Arbeitsrecht

Keine Berücksichtigung des Fremdgeschäftsführers beim Schwellenwert der sog. Kleinbetriebsklausel

Aktenzeichen  7 Sa 444/20

Datum:
9.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40645
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
KSchG § 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1, § 23 Abs. 1 S. 3
BGB § 138, § 242

 

Leitsatz

Der Kläger hat sich zum Erreichen des Schwellenwertes nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG darauf berufen, dass die beiden Fremdgeschäftsführer der Beklagten als Arbeitnehmer mitzuzählen seien. Der Geschäftsführer wird aber regelmäßig auf der Grundlage eines Dienstvertrages und nicht eines Arbeitsvertrags tätig. Auch im Kündigungsrecht wird bei Übertragung von Aufgaben an den Geschäftsführer dieser nicht als Arbeitnehmer angesehen. Auch aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich nicht, dass Geschäftsführer als Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Schwellenwert des § 23 KSchG mitzuzählen sind. Die Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft verbietet sich bereits aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG und aus der Entscheidung des BAG (9 AZB 23/18) wonach ein Geschäftsführer eine arbeitgeberähnliche Person ist. Die Kündigung im Kleinbetrieb war im Übrigen auch nicht sittenwidrig noch treuwidrig (§§ 138 Abs. 1, 242 BGB). (Rn. 21 – 39)

Verfahrensgang

33 Ca 7766/19 2020-03-05 Endurteil ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 05.03.2020 – 33 Ca 7766/19 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien mangels entsprechender Beschäftigtenzahl bei der Beklagten das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar ist und dass die Kündigung auch nicht treu- oder sittenwidrig ist. Die dem Kläger am 27.06.2019 zugegangene Kündigung hat das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit Ablauf des 31.07.2019 aufgelöst. Zunächst wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts, insbesondre zum Nichtvorliegen einer Treuoder Sittenwidrigkeit der streitgegenständlichen Kündigung, verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf die Berufungsangriffe sind die folgenden Ausführungen veranlasst:
A. Entgegen der Ansicht des Klägers unterliegt die streitgegenständliche Kündigung nicht dem Prüfungsmaßstab nach dem Kündigungsschutzgesetz, denn dieses kommt nicht zur Anwendung, da bei der Beklagte nicht mehr als 10 Personen beschäftigt sind (§ § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG).
1. Der Kläger hat mit seinem Berufungsvorbringen die Feststellungen des Arbeitsgerichts, dass bei der Beklagten ohne Miteinbeziehung der zwei Fremdgeschäftsführer lediglich 8,5 Personen iSv. § 23 Abs. 1 Sätze 3 und 4 KSchG beschäftigt sind, nicht mehr in Frage gestellt. Mit seinem Berufungsvorbringen hat der Kläger zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ausschließlich nur noch darauf abgestellt, dass die beiden Fremdgeschäftsführer der Beklagten als Arbeitnehmer zu gelten haben und insoweit der erforderliche Schwellenwert von 10 Arbeitnehmern für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes überschritten ist.
2. Entgegen der Ansicht des Klägers gelten die beiden Fremdgeschäftsführer der Beklagten nicht als Arbeitnehmer.
a) Für die Bejahung bzw. Nichtbejahung einer Arbeitnehmereigenschaft ist es sach gerecht und auch konsequent die Vorschrift des § 14 Absatz 1 Nr. 1 KSchG heranzuziehen, wonach die Vorschriften des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes nicht gelten in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, mit der Folge, dass die beiden Fremdgeschäftsführer der Beklagten nicht als Arbeitnehmer zu gelten haben. Eine andere Betrachtungsweise hätte einen nicht zu begründenden Wertungswiderspruch zur Folge, denn es wäre inkonsequent einerseits einem Fremdgeschäftsführer einen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz, wie gesetzlich geregelt, zu verneinen, zum anderen aber diese Person ohne Kündigungsschutz bei der Berechnung der Beschäftigtenzahl nach § 23 Abs. 1 KSchG miteinzubeziehen.
b) Die Wertung, dass ein Fremdgeschäftsführer nicht als Arbeitnehmer zu gelten hat und daher auch bei der Beschäftigtenzahl nach § 23 Abs. 1 KSchG nicht mitzuzählen ist, findet auch seine Bestätigung in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21.01. 2019 – 9 AZB 23/18. Hiernach gilt, dass die als Fremdgeschäftsführer geleisteten Dienste nach ihrer sozialen Typik nicht mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind. Dies ergibt sich aus der mit ihrem Amt verbundenen Rechtsstellung. Der Geschäftsführer einer GmbH verkörpert als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft (§ 35 Abs. 1 GmbHG) den Arbeitgeber. Er nimmt Arbeitgeberfunktionen wahr und ist deshalb keine arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgebergleiche Person im Fall des Fremdgeschäftsführers jedenfalls aber eine arbeitgeberähnliche Person. Durch die gesetzlichen und nach außen nicht beschränkbaren Vertretungsbefugnisse unterscheidet sich der Geschäftsführer einer GmbH grundlegend von anderen leitenden oder nicht leitenden Arbeitnehmern (vgl. BAG aaO; 21.09.2017 – 2 AZR 865/16).
c) Die Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses der beiden Fremdgeschäftsführer mit der Beklagten hat der Kläger im Übrigen auch nicht schlüssig dargelegt.
aa) Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von einem Dienstverhältnis durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Nach § 611a Abs. 1 BGB ist Arbeitnehmer, wer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. Die durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 21. Februar 2017 (BGBl. I S. 258, 261) eingefügte, am 1. April 2017 in Kraft getretene Regelung des § 611a BGB entspricht hinsichtlich der Abgrenzung von Arbeitsverhältnis und freiem Dienstverhältnis in Abs. 1 den nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geltenden, aus § 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB abgeleiteten Grundsätzen (vgl. BAG, 21.01.2019 – 9 AZB 23/18; 17.10.2017 – 9 AZR 792/16; 11. 08.2015 – 9 AZR 98/14).
bb) Der Geschäftsführer einer GmbH wird für diese in aller Regel auf der Grundlage eines freien Dienstvertrags, nicht eines Arbeitsvertrags tätig. Sein Dienstvertrag ist auf eine Geschäftsbesorgung durch Ausübung des Geschäftsführeramts gerichtet. Dies gilt unabhängig davon, ob der (Fremd-)Geschäftsführer einen starken Anteilseigner oder einen weiteren Geschäftsführer neben sich hat, der die konkrete Geschäftstätigkeit bestimmend mitgestaltet. Es kommt insoweit nicht entscheidend darauf an, welchen Gebrauch der GmbH-Geschäftsführer im Innenverhältnis nach § 37 Abs. 1 GmbHG von seiner im Außenverhältnis wegen §§ 35, 37 Abs. 2 GmbHG unbeschränkten Vertretungsbefugnis machen darf. § 37 Abs. 1 GmbHG ist eine Norm zur Abgrenzung der Kompetenzen der Gesellschaftsorgane untereinander. Auch gegenüber einem Geschäftsführer als freiem Dienstnehmer steht der Gesellschaft ein unternehmerisches Weisungsrecht zu. Berücksichtigt man dies, kann eine Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers, die so stark ist, dass sie darüber hinaus auf einen Status des betroffenen GmbH-Geschäftsführers als Arbeitnehmer schließen lässt, allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommen (vgl. BAG, 24.11.2005 – 2 AZR 614/04). Ein Arbeitsverhältnis setzt voraus, dass die Gesellschaft eine – über ihr gesellschaftsrechtliches Weisungsrecht hinausgehende – Weisungsbefugnis auch bezüglich der Umstände hat, unter denen der Geschäftsführer seine Leistung zu erbringen hat, und die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung durch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen bestimmen kann (vgl. zum Ganzen BAG, 21.01.2019 – 9 AZB 23/18) und solche Umstände hat der Kläger zum Vertragsverhältnis der Fremdgeschäftsführer mit der Beklagten aber nicht vorgetragen.
d) Schließlich ergibt sich auch aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 31.07.2014 – 2 AZR 422/13 zumindest mittelbar ebenfalls, dass ein (Fremd) Geschäftsführer im Zusammenhang mit dem Kündigungsschutzgesetz nicht als Arbeitnehmer gilt. Nach der zitierten Entscheidung ist die Übertragung von Aufgaben eines Arbeitnehmers an einen neu berufenen Geschäftsführer im Zusammenhang mit der Wirksamkeit einer Kündigung rechtlich nicht zu beanstanden, weil der Bedarf an der Beschäftigung von Arbeitnehmern auf diese Weise nicht geringer würde, weil sie in der Person des neuen Geschäftsführers künftig von einem „Nicht-Arbeitnehmer“ wahrgenommen werden sollen. Dem Arbeitgeber ist es kündigungsschutzrechtlich nicht verwehrt, Tätigkeiten, die bisher von Arbeitnehmern geleistet wurden, künftig (echten) freien Mitarbeitern oder Mitgliedern seiner Vertretungsorgane, die keine Arbeitnehmer sind, zu übertragen (vgl. BAG aaO; 13.03.2008 – 2 AZR 1037/06). Auch dies verdeutlicht den nicht hinzunehmenden Wertungswiderspruch, der entstehen würde, wenn im Rahmen der Berechnung der Arbeitnehmerzahl nach § 23 Abs. 1 KSchG ein Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer mitzuzählen wäre.
e) Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt sich ebenfalls nicht, dass im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer mitzuzählen wären.
aa) Bei der Frage der Arbeitnehmereigenschaft nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ist auszugehen vom allgemeinen nationalen und nicht von einem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff (vgl. zum Status von Geschäftsführern: zur gerichtlichen Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 EuGH 10.09.2015 – C-47/14 – [Holterman Ferho Exploitatie ua.] Rn. 41 ff.; zur Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG EuGH 09.07.2015 – C229/14 – [Balkaya] Rn. 34; zur Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG EuGH 11.11.2010 – C232/09 – [Danosa] Rn. 51). Die Frage des Zugangs zu den Gerichten für Arbeitssachen und der Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche der nationalen Gerichte fällt nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Das Arbeitsgerichtsgesetz basiert nicht auf Unionsrecht und setzt dieses nicht um (vgl. BAG, 21.01.2019 – 9 AZB 23/18).
bb) Gleiches hat für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes in Zusammenhang mit dem Arbeitnehmerbegriff bei § 23 Abs. 1 KSchG zu gelten, denn auch das deutsche Kündigungsschutzgesetz fällt nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts und § 23 KSchG liegt keine unionsrechtliche Bestimmung zugrunde (vgl. BAG, 21.01. 2019 – 9 AZB 23/18 zu § 5 ArbGG).
f) Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass ein Fremdgeschäftsführer deswegen als Arbeitnehmer zu gelten habe, da seine Beschäftigung sozialversicherungspflichtig ist, geht dies ins Leere, denn seit jeher ist anerkannt, dass der Beschäftigtenbegriff nach § 7 Abs. 1 SGB IV und der Arbeitnehmerbegriff nicht identisch sind und zwei rechtlich selbständige Institute darstellen (vgl. Erf. Kmt. 19. Aufl. § 7 SGB IV Rn 2; BAG, 25.02.1999 – 3 AZR 113/97).
B. Die streitgegenständliche Kündigung erweist sich auch nicht nach dem Prüfungs maßstab von §§ 138, 242 BGB als unwirksam.
1. Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig iSv. § 138 Abs. 1 BGB, wenn es nach seinem Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht. Verstößt das Rechtsgeschäft – wie eine an sich neutrale Kündigung – nicht bereits seinem Inhalt nach gegen die grundlegenden Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung, muss ein persönliches Verhalten des Handelnden hinzukommen, welches diesem zum Vorwurf gemacht werden kann. Hierfür genügt es im Allgemeinen nicht, dass vertragliche Pflichten verletzt werden. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln oder der zutage tretenden Gesinnung ergeben kann (vgl. BAG, 05.12.2019 – 2 AZR 107/19).
2. Der Grundsatz von Treu und Glauben in § 242 BGB bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Eine gegen diesen Grundsatz verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage ist wegen der darin liegenden Rechtsüberschreitung als unzulässig anzusehen. Die Vorschrift des § 242 BGB ist aber auf Kündigungen neben § 1 KSchG nur in beschränktem Umfang anwendbar. Das Kündigungsschutzgesetz hat die Voraussetzungen und Wirkungen des Grundsatzes von Treu und Glauben konkretisiert und abschließend geregelt, soweit es um den Bestandsschutz und das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes geht. Eine Kündigung verstößt deshalb nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind (vgl. BAG, 05.12.2019 – 2 AZR 107/19).
3. Im Rahmen der Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB ist der objektive Gehalt der Grundrechte zu berücksichtigen. Der durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vermittelte verfassungsrechtliche Schutz ist allerdings umso schwächer, je stärker die mit der Kleinbetriebsklausel des § 23 Abs. 1 KSchG geschützten Grundrechtspositionen des Arbeitgebers im Einzelfall betroffen sind. Es geht vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen (vgl. BAG, 05.12. 2019 – 2 AZR 107/19 mit Verweis auf BVerfG, 27.01.1998 – 1 BvL 15/87).
4. Eine Kündigung erfolgt nicht willkürlich, wenn sie auf einem irgendwie einleuchtenden Grund beruht (vgl. BAG, 05.12.2019 – 2 AZR 107/19; 28.08.2003 – 2 AZR 333/02). Ein solcher ist bei einem auf konkreten Umständen beruhenden Vertrauensverlust grundsätzlich auch dann gegeben, wenn die Tatsachen objektiv nicht verifizierbar sind und die Berechtigung von Gründen, die unter Geltung des allgemeinen Kündigungsschutzes als solche im Verhalten gewertet werden könnten, können auf der Grundlage allein der zivilrechtlichen Generalklauseln gerade nicht nachgeprüft werden (vgl. BAG, 05. 12.2019 – 2 AZR 107/19; 25.04.2001 – 5 AZR 360/99).
5. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die streitgegenständliche Kündigung im Beklagten weder sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) noch treuwidrig (§ 242 BGB).
a) Soweit sich der Kläger darauf beruft, er sei nach dem Ausscheiden des Herrn L., seinem ehemaligen Schwager, gleichsam „mitentsorgt“ worden und er damit eine Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung erkennen will, hat er damit keinen Erfolg. Von dem irritierenden Begriff einer „Mitentsorgung“ kann nicht einmal ansatzweise die Rede sein. Die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt mit ihrer Kündigung zu einer solchen Interpretation Anlass gegeben. Sie hat lediglich darauf verwiesen, dass sie sich nach den Ausscheiden des Herrn L. nicht mehr daran gebunden sah, ein Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortzusetzen, wozu sie im Übrigen zu keinem Zeitpunkt verpflichtet war. Auch wenn sie aus dem Arbeitsverhältnis mit Herrn L. eine gewisse Loyalität zu Gunsten des Klägers abgeleitet hat, da dieser auch die Einstellung des Klägers veranlasst hat, steht es ihr grundsätzlich jederzeit frei, diese Loyalität zu beenden, ohne dass sich daraus bereits ein besonders verwerfliches Verhalten ergibt oder dies per se willkürlich und sachfremd erscheint.
b) Ausschlaggebend ist aber vor allem, dass sich die Beklagte darauf beruft, dass es wegen der Arbeitsanweisungen des Klägers gegenüber Frau M. und Frau X., zu denen er im Grundsatz auch nicht berechtigt war, zu Missstimmungen kam. Um diese zu beenden, steht es der Beklagte auch frei, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu beenden. Insbesondere aus diesem Umstand erfolgte die streitgegenständliche Kündigung nicht willkürlich, da sie vielmehr auf einem einleuchtenden Grund beruht. Die weiter von der Beklagten vorgebrachten Argumente für den Ausspruch der Kündigung, Kundenunzufriedenheit und der Wunsch einen neuen Schwung in die Belegschaft zu bekommen, runden die ausgesprochene Kündigung mit weiteren einleuchtenden Gründen ab und lassen insbesondre auch keine besondere Verwerflichkeit im Verhalten der Beklagten iSv. § 138 Abs. 1 BGB erkennen. Eine solche ergibt sich auch nicht aus der Nachbesetzung der Stelle des Klägers, denn es liegt in der Natur der Sache, dass dessen Stelle nach seinem Ausscheiden neu besetzt werden kann, was der Beklagten auch grundsätzlich nicht verwehrt ist. Und auch aus der Gehaltserhöhung des Klägers, die ein halbes Jahr vor seiner Kündigung erfolgte, ergibt sich keine besondere Verwerflichkeit bzw. Sittenwidrigkeit iSv. § 138 Abs. 1 BGB oder Treuwidrigkeit iSv. § 242 BGB in Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Kündigung, denn maßgeblich ist, dass die Beklagte Missstimmungen im Betrieb durch die Kündigung des Klägers beenden wollte und dies kann sie jedenfalls in ihrem Kleinbetrieb auch mit dem scharfen Schwert einer Kündigung erreichen, zumal ihre Vorgehensweise weder willkürlich noch sachfremd ist und nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sogar die der Kündigung zu Grunde liegenden Tatsachen objektiv nicht verifizierbar sein müssen und schon gar nicht dem Prüfungsmaßstab des Kündigungsschutzgesetztes unterliegen. Insgesamt gilt, dass vorliegend der durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vermittelte verfassungsrechtliche Schutz des Klägers deutlich schwächer ist, als die mit der Kleinbetriebsklausel des § 23 Abs. 1 KSchG geschützten Grundrechtspositionen des Arbeitgebers.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO. IV.

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