Arbeitsrecht

Kein Anspruch auf Schadensersatz nach dem AGG bei nicht ernsthaften Brwerbungen von “AGG-Hoppern”

Aktenzeichen  173 C 8860/16

Datum:
24.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 137196
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AGG § 15 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1. Ein immaterieller Schadensersatz nach dem AGG ist nur zu gewähren, wenn es sich um einen echten Bewerber handelt. Dies ist zu verneinen, wenn irgendjemand sich nicht subjektiv ernsthaft um die Stelle bewirbt, sondern von Vornherein nur die Zahlung einer Entschädigung anstrebt. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ergibt sich aus einer Gesamtschau der Umstände, dass ein Kläger gewerbsmäßig missbräuchliche AGG-Klagen anstrengt, um damit zumindest teilweise seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften, steht ihm kein Schadensersatzanspruch zu, auch wenn die Beklagte gegen die Vorgaben des AGG verstoßen hat.  (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
I.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Entschädigungsanspruch bereits dem Grunde nach nicht zu.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger vorliegend überhaupt für die angebotene Stelle objektiv geeignet gewesen ist, was angesichts der Tatsache, dass der Kläger als gelernter Bankkaufmann offensichtlich überqualifiziert für die Stellenanzeige der Beklagten ist, bereits äußerst zweifelhaft erscheint.
Jedenfalls fehlt es an der Ernsthaftigkeit der Bewerbung. Ein immaterieller Schadensersatz ist nur zu gewähren, wenn es sich um einen echten Bewerber gehandelt hat. Dies ist zu verneinen, wenn irgendjemand sich nicht subjektiv ernsthaft um die Stelle bewirbt, sondern von Vornherein nur die Zahlung einer Entschädigung anstrebt (BAG NZA 1999, 371; vgl LAG Köln NZA-RR 2010, 234; OLG Karlsruhe, NZA-RR 2011, 632; BeckOK AGG, § 15 Rn. 7). Einem Anspruch steht insoweit der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen (LAG Hamm BeckRS 2014, 72204; NZA-RR 1997, 203; LAG Rheinland-Pfalz NZA 1997, 115; BeckOK AGG, § 15 Rn. 7). Der EuGH hat mit Urteil vom 28.07.2016, Az. C-423/15 die vorgenannte Rechtsprechung bestätigt.
Das Gericht ist vorliegend der Auffassung, dass die Bewerbung allein mit dem Ziel der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen nach dem AGG getätigt wurde. Bei der Bewerbung handelt es sich ersichtlich um eine Art Rundschreiben, das lediglich ansatzweise einen konkreten Bezug zur angebotenen Stelle enthält und den Eindruck erweckt, aus unstrukturiert aneinander gereihten Textbausteinen zu bestehen. So passt die mehrfach genannte Ausbildung zum Bankkaufmann nicht zur ausgeschriebenen Stelle für eine Akquisetätigkeit im Bereich Sportmarketing, wobei der Kläger im Hinblick auf Sportmarketing auch über keinerlei Berufserfahrung zu verfügen scheint. Dieser Eindruck wird durch weitere vom Kläger vorgelegte Bewerbungsschreiben bestätigt. Zwar ist es dem Kläger natürlich nicht verwehrt, viele Bewerbungen zu schreiben, vorliegend überwiegen aus den vorgenannten Gründen jedoch die Zweifel daran, dass die streitgegenständliche Bewerbung tatsächlich auf die Teilnahme an einem Bewerbungsverfahren bzw. eine Einstellung gerichtet war.
Auch der Umstand, dass der Kläger sich auf die offenkundig geschlechtsdiskriminierende Stellenanzeige zunächst telefonisch meldete, um unter dem Vorwand, eine Freundin wolle sich bewerben, an die E-Mail-Adresse der Beklagten zu gelangen, spricht für ein geplantes Vorgehen im Hinblick auf die spätere Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen.
Ein weiteres Indiz für ein missbräuchliches Vorgehen des Klägers kann darin erblickt werden, dass der Kläger das letztlich vorliegend noch nachgeschobene Arbeitsangebot der Beklagten faktisch ablehnte, indem er hinsichtlich der Entlohnung einen eignen Vorschlag unterbreitete, bei dem er davon ausgehen konnte, dass die Beklagte nicht darauf eingehen würde. Wäre die Bewerbung ernsthaft erfolgt, wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger das Angebot zu den ursprünglichen Konditionen annimmt.
Nicht unberücksichtigt bleiben kann zudem der Umstand, dass der Kläger bereits zahlreiche weitere AGG-Klagen angestrengt hat. Der Kläger ist am Amtsgericht München bereits gerichtsbekannt, hinzu kommen weitere Klagen, unter anderem auch vor dem Arbeitsgericht. In diesem Zusammenhang ist auch auf ein möglicherweise versehentlich im Rahmen eines Anlagenkonvoluts am 26.09.2016 bei Gericht eingereichtes Schreiben des Klägers hinzuweisen. Auf Seite 2 dieses Konvoluts antwortete der Kläger offenbar auf die E-Mail eines Herrn Nl| und führt dabei unter anderem aus, dass er mit seinen „AGG-Klagen insgesamt 1010,- Euro“ verdient habe und unter anderem davon gut leben könne.
Insgesamt wertet das Gericht diese Umstände in ihrer Gesamtschau dahingehen, dass der Kläger gewerbsmäßig missbräuchliche AGG-Klagen anstrengt, um damit zumindest teilweise seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Obwohl die Beklagte vorliegend gegen die Vorgaben des AGG verstoßen hat, stehen dem Kläger daher keine Ansprüche zu.
Die Entscheidung zu den geltend gemachten Nebenforderungen (Zinsen) folgt der Hauptsache.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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