Arbeitsrecht

Freizeitausgleich für Bereitschaftsdienst

Aktenzeichen  3 BV 17.252, 3 BV 17.347, 3 BV 17.462

Datum:
6.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13652
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 74 Abs. 3, Art. 80 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1. Ein in vollem Umfang abgeltungsfähiger Bereitschaftsdienst liegt vor, wenn sich der Beamte an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten hat und erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen ist (stRspr u.a. BVerwG BeckRS 2016, 115387 Rn. 15), während die davon abzugrenzende Rufbereitschaft, die keine Arbeitszeit darstellt (BVerwG BeckRS 2016, 115387 Rn. 23 mwN), dadurch gekennzeichnet ist, dass sich der Beamte zwar an einem Ort seiner Wahl aufhalten kann, aber seine Erreichbarkeit sicherstellen muss, um den Dienst bei Bedarf alsbald aufnehmen zu können, so dass ihm ein Freiraum für Privatinteressen belassen wird. (Rn. 14 und 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine in Abhängigkeit von der Länge des zeitlichen Vorlaufs der Abmarschbereitschaft vorgenommene Abgrenzung von Bereitschaftsdienst zu anderen Formen der dienstlichen Inanspruchnahme ist rechtlich zulässig und sachlich begründet, so dass in Anlehnung an die arbeitsrechtliche Judikatur bei einer Vorbereitungszeit von einer Stunde in der Regel kein Bereitschaftsdienst begründet wird. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Von vollwertiger Dienstzeit (Bereitschaftsdienst) kann nicht ausnahmsweise allein wegen der Anordnung ausgegangen werden, dass sich der Beamte über den gesamten Zeitraum an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb der Dienststelle und außerhalb eigener Häuslichkeit aufzuhalten hat; auch faktisch „erzwungene“ Ruhezeiten müssen nicht als Dienstbereitschaft bewertet werden, wenn unter den gegebenen Umständen „erfahrungsgemäß“ und nach der „im Regelfall zu erwartenden Häufigkeit“ (BVerwG BeckRS 2009,32669 Rn. 17) nicht mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen ist. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 1 K 16.595, AN 1 K 16.596, AN 1 K 16.597 2016-12-20 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Berufungsverfahren 3 BV 17.252, 3 BV 17.347 und 3 BV 17.462 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Berufungen werden zurückgewiesen.
III. Die Kläger tragen die Kosten jeweils ihres Berufungsverfahrens.
IV. Die Kostenentscheidungen sind vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können jeweils die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufungen, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO), werden gemäß § 93 Satz 1 VwGO im Hinblick auf die Identität der Sachverhalte und Rechtsfragen zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Berufungen sind zulässig, bleiben in der Sache aber ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen zu Recht abgewiesen, denn die Kläger haben keinen Anspruch auf (weiteren) Freizeitausgleich in Höhe von 10,42 Stunden für die von ihnen zur Sicherung des Castor-Transports im Zeitraum vom 6. bis 11. November 2008 geleisteten Dienste. Diejenigen Zeiten, während derer die Kläger der Anordnung der „einstündigen Abmarschbereitschaft“ unterlagen, haben keinen Anspruch auf Freizeitausgleich wegen dienstlich angeordneter Mehrarbeit ausgelöst.
1. Die arbeitszeitrechtliche Beurteilung der streitgegenständlichen Zeiten (10,42 Stunden je Kläger) ergibt, dass sie entgegen dem Berufungsvorbringen nicht als Bereitschaftsdienst (im Sinn einer dienstlich angeordneten Mehrarbeit) anzuerkennen sind und daher kein Anspruch auf Abgeltung nach der für das Jahr 2008 maßgeblichen Bestimmung des Art. 80 Abs. 2 Satz 2 BayBG a.F. besteht.
1.1 Art. 80 Abs. 2 Satz 2 BayBG a.F., der zum 1. April 2009 durch die inhaltsgleiche Vorschrift des Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG abgelöst wurde, bestimmt, dass Beamte bei einer dienstlich angeordneten und die regelmäßige Arbeitszeit um mehr als fünf Stunden monatlich übersteigenden Mehrarbeit innerhalb eines Jahres Anspruch auf entsprechende Dienstbefreiung haben. Unter bestimmten Voraussetzungen kommt anstelle der Dienstbefreiung die Zahlung einer Vergütung in Betracht. Nach der Definition des Bundesverwaltungsgerichts ist Mehrarbeit der „Dienst, den der einer Arbeitszeitregelung unterliegende Beamte aufgrund dienstlicher Anordnung (…) zur Wahrnehmung der Obliegenheiten des Hauptamtes (…) über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus (…) verrichtet“ (vgl. zuletzt BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 2 C 59.16 – juris Rn. 13). Auch Zeiten einer angeordneten Dienstbereitschaft (= Bereitschaftsdienst; vgl. Conrad in Weiss/Niedermeier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Februar 2018, Bd. II, Art. 87 BayBG Rn. 55; s.a. § 4 BayAzV) sind Arbeitszeiten und können damit Gegenstand von Mehrarbeit im Sinn von Art. 80 Abs. 2 Satz 2 BayBG a.F. sein. Ein in vollem Umfang abgeltungsfähiger Bereitschaftsdienst liegt vor, wenn sich der Beamte an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten hat und erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen ist (stRspr BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 2 C 3.16 – juris Rn. 14; U.v. 17.11.2016 – 2 C 23.15 – juris Rn. 15; U.v. 22.1.2009 – 2 C 90.07 – juris Rn. 14).
Bereitschaftsdienst ist in erster Linie abzugrenzen von der Rufbereitschaft, die keine Arbeitszeit darstellt (BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 2 C 23.15 – juris Rn. 23 m.w.N; vgl. a. § 12 AZV). Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Beamte zwar an einem Ort seiner Wahl aufhalten kann, aber seine Erreichbarkeit sicherstellen muss, um den Dienst bei Bedarf alsbald aufnehmen zu können (Summer in Weiss/Niedermeier/Summer/Zängl, a.a.O., Art. 74 BayBG Rn. 23, 24). Gemäß Art. 74 Abs. 3 BayBG kann, wenn besondere dienstliche Verhältnisse es dringend erfordern, der Beamte angewiesen werden, sich während der dienstfreien Zeit erreichbar in der Nähe des Dienstortes aufzuhalten. Die gesetzlich derart umschriebene Rufbereitschaft belässt dem Verpflichteten einen Freiraum, Privatinteressen nachzugehen (Summer in Weiss/Niedermeier/Summer/Zängl, a.a.O., Art. 74 BayBG Rn. 23, 24).
1.2 Gemessen an diesen rechtlichen Vorgaben sind diejenigen Zeiten, während derer die Anordnung einer einstündigen Abmarschbereitschaft galt, nicht als Zeiten eines in vollem Umfang (1 : 1) auszugleichenden Bereitschaftsdienstes zu bewerten (1.2.1). Es kann dahinstehen, ob sie als Zeiten einer Rufbereitschaft oder einer sonstigen Arbeitsbereitschaft zu umschreiben sind (1.2.2).
1.2.1 Auf der Grundlage der Definition des Bundesverwaltungsgerichts (zum nahezu identischen § 88 Satz 2 BBG) fehlt es für eine Bewertung der hier strittigen Zeiten als Bereitschaftsdienst sowohl an einer Anordnung, sich zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten, als auch an der Erwartung, dass während der fraglichen Zeiten erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen ist (BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 2 C 23.15 – juris Rn. 15; NdsOVG, U. v. 25.1.2011 – 5 LC 178/09 – juris Rn. 29). Auch unter gemeinschaftsrechtlichem Blickwinkel liegt ein Bereitschaftsdienst, der „Arbeitszeit“ (im Sinn der Richtlinie 2003/88/EG v. 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung – ABl. 2003, L 299, S. 9) darstellt, nur dann vor, wenn sich der zur Dienstleistung Verpflichtete an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen muss, um gegebenenfalls sofort seine Leistungen erbringen zu können (vgl. für einen Feuerwehrmann: EuGH, U.v. 21.2.2018 – C-518/15 – juris Rn. 59 ff.; für einen Krankenhausarzt: EuGH, U.v. 9.9.2003 – C-151/02 – juris Rn. 63).
Im vorliegenden Fall hatten sich die Kläger nicht zu einem jederzeitigen und sofortigen Einsatz bereitzuhalten. Ihnen stand vielmehr eine Vorbereitungszeit von einer Stunde zur Verfügung, bis zu deren Ablauf die Abmarschbereitschaft herzustellen war; folglich besaßen die Kläger noch eine gewisse Freiheit in der Gestaltung dieses Zeitraums. Der Senat hält die in Abhängigkeit von der Länge des zeitlichen Vorlaufs der Abmarschbereitschaft vorgenommene Abgrenzung von Bereitschaftsdienst zu anderen Formen der dienstlichen Inanspruchnahme für rechtlich zulässig und sachlich begründet. Er lehnt sich insoweit an die vorliegende arbeitsrechtliche Judikatur an (zu dieser Möglichkeit BVerwG, B.v. 8.3.1967 – VI C 79.63 – ZBR 1967, 317; U.v. 29.3.1974 – VI C 21.71 – ZBR 1974, 263, 264). Danach ist die Anordnung einer Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes innerhalb von 20 Minuten grundsätzlich als Anordnung von Bereitschaftsdienst anzusehen, weil damit ein faktischer Zwang zum unmittelbaren Aufenthalt in der Nähe des Arbeitsplatzes verbunden ist (BAG, U.v. 31.1.2002 – 6 AZR 214/00 – juris Rn. 22 zu den „Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes“ – AVR). Muss sich ein Arbeitnehmer (erst) innerhalb von 45 Minuten nach Abruf am Einsatzort befinden, so wird damit in der Regel kein Bereitschaftsdienst begründet (BAG, U.v. 22.1.2004 – 6 AZR 534/02 – juris Rn. 35; Kock in BeckOK-Arbeitsrecht, § 2 ArbZG Rn. 6; Wichert in Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Aufl. 2016, § 2 ArbZG Rn. 16-18 m.w.N.). Die von den Klägern vorgelegte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (U.v. 21.2.2018 – C-518/15 – juris Rn. 53 ff.), in der es um die Bewertung einer in acht Minuten herzustellenden Einsatzbereitschaft eines Feuerwehrmanns als „Arbeitszeit“ nach Art. 2 der Richtlinie 2003/88/EG ging, fügt sich in die vorangehend zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein. Für die Beantwortung der Frage, ob Zeiten als vollwertige Arbeitszeiten zu behandeln oder der Ruhezeit zuzurechnen sind, kommt es letztlich auf eine umfassende Bewertung sämtlicher Umstände des Einzelfalls an (so schon BVerwG, U.v. 29.3.1974, a.a.O.).
Hier sind keine Umstände ersichtlich, die dazu führen könnten, dass trotz Anordnung einer einstündigen Abmarschbereitschaft ausnahmsweise von vollwertiger Dienstzeit (Bereitschaftsdienst) ausgegangen werden müsste. Allein die Anordnung, dass sich die Kläger über den gesamten Zeitraum an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb der Dienststelle und außerhalb eigener Häuslichkeit aufzuhalten haben, ist für sich gesehen nicht ausreichend, um den Begriff „Bereitschaftsdienst“ im eingangs definierten Sinne auszufüllen. Gleiches gilt in diesem Zusammenhang, in dem es ausschließlich um die arbeitszeitrechtliche Seite der angeordneten Einsatzbereitschaft geht, für die weiter geltend gemachten („spartanischen“) Umstände der Unterbringung der Kläger auf dem Gelände einer ehemaligen Kaserne und die Schwierigkeiten, in der näheren Umgebung Möglichkeiten der Zerstreuung zu finden. Genauso wenig spielt eine Rolle, ob ein Verlassen der Kaserne wegen der tatsächlichen Gegebenheiten überhaupt praktisch möglich und sinnvoll war, auch wenn kein entsprechendes Verbot bestand; insoweit folgt der Senat der Aussage des in der mündlichen Verhandlung am 20. Dezember 2016 informatorisch angehörten Polizeidirektors M. Auch der Umstand, dass es angesichts der sehr langen täglichen Einsatzzeiten praktisch keine Zeiträume gab, die zu einer anderen Beschäftigung als zum Schlafen oder Ausruhen hätten genutzt werden können, führt nicht dazu, dass auch die faktisch „erzwungenen“ Ruhezeiten als Dienstbereitschaft bewertet werden müssten. Denn gerade im Hinblick auf das nur in den zwischen den langen Einsatzzeiten zu erfüllende Ruhebedürfnis der Einsatzkräfte und die fehlende permanente Abmarschbereitschaft mussten die Kläger „erfahrungsgemäß“ und nach der „im Regelfall zu erwartenden Häufigkeit“ (BVerwG, U.v. 22.1.2009 – 2 C 90.07 – juris Rn. 17) nicht mit einer dienstlichen Inanspruchnahme (Aufwecken und Herstellen der sofortigen Abmarschbereitschaft) rechnen. Zu Recht weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass die Kläger nach der vorzunehmenden (objektiven) ex-ante-Betrachtung unter den gegebenen Umständen des Castoreinsatzes 2008 von einer „nur geringen Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme“ hätten ausgehen müssen. Tatsächlich wurden sie nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Polizeidirektors M. während der hier streitgegenständlichen Zeiträume nicht „alarmiert“ (Niederschrift v. 20.12.2016, S. 4).
Es spricht auch nichts für den Vortrag der Kläger, die einstündige Abmarschbereitschaft sei nur deswegen angeordnet worden, um auf diese Weise die Verpflichtung nach Art. 80 Abs. 2 Satz 2 BayBG a.F. zur Gewährung vollen Zeitausgleichs zu umgehen, zumal dem Dienstherrn bewusst gewesen sei, dass es die Berufsehre von Bereitschaftspolizisten gebiete, im Falle einer Alarmierung schon schneller, spätestens nach einer halben Stunde abmarschbereit zu sein. Mit diesem Argument kann die Anordnung der einstündigen Abmarschbereitschaft aber nicht als bloße „Scheinanordnung“ mit dem Ziel, Personalkosten zu sparen, bezeichnet werden, denn nach der eindeutigen rechtlichen Situation waren die Kläger im Falle einer Alarmierung eben gerade nicht verpflichtet, sofort oder auch nur vor Ablauf einer Stunde abmarschbereit zu sein. Für andere (praktische) Überlegungen besteht insoweit kein Raum.
Bei den fraglichen Zeiten handelt es sich auch nicht deswegen um Bereitschaftsdienst, weil der Beklagte selbst die unter der Überschrift „Bereitschaftsdienst“ stehende Ziffer 6.1 der zitierten Bekanntmachung vom 11. April 2003 auf die vorliegenden Fälle angewendet hat, ohne dann allerdings – der bereits zitierten Rechtsprechung folgend – die aus seiner Sicht als Bereitschaftszeiten zu bewertenden Zeiten im vollem Umfang (und nicht nur zu einem Drittel) durch Freizeit auszugleichen. Denn diese Bekanntmachung definiert den Begriff „Bereitschaftsdienst“ in einem weiteren Sinn. Anstelle des nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts maßgeblichen Merkmals des „jederzeitigen“ Sichbereithaltens des Beamten zum „unverzüglichen“ Einsatz, dem der Senat für das bayerische Landesbeamtenrecht folgt, verwendet die zitierte Bekanntmachung nämlich die Formulierung, „um bei Bedarf zur Dienstleistung herangezogen werden zu können“.
Schließlich braucht nicht der Frage nachgegangen werden, ob wegen der Besonderheiten der vorliegenden Fälle ausnahmsweise unter Rückgriff auf die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn ein Anspruch auf angemessenen Freizeitausgleich in Betracht kommen kann (offengelassen in BVerwG, U.v. 25.10.1979 – 2 C 7.78 – juris Rn. 43). Denn der Beklagte hat den besonderen Verhältnissen hier dadurch Rechnung getragen, dass er auf freiwilliger Grundlage und als Anerkennung des schwierigen Einsatzes dem betroffenen Beamten einen Freizeitausgleich gewährt hat, ohne dass dem ein entsprechender Anspruch gegenüberstand. Auf diese Weise wurden 1/3 (= 7,33 Stunden) der verbleibenden 22 Stunden als Freizeitausgleich (in Anwendung von Ziffer 6.1 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 11. April 2003) und weitere 4,25 Stunden gemäß einem Aktenvermerk des Präsidiums der Bayerischen Bereitschaftspolizei vom 27. November 2008 vergütet. Im Ergebnis sind damit mehr als die Hälfte der Zeiten wie volle Arbeitszeit behandelt worden; damit hat der Beklagte bereits eine „überobligatorische“ Anrechnung geleistet. Auch wenn man die Zeiten entsprechend Zeiten einer Rufbereitschaft bewerten wollte, hätten die Kläger für die 22 Stunden der Arbeitsbereitschaft bereits mehr Ausgleich erhalten, als ihnen nach Art. 74 Abs. 3 BayBG (2/10, vgl. Ziff. 6.2 Bek. BayStMI v.11.4.2003) zustünde. Für die unter Fürsorgegesichtspunkten zu bejahende Angemessenheit des bereits gewährten Freizeitausgleichs spricht auch, dass die Kläger mit Ausnahme der 22 Stunden sämtliche Zeiten ihres viertägigen Castoreinsatzes 2008 als volle Dienstzeiten zurückgelegt haben und es sich demnach bei den 22 Stunden faktisch um Schlafzeiten, wenn auch unter Vorbehalt eines Einsatzes innerhalb einer Stunde „aus dem Schlaf heraus“, gehandelt hat.
1.2.2 Es bedarf keiner Entscheidung darüber, wie die hier strittigen Zeiten in arbeitszeitrechtlicher Hinsicht zu qualifizieren sind. Den Streitgegenstand bildet nämlich ausschließlich der mit den Klagen verfolgte, jedoch nicht bestehende Anspruch auf Freizeitausgleich für geleisteten Bereitschaftsdienst im Verhältnis 1 zu 1.
Im Übrigen scheidet die Einordnung als Rufbereitschaft hier schon deswegen aus, weil die Kläger verpflichtet waren, fernab ihres Dienstortes in einem bestimmten Gebäude Unterkunft zu nehmen. Sie konnten sich daher während der streitgegenständlichen nächtlichen Zeiträume (22 bis 5 Uhr; 23 bis 5 Uhr; 2 bis 7 Uhr; 1 bis 5 Uhr) faktisch weder in eigener Häuslichkeit noch einem anderen Ort ihrer Wahl aufhalten (vgl. a. Ziff. 6.2 Bek. BayStMI v.11.4.2003). Vielmehr war den Klägern zeitlich begrenzt ein neuer „Dienstort“ (im Sinn von Art. 74 Abs. 3 BayBG) als Einsatzort außerhalb Bayerns mit verpflichtender gemeinschaftlicher Unterbringung zugewiesen worden, an dem sie sich bereitzuhalten hatten. Damit verbunden war aber mehr als nur die der Rufbereitschaft immanente „gewisse Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Beamten während der Freizeit“ (so schon BVerwG, U.v. 25.10.1979 – 2 C 7.78 – juris Rn. 41).
2. Bleibt die Klage aber schon in Ermangelung eines angeordneten Bereitschaftsdienstes erfolglos, bedarf es keiner Prüfung der Frage mehr, ob ein denkbarer Anspruch auf Freizeitausgleich verwirkt wäre. Der Senat lässt daher ausdrücklich offen, ob der vom Verwaltungsgericht (hilfsweise) vertretenen Ansicht zu folgen ist, die geltend gemachten Ansprüche seien jedenfalls verwirkt (so für die weitgehend identische Fallkonstellation: VG München, U.v. 8.2.2017 – M 5 K 16.2752 – juris, hiergegen Antrag auf Zulassung der Berufung anhängig: 3 ZB 17.591, sowie zu § 88 Abs. 2 BBG: BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 6 CE 18.2332 – juris), oder ob die von beiden vorgenannten Entscheidungen in Bezug genommene Rechtsprechung des Senats (BayVGH, B.v 23.11.1982 – 3 B 82 A.1793 – ZBR 1983, 152; B.v. 5.10.16 – 3 ZB 14.2464 – juris Rn. 9) – wie die Kläger meinen – nur Fälle einer langfristig durch Dienstpläne angeordneten (regelmäßigen) Dienstbereitschaft betrifft.
3. Die Berufungen waren deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision war mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2, § 191 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 BRRG nicht zuzulassen.

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