Aktenzeichen M 5 K 17.6000
BGB § 288 Abs. 1 S. 2, § 291
Leitsatz
Tenor
I. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine Abgeltung für nicht genommenen Erholungsurlaub aus dem Jahr 2016 im Umfang von 20 Tagen und aus dem Jahr 2017 im Umfang von 7 Tagen in Höhe von insgesamt 7020,39 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit … Dezember 2017 zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin hat 20% und die Beklagte hat 80% der Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten der Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 87a Abs. 2 und 3, § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO), ist teilweise begründet.
1. Die Klägerin hat – nur – einen Anspruch auf finanzielle Abgeltung des vierwöchigen Mindesturlaubs für das Jahr 2016 (20 Urlaubstage) und des anteiligen Mindesturlaubs für das Jahr 2017 (7 Urlaubstage), den sie krankheitsbedingt vor Ende ihrer Amtszeit als berufsmäßiges Gemeinderatsmitglied der Beklagten mit Ablauf des … Mai 2017 nicht mehr antreten konnte, in Höhe von 7020,39 EUR (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
a) Die Klage ist zulässig, insbesondere hat die Klägerin die finanzielle Abgeltung bei der Beklagten mit E-Mail vom … Mai 2017 beantragt und sie ließ ihre Bevollmächtigten die Beklagte mit Schreiben vom … Oktober 2017 vorgerichtlich zur Erfüllung ihres Urlaubsabgeltungsanspruchs auffordern.
b) Die Klage – ausdrücklich auf die Abgeltung des Mindesturlaubs beschränkt – ist begründet, was die Urlaubsjahre 2016 und 2017 (bis zum …5.2017) anbelangt. Der Klägerin steht insoweit ein Anspruch auf Abgeltung ihres restlichen Mindesturlaubs gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 Verordnung über den Urlaub der bayerischen Beamten und Richter (Urlaubsverordnung – UrlV) in der ab … Januar 2015 bis … Dezember 2017 geltenden Fassung zu. Hinsichtlich der Urlaubsjahre 2014 (5 Urlaubstage) und 2015 (1 Urlaubstag) ist die Klage unbegründet, weil diese Urlaubsjahre nach § 10 Abs. 3 Satz 3 UrlV sowohl in der ab *. August 2014 als auch in der ab *. Januar 2015 geltenden Fassung unberücksichtigt bleiben.
aa) Für die Abgeltung von Urlaubsansprüchen ist die jeweils für das Urlaubsjahr geltende Fassung des § 10 UrlV maßgeblich (BayVGH, B.v. 19.2.2019 – 3 BV 16.2630 – juris Rn. 17).
§ 9 Verordnung über Urlaub, Mutterschutz und Elternzeit der bayerischen Beamten (Bayerische Urlaubs- und Mutterschutzverordnung – UrlMV) vom … November 2017, gültig ab … Januar 2018, mit seiner 24-monatigen Verfallsfrist in Abs. 1 Satz 4 kommt hier daher insgesamt nicht zur Anwendung.
Für das Urlaubsjahr 2014 ist nicht § 10 UrlV in der bis … Juli 2014 geltenden Fassung maßgeblich, woraus sich die unmittelbare Anwendung der 18-monatigen Verfallsfrist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ergeben würde (BayVGH, B.v. 19.2.2019 – 3 BV 16.2630 – juris Rn. 12). Solches wäre nur dann der Fall, wenn die Amtszeit der Klägerin vor dem … Juli 2014 geendet hätte. Vielmehr ist für das Urlaubsjahr 2014 § 10 UrlV in der ab … August 2014 geltenden Fassung – mit einer 15-monatigen Verfallsfrist nach § 10 Abs. 3 Satz 3 UrlV – maßgeblich, weil die Klägerin das volle Kalender- und Urlaubsjahr 2014 in Diensten der Beklagten stand.
Für die Urlaubsjahre 2015 bis 2017 ist dagegen § 10 UrlV in der ab … Januar 2015 geltenden Fassung maßgeblich, die sich allerdings von der vom … August 2014 bis … Dezember 2014 geltenden Fassung nur durch den in § 10 Abs. 3 Satz 4 UrlV eingefügten – hier nicht relevanten – 2. Halbsatz unterscheidet. Beiden Fassungen ist die in § 10 Abs. 3 Satz 3 UrlV geregelte 15-monatige Verfallsfrist gemein.
bb) Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 UrlV in beiden hier maßgeblichen Fassungen ist der Urlaub der einzelnen Urlaubsjahre in dem Umfang abzugelten, in dem der eingebrachte Erholungsurlaub jeweils hinter einem Mindesturlaub von 20 Tagen zurückbleibt, soweit bei der Beendigung des Beamtenverhältnisses die vorherige Einbringung von Erholungsurlaub auf Grund einer Dienstunfähigkeit nicht möglich war.
(1) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Tatbestandsmerkmal der Beendigung des Beamtenverhältnisses erfüllt.
Die Klägerin wurde von der Beklagten mit Wirkung vom … Mai 2011 zur berufsmäßigen Gemeinderätin ernannt. Damit wurde die Klägerin kommunale Wahlbeamtin der Beklagten im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 Gesetz über kommunale Wahlbeamte und Wahlbeamtinnen (Kommunal-Wahlbeamten-Gesetz – KWBG). Dieses Beamtenverhältnis auf Zeit (Art. 13 Abs. 1 KWBG) begann mit dem in der Urkunde bestimmten Tag. Es endete mit Ablauf der in der Urkunde bestimmten Zeitdauer der Berufung, also mit Ablauf des … Mai 2017 (Art. 13 Abs. 3 Halbsatz 1 KWBG). Die Klägerin war kraft Gesetz mit dem Ende der Amtszeit entlassen (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 KWBG).
Dass hinsichtlich einer Urlaubsabgeltung vorliegend nur auf dieses Beamtenverhältnis auf Zeit abzustellen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 3 Satz 1 UrlV, indem es dort heißt „des Beamtenverhältnisses“ und nicht etwa „eines Beamtenverhältnisses“. Es ist konkret auf dasjenige Beamtenverhältnis abzustellen, aus dem die geltend gemachten Urlaubsansprüche herrühren (BayVGH, U.v. 16.12.2019 – 3 B 17.1814 – juris Rn. 30 – Ansprüche wegen Zuvielarbeit).
(2) Der Klägerin war es aufgrund ihrer seit *. März 2016 bestehenden Dienstunfähigkeit auch nicht möglich, ihren Erholungsurlaub vor Ende ihrer Amtszeit bei der Beklagten mit Ablauf des … Mai 2017 einzubringen.
(3) Dass als quasi weitere Tatbestandsvoraussetzung – wie die Beklagte meint – auf die Dienstunfähigkeit unmittelbar eine Versetzung in den Ruhestand deswegen erfolgt sein muss, findet im Wortlaut des § 10 Abs. 3 Satz 1 UrlV keine Stütze. Mögen die bisher in der Rechtsprechung ergangenen Entscheidungen solche Konstellationen zum Gegenstand gehabt haben, limitiert das nicht den Anwendungsbereich des Abgeltungsanspruchs. Auch dem Urteil des EuGH vom 6.11.2018 (C-684/16) lag nicht solch eine Konstellation zu Grunde, sondern ein Abgeltungsanspruch nach Ablauf mehrerer befristeter Arbeitsverträge.
cc) Als Rechtsfolge des § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 UrlV sind der Klägerin an sich 33 Urlaubstage nicht eingebrachter Mindesturlaub für die Urlaubsjahre 2014 bis 2017 abzugelten (5 Urlaubstage für 2014, 1 Urlaubstag für 2015, 20 Urlaubstage für 2016 und 7 anteilige Urlaubstage für 2017).
Der anteilige Mindesturlaub von 7 Tagen für das Jahr 2017 errechnet sich nach Maßgabe von § 10 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 3 Abs. 3 Satz 1 und 2, § 4 Abs. 2 Satz 3 UrlV, nachdem die Klägerin von Januar bis inklusive April 2017 noch vier volle Monate in Diensten der Beklagten stand.
Eine Urlaubsgewährung durch die neue bzw. ursprüngliche Dienstherrin Stadt A. in 2017 ist dagegen irrelevant, weil das Dienstverhältnis der Klägerin zur Beklagten isoliert für sich zu betrachten ist (s.o. zur Beendigung des Beamtenverhältnisses).
dd) Allerdings bleiben nach § 10 Abs. 3 Satz 3 UrlV Urlaubsjahre unberücksichtigt, die bei Beendigung des Beamtenverhältnisses seit mehr als 15 Monaten abgelaufen sind. Dass ein Übertragungszeitraum von 15 Monaten ausreichend ist, haben der EuGH (U.v. 22.11.2011 – C-214/19 – juris Rn. 40 ff.), das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, U.v. 31.3.2013 – (2 C 10.12 – juris Rn. 20 ff.) und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, B.v. 19.2.2019 – 3 BV 16.2630 – juris Rn. 13 ff.) bestätigt.
(1) Ausgehend vom Ende des Dienstverhältnisses der Klägerin bei der Beklagten mit Ablauf des … Mai 2017 errechnet sich unter Zugrundelegung der Frist von 15 Monaten ein Verfall für Urlaubsjahre vor dem … Februar 2016.
Die 5 Urlaubstage aus dem Urlaubsjahr 2014 sind daher sogar dann verfallen, wenn man in einer Alternativbetrachtung eine Frist von 18 Monaten (nach der bis Ablauf des …7.2014 geltenden Rechtslage, s.o.) zugrunde legen würde. Denn dann würde sich als maßgeblicher Tag der 14. November 2015 ergeben.
Der Urlaubstag für das Urlaubsjahr 2015, für das jedenfalls die 15-monatige Frist gilt, ist gleichfalls verfallen.
(2) Die Beklagte hat mit der Information ihrer Beschäftigten mit den E-Mails vom … Oktober 2014, vom … Oktober 2015 sowie … Oktober 2016 den Anforderungen einer angemessenen Aufklärung nach der Rechtsprechung des EuGH (U.v. 6.11.2018 – C-684/16 – juris) Genüge getan, sowohl in inhaltlicher als auch zeitlicher Hinsicht.
Dass in diesen E-Mails das Wort „Verfall“ im Hinblick auf Urlaubstage nicht explizit vorkommt (wohl aber hinsichtlich Überstunden), ist unschädlich, weil sich aus den Informationen über die Modalitäten einer Übertragung ohne weiteres entnehmen lässt, dass Resturlaub nur begrenzt übertragen werden kann. Dem kann im Umkehrschluss entnommen werden, ab wann Resturlaub verfällt.
Die Informationen erfolgten jeweils im Oktober eines Jahres und damit auch ausreichend früh, um die Beschäftigten der Beklagten tatsächlich in die Lage zu versetzen, ihre Urlaubsansprüche wahrzunehmen.
(3) Die durch die Beklagte mit Schreiben vom … Januar 2016 mitgeteilte Übertragung von Urlaubstagen steht einem Verfall des Mindesturlaubs für die Jahre 2014 und 2015 nicht entgegen. Dem Wortlaut des § 10 Abs. 3 UrlV lässt sich solches nicht entnehmen. Nach § 11 UrlV angesparter Erholungsurlaub ist auch kein Mindesturlaub (VG Regensburg, U.v. 1.10.2014 – RN 1 K 13.1973 – juris Rn. 67).
ee) Damit verbleibt ein Abgeltungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte über 20 Urlaubstage für 2016 und 7 Urlaubstage für 2017.
(1) Dagegen kann sich die Beklagte weder auf Verjährung noch auf Verwirkung berufen. Denn der Abgeltungsanspruch entstand überhaupt erst mit Ablauf der Amtszeit der Klägerin am … Mai 2017 (VG Regensburg, U.v. 1.10.2014 – RN 1 K 13.1973 – juris Rn. 65). Die Klägerin hat ihren Anspruch bereits mit E-Mail vom … Mai 2017 geltend gemacht. Sie ließ ihre Bevollmächtigten die Beklagte mit Schreiben vom … Oktober 2017 vorgerichtlich zur Erfüllung ihres Urlaubsabgeltungsanspruchs auffordern. Schließlich erfolgte am … Dezember 2017 die Klageerhebung.
(2) Die Höhe der für 27 Urlaubstage zustehenden Abgeltung ist in § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 UrlV geregelt. Danach bemisst sie sich nach der in den letzten drei Monaten vor der Beendigung des Beamtenverhältnisses zustehenden Besoldung (Satz 1). Das sind bei der Klägerin 3 mal 5633,65 EUR, in Summe 16.900,95 EUR. Für die Berechnung wird dabei ein Dreizehntel dieses Betrags (1300,07 EUR) durch die Anzahl der individuellen wöchentlichen Arbeitstage (hier: 5) geteilt (260,01 EUR) und mit der Zahl der abzugeltenden Urlaubstage – hier 27 – vervielfacht (Satz 2); das ergibt 7020,39 EUR.
2. Der Anspruch auf die zugesprochenen Zinsen ab Rechtshängigkeit beruht auf § 291 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist § 291 Satz 1 BGB im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar, wenn das einschlägige Fachgesetz keine abweichende Regelung enthält (vgl. BVerwG v. 26.7.2012 – 2 C 29.11 – juris Rn. 47 m.w.N.; BayVGH, B.v. 19.2.2019 – 3 BV 16.2630 – juris Rn. 27).
3. Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO teilweise stattzugeben. Bei der eingeklagten Abgeltung für 33 Urlaubstage obsiegt die Klägerin mit 27 Urlaubstagen, was rund 80% entspricht (81,82%). Sie selbst hat daher 20% der Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).