Aktenzeichen 7 AZR 193/20
Leitsatz
1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 WissZeitVG in der seit dem 17. März 2016 geltenden Fassung muss die Befristungsdauer der angestrebten Qualifizierung angemessen sein. Die angemessene Befristungsdauer ist einzelfallbezogen, insbesondere unter Berücksichtigung der Verhältnisse im jeweiligen Fach, des angestrebten Qualifizierungsziels und des Qualifizierungsstands des Arbeitnehmers zu ermitteln.
2. Nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG ist nur die Befristung von Arbeitsverträgen mit mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit zulässig. Die in § 2 Abs. 3 Satz 1 WissZeitVG vorgesehene Herausnahme von Arbeitsverhältnissen mit bis zu einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit aus der Anrechnung auf die Höchstbefristungsdauer ermöglicht daher keinen Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverhältnisse mit bis zu einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit und ist somit unionsrechtskonform.
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Hagen (Westfalen), 19. März 2019, Az: 4 Ca 1283/18, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), 28. November 2019, Az: 11 Sa 381/19, Urteil
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 28. November 2019 – 11 Sa 381/19 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses und hilfsweise über dessen befristete Verlängerung.
2
Die Klägerin war nach Abschluss ihres Studiums der Rechtswissenschaften bei der beklagten Universität am R Stiftungslehrstuhl für Bürgerliches Recht, Gewerblichen Rechtsschutz, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht von Prof. Dr. K in der Zeit vom 1. November 2010 bis zum 14. August 2018 aufgrund mehrerer aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge zunächst als wissenschaftliche Hilfskraft und ab dem 15. August 2013 als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt.
3
Die regelmäßige Arbeitszeit für vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen betrug 39,83 Stunden pro Woche. Die Klägerin wurde vom 1. November 2010 bis zum 31. Oktober 2011 sechs Stunden pro Woche und vom 1. November 2011 bis zum 30. Juni 2012 acht Stunden pro Woche beschäftigt. In der Zeit vom 1. Juli 2012 bis zum 30. April 2013 betrug die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin zehn Stunden; davon entfielen sechs Stunden auf eine Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft und vier Stunden auf eine Tätigkeit als Mentorin. In dem sich anschließenden, zum 14. August 2013 befristeten Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien eine Beschäftigung der Klägerin als wissenschaftliche Hilfskraft mit einer Arbeitszeit von sechs Stunden pro Woche; die Arbeitszeit wurde einvernehmlich für den Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis zum 31. Juli 2013 auf 19 Wochenstunden aufgestockt. Seit dem 15. August 2013 wurde die Klägerin mit mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft beschäftigt. Mit dem zuletzt geschlossenen Arbeitsvertrag vom 10. August 2016 wurde die Klägerin für die Zeit vom 15. August 2016 bis zum 14. August 2018 als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit einer Arbeitszeit von 50 % eines Vollzeitbeschäftigten angestellt. Nach § 5 dieses Arbeitsvertrags erfolgte die Befristung nach § 2 WissZeitVG zur Beschäftigung vor Abschluss einer Promotion. Während der Laufzeit dieses Vertrags wurde die vertragliche Arbeitszeit für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Mai 2017 und – mit Nachtrag vom 17. April 2018 – für die Zeit vom 18. April 2018 bis zum 14. August 2018 jeweils auf eine Vollzeittätigkeit aufgestockt.
4
Erste Überlegungen zu einer Promotion der Klägerin hatte es im Jahr 2013 gegeben. Vor Abschluss des letzten befristeten Arbeitsvertrags unterzeichneten die Parteien am 27./28. Juli 2016 eine „Ergänzung zum Antrag auf Einstellung/Weiterbeschäftigung von wiss. Beschäftigten (wiss. Mitarbeiter/in, wiss. Hilfskraft, Mentor/in)“. Darin heißt es ua., dass in der beantragten Beschäftigungszeit der Abschluss der Promotion mit dem Thema „Das Säumnisverfahren vor dem Einheitlichen Europäischen Patentgericht im Vergleich zur ZPO“ gefördert werden sollte. Die Beklagte lehnte die von der Klägerin gewünschte Verlängerung des zum 14. August 2018 befristeten Arbeitsvertrags um zehn Monate mit Schreiben vom 11. Mai 2018 mit der Begründung ab, die Höchstbefristungsdauer sei erreicht.
5
Mit ihrer am 7. August 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 17. August 2018 zugestellten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die im Arbeitsvertrag vom 10. August 2016 vereinbarte Befristung sei unwirksam. Sie hat die Auffassung vertreten, die vereinbarte Befristungsdauer von zwei Jahren sei dem angestrebten Abschluss ihrer Promotion angesichts einer durchschnittlichen Promotionsdauer von mehr als sechs Jahren am Lehrstuhl von Prof. Dr. K nicht angemessen. Die Vertragslaufzeit sei nicht wegen Erreichens der Höchstbefristungsdauer angemessen. Die Angemessenheit der vereinbarten Befristungsdauer beurteile sich nur nach der angestrebten Qualifizierung; auf die Höchstbefristungsdauer komme es insoweit nicht an. Zudem sei die Höchstbefristungsdauer mit der zuletzt vereinbarten Befristung nicht ausgeschöpft worden, da die zehnmonatige Beschäftigung als Mentorin und wissenschaftliche Hilfskraft vom 1. Juli 2012 bis zum 30. April 2013 nicht auf die Höchstbefristungsdauer anzurechnen sei. Die Mentorentätigkeit sei keine wissenschaftliche Dienstleistung. Die Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft sei zwar dem Grunde nach wissenschaftlicher Natur, aber aufgrund ihres geringen zeitlichen Umfangs nicht zur wissenschaftlichen Qualifizierung geeignet. Da das Arbeitsverhältnis hinsichtlich der Mentorentätigkeit qualitativ und hinsichtlich der Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft quantitativ nicht zur wissenschaftlichen Qualifizierung geeignet sei, könne es nicht im Wege einer Gesamtbetrachtung zu einem anrechenbaren wissenschaftlich geprägten Arbeitsverhältnis hochgestuft werden. Zudem werde sie durch die zuletzt vereinbarte Befristung der Arbeitszeiterhöhung unangemessen benachteiligt. Jedenfalls stehe ihr aufgrund der unangemessen kurzen Vertragslaufzeit und der Praxis der Beklagten, die Höchstbefristungsdauer auszuschöpfen, ein Anspruch auf Verlängerung des Arbeitsverhältnisses um zehn Monate zu.
6
Die Klägerin hat beantragt,
1.
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristungsvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 10. August 2016, zuletzt geändert durch Änderungsvereinbarung vom 17. April 2018, nicht am 14. August 2018 endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht,
2.
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu Ziff. 1 festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristungsvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 10. August 2016, zuletzt geändert durch Änderungsvereinbarung vom 17. April 2018, nicht am 14. August 2018 endet, sondern bis zum 14. Juni 2019 fortbesteht,
3.
hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu Ziff. 1 oder Ziff. 2 die Beklagte zu verurteilen, sie über den 14. August 2018 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Bestandschutzrechtsstreits als wissenschaftliche Mitarbeiterin am R Stiftungslehrstuhl für Bürgerliches Recht, Gewerblichen Rechtsschutz, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht von Herrn Prof. Dr. K weiter zu beschäftigen.
7
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
8
Das Arbeitsgericht hat den Klageanträgen zu 1. und zu 3. stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
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