Aktenzeichen Au 2 K 18.90
Leitsatz
Bei der Bestimmung der versorgungsrechtlichen Wartezeit im Sinne des § 32 BeamtStG in Verbindung mit Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG sind Zeiträume, in denen der Beamte teilzeitbeschäftigt war, nicht nur zu dem Teil auf die versorgungsrechtliche Wartezeit anzurechnen, der dem Verhältnis der ermäßigten zur regelmäßigen Arbeitszeit entspricht; Teilzeitbeschäftigte erreichen die versorgungsrechtliche Mindestzeit im Sinne des § 32 BeamtVG bzw. Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG unter den gleichen Voraussetzungen wie Vollzeitbeschäftigte, d.h., der „pro-rata-temporis“-Grundsatz gilt bei der Bestimmung der versorgungsrechtlichen (Mindest-)Wartezeit nicht. (Rn. 54)
Tenor
I. Der Bescheid der Regierung von … vom 22. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Mai 2016 wird aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Berufung wird zugelassen.
Gründe
Die zulässige Klage hat Erfolg.
Der Bescheid der Regierung von … vom 22. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 31. Mai 2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage der verfügten Entlassung der Klägerin aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit ist § 23 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG. Nach dieser Bestimmung sind Beamte u.a. dann zu entlassen, wenn sie dauernd dienstunfähig sind und das Beamtenverhältnis nicht durch Versetzung in den Ruhestand endet (Nr. 3) bzw., wenn sie nicht in den Ruhestand oder einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, weil eine versorgungsrechtliche Wartezeit nicht erfüllt ist (Nr. 2). Dementsprechend bestimmt § 32 BeamtStG, dass die Versetzung in den Ruhestand die Erfüllung einer versorgungsrechtlichen Wartezeit voraussetzt. Diese ist erfüllt, wenn der Beamte aufgrund der von ihm zurückgelegten Dienstzeit ein Ruhegehalt beanspruchen kann. Die Dauer der versorgungsrechtlichen Wartezeit als Möglichkeit bzw. zwingende Voraussetzung einer Versetzung in den Ruhestand bzw. Beanspruchung eines Ruhegehalts hängt von der näheren Ausgestaltung durch das jeweilige Landesrecht ab. Für Bayerische Landesbeamte – wie hier – bestimmt Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG, dass ein Ruhegehalt nur gewährt wird, wenn der Beamte eine Dienstzeit von mindestens fünf Jahren abgeleistet hat. Die Dienstzeit wird nach Satz 2 des Art. 11 Abs. 1 BayBeamtVG vom Zeitpunkt der ersten Berufung in das Beamtenverhältnis ab gerechnet und nur berücksichtigt, soweit sie ruhegehaltfähig ist.
Die Klägerin hat vorliegend die versorgungsrechtliche Wartezeit erfüllt, sodass die Entlassungsverfügung rechtswidrig ist. Ob bei der Klägerin als weitere Voraussetzung der Entlassung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt, kann demzufolge offen bleiben.
Die Klägerin ist mit Wirkung vom 11. September 1995 in das Beamtenverhältnis auf Widerruf, mit Wirkung vom 13. September 1999 in das Beamtenverhältnis auf Probe und mit Wirkung vom 16. November 2014 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen worden. Sie hat in der Zeit vom 11. September 1995 bis 15. September 1997, vom 1. März 2004 bis 31. Juli 2005 und vom 1. August 2013 bis 31. Juli 2015 eine ruhegehaltsfähige Dienstzeit von mehr als sechs Jahren zurückgelegt. Der Umstand, dass sie in der Zeit vom 1. März 2004 bis 31. Juli 2005 und vom 1. August 2012 bis 31. Juli 2015 nicht die volle Pflichtstundenzahl (28 bzw. 29 bzw. 28,5 Stunden) geleistet hat, sondern im Umfang von 7 bzw. 16 bzw. 15 Stunden teilzeitbeschäftigt war, steht dem nicht entgegen. Eine anteilige Berücksichtigung der Teilzeitbeschäftigung der Klägerin nach dem Verhältnis der ermäßigten zur regelmäßigen Arbeitszeit kommt bei der Frage, ob die versorgungsrechtliche (Mindest-)Wartezeit von fünf Jahren erfüllt ist, nicht in Betracht. Vielmehr ist allein die Zeitspanne des Dienstverhältnisses maßgebend, so dass der Zeitraum, in dem die Klägerin teilzeitbeschäftigt war, voll zu berücksichtigen ist. Die Einschränkung „soweit sie ruhegehaltfähig ist“ bezieht sich auf die Ruhegehaltfähigkeit der Dienstzeit dem Grunde und nicht dem Umfang nach. Art. 24 Abs. 1 BayBeamtVG findet insoweit keine Anwendung.
Dieses Ergebnis ergibt sich zum einen bereits aus der erforderlichen Auslegung der insoweit auslegungsbedürftigen und auch auslegungsfähigen Bestimmung des Art. 11 BayBeamtVG. Der Wortlaut dieser Vorschrift ist nicht eindeutig. Die Formulierung des Art. 11 Abs. 1 Satz 2 BayBeamtVG „Die Dienstzeit wird … nur berücksichtigt, soweit sie ruhegehaltsfähig ist“ lässt sich vom Wortlaut her sowohl dahin verstehen, dass Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung nur anteilig auf die versorgungsrechtliche Wartezeit anzurechnen sind, als auch dahin, dass Zeiträume, in denen der Beamte teilzeitbeschäftigt war, voll zu berücksichtigen sind. Die gesetzliche Regelung in Art. 11 BayBeamtVG bedarf folglich der Auslegung und der Ermittlung des Anwendungs- und Wirkungsbereichs nach Inhalt, Zweck und Ausmaß.
Maßgebend für die Auslegung einer Rechtsvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Normgebers, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt. Dem dient die Auslegung nach dem Wortlaut der Vorschrift (grammatikalische Auslegung), aus ihrem Zusammenhang (systematische Auslegung), aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) und aus den Gesetzesmaterialien (historische Auslegung). Diese Methoden schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig (vgl. BayVerfGH, E.v. 22.6.2010 – Vf. 15-VII-09 – VerfGH 63,71; E.v. 12.3.2007 – Vf. 8-VII-06 – VerfGH 60, 52).
Die Festsetzung einer versorgungsrechtlichen Wartezeit dient dem Ziel, bei der Versorgung ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem erdienten Gehalt und der Dauer der im öffentlichen Dienst verbrachten Zeit herzustellen (BVerwG, U.v. 19.2.2009 – 2 C 18.07 – BVerwGE 133, 143; U.v. 23.2.2012 – 2 C 76.10 – BVerwGE 142, 59; B.v. 26.3.2012 – 2 B 26.11 – juris Rn. 20; Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz mit Bundesbeamtenversorgungsgesetz, Stand November 2017, § 4 BeamtVG Rn. 13). Dieses Ziel folgt aus den von Art. 33 Abs. 5 GG geschützten hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, hier des Lebenszeit- und des Alimentationsprinzips. Das Lebenszeitprinzip soll eine integre, ausschließlich an Gesetz und Recht orientierte Amtsführung fördern, indem es die Beamten mit rechtlicher und wirtschaftlicher Sicherheit ausstattet. Zu diesem Zweck gewährleistet es die Struktur des Beamtenverhältnisses als ein auf Lebenszeit angelegtes Dienst- und Treueverhältnis, den Schutz der auf Lebenszeit berufenen Beamten vor Entlassung sowie im Zusammenwirken mit dem Alimentationsprinzip die amtsangemessene Besoldung und lebenslange Versorgung (BVerfG, B.v. 28.5.2008 – 2 BvL 11/07 – BVerfGE 121, 205; BVerwG, B.v. 27.9.2007 – 2 C 21.06, 26.06 und 29.07 – BVerwGE 129, 272). Die Beamten haben Persönlichkeit und Arbeitskraft dem Dienstherrn grundsätzlich während des gesamten Berufslebens zur Verfügung zu stellen. Diese Dienstleistungspflicht steht in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der lebenslang zu gewährenden Alimentation. Beamte erdienen ihre Altersversorgung durch die Dienstleistung, d.h. während der aktiven Dienstzeit. Die Dienstbezüge sind im Hinblick auf die künftigen Versorgungsansprüche niedriger festgesetzt. Der Dienstherr behält einen fiktiven Anteil ein, um die Versorgung zu finanzieren (BVerfG, U.v. 6.3.2002 – 2 BvL 17/99 – BVerfGE 105, 73; U.v. 27.9.2005 – 2 BvR 1387/02 – BVerfGE 114, 258). Diese durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Ausstattung der Altersversorgung und ihr Zusammenhang mit der auf das gesamte Berufsleben ausgerichteten Dienstleistungspflicht der Beamten verleiht dem Interesse an angemessen langen Lebensdienstzeiten vor dem Eintritt in den Ruhestand einen verfassungsrechtlich verankerten Stellenwert. Dies folgt aus dem Lebenszeit- und Alimentationsprinzip, die die lebenslange Versorgung der Ruhestandsbeamten gewährleisten (BVerwG, U.v. 28.10.2004 – 2 C 23.03 – BVerwGE 122, 147; U.v. 19.2.2009 a.a.O.). So ist es Sache des Dienstherrn festzulegen, welche Lebensdienstzeit er für angemessen hält, um die Altersversorgung zu erdienen. Diese Zeit wird u.a. durch die gesetzliche Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand begrenzt, wobei bei deren Festlegung dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungsspielraum zusteht, der das Ergebnis gesundheits-, finanz-, arbeitsmarkt- und personalpolitischer Erwägungen wie etwa zu dem Umfang der staatlichen Aufgaben, der Entwicklung der Versorgungslasten oder der Altersstrukturen des öffentlichen Dienstes darstellt (BVerfG, B.v. 10.12.1985 – 2 BvL 18/83 – BVerfGE 71, 255; BVerwG, U.v. 17.12.2008 – 2 C 26.07 – BVerwGE 133, 25). Tritt der Beamte vor Erreichen des dafür vorgesehenen Alters in den Ruhestand, ist das Gleichgewicht zwischen Dienst und Ruhestand verschoben, weil dem Dienstherrn die Arbeitskraft des Beamten zu früh verloren geht (stRspr; vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2008 a.a.O.) und bei vorzeitiger Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses durch Dienstunfähigkeit die Beamtenversorgungsgesetze eine vergleichsweise hohe Mindestversorgung bieten. Dieses Mindestruhegehalt soll nur erreicht werden können, wenn eine gewisse Mindestdienstleistung stattgefunden hat (Wittmer in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Bd. I, Stand Februar 2018, § 4 BeamtVG Rn. 54).
Dieses gesetzgeberische Ziel der Ableistung einer Mindestdienstleistung, das mit dem Alimentationsprinzip vereinbar ist (vgl. Wittmer a.a.O.), mag vom Wortlaut her betrachtet den Eindruck erwecken, dass die tatsächliche Dienstleistung gemeint ist und nicht die im Beamtenverhältnis verbrachte Zeit, d.h., dass es auf die tatsächlich im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit abgeleistete Zeit in der Form der reinen Arbeitszeit ankommt (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O., § 4 BeamtVG Rn. 28; Wittmer, a.a.O., § 4 BeamtVG Rn. 59). Eine solche Annahme würde jedoch neben der Tatsache, dass die Feststellung der abgeleisteten reinen Arbeitszeit in der Praxis wohl an erhebliche Grenzen stoßen dürfte und sich der Begriff „Dienstzeit“ nicht ohne weiteres in (tatsächlich abgeleistete) „Dienststunden“ umdeuten lässt, dem Charakter des Ruhegehalts widersprechen. Die Versorgung der Beamten und Richter ist durch Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich gesichert. Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört die Verpflichtung des Dienstherrn, dem Beamten lebenslang einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Dies gilt nicht nur während der aktiven Dienstzeit, sondern auch für die Zeit des Versorgungsbezugs. Alimentation ist die gesetzlich festzulegende staatliche Gegenleistung des Dienstherrn in Gestalt amtsangemessener Besoldung und Versorgung des Beamten und seiner Familie für die in dem auf Lebenszeit angelegten gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnis grundsätzlich unter Einsatz der vollen Arbeitskraft im Lebensberuf erbrachten Dienste (BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 2 C 20.03 – Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 8; B.v. 11.12.2008 – 2 C 121.07 – BVerwGE 132, 299). Eine Berechnung der Dienstzeit im Sinne einer Addition der Zeit der tatsächlichen Dienstleistung nach Stunden, Minuten oder gar Sekunden würde diesem Prinzip zuwiderlaufen. Da der Begriff der „Dienstzeit“ der Berücksichtigung von Zeiten, während derer der Beamte keinen Dienst geleistet hat, weil er z.B. durch Krankheit an der tatsächlichen Diensterfüllung gehindert war, als ruhegehaltsfähige Dienstzeit nicht nur nicht entgegen steht, sondern nach dem Sinn und Zweck nur so verstanden werden kann, ist maßgebend nicht der konkrete zeitliche Umfang der tatsächlichen Dienstleistung, sondern die Zeit, während der das aktive Beamtenverhältnis rechtlich bestand und als ruhegehaltsfähig zu berücksichtigen ist (vgl. Wittmer, a.a.O., § 4 BeamtVG Rn. 59; BayVGH, B.v. 18.7.1997 – 3 CS 96.2244 – juris Rn. 57).
Unter abgeleisteter Dienstzeit im Sinn von Art. 11 BayBeamtVG ist damit grundsätzlich die nach Jahren, Monaten und vollen Tagen festzustellende Zeit zu verstehen, in der dem Beamtem ein Amt übertragen war, soweit diese Zeit ruhegehaltsfähig ist (Art. 11 Abs. 1 Satz 2). Die enge Verbindung der Wartezeit mit den Zeiten, die insbesondere nach Art. 14 BayBeamtVG ruhegehaltsfähig sind, spricht zudem für das Verständnis, dass „abgeleistet“ diejenige Dienstzeit ist, die der Beamte in einem Beamtenverhältnis im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn oder im Rahmen einer gleichstehenden Dienstzeit (Art. 14 Abs. 4 BayBeamtVG) zurückgelegt hat. Auch im Fall einer Teilzeitbeschäftigung beträgt daher die Wartezeit nicht mehr als 5 Jahre. Mit Ablauf der Wartezeit ist die Versorgungsanwartschaft ohne Rücksicht auf die Teilzeitbeschäftigung bzw. den Umfang der Dienstleistung entstanden. Dem steht nicht entgegen, dass nach Art. 24 Abs. 1 BayBeamtVG Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung nur zu dem Teil ruhegehaltsfähig sind, der dem Verhältnis der ermäßigten zur regelmäßigen Arbeitszeit entspricht. Während Art. 24 Abs. 1 BayBeamtVG im Rahmen der allgemeinen Ruhegehaltsberechnung eine bloße Berechnungsregel für deren Höhe darstellt, normiert Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG eine Anspruchsvoraussetzung dem Grunde nach (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O., § 4 BeamtVG Rn. 29). Die „Umrechnung“ der Teilzeitbeschäftigung bei der Ruhegehaltsberechnung nach dem Zeitfaktor ändert nichts daran, dass die gesamte Dauer der Teilzeitbeschäftigung dem Grunde nach ruhegehaltsfähig ist. Dies folgt insbesondere aus dem Lebensarbeitsprinzip. Das Lebenszeitprinzip findet seinen Sinn darin, dass der Beamte ein hohes Maß an Unabhängigkeit benötigt, die erst die Beachtung von Recht und Gesetz gewährleistet und damit zur Garantie des Rechtsstaats beiträgt (§ 1 BeamtStG). Solange die Wartezeit bei Lebenszeitbeamten nicht erfüllt ist und der Beamte deshalb nicht in den Ruhestand versetzt werden kann, ist diese Funktion nicht gewährleistet. Mit dem Lebenszeitprinzip soll dem Beamten die persönliche Unabhängigkeit gegeben werden, die für eine rein sachorientierte Dienstleistung notwendig ist. Gerade zu diesem Zweck gewährt das Lebenszeitprinzip eine rechtliche aber auch eine wirtschaftliche Unabhängigkeit durch ein auf Lebenszeit angelegtes Dienst- und Treueverhältnis (Art. 33 Abs. 4 GG) in Zusammenwirken mit dem Alimentationsprinzip. Eine aus der „Umrechnung“ der Teilzeitbeschäftigung sich ergebende u.U. erhebliche Verlängerung der Zeiten einer rechtlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit des Beamten würde den Sinn und Zweck des Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit und des Alimentationsprinzips, die gemeinsam letztlich garantieren, dass eine verlässliche Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben durch die Beamten durch eine unparteiische, unbestechliche und am Gemeinwohl orientierte Amtsführung erfolgt, konterkarieren.
Gestützt wird dieses Ergebnis durch die systematische Auslegung. Art. 11 Abs. 1 Satz 2 BayBeamtVG steht im Zweiten Teil „Versorgungsbezüge“ im Abschnitt 1 „Ruhegehalt, Unterhaltsbeitrag“ und dort im Unterabschnitt 1 „Anspruchsvoraussetzungen“. Art. 11 BayBeamtVG regelt – wie der Normüberschrift zu entnehmen ist – in Abs. 1 und Abs. 2 das Entstehen des Anspruchs und in Abs. 3 die Berechnung des Ruhegehalts. Die der Anspruchsvoraussetzung folgende Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 BayBeamtVG beinhaltet dagegen (lediglich) eine Regelung für die Berechnung.
Auch wenn sich der Entstehungsgeschichte der Bestimmung des Art. 11 BayBeamtVG und den Gesetzesmaterialien insoweit keine eindeutigen Hinweise entnehmen lassen, kann vorliegend nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Bundesgesetzgeber durch die mit Wirkung vom 11. Januar 2017 in Kraft getretene Ergänzung von Satz 2 des § 4 Abs. 1 BeamtVG eine Klarstellung vorgenommen hat. Nach der amtlichen Begründung (BR-Drs. 411/16, S. 38) trägt die jetzige bundesrechtliche Regelung unionsrechtlichen Anforderungen (nämlich § 4 Nr. 1 des Anhangs der Richtlinie 87/81/EG des Rates vom 15.12.1997) Rechnung und dient damit der Rechtsklarheit. Da die landesrechtliche Regelung des Art. 11 Abs. 1 BayBeamtVG nahezu wortgleich mit der versorgungsrechtlichen Regelung des Bundes übereinstimmt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Bayerische Gesetzgeber gleichwohl bewusst und gewollt eine andere Regelung hat treffen wollen. Es liegt vielmehr nahe anzunehmen, dass er eine Klarstellung bislang lediglich nicht für erforderlich gehalten hat bzw. hält.
Die sich hieraus ergebende Erfüllung der versorgungsrechtlichen Wartezeit durch die Klägerin folgt aber auch aus einer europarechtskonformen Auslegung des Art. 11 Abs. 1 Satz 2 BayBeamtVG. Da der Wortlaut dieser Vorschrift – wie oben dargelegt – nicht eindeutig ist, muss nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) das nationale Recht europarechtskonform ausgelegt werden. Der Grundsatz der europarechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts verlangt, dass das nationale Recht so interpretiert wird, dass seine Anwendung nicht zu einem dem europäischen Unionsrecht widersprechenden Ergebnis führt. Eine Vorlage an den EuGH ist dann entbehrlich. Den hierfür maßgeblichen unionsrechtlichen Maßstab bildet die Richtlinie Nr. 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 (im Folgenden: RL 97/81).
Durch diese Richtlinie wurde die im Jahr 1997 zwischen den europäischen Sozialpartnern geschlossene Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in Gemeinschaftsrecht überführt. Den Mitgliedstaaten wurde aufgegeben, die für ihre Umsetzung in nationales Recht erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bis zum 20. Januar 2000 in Kraft zu setzen (vgl. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 RL 97/81). Der Anhang zu dieser Richtlinie (im Folgenden: Anhang RL 97/81) ist Bestandteil der Richtlinie und beansprucht deshalb wie diese selbst gegenüber den Mitgliedstaaten Geltung mit der Folge, dass nach Ablauf der Umsetzungsfrist auch die unmittelbare Anwendung des Regelungsgehalts im innerstaatlichen Recht in Betracht kommt (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.2010 – 2 C 27.09 – NVwZ 2011, 296; U.v. 25.3.2010 – 2 C 72.08 – BVerwGE 136, 165; OVG NW, B.v. 8.6.2012 – 6 B 390/12 – DÖD 2012, 225).
Nach gefestigter Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs folgt das Gebot europarechtskonformer Auslegung bei versäumter oder unzureichender Umsetzung einer Richtlinie in innerstaatliches Recht aus der Verpflichtung der Mitgliedstaaten nach Art. 288 Abs. 3 AEUV, die in einer Richtlinie vorgesehenen Ziele zu erreichen, und der sich aus Art. 4 Abs. 3 EUV ergebenden Obliegenheit, alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen zu ergreifen. Das Gebot der europarechtskonformen Auslegung trifft alle Träger öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten und damit im Rahmen ihrer Zuständigkeit auch die Gerichte. Das nationale Gericht muss das innerstaatliche Recht so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zweckes der Richtlinie auslegen, um das in ihr festgelegte Ergebnis zu erreichen und so den Vorgaben von Art. 288 Abs. 3 AEUV nachzukommen. Der Grundsatz der europarechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts verlangt, dass das nationale Gericht nicht nur die zur Umsetzung der fraglichen Richtlinie erlassenen Bestimmungen, sondern das gesamte nationale Recht so auslegt, dass seine Anwendung nicht zu einem der Richtlinie widersprechenden Ergebnis führt (vgl. BVerwG, B.v. 9.1.2007 – 20 F 1.06 u.a. – BVerwGE 127, 282; B.v.13.12.2006 – 6 C 23.05 – juris).
Die Bestimmungen von RL 97/81 einschließlich Anhang bzw. Rahmenvereinbarung sind im vorliegenden Fall in persönlicher und sachlicher Hinsicht anwendbar. Gemäß § 2 Nr. 1 Anhang RL 97/81 erstreckt sich der Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung auf Teilzeitbeschäftigte, die in einem Arbeitsverhältnis stehen. Die Klägerin fällt als (zumeist) in Teilzeit beschäftigte Beamtin in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie. Dem steht nicht entgegen, dass gemäß § 3 Nr. 1 Anhang RL 97/81 Teilzeitbeschäftigter im Sinne der Richtlinie (nur) ein Arbeitnehmer ist. Als Arbeitnehmer im Sinne des § 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung gilt, wer während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Dabei ist ohne Belang, in welchem Status diese Tätigkeit ausgeübt wird. Aus diesem Grund fallen Beamte, wenn auch als besondere Gruppe, ebenfalls unter den Begriff des Arbeitnehmers (vgl. EuGH, U.v. 1.3.2012 – C-393/10 – NZA 2012, 313; BVerwG, U.v. 23.9.2004 – 2 C 61.03 – BVerwGE 122, 65; U.v. 25.3.2010 – 2 C 72.08 – ZBR 2011, 98; OVG NW, B.v. 27.6.2014 – 3 A 125/14 – juris Rn. 18).
Der sachliche Geltungsbereich der RL 97/81 mit Anhang ist ebenfalls eröffnet. Zu den „Beschäftigungsbedingungen“ im Sinne des § 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung zählen u.a. die finanziellen Bedingungen wie solche, die die von einem öffentlichen Dienstherrn an einen Beamten gezahlten Versorgungsbezüge betreffen. Erfasst werden hiervon auch die Bedingungen für den Zugang zum Altersversorgungssystem bzw. die Berechnung der hierfür erforderlichen Dienstzeit (vgl. hierzu EuGH, U.v. 1.3.2012 – O´Brien, C-393/10 – NZA 2012, 313; U.v. 10.6.2010 – Bruno und Pettini, C-395/08 und C-396/08 – Slg. 2010, I-5119; OVG NW, U.v. 23.2.2011 – 3 A 750/10 – juris Rn. 59 ff.). Der EuGH hat Fragen der betrieblichen Altersversorgung, denen auch die Beamtenversorgung strukturell zuzurechnen ist, ausdrücklich dem sachlichen Geltungsbereich der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit zugeordnet (EuGH, U.v. 10.6.2010 – Bruno und Pettini, C-395/08 und C-396/08 – Slg. 2010, I-5119). Die vorliegend in persönlicher und sachlicher Hinsicht anwendbare Richtlinie soll zum einen die Teilzeitarbeit fördern und zum anderen die Ungleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten beseitigen (vgl. EuGH, U.v. 10.6.2010 – Bruno und Pettini, C-395/08 und C-396/08 – Slg. 2010, I-5119). Im Einklang mit diesem Ziel bestimmt § 4 Nr. 1 Anhang RL 97/81, dass Teilzeitbeschäftigte in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, nicht schlechter als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte behandelt werden dürfen, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus objektiven Gründen gerechtfertigt.
Gemessen an § 4 Nr. 1 Anhang RL 97/81 entspricht die vom Beklagten vorgenommene Auslegung des Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 BayBeamtVG, die hinsichtlich der Berechnung der Dienstzeit, die für den Zugang zum Altersversorgungssystem erforderlich ist, zwischen Teilzeit- und vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten unterscheidet, nicht den unionsrechtlichen Vorgaben. Im vorliegenden Falle würde bei einer solchen Auslegung ein vollzeitbeschäftigter Beamter gemäß Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG nach fünf Jahren der Beschäftigung im Beamtenverhältnis zu einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG) die (Mindest-)Versorgung erhalten, ein teilzeitbeschäftigter Beamter wegen der nur verhältnismäßigen Anrechnung seiner Dienstzeit gemäß Art. 24 Abs. 1 BayBeamtVG aber erst entsprechend später. Dies stellt eine Ungleichbehandlung allein wegen der Teilzeitbeschäftigung im Sinne des § 4 Nr. 1 Anhang RL 97/81 dar. Diese unterschiedliche Behandlung ist auch nicht im Sinne des § 4 Nr. 1 letzter Halbsatz Anhang RL 97/81 aus objektiven Gründen gerechtfertigt. Unter objektiven Gründen sind dabei Gründe zu verstehen, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Beschäftigungsumfangs zu tun haben und auch nicht dazu führen, dass tragende Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ausgehöhlt werden (BVerwG, U.v. 23.9.2010 – 2 C 27.09 – NVwZ 2011, 296 m.w.N.)
Eine unterschiedliche Behandlung von Teilzeit- und vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie einem echten Bedarf entspricht sowie zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich ist (vgl. EuGH, U.v. 1.3.2012 a.a.O.; U.v. 10.6.2010 – Bruno und Pettini, C-395/08 und C-396/08 – a.a.O.). Für das Vorliegen von objektiven (Rechtfertigungs-)Gründen wurde weder etwas vorgetragen noch sind solche sonst ersichtlich. Soweit der Beklagte auf die geringere Arbeitsleistung eines Teilzeitbeschäftigten hinweist sowie darauf, dass die Höhe der Versorgung ein Mindestmaß an tatsächlicher Dienstleistung erfordere, wird die Ungleichbehandlung jedoch gerade mit dem geringeren Beschäftigungsumfang des Teilzeitbeschäftigten begründet. Der differierende Umfang der tatsächlichen Dienstleistung rechtfertigt hingegen lediglich eine Ungleichbehandlung „pro rata temporis“, soweit dies angemessen ist (vgl. § 4 Nr. 2 Anhang RL 97/81), d.h. eine Reduzierung der Gegenleistung im Verhältnis zur Arbeitszeit, aber keinen völligen Ausschluss der Versorgung (vgl. BVerwG, U.v. 25.3.2010 – 2 C 72.08 – BVerwGE 136, 165; U.v. 26.3.2009 – 2 C 12.08 – NVwZ-RR 2009, 608).
Das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitgegenüber Vollzeitbeschäftigten erfordert daher, dass die Zeiten, die bei der Bestimmung des Zeitpunkts berücksichtigt werden, ab dem ein Anspruch auf Altersversorgung besteht, bei einem Teilzeitbeschäftigten so berechnet werden, als hätte dieser eine Vollzeitbeschäftigung ausgeübt (vgl. EuGH, U.v. 10.6.2010 – Bruno und Pettini, C-395/08 und C-396/08 – a.a.O.; OVG NW, B.v. 8.6.2012 – 6 B 390/12 – DÖD 2012, 225). Bei der Bestimmung der versorgungsrechtlichen Wartezeit im Sinne des § 32 BeamtStG i.V.m. Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG sind daher Zeiträume, in denen der Beamte teilzeitbeschäftigt war, nicht nur zu dem Teil auf die versorgungsrechtliche Wartezeit anzurechnen, der dem Verhältnis der ermäßigten zur regelmäßigen Arbeitszeit entspricht. Teilzeitbeschäftigte erreichen vielmehr die versorgungsrechtlich notwendige Mindestdienstzeit im Sinne des § 32 BeamtVG bzw. Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG unter den gleichen Voraussetzungen wie Vollzeitbeschäftigte, d.h., der „pro-rata-temporis“-Grundsatz darf bei der Bestimmung der versorgungsrechtlichen (Mindest-)Wartezeit nicht zur Anwendung kommen. Der Anspruch auf Gewährung der (Mindest-)Versorgung hängt folglich ausschließlich von der tatsächlichen Dauer des Beschäftigungsbzw. Dienstverhältnisses als solchem, nicht aber vom Umfang der während der Dauer des Beschäftigungsbzw. Dienstverhältnisses geleisteten Tätigkeit ab.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO
Die Berufung war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung besitzt (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124 Abs. 1 Satz 1 VwGO).