Aktenzeichen 5 AZR 374/16
§ 1 Abs 1 MiLoG
§ 20 MiLoG
EGRL 71/96
§ 362 Abs 1 BGB
§ 611 Abs 1 BGB
§ 612 BGB
Leitsatz
Die Auslegung des Mindestlohngesetzes hat die Rechtsprechung des EuGH zum Arbeitnehmerentsenderecht zu beachten. Danach sind alle zwingend und transparent geregelten Gegenleistungen des Arbeitgebers für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers Bestandteile des Mindestlohns (EuGH 12. Februar 2015 – C-396/13 – [Sähköalojen ammattiliitto]).
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Berlin, 5. Oktober 2015, Az: 19 Ca 8090/15, Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 7. April 2016, Az: 10 Sa 2139/15, Urteil
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. April 2016 – 10 Sa 2139/15 – aufgehoben.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 5. Oktober 2015 – 19 Ca 8090/15 – wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs.
2
Die Klägerin ist seit 2006 bei der Beklagten als Telefonistin im Schichtdienst acht Stunden täglich zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 1.280,00 Euro beschäftigt.
3
Der seit mehreren Jahren gekündigte, zwischen der Beklagten und ver.di abgeschlossene Vergütungstarifvertrag vom 24. August 2001 enthält eine Regelung, wonach sich das monatliche Bruttogrundgehalt einer Telefonistin bei nachgewiesener Befähigung und Fertigkeit der selbständigen Funkkanalbedienung um 30,68 Euro je Kanal (max. 122,71 Euro) erhöht, unabhängig von deren tatsächlicher Bedienung.
4
Gemäß einer Betriebsvereinbarung vom 22. Juli 1999 erhalten Angestellte der Beklagten Leistungsprämien, die entweder durch eine Kennziffer bemessen werden, die aus verschiedenen Auftragsarten der Telefonannahme und Funkvermittlung im Vergleich aller Mitarbeiter ermittelt wird (Leistungsprämie LP1), oder sich nach allgemeinen Kriterien wie Sprache, Höflichkeit, Korrektheit und Zuverlässigkeit (Leistungsprämie LP2) richtet.
5
In den Monaten Januar bis Juli 2015 zahlte die Beklagte der Klägerin jeweils neben dem Bruttogrundgehalt iHv. 1.280,00 Euro, Wechselschichtzulagen iHv. 243,75 Euro brutto, Funkprämien iHv. 122,71 Euro brutto sowie zwei Leistungsprämien iHv. 81,81 Euro brutto (LP1) und 51,13 Euro brutto (LP2).
6
Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin Zahlungsklage erhoben. Sie fordert weitere Vergütung für den Zeitraum von Januar bis Juli 2015. Die Klägerin meint, die Beklagte erfülle nicht den gesetzlichen Mindestlohn. Bei durchschnittlich 182,5 Stunden im Monat müsse der monatliche Bruttogrundlohn 1.551,25 Euro betragen. Die Zulagen und Prämien würden den gesetzlichen Mindestlohn nicht erfüllen.
7
Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.898,75 Euro brutto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.
8
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
9
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.