Teilkündigung verstanden werden. Zwar stützt sich die Klägerin in ihrer Klagebegründung darauf, dass es sich bei der Beendigungserklärung vom 01.04.2019 um eine unzulässige Teilkündigung handle. Eine Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO muss jedoch immer auf ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis gerichtet sein. Ein Feststellungsantrag betreffend die Wirksamkeit einer Teilkündigung hätte aber nicht das Bestehen eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO zum Gegenstand, sondern bildet eine bloße Vorfrage hinsichtlich verschiedener Rechtsverhältnisse zwischen den Parteien. Weiterhin zählt die Kündigung einer Nebenabrede auch nicht zu den von § 4 KSchG erfassten Beendigungsformen, für die ausnahmsweise die Klärung einer Vorfrage durch den Gesetzgeber als zulässig angeordnet ist (vgl. BAG, Urteil vom 18. Mai 2017 – 2 AZR 721/16 -, BAGE 159, 148-158, Rn. 13).
Antrag 3 ist als allgemeiner Feststellungsantrag formuliert, bleibt seinem Wortlaut nach aber unbestimmt, soweit er „unveränderte Arbeitsbedingungen“ in Bezug nimmt. Ausweislich der Klagebegründung geht es bei der aber bei der unveränderten Arbeitsbedingung um die Beschäftigung in alternierender Telearbeit.
Im Zweifel sind Klageanträge so auszulegen, dass das wohlverstandene Rechtsschutzziel zum Ausdruck kommt. Dies ist hier die Feststellung der Verpflichtung zur Beschäftigung in alternierender Telearbeit.
2. Die mit Antrag 8 erhobene Stufenklage ist in zuletzt gestellter Fassung gemäß § 254 ZPO zulässig. Die Stufenklage und damit die einstweilige Befreiung von der Bezifferungspflicht des § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist nur zulässig, wo die Auskunft der Bestimmung des Leistungsanspruchs, nicht der Beschaffung von Informationen zu seiner Durchsetzung dient (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 254 ZPO, Rn. 2). Dem ursprünglichen Klageantrag war nicht zu entnehmen, dass die begehrte Auskunft, nämlich die Mitteilung der Höhe der ergebnisorientierten Sonderzahlung, zu ihrer Bezifferung dienlich sein könnte. Denn die Mitteilung des Ergebnisses ist für die Berechnung des Ergebnisses nicht hilfreich. Vielmehr war die Höhe der ergebnisorientierten Sonderzahlung der Klägerin bereits mit Entgeltabrechnung für Mai 2020 mitgeteilt worden. Auf gerichtlichen Hinweis bezüglich der Unzulässigkeit der ursprünglichen Stufenklage hat die Klägerin ihren Antrag gemäß § 263 ZPO in der mündlichen Verhandlung geändert. Dahinstehen kann, ob der Einwand der Beklagten, sie verzichte nicht auf eine Zustellung, als Versagung der Einwilligung in die Klageänderung im Sinne des Paragrafen 263 ZPO zu deuten sein könnte. Denn jedenfalls ist die Klageänderung, veranlasst durch gerichtlichen Hinweis auf die Unzulässigkeit des Stufenklage, sachdienlich, sodass es nach § 263 ZPO keiner Einwilligung des Verfahrensgegners für die Wirksamkeit der Klageänderung bedurfte. Der von der Beklagten angemahnten Zustellung des geänderten Antrags bedurfte es nicht, da eine Antragstellung im laufenden Verfahren auch in der mündlichen Verhandlung möglich ist (vergleiche § 261 Abs. 2 ZPO). Der Vorsitzende gestattete insoweit konkludent, den geänderte Antrag zu Protokoll zu erklären, § 297 Abs. 1 Satz 3 ZPO.
In ihrer neuen Fassung ist die Stufenklage zulässig. Die begehrte Auskunft über die Grundlagen zur Ermittlung des Ausgangsbonus sind zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs auf ergebnisorientierte Sonderzahlung dienlich, da der Ausgangsbonus nach der von der Beklagten vorgelegten Betriebsvereinbarung eine der Berechnungsgrundlagen für den geschuldeten Bonus darstellt.
II.
Die Klage ist nur insoweit begründet, als die Abmahnungen vom 19.03.2019 und vom 07.06.2019 aus der Personalakte zu entfernen sind und die Beklagte 886,55 € netto an die Klägerin zu zahlen hat.
1. Die Klage ist insbesondere unbegründet, soweit die Verpflichtung der Beklagten festgestellt werden sollte, die Klägerin über den 30.04.2019 hinaus gemäß der Vereinbarung vom 28.04.2015 in alternierender Telearbeit zu beschäftigen. Die Beklagte hat von der vereinbarten Möglichkeit, die alternierender Telearbeit zu beenden, aus wichtigem Grund formgerecht Gebrauch gemacht.
1.1. Zwischen den Parteien wurde wirksam eine Beendigungsmöglichkeit der alternierenden Telearbeit vereinbart. Die Vereinbarung über alternierender Telearbeit vom 28.04.2015 sieht zwar eine unbefristete Beschäftigung in alternierender Telearbeit vor. Sie enthält in Nummer 10 der Vereinbarung allerdings auch Regelungen hinsichtlich der Beendigung der alternierenden Telearbeit. Hierbei handelt es sich um eine Direktionsrechtsklausel, die der AGB-Kontrolle standhält.
1.1.1. Die § 305 ff. BGB finden Anwendung. Ausweislich ihres Erscheinungsbildes handelt es sich bei der Beendigungsregelung in Nummer 10 der Vereinbarung über alternierende Telearbeit um für eine Vielzahl von Fällen von der Beklagten vorformulierte Regelung, mithin AGB iSd. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Ferner findet die AGB-Kontrolle nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher auf vorformulierte Vertragsbedingungen selbst dann Anwendung, wenn sie nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und der Verbraucher auf ihre Formulierung keinen Einfluss nehmen konnte (sog. Einmalbedingungen; BAG, Urteil vom 26. Oktober 2017 – 6 AZR 158/16 -, BAGE 161, 9-20, Rn. 16). Arbeitsverträge zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sind Verbraucherverträge iSv. § 310 Abs. 3 Eingangshalbs. BGB. Das gilt auch für Nebenbedingungen wie Vereinbarungen über die Bedingungen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitnehmer handelt als Verbraucher iSv. § 13 BGB, der Arbeitgeber als Unternehmer iSv. § 14 Abs. 1 BGB (BAG, Urteil vom 26. Oktober 2017 – 6 AZR 158/16 -, BAGE 161, 9-20, Rn. 17). Deshalb käme es im Ergebnis nicht darauf an, ob es sich bei der vorliegenden Beendigungsregelung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB handelt. Denn die Vereinbarung über die Beendigung der Telearbeit wurde ebenso wie die gesamte Zusatzvereinbarung zur Telearbeit zur zumindest einmaligen Verwendung von der Beklagten auf einem Bogen unter ihrem Briefkopf vorformuliert. Die Klägerin konnte auf den Inhalt der Zusatzvereinbarung keinen Einfluss nehmen. Vielmehr macht die Beklagte geltend, der Text stamme wörtlich aus einer Betriebsvereinbarung.
1.1.2. Die Regelung hält einer AGB-Kontrolle stand und verstößt insbesondere nicht gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
1.1.2.1. Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Das Interesse des Verwenders an der Aufrechterhaltung der Klausel ist mit dem Interesse des Vertragspartners am Wegfall der Klausel und deren Ersetzung durch die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen (§ 306 Abs. 2 BGB) abzuwägen. Dabei ist der gesamte Vertragsinhalt zu berücksichtigen. Den im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten ist gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB angemessen Rechnung zu tragen. Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (BAG 19.02.2014 – 5 AZR 920/12, DB 2014, 1143 Rn. 20 m.w.N.; Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 10. September 2014 – 12 Sa 505/14 -, Rn. 86, juris).
1.1.2.2. Eine Beendigung von alternierender Telearbeit, wie sie vorliegend vereinbart ist, ist am gesetzlichen Leitbild des § 106 Satz 1 GewO zu messen, nicht etwa am gesetzlichen Leitbild des § 2 KSchG. Die erkennende Kammer schließt sich insoweit folgenden Ausführungen des LAG Düsseldorf in seinem Urteil vom 10. September 2014 an (12 Sa 505/14 -, Rn. 88, juris): „Mit der Vereinbarung von Telearbeit wird der Ort der Arbeitsleistung festgelegt. Damit ist nicht der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses angesprochen, was bereits § 106 Satz 1 GewO belegt. Es geht nicht grundsätzlich um einen Eingriff in den kündigungsrechtlich geschützten Kernbereich des Arbeitsverhältnisses (so Lammeyer Telearbeit, 2007 S. 235). Möglich ist deshalb eine Klausel, welche für beide Parteien die einseitige Beendigung der Telearbeit vorsieht, die nicht den Anforderungen des § 2 KSchG entsprechen muss. Weil es dabei um die Frage der Festlegung des Arbeitsortes geht, muss sich diese Klausel an dem Mindestmaßstab einer Direktionsrechtsklausel messen lassen. Soweit insoweit vertreten wird, dass es sich dabei um eine Widerrufsklausel handele, für welche die Angabe der Widerrufsgründe erforderlich ist (so Ricken in Besgen/Prinz Handbuch Internetrecht, 3. Aufl. 2013 § 7 Rn. 70; offen lassend wohl Preis/Preis der Arbeitsvertrag 4. Aufl. 2011, II T 20 Rn. 70 „Ausgestaltung als Widerrufsoder als Direktionsrechtsklausel“, so auch Kramer DB 2000, 1329, 1332), vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Das erforderliche Mindestmaß an gesetzlichem Leitbild ist § 106 Satz 1 GewO, weil die Frage des Arbeitsortes angesprochen ist. Insoweit ist zwar richtig, dass bei einer Direktionsrechtsklausel die Gründe für die Ausübung des Weisungsrechts nicht angegeben werden müssen (BAG 25.08.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355 Rn. 25). Gesetzliches Leitbild ist insoweit aber, dass die Ausübung des einseitigen Weisungsrechts des Arbeitgebers billigem Ermessen entspricht. Davon geht auch das Bundesarbeitsgericht aus. So führt es aus, dass die Vertragsklausel die Beschränkung auf den materiellen Gehalt des § 106 GewO aus sich heraus erkennen lassen muss (BAG 25.08.2010 a.a.O. Rn. 25). Ein entsprechend vereinbarter Vorbehalt muss den Interessen beider Vertragsparteien gerecht werden. Es wird deshalb geprüft, ob eine Zuweisungsklausel dem materiellen Gehalt des § 106 Satz 1 GewO entspricht. Die Wahrung billigen Ermessens kann z.B. darin zum Ausdruck kommen, dass ausweislich der Klausel das Direktionsrecht unter den Vorbehalt der Interessen des Arbeitnehmers steht (BAG 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, AP Nr. 17 zu § 307 BGB Rn. 35). Eine unangemessene Benachteiligung hat das Bundesarbeitsgericht verneint, wenn eine Zuweisung nur entsprechend der Leistungen und Fähigkeiten des Arbeitnehmers erfolgen sollte, worin das billige Ermessen und die Abwägung der beiderseitigen Interessen zum Ausdruck kam (BAG 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, AP Nr. 26 zu § 307 BGB Rn. 41). Auch eine Klausel, welche die Ausübung des Weisungsrechts in Bezug auf den Arbeitsort an betriebliche Erfordernisse knüpft, enthält keine weniger strengen Anforderungen als das Gesetz und ist deshalb angemessen (BAG 28.08.2013 – 10 AZR 569/12, DB 2014, 123 Rn. 29). Und auch zu einer Klausel, nach welcher der Arbeitgeber einseitig jährlich neu über die Gewährung einer Gratifikation entscheidet, hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass erkennbar war, dass die Entscheidung eine Abwägung der maßgeblichen Interessen beider Seiten erforderte (BAG 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NJW 2013, 1020 Rn. 21).“ Entscheidend ist, dass eine Klausel zur Beendigung der Telearbeit so formuliert ist, dass sie nur unter Berücksichtigung der Interessen der anderen Vertragspartei erfolgen kann (Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 10. September 2014 – 12 Sa 505/14 -, Rn. 90, juris).
1.1.2.3. Diesen aus § 106 Satz 1 GewO abgeleiteten Mindestanforderungen wird die vorliegende Beendigungsregelung gerecht. Die Klausel macht deutlich, dass bei der Entscheidung über die Beendigung der alternierenden Telearbeit die Interessen des Arbeitnehmers angemessen zu berücksichtigen sind.
Nummer 10 lit. c) der Vereinbarung zur alternierenden Telearbeit setzt ihrem Wortlaut nach für eine fristlose Beendigung das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB voraus. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Nach ausdrücklichem Gesetzeswortlaut bedarf es damit für das Vorliegen eines wichtigen Grundes einer Abwägung der beidseitigen Interessen. Damit kommt hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass eine Beendigung der Telearbeit nur unter Berücksichtigung der Belange des Arbeitnehmers zulässig ist. Nichts Anderes ergibt sich bei Berücksichtigung des Regelungskontext. In Nummer 10 lit. a) der Vereinbarung wird die ordentliche Beendigung der alternierenden Telearbeit vom Vorliegen eines betrieblichen Grundes abhängig gemacht. Ein solcher liege nach der Regelung nur dann vor, „wenn eine Abwägung des betrieblichen Interesses und des Interesses der Arbeitnehmerin an einer Fortsetzung der alternierenden Telearbeit ergibt, dass das betriebliche Interesse überwiegt.“ Hier kommt bereits dem Wortlaut der Regelung nach klar zum Ausdruck, dass eine einseitige Beendigung der Telearbeit nur unter Berücksichtigung der Belange des Arbeitnehmers möglich sein soll.
1.2. Ein wichtiger Grund für eine fristlose Beendigung der alternierenden Telearbeit iSd. vereinbarten Direktionsrechtsklausel liegt vor.
1.2.1. Zunächst bedarf die Beendigungsregelung der Auslegung. Der Inhalt Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach einem objektivgeneralisierenden Maßstab zu ermitteln. Sie sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen (BAG, Urteil vom 23. März 2017 – 6 AZR 705/15 -, BAGE 158, 349-359, Rn. 14).
Ihrem Wortlaut nach bedarf es zur fristlosen Beendigung der alternierenden Telearbeit eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dies ist ausweislich der Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners nicht dahingehend zu verstehen, dass eine Beendigung der alternierenden Telearbeit lediglich dann in Betracht kommt, wenn ein Vertragspartner auch die Möglichkeit hätte, das Arbeitsverhältnis durch fristlose Kündigung zu beenden. Dies ergibt sich bereits aus dem direkten Regelungskontext. Denn Nummer 10 lit. c) der Vereinbarung nennt ausdrücklich Beispiele für das Vorliegen eines wichtigen Grundes, nämlich bei unberechtigter Zutrittsverweigerung und bei nachträglichem Entfall der Anforderungen an einen häuslichen Arbeitsplatz. Beides sind Fälle, in denen in aller Regel nicht gleichzeitig ein Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt. Zudem geht es in der Beendigungsregelung laut ihrer Überschrift ausschließlich um die „Beendigung der alternierenden Telearbeit“. Die Regelung zur fristlosen Beendigung der Telearbeit ist vielmehr in Zusammenhang mit der ordentlichen Beendigungsmöglichkeit in Nummer 10 lit. a) der Vereinbarung zu sehen und will diese lediglich dahingehend ergänzen, dass eine fristlose Beendigung für Fälle möglich sein soll, in denen eine Aufrechterhaltung der Arbeit am heimischen Arbeitsplatz bis zum Fristablauf nach Nummer 10 lit. a) der Vereinbarung unzumutbar ist.
Ausreichend aber auch erforderlich ist deshalb für einen wichtigen Grund im Sinne der vertraglichen Regelung, dass die Fortsetzung der Arbeit am heimischen Arbeitsplatz unter Abwägung der beidseitigen Interessen und unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls bis zum Ablauf der Frist gem. Nr. 10 lit. a) der Vereinbarung einer der beiden Seiten nicht zumutbar ist. Da die Klägerin bereits mehr als fünf Jahren alternierenden Telearbeit beschäftigt war, führte eine ordentliche Beendigung der Telearbeit zu einer Kündigungsfrist von sechs Monaten, vergleiche Nummer 10 lit. b) der Vereinbarung zur alternierenden Telearbeit.
Nicht erforderlich ist es, dass der wichtige Grund wie ein betriebsbedingter Grund iSd. § 1 Abs. 2 KSchG aus der betrieblichen Sphäre stammt und auf einem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit auf dem außerbetrieblichen Arbeitsplatz beruht. Zwar ist die fristgerechte Beendigungsmöglichkeit der Nr. 10 lit a) der Vereinbarung über alternierende Telearbeit vom Vorliegen eines betrieblichen Grundes abhängig. Damit ist aber gerade nicht ein betriebsbedingter Grund in Bezug genommen. Vielmehr wird der betriebliche Grund in der arbeitsvertraglichen Regelung näher definiert und von einem Überwiegen der betrieblichen Interessen gegenüber den Interessen des Arbeitnehmers abhängig gemacht. Der Begriff der betrieblichen Interessen geht aber über das Interesse des Arbeitgebers an der Vermeidung einer Beschäftigung trotz Wegfalls einer Beschäftigungsmöglichkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG hinaus und umfasst unter anderem auch das Interesse des Betriebes, seine Arbeitnehmer bestmöglich einzusetzen.
1.2.2. Gemessen an diesen Maßstäben liegt ein wichtiger Grund vor. Dass für eine Fortsetzung der Telearbeit notwendige Vertrauen der Beklagten in eine angemessene Aufgabenerledigung durch die Klägerin am heimischen Arbeitsplatz ist nach Auffassung der Kammer nach objektiven Maßstäben derart erschüttert, dass eine Fortsetzung der Telearbeit auch nicht bis zum Ablauf der in Nummer 10 lit. a) der Vereinbarung vorgesehenen Frist zumutbar erscheint. Telearbeit setzt ein berechtigtes Vertrauen des Arbeitgebers in die selbstständige und zuverlässige Aufgabenerledigung durch den Arbeitnehmer nach abstrakter Weisung voraus.
Vorliegend hat die Klägerin an den drei Samstagen, 09.02.2019, 23.02.2019 und 02.03.2019 jeweils nur 4-6 Vorgänge aus dem zugewiesenen Arbeitskorb erledigt, obwohl andere Arbeitnehmer im selben Zeitraum durchschnittlich 25 Vorgänge erledigen. Die Angabe von durchschnittlich 25 Vorgängen erscheint nicht widersprüchlich. Zwar ist es richtig, dass bei den von der Klägerin verrichteten Vorgängen unter Berücksichtigung der von der Beklagten angegebenen typischen Bearbeitungsdauer für einzelne Vorgänge an einem Arbeitstag sogar 80-90 Vorgänge verrichtet werden könnten. Jedoch erscheint es nachvollziehbar, wenn die Beklagte insoweit darauf verweist, dass dies zutreffend ist, wenn man unterstellt, dass andere Arbeitnehmer – so wie die Klägerin – an einem Arbeitstag lediglich einfache Vorgänge verrichten würden.
Weiterhin hat die Klägerin an den vorgenannten drei Samstagen weitgehend nicht die zugewiesene Arbeit, nämlich die Bearbeitung des Arbeitskorbes …, verrichtet, sondern sich – wenn man den Vortrag der Klägerin als zutreffend unterstellt – überwiegend mit anderen Arbeiten und Weiterbildung beschäftigt. Der Ansicht der Klägerin, die Anweisung in den E-Mails für die Samstagsarbeit, die jeweils am Vortag versendet wurden, sei unklar gewesen, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr heißt es dort für die Telearbeiter ausdrücklich, dass sie eigenständig auf die Vorgänge des zugewiesenen Arbeitskorbes … zugreifen sollen. Dass diese Aufforderung mit dem Wort „Bitte“ eingeleitet wird, ändert nichts am verbindlichen Charakter der Weisung, sondern ist vielmehr aus Sicht eines verständigen Empfängers als Wahrung der Höflichkeitsform zu verstehen. Die Bearbeitung des zugewiesenen Arbeitskorbes endete jeweils zwischen 3 Stunden 15 Minuten und 4 Stunden 30 Minuten vor Ende der jeweiligen Arbeitszeit. Damit wäre jeweils mehr als die Hälfte der Arbeitszeit auf Arbeiten entfallen, die der Klägerin an den jeweiligen Samstagen nicht zugewiesen waren. Am 09.02.2019 beschränkte sich die Bearbeitung von Vorgängen aus dem zugewiesenen Arbeitskorb nach Angaben der Klägerin sogar auf lediglich 58 Minuten bei einer Gesamtarbeitszeit von 6 Stunden.
Hinzu kommt, dass die Angaben der Klägerin zu den weiter verrichteten Arbeiten bzw. zur durchlaufenen (Selbst-)Weiterbildung für die Beklagte als nicht nachvollziehbar erscheinen. Weder in der Anhörung der Klägerin am 05.03.2019 noch im vorliegenden Verfahren machte die Klägerin substantiierte Angaben, welche weiteren Aufgaben oder Weiterbildungsmaßnahmen sie wahrgenommen hat. Die von der Klägerin angegebenen abstrakten Stichpunkte wie Infoportal, AAW, GL-Protokolle, Mails enthalten – soweit sie überhaupt aus sich heraus verständlich sind – eben gerade keine konkreten Angaben zu einzelnen Verrichtungen.
Entgegen den jeweils am Vortag per E-Mail erteilten Weisungen griff die Klägerin nicht auf den jeweils ältesten Vorgang des zugewiesenen Arbeitskorbes zu, sondern ausschließlich auf einfache Vorgänge. Der Ansicht der Klägerin, die Anweisung in den E-Mails für die Samstagsarbeit, die jeweils am Vortag versendet wurden, sei unklar gewesen, kann auch insoweit nicht gefolgt werden. Vielmehr heißt es dort für die Telearbeiter ausdrücklich, dass sie „bitte die ältesten Vorgänge zuerst bearbeiten“. Dass diese Aufforderung mit dem Wort „Bitte“ eingeleitet wird, ändert nichts am verbindlichen Charakter der Weisung, sondern ist vielmehr aus Sicht eines verständigen Empfängers als Wahrung der Höflichkeitsform zu verstehen.
Das Vertrauen in die Klägerin wurde im Rahmen der Anhörung am 05.03.2019 weiter erschüttert, indem die Klägerin erst nach und nach auf jeweilige Nachfrage offenbarte, wie sie tatsächlich ihre Samstagsarbeit gestaltet. Daran ändert nichts, dass die Vorhaltungen der Beklagten im Anhörungsgespräch nach Auffassung der Klägerin unklar gewesen seien. Der Kammer erscheinen die von der Beklagten vorgetragenen Vorhalte keineswegs unklar.
Auch nach dem Anhörungsgespräch, nämlich bei der Samstagsarbeit am 09.03.2019, kam es wieder zu Auffälligkeiten. Die Klägerin erledigte an diesem Tag neun Vorgänge aus dem zugewiesenen Arbeitskorb. Bei anderen Arbeitnehmern der Beklagten wären es unter Berücksichtigung der an diesem Tag kürzeren Arbeitszeit rechnerisch durchschnittlich 19 Vorgänge.
Ebenso wie an den vorherigen Samstagen benötigte die Klägerin wesentlich mehr Zeit für einzelne Vorgänge als die von der Beklagten angeführte typische Bearbeitungsdauer für einzelne Vorgänge. Die Angaben der Beklagten sind insoweit als zugestanden gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zu erachten. Trotz ausdrücklichen Hinweises des Gerichts nahm die Klägerin nicht zur jeweiligen typischen Bearbeitungsdauer der einzelnen Vorgänge Stellung. Sie gab lediglich an, wie lang sie selbst für den jeweiligen Vorgang benötigt habe. Dies ist nicht ausreichend.
Zudem erschienen ihre Angaben zum Teil unglaubwürdig. So ergibt sich aus den Angaben der Klägerin, dass sie für die Fertigung eines Erinnerungsschreibens hinsichtlich einer Beitragszahlung, für das die Beklagte nach einer plausiblen Schilderung des Vorgangs 3 Minuten veranschlagt, 33 Minuten benötigt habe. Eine solch lange Bearbeitungsdauer für die Fertigung eines Erinnerungsschreibens erscheint der Kammer nicht nachvollziehbar, jedenfalls ergibt sich diese nicht aus den hierzu getätigten stichwortartigen Angaben der Klägerin. So seien allein 28 Minuten auf „Recherche/Prüfung Konto, Berechnung/AAW“ verwendet worden. Was darunter konkret zu verstehen sein soll, bleibt offen. Ein Zusammenhang mit der Fertigung eines Erinnerungsschreiben wird nicht ersichtlich.
Auch dass die Klägerin für die Fertigung der E-Mail zu ihrem Gesundheitszustand vom 09.03.2019 7 Minuten benötigt haben will, erscheint der Kammer ausweislich der Kürze der E-Mail und den darin enthaltenen orthografischen Mängeln nicht nachvollziehbar. Die Kammer schätzt die realistische Bearbeitungsdauer allenfalls auf 3 Minuten.
In der Zusammenschau ergibt sich eine äußerst erhebliche Einschränkung das Vertrauens der Beklagten in die angemessene Aufgabenausführung durch die Klägerin.
1.2.3. In der Abwägung mit dem Interesse der Klägerin an der Aufrechterhaltung der Telearbeit überwiegt nach Ansicht der Kammer das Interesse der Beklagten an der Beendigung der Telearbeit aufgrund des eingetretenen Vertrauensverlustes.
Für die Klägerin waren insbesondere zu berücksichtigen, die lange Dauer der Durchführung der Telearbeit seit dem Jahr 2012 und die Entfernung ihres Wohnortes von der betrieblichen Arbeitsstätte. Zugunsten der Klägerin kann hierbei sogar unterstellt werden, dass durch die Verrichtung der Tätigkeit im häuslichen Umfeld eine bessere Vereinbarkeit mit ihrer psychischen Erkrankung zu erzielen sein mag. Hierzu ist jedoch einschränkend zu sehen, dass die Klägerin in diesem Punkt keine substantiierten Angaben zu machen vermochte und auch diesbezügliche Bewertungen von ärztlicher Seite nicht ersichtlich sind. Auf der anderen Seite ist zu sehen, dass die Klägerin auch bei der Durchführung alternierender Telearbeit die betriebliche Arbeitsstätte durchschnittlich an einem Tag pro Woche aufzusuchen hätte.
Da objektive Tatsachen eine erhebliche Einschränkung des Vertrauens der Beklagten in eine angemessene und zuverlässige Aufgabenerledigung am heimischen Arbeitsplatz begründen, ist der Beklagten bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls auch eine Fortführung der Telearbeit bis zum Ablauf der ordentlichen Beendigungsfrist von sechs Monaten nicht zumutbar.
1.3. Der Beendigung der alternierenden Telearbeit steht nicht entgegen, dass die Beklagte auf die Möglichkeit der Ausübung ihres Direktionsrechts in Form der Beendigung der Telearbeit verzichtet hätte. Der Ansicht der Klägerin, die Abmahnung vom 19.03.2019 habe die Vorwürfe der Beklagten verbraucht, kann nicht gefolgt werden. Darauf, ob die Beklagte durch die Abmahnung auf den Ausspruch einer Kündigung verzichtet haben mag, kommt es vorliegend nicht an. Jedenfalls kann der Abmahnung nicht der Erklärungswert entnommen werden, die Beklagte würde auch von einer Ausübung ihres Direktionsrechts aufgrund der abgemahnten Vorgänge künftig Abstand nehmen.
Durch eine Abmahnung verzichtet der Arbeitgeber regelmäßig konkludent auf eine eventuell berechtigte Kündigung auf Grund der gerügten Pflichtverletzung (Verbrauch des Kündigungsrechts). Ob der Arbeitgeber mit der Abmahnung tatsächlich auf sein Kündigungsrecht verzichten will, ist nicht maßgeblich. Nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB kommt es für das Verständnis des Inhalts einer Willenserklärung auf den objektiven Empfängerhorizont an. Der Empfänger einer Abmahnung erkennt, dass der Arbeitgeber wegen der in ihr gerügten Vorwürfe von der formal ebenfalls bestehenden – und ihm bekannten – Möglichkeit einer Kündigung gerade keinen Gebrauch macht. Aus Empfängersicht erklärt der Arbeitgeber deshalb mit der Ankündigung, (erst) im Wiederholungsfall eine Kündigung auszusprechen, stillschweigend zugleich, eben dies aufgrund der aktuell gerügten Pflichtenverstöße nicht tun zu wollen. Darin liegt sein – aus Sicht des verständigen Arbeitnehmers – bewusster Rechtsverzicht (BAG, Urteil vom 26. November 2009 – 2 AZR 751/08 -, juris).
Die vorgenannten Grundsätze betreffen die Frage eines Verzichts auf das Kündigungsrecht. Ob einem Abmahnungsschreiben darüber hinaus weitere Rechtswirkungen zu entnehmen sind, ist anhand des objektiven Empfängerhorizonts zu ermitteln. Hierbei ist zunächst der Wortlaut der Abmahnung zu berücksichtigen, nach dem „im Wiederholungsfall … mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung“ zu rechnen sei. Dem Wortlaut nach könnte auch eine Ausübung des Direktionsrechts, wie die vorliegende Beendigung der Telearbeit, eine arbeitsrechtliche Konsequenz in diesem Sinne darstellen. Gegen eine weitergehende Rechtswirkung spricht jedoch der vorwiegende Zweck von Abmahnungen als kündigungsvorbereitendes Instrument. Die Beklagte hat mit der Androhung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen bis hin zur Kündigung“ eine Standardformulierung für Abmahnungen verwendet. Im Regelfall wird man eine solche Formulierung im Rahmen eines Abmahnungsschreibens nicht dahingehend verstehen können, dass der Arbeitgeber auch auf eine Ausübung seines Direktionsrechts hinsichtlich des abgemahnten Verhaltens verzichten möchte. Denn für den abgemahnten Arbeitnehmer ist ersichtlich, dass der Arbeitgeber über die beendigungsrelevanten arbeitsrechtlichen Maßnahmen hinaus auch sein Weisungsrecht künftig mit dem Ziel ausüben wollen wird, weiteren Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers vorzubeugen. Dafür, dass eine Abmahnungserklärung im Einzelfall weitere Wirkungen hinsichtlich des Direktionsrechts zu entnehmen wären, bedürfte es besonderer Umstände. Solche sind vorliegend nicht erkennbar. Vielmehr besteht vorliegend sogar ein besonderer Anhaltspunkt dafür, dass sich die Erklärung des Arbeitgebers ausschließlich mit dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses auseinandersetzt. Die Beklagte hat nämlich das Verhalten der Klägerin am Samstag, 09.03.2019 in der zeitlich darauf folgenden Abmahnung vom 19.03.2019 nicht erwähnt. Hätte die Beklagte die Frage der weiteren Arbeitsbedingungen mitbehandeln wollen, wäre auch dieser weitere Tag für die Rüge relevant gewesen.
1.4. Die Beklagte hat die vereinbarte Form zur Beendigung der alternierenden Telearbeit – schriftlich gem. Nr. 10 lit a) der Vereinbarung zur alternierenden Telearbeit – eingehalten, indem sie die Beendigung der Telearbeit durch unterschriebenes Schreiben vom 01.04.2019 erklärte.
1.5. Die Beendigung der alternierenden Telearbeit erfolgte nicht ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG.
1.5.1. Eine vom Arbeitgeber ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats ausgesprochene Versetzung ist auch individualrechtlich unwirksam. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei einer Versetzung dient neben dem Schutz der Belegschaft dem Schutz des von der Maßnahme betroffenen Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer hat beim Fehlen der Zustimmung des Betriebsrats das Recht, die Arbeit zu den geänderten Bedingungen zu verweigern (BAG, Urteil vom 22. April 2010 – 2 AZR 491/09 -, BAGE 134, 154-159, Rn 13; BAG, Urteil vom 29. September 2004 – 1 AZR 473/03 -, Rn. 45, juris).
1.5.2. Der Anwendungsbereich für das Zustimmungserfordernis ist eröffnet. Es besteht ein Betriebsrat und im Unternehmen der Beklagten werden mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt (§ 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).
1.5.3. Bei der Beendigung von Telearbeit handelt es sich um eine Versetzung im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG i.V.m. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG (Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 10. September 2014 – 12 Sa 505/14 -, Rn. 98, juris). Vorliegend ergibt sich dies zusätzlich aus Nummer 3 der Ausführungsbetriebsvereinbarung „alternierende Telearbeit“ vom 13.04.2015 (Anlage B3, Blatt der Akte 86), nach der sich die Betriebspartner einig sind, dass der Übergang in alternierende Telearbeit wie auch die Rückkehr aus alternierender Telearbeit Versetzungen im Sinne von § 99 BetrVG sind.
1.5.4. Der Betriebsrat hat der Rückversetzung der Klägerin aus Telearbeit ab dem 01.05.2019 mit Zustimmungsvermerk vom 28.03.2019 zugestimmt (vergleiche Blatt der Akte 176). Zwar hat die Klägerin mit Nichtwissen bestritten, dass es sich bei der Unterschrift auf vorgenanntem Schreiben um die der Betriebsratsvorsitzenden Frau … handelt und der Betriebsrat damit der Versetzung zustimmte. Jedoch steht dies nach freier Beweiswürdigung der Kammer gemäß § 286 ZPO aufgrund der unsteritigen Umstände fest. So blieb unbestritten, dass die Personalreferentin Frau … per Hauspost ein Original des Schreibens erhalten hat. Auch blieb unstreitig, dass die Betriebsratsvorsitzende Frau … mit E-Mail vom 30.10.2019 bestätigte, dass der Betriebsrat der Versetzung zugestimmt habe, die Zustimmung persönlich von ihr unterschrieben und das Versetzungsschreiben an die Beklagte gesandt worden sei. Diese unstreitigen Umstände lassen sich – jedenfalls zum Grad der notwendigen Überzeugung – nicht anders erklären, als dass der Zustimmungsvermerk vom 28.03.2019 tatsächlich, wie von der Beklagten vorgetragen, von der Betriebsratsvorsitzenden unterzeichnet war. Ferner sei bemerkt, dass auch die E-Mail vom 30.10.2019 selbst eine nochmalige Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung darstellen würde. Eine bestimmte Form der Mitteilung ist im Betriebsverfassungsgesetz nicht vorgesehen (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG).
Dahin stehen kann, ob die Informationen im Anhörungsschreiben vom 26.03.2019 sowie etwaig in der Betriebsausschusssitzung am 28.03.2019 mündlich mitgeteilte Informationen ausreichend gewesen wären, um die für die Zustimmungsfiktion gemäß § 99 Abs. 3 BetrVG maßgebliche Wochenfrist in Gang zu setzen. Insbesondere kann offenbleiben ob die Beklagte bei der Unterrichtung dem Betriebsrat auch über die arbeitsvertragliche Gestaltung zu unterrichten gehabt hätte. Denn der Betriebsrat hat der Versetzung tatsächlich zugestimmt. Hat der Betriebsrat seine Zustimmung erteilt, kann er nicht nachträglich geltend machen, er sei nicht vollständig informiert gewesen. Dies hätte nur Bedeutung für die Zustimmungsfiktion (GK-BetrVG, 11. Auflage, § 99 Rn 230). Hätte sich der Betriebsrat bei seiner Zustimmungserteilung auf oberflächliche Information des Arbeitgebers verlassen, kann dies dem Arbeitgeber nicht zur Last gelegt werden. Insoweit ist es vorliegend ausreichend, dass aus dem Anhörungsschreiben vom 26.03.2019 eindeutig ersichtlich wird, zu welcher konkreten Maßnahme, die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt werden sollte und dementsprechend, welcher Maßnahme der Betriebsrat zugestimmt hat. So geht aus dem Schreiben hervor, dass es sich um eine Rückversetzung der Klägerin aus der Telearbeit in Präsenzarbeit für die Zeit ab dem 01.05.2019 handelt. Der Zustimmungsvermerk bezieht sich fraglos auf die darüberstehend beschriebene Maßnahme.
Offen bleiben kann, ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn der Arbeitgeber den tatsächlichen Sachverhalt verstellende Angaben gemacht hätte. Denn dafür ist vorliegend nichts ersichtlich.
2. Die Abmahnung vom 19.03.2019 ist aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen, § 1004 BGB. In der Abmahnung heißt es unter anderem, die von der Klägerin am 09.02.2019 bearbeiteten Vorgänge hätten in maximal 15 Minuten bearbeitet sein müssen. Zuletzt ging die Beklagte selbst davon aus, dass die Gesamtbearbeitungsdauer 17 Minuten betragen würde. Damit ist das Abmahnungsschreiben in diesem Punkt auch nach Vortrag der Beklagten unzutreffend und das Abmahnungsschreiben aus der Personalakte zu entfernen. Irrelevant hierfür ist, ob sich die in dem Schreiben enthaltene Abmahnung lediglich auf die Reihenfolge der Abarbeitung von Vorgängen aus dem zugewiesenen Arbeitskorb bzw. die Zuweisung eines Arbeitskorbes bezogen haben könnte. Auch andere schriftliche Äußerungen des Arbeitgebers, die die Leistung oder das Verhalten eines Arbeitnehmers rügen, kann der Arbeitnehmer mit einer Klage angreifen. Nachprüfbar sind alle missbilligenden Äußerungen des Arbeitgebers, die nach Form oder Inhalt den Arbeitnehmer in seiner Rechtsstellung beeinträchtigen können (BAG vom 22.02.1978 – 5 AZR 801/76, juris), so etwa schriftliche Rügen. Dies ist bei einem Abmahnungsschreiben, das neben dem abgemahnten Verhalten weiteres Verhalten des Arbeitnehmers – sachlich unrichtig – rügt und Eingang in die Personalakte findet, fraglos der Fall.
3. Die Abmahnung vom 07.06.2019 ist aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen, § 1004 BGB.
Aus ihrer Beanstandungsfunktion folgt, dass die Abmahnung inhaltlich bestimmt sein muss: Dem Arbeitnehmer muss aufgegeben werden, ein nach Inhalt, Zeit, Ort und beteiligten Personen genau bezeichnetes Fehlverhalten zu ändern. Es muss eindeutig erkennbar sein, welches Verhalten der Arbeitgeber erwartet. Pauschalurteile reichen nicht aus (Ascheid/Preis/Schmidt/Vossen, 5. Aufl. 2017 Rn. 350, KSchG § 1 Rn. 350).
Vorliegend ist in der Abmahnung nur das Ergebnis eines etwaigen Fehlverhaltens beschrieben, nämlich die Verunreinigung der zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel, nicht aber das Fehlverhalten, das der Klägerin zur Last gelegt wird. Damit fehlt es hinsichtlich der erforderlichen Warnfunktion auch an Vorgaben, was konkret künftig von der Klägerin erwartet wird. Die pauschale Vorgabe, künftig sorgfältig mit Materialien umzugehen, ist insoweit nicht ausreichend konkret.
4. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von 886,55 € hinsichtlich der Sonderzahlung für das Jahr 2019.
Das Entstehen eines Anspruchs auf Sonderzahlung 2019 in Höhe von 2275,32 € brutto ist zwischen den Parteien unstreitig.
Zwischenzeitlich hatte die Beklagte mit der Entgeltabrechnung für November 2019 eine „Verrechnung“ in Höhe der Widerklageforderung von 886,55 € geltend gemacht. Auf gerichtlichen Hinweis auf das Aufrechnungsverbot gemäß § 394 BGB nimmt die Beklagte nunmehr von einer Aufrechnung Abstand.
Der Anspruch auf Sonderzahlung 2019 ist, anders als die Klägerin meint, nicht nur in Höhe der an sie ausgezahlten 407,93 € durch Erfüllung erloschen, sondern auch in Höhe der abgeführten sozialversicherungsrechtlichen und steuerrechtlichen Abgaben. Die Beklagte hat insoweit klargestellt, dass sie die Abgaben, wie in der Entgeltabrechnung ausgewiesen, abgeführt habe. Die Klägerin hat dies lediglich pauschal („ausdrücklich“) bestritten, was kein ausdrückliches Bestreiten iSd. § 138 Abs. 3 darstellt, da keine eigenen Angaben zur Abführung der Abgaben gemacht wurden. Darauf, dass ein pauschales Bestreiten nicht ausreicht, wurde ausdrücklich hingewiesen. Damit ist die Abführung der Abgaben gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen ist.
5. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von 59 Urlaubstagen. Anders als die Klägerin meint, ist die Gewährung von Erholungsurlaub nur möglich, wenn der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist. Die Klägerin vermochte nicht darzulegen, dass sie arbeitsfähig ist.
5.1. Nach der zutreffenden ständigen Rechtsprechung des BAG hängt die Erfüllbarkeit des gesetzlichen Urlaubsanspruchs nach dem nationalen Urlaubsrecht von der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers ab. Wer arbeitsunfähig krank ist, kann durch Urlaubserteilung von seiner Arbeitspflicht nicht mehr befreit werden. Eine Freistellungserklärung des Arbeitgebers kann nach § 362 Abs. 1 BGB das Erlöschen des Urlaubsanspruchs nur bewirken, soweit für den Freistellungszeitraum eine Arbeitspflicht des Arbeitnehmers besteht. Kann der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeit nicht erbringen, wird ihm die Arbeitsleistung unmöglich. Er wird nach § 275 Abs. 1 BGB von der Pflicht zur Arbeitsleistung frei. Der arbeitsunfähige Arbeitnehmer ist nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet (BAG, Urteil vom 18. März 2014 – 9 AZR 669/12 -, Rn. 16, juris mwN). Diese Rechtsprechung steht im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union (BAG, Urteil vom 18. März 2014 – 9 AZR 669/12 -, Rn. 17, juris mit Begründung in den nachfolgenden Randnummern, die sich die Kammer zu eigen macht). Der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens bedarf es nicht, da die entscheidungserheblichen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt sind oder ihre Beantwortung offenkundig ist (BAG, Urteil vom 18. März 2014 – 9 AZR 669/12 -, Rn. 21, juris).
5.2. Die Klägerin ist nicht arbeitsfähig.
Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit beim Arbeitgeber wegen Krankheit nicht mehr ausüben kann oder nicht mehr ausüben sollte, weil die Heilung einer vorhandenen Krankheit nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert wird (BAG 23. Januar 2008 – 5 AZR 393/07 – Rn. 19 mwN). Der Urlaubsanspruch ist auch dann erfüllbar, wenn der Arbeitnehmer andere Arbeitsleistungen hätte erbringen können, welche der Arbeitgeber nach dem Arbeitsvertrag als vertragsgemäß hätte annehmen müssen (BAG, Urteil vom 18. März 2014 – 9 AZR 669/12 -, Rn. 25, juris). Dies setzt aber voraus, dass ein entsprechender betrieblicher Arbeitsbedarf vorhanden und ein Arbeitsplatz frei ist. Ist ein freier Arbeitsplatz nicht vorhanden, so ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer lediglich zum Zwecke der Urlaubsgewährung eine andere, tatsächlich nicht erforderliche Beschäftigung zuzuweisen. Die Pflicht zur Konkretisierung der Arbeitspflicht wird durch die betrieblichen Gegebenheiten beschränkt. Lassen diese eine vertragsgerechte Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht zu, bleibt es bei der Unerfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs (BAG, Urteil vom 24. Juni 2003 – 9 AZR 423/02 -, BAGE 106, 361-367, Rn. 41). Der Arbeitnehmer ist darlegungs- und beweisbelastet für die Tatsache der Arbeitsfähigkeit (BAG, Urteil vom 23. März 2010 – 9 AZR 128/09 -, BAGE 134, 1-33, Rn. 17).
Die Behauptung der Klägerin, aus psychischen Gründen lediglich nicht in der Lage zu sein, Präsenzarbeit zu leisten, aber als Telearbeiterin arbeitsfähig zu sein, wurde von der Beklagten zulässig mit Nichtwissen bestritten, da mit dem Gesundheitszustand der Klägerin Tatsachen betroffen sind, die sich nicht im Wahrnehmungsbereich der Beklagten abspielen. Unstreitig war die Klägerin ab 03.04.2019, also noch während des Fortbestands der alternierenden Telearbeit, arbeitsunfähig erkrankt. Objektive Tatsachen, aufgrund derer auf eine Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit geschlossen werden könnte, sind nicht ersichtlich.
Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ausforschung, ob solche Tatsachen vorliegen, muss unterbleiben. Es fehlt vielmehr an jeglichem Tatsachenvortrag, aus dem sich ableiten ließe, dass die Klägerin auf einem heimischen Arbeitsplatz leistungsfähig wäre. Die pauschale Behauptung der Klägerin ist insoweit nicht ausreichend.
6. Soweit der Klägerin ein Anspruch auf Urlaubsgeld für das Jahr 2020 zustand, wurde dieser von der Beklagten erfüllt.
Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass sich der tarifliche Anspruch auf Urlaubsgeld grundsätzlich auf 1443,42 € brutto belaufen würde.
Allerdings kommt es vorliegend zu einer Kürzung des Urlaubsgeldanspruchs nach § 13 Nr. 9 UA 3 des Manteltarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe in der ab 01.01.2018 geltenden Fassung (MTV) für die Monate März bis Juni 2020, da die Klägerin in diesen nicht an mindestens 15 Tagen Anspruch auf Arbeitsentgelt nach § 3 MTV, Entgeltfortzahlung nach § 10 Nr. 1 MTV oder Krankengeldzuschusses nach § 10 Nr. 2 MTV hatte. Vielmehr endete die Zahlung von Krankengeld und damit von Krankengeldzuschuss nach § 10 Nr. 2 MTV zum 13.03.2020. Damit steht der Klägerin das Urlaubsgeld nur in Höhe von 2/6 das Gesamtbetrages nämlich für Januar und Februar 2020 zu, nämlich 481,14 € brutto. Der März 2020 war mit nur 13 Tagen, an denen eine Leistung im Sinne des § 13 Nr. 9 UA 3 MTV geschuldet war, nicht mit zu berücksichtigen.
In dieser Höhe hat die Beklagte den Anspruch unstreitig erfüllt. Die diesbezügliche Erledigterklärung der Beklagten bleibt mangels Zustimmung der Klägerin ohne prozessuale Relevanz und stellt letztlich nur die Geltendmachung des Einwands der Erfüllung dar.
7. Die von der Klägerin mit Antrag 8 erhobene Stufenklage war in erster Stufe als unbegründet abzuweisen. Offen bleiben kann, ob der Klägerin ein Auskunftsanspruch zustand, da die Beklagte diesen jedenfalls erfüllt hätte.
7.1. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass der Klägerin eine ergebnisorientierte Sonderzahlung zusteht. Die Beklagte hat diese in Höhe von 1479,80 € brutto mit Entgeltabrechnung für Mai 2020 abgerechnet. Umstritten ist lediglich die Höhe des Anspruchs. Die Klägerin begehrt Auskunft zu den Grundlagen der Ermittlung des Ausgangsbonus als eine Komponente der Bonusregelung, um die Höhe ihres Anspruchs insoweit ermitteln zu können.
7.2. Die von der Klägerin begehrte Auskunft über die Grundlagen zur Ermittlung des Ausgangsbonus wurde von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 17.06.2020 erteilt. Damit ist der geltend gemachte Auskunftsanspruch jedenfalls erfüllt, § 362 BGB. Der Ausgangsbonus beträgt nach Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung 80% des Bruttomonatsgehalts des Arbeitnehmers für Dezember, was Nr. 4.1 der von der Beklagten übergebenen Betriebsvereinbarung „Zielverfahren und Bonussystem“ vom 07.10.2015 entspricht. In Nr. 4.2 dieser Betriebsvereinbarung sind nähere Angaben zur Bestimmung des maßgeblichen Bruttomonatsgehalts enthalten. Zusätzlich hat die Beklagte mit Schreiben vom 22.05.2020 (Blatt der Akte 508) die konkrete Höhe des Ausgangsbonus (80% Dezembergehalt 2019), nämlich 2246,37 € mitgeteilt. Damit hat die Beklagte die Grundlagen zur Ermittlung des Ausgangsbonus erschöpfend mitgeteilt.
Mangels entsprechenden Auskunftsbegehrens ist für die Entscheidung ohne Belang, wie der gekürzte Ausgangsbonus zu ermitteln ist. Die Beklagte hat hierzu jedoch im Schreiben vom 22.05.2020 bereits Stellung genommen: gekürzter Ausgangsbonus 935,99 € = 2246,37 € × 5 / 12. Auf Nr. 13.5 der Betriebsvereinbarung „Zielverfahren und Bonussystem“ sei insoweit hingewiesen, die eine anteilige Kürzung des Bonusanspruchs für volle Monate ohne Entgeltfortzahlung vorsieht.
7.3. Über eine Stufenklage ist auch dann durch Teilurteil zu entscheiden, wenn sich der Anspruch auf Auskunft als unzulässig oder als unbegründet (zB wegen Erfüllung, vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1980 – IV ZR 120/78 -, juris) erweist, daraus aber noch nicht folgt, dass auch der Leistungsanspruch unbegründet ist (BeckOK ZPO/Bacher, 36. Ed. 1.3.2020, ZPO § 254 Rn. 18). Ein Endurteil kommt nur bei Unzulässigkeit der Stufenklage oder dann in Betracht, wenn sich bereits bei der Prüfung des Auskunftsanspruchs ergibt, dass dem Hauptanspruch die materiellrechtliche Grundlage fehlt (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 254 ZPO, Rn. 9).
III.
Die Widerklage ist weitgehend begründet, nur hinsichtlich der begehrten Zinsen sind diese erst ab dem 10.07.2019 zu beanspruchen. Die Beklagte hat Anspruch auf Zahlung von 886,55 € gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB.
1. In der Abrechnung für Mai 2019 berücksichtigte die Beklagte ein Grundgehalt in Höhe von 2807,96 € brutto. Tatsächlich stand der Klägerin jedoch nur Entgeltfortzahlung in Höhe von 1220,85 € brutto zu. Der sechswöchige Entgeltfortzahlungszeitraum endete nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 03.04.2019 mit Ablauf des 14.05.2019. Die Berechnung der anteiligen Entgeltfortzahlung für Mai 2019 nach den auf den Zeitraum bis zum 14.05.2019 entfallenden Arbeitstagen ist nicht zu beanstanden (für diese Berechnungsmethode BAG Urteil vom 14.08.1985 – 5 AZR 384/84; AP HGB § 63 Nr. 40, beckonline).
2. Die Beklagte zahlte für den Monat Mai 2019 insgesamt 3070,82 € an die Klägerin aus. Mit fiktiver Entgeltabrechnung für Mai 2019 gemäß Anlage B 32 (vergleiche Blatt der Akte 286) legt die Beklagte unter Berücksichtigung einzeln aufgeführter gesetzlicher Abzüge dar, dass der Überweisungsbetrag bei Zahlung des Grundgehalts in Höhe der anteiligen Entgeltfortzahlung von 1220,85 € brutto nur 2184,27 € betragen hätte. Dem pauschalen Einwand der Klägerin, die Aufstellung sei nicht nachvollziehbar, vermag die Kammer nicht zu folgen. Vielmehr scheinen alle relevanten Daten vorhanden zu sein. Soweit die Klägerin darauf verweist, dass die Berechnungsgrundlagen für Abzüge fehlen würden, sind diese – etwa Lohnsteuerabzugsmerkmale – der Klägerin selbst bekannt und aus den vorliegenden Entgeltabrechnungen der Beklagten ersichtlich. Aus der Differenz des tatsächlich gezahlten Überweisungsbetrages zum korrigierten Überweisungsbetrag ergibt sich der streitgegenständliche Betrag von 886,55 €, der somit ohne Rechtsgrund von der Beklagten geleistet wurde.
3. Die Klägerin kann der Beklagten nicht den Einwand der Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB entgegenhalten.
Nach § 818 Abs. 3 BGB ist der Bereicherungsanspruch ausgeschlossen, „soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist“. Dies ist nur dann der Fall, wenn das Erlangte ersatzlos weggefallen ist und kein Überschuss zwischen dem vorhandenen Vermögen und dem Vermögen mehr besteht, das ohne den bereichernden Vorgang vorhanden wäre. Von dem Fortbestehen einer Bereicherung ist auch dann auszugehen, wenn der Bereicherungsschuldner mit der Ausgabe des Erlangten anderweitige Aufwendungen erspart hat. Will der Arbeitnehmer als Empfänger rechtsgrundlos erhaltener Lohn- oder Gehaltsbezüge geltend machen, nicht mehr bereichert zu sein, so muss er im Einzelnen die Tatsachen darlegen, aus denen sich ergibt, dass die Bereicherung weggefallen ist, dass er also weder Aufwendungen erspart hat, die er ohnehin gemacht hätte, noch Schulden getilgt und dadurch seinen Vermögensstand verbessert hat. Diese Tatsachen hat der Bereicherungsschuldner gegebenenfalls auch zu beweisen.
Für die Entreicherung des Arbeitnehmers kann zwar unter bestimmten Umständen ein Anscheinsbeweis sprechen. Dieser Anscheinsbeweis erfordert aber, dass die monatliche Überzahlung des laufenden Arbeitsentgelts geringfügig und aufgrund der Lebenssituation des Arbeitnehmers erfahrungsgemäß ein alsbaldiger Verbrauch der Überzahlung für die laufenden Kosten der Lebenshaltung anzunehmen ist (BAG, Urteil vom 18. Januar 1995 – 5 AZR 817/93 -, Rn. 17, juris).
Die Klägerin behauptet lediglich pauschal, sie habe die Leistung für ihren Lebensunterhalt verbraucht. Damit ist nicht dargelegt, dass sie nicht Aufwendungen erspart hat, die die Klägerin ohnehin gemacht hätte. Auch ein Anscheinsbeweis kommt der Klägerin nicht zugute, da es sich bei einer einmaligen Überzahlung von mehr als 800 € schon nicht um einen geringfügigen Betrag handelt.
4. Die von der Klägerin hilfsweise erklärte Aufrechnung mit Ansprüchen auf Aufwandspauschalen für Telearbeit für die Mai bis Dezember 2019 führte nicht zum Erlöschen des Anspruchs der Beklagten gemäß § 398 BGB. Denn der Klägerin stehen keine Ansprüche auf Aufwandspauschalen für diesen Zeitraum zu. Vielmehr wurde die Telearbeit zum 30.04.2019 wirksam beendet.
5. Verzugszinsen waren erst ab 10.07.2019 zuzuerkennen, da die Beklagte der Klägerin mit Zahlungsaufforderung vom 25.06.2019 eine Frist zur Überweisung bis spätestens 09.07.2019 einräumte (vgl. Anlage B 30, Blatt der Akte 151).
IV.
Antrag 9, mit dem die Klägerin Beschäftigung in alternierender Telearbeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens begehrt, entfaltet als einstweilige Regelung nur dann eigenständige Bedeutung gegenüber den ausgelegten Anträgen zwei und drei, wenn über ihn isoliert durch Teilurteil entschieden würde. Insofern ist Antrag 9 als bloßer Hilfsantrag zu verstehen sein, der vorliegend nicht zur Entscheidung angefallen ist.
V.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. Ein Teilurteil enthält grundsätzlich keinen Kostenausspruch; über ihn wird im Schlussurteil entschieden (Feskorn in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 301 ZPO, Rn. 21).
VI.
Die Festsetzung des Streitwertes im Urteil beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO und orientiert sich am Streitwertkatalog der Arbeitsgerichtsbarkeit. Insoweit wurde für die beiden Anträge auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte jeweils ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 3248,54 € festgesetzt. Für Anträge 2 und 3 (Beendigung Telearbeit) wurden zwei Bruttomonatsgehälter berücksichtigt. Der Streitwertansatz von 1838,44 € für Antrag 5 ergibt sich aus dem bezifferten Zahlungsantrag (2246,37 € brutto abzüglich gezahlter 407,93 € netto). Antrag sechs (Urlaubsgewährung) wurde mit 8845,87 € berücksichtigt, nämlich 59 Urlaubstage multipliziert mit einem Tagessatz von 149,93 €. Antrag 7 wurde in bezifferter Höhe von 1403,98 € berücksichtigt. Die Stufenklage gem. Antrag 8 wurde entsprechend der Erwartung der Klägerin einer weiteren Zahlung in Höhe von mindestens 766,57 € brutto mit 800,00 € berücksichtigt. Antrag 9 fiel nicht zur Entscheidung an, wäre aber ohnehin wirtschaftlich identisch zu den Anträgen 2 und 3. Die Widerklage war aufgrund wirtschaftlicher Identität zu Klageantrag 5 nicht mit einem über diesen hinausgehenden Wert anzusetzen.
VII.
Anlass zur gesonderten Zulassung der Berufung bestand nicht, § 64 Abs. 3 ArbGG. Die Statthaftigkeit der Berufung unter Berücksichtigung des Wertes des Beschwerdegegenstandes nach § 64 Abs. 2 Buchstabe b) ArbGG bleibt hiervon unberührt.

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