Aktenzeichen 10 Ca 2689/18
RL 2003/88 EG Art. 7
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 a,§ 46 Abs. 2 , § 61 Abs. 1, § 64 Abs. 3 a
KSchG § 7
RL2003/88/EG Art. 267
MiLoG § 1 Abs. 1, § 3
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf € 2.643,09 festgesetzt.
4. Eine gesonderte Zulassung der Berufung ist nicht veranlasst.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I.
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist vorliegend gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG gegeben. Das Arbeitsgericht Nürnberg ist gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 12, 17 ZPO örtlich zuständig. Die Klage ist zulässig.
II.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abgeltung von noch 19 Tagen Urlaub aus 2017 nach § 7 Abs. 4 BurlG, da vorliegend die tarifliche Ausschlussfrist des § 22 Ziffer 3 Abs. (I) b), die unstreitig auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist, greift.
1. Gemäß § 7 Abs. 4 BurlG ist der Urlaub abzugelten, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Beendigung des Arbeitsverhältnisses war hier mit Ablauf des 31.12.2017 gegeben. Der Kläger hat seinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2017 unstreitig erst mit Schreiben seiner Rechtsanwälte vom 10.04.2018 schriftlich geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch genannter Anspruch bereits wegen der tariflichen Ausschlussfrist verfallen.
2. Soweit der Kläger meint, die Ausschlussfrist sei erst im Zeitpunkt der Wirksamkeit des Vergleiches (08.03.2018) in Gang gesetzt worden, folgt dem die Kammer angesichts der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht. Die für den Lauf einer Ausschlussfrist maßgebliche Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs tritt im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine arbeitgeberseitige Kündigung bereits mit Ablauf der Kündigungsfrist ein. Ein vom Arbeitnehmer eingeleitetes Kündigungsschutzverfahren und dessen Beendigung durch gerichtlichen Vergleich, in dem sich die Parteien auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Kündigungstermin verständigen, haben auf die Entstehung des Urlaubsabgeltungsanspruchs und dessen Fälligkeit keinen Einfluss (BAG 17.10.2017 – 9 AZR 80/17). Dies folgt letztlich aus dem Charakter der Kündigung als Gestaltungsrecht, deren Wirkung unmittelbar mit Zugang der einseitigen Willenserklärung eintritt. Unabhängig von der Frage, ob die Kündigung des Arbeitgebers objektiv rechtswirksam ist oder nicht, bewirkt nach genannter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Rn. 32 des genannten Urteils) das Einverständnis mit der Prozesserledigung im Vergleich, dass die Beendigungswirkung der Kündigung aus einem eigenständigen Grund – der gesetzlichen Fiktion des § 7 KSchG – greift, weshalb das Beendigungsdatum und nicht das Datum der Wirksamkeit des Vergleiches entsprechend § 7 Abs. 4 BurlG die Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruches begründet. In der Erhebung einer Bestandsschutzklage liegt auch nicht die schriftliche Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs im Sinne einer arbeitsvertraglichen Verfallklausel (BAG, a.a.O.). Demnach war der Urlaubsabgeltungsanspruch vorliegend mit Ablauf des 31.12.2017, der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, fällig. Gemäß § 22 Ziffer 3 Abs. (I) b) MTV müssen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden, sonst ist die Geltendmachung ausgeschlossen. Mithin hätte die schriftliche Geltendmachung bis zum 31.03.2018 erfolgen müssen. Die Geltendmachung am 10.04.2018 war zu spät. Der Anspruch besteht nicht.
3. Soweit der Kläger sich auf die Unvereinbarkeit der Ausschlussfrist für den Urlaubsabgeltungsanspruch mit Art. 7 RL 2003/88 EG beruft, folgt dem die Kammer nicht. Denn nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (9 AZR 80/17) steht der Unterwerfung des – insoweit nach neuerer Rechtsprechung eigenständigen und vom eigentlichen Urlaubsanspruch unabhängigen – Urlaubsabgeltungsanspruchs unter Verfallsfristen weder §§ 1, 3 Abs. 1, 13 BurlG noch die vom die vom Gerichtshof der Europäischen Union vorgenommene und für das Bundesarbeitsgericht nach Art. 267 AEUV verbindliche Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung entgegen (BAG a.a.O., Rn. 26, weiterhin BAG vom 9. August 2011 – 9 AZR 475/10 – Rn. 32 ff. m.w.N.). Soweit sich der Kläger auf Rechtsprechung des EuGH zum Urlaubsanspruch beruft, insbesondere zu dem Fall, dass der Arbeitnehmer wegen Arbeitsunfähigkeit den Urlaub nicht mehr nehmen konnte, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn der Urlaubsabgeltungsanspruch ist ein eigenständiger, vom Urlaubsanspruch unabhängiger Anspruch, der nicht dessen Schicksal teilt. Damit sind die vom EuGH aufgestellten Grundsätze über den Urlaubsanspruch im laufenden Arbeitsverhältnis nicht auf den eigenständigen finanziellen Urlaubsabgeltungsanspruch übertragbar. Dafür, dass es dem Kläger unmöglich gewesen sein sollte, seinen Abgeltungsanspruch rechtzeitig geltend zu machen, sind auch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Da der Kläger sogar in der Lage war, eine Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben und am 28.02.2018, mithin innerhalb des Zeitraums der streitgegenständlichen Ausschlussfrist einen Vergleich zu schließen, ist im Gegenteil davon auszugehen, dass dem Kläger auch eine rechtzeitige Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruches möglich gewesen wäre.
4. Soweit der Kläger vorträgt, dass aus § 3 MiLoG zumindest ein unverfallbarer Teilanspruch bestehe, folgt dem die Kammer ebenfalls nicht. Zwar bestimmt § 3 MiLoG, dass Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam sind. Auch die Kammer ist der Auffassung, dass von einer tariflichen Ausschlussfrist Ansprüche auf Mindestlohn insoweit auszunehmen sind. Jedoch hat der Kläger vorliegend keinerlei Sachvortrag erbracht, dass durch die Nichtauszahlung der Urlaubsabgeltung ein Verstoß gegen das MiLoG vorliegt. Der Kläger nimmt hier eine isolierte Betrachtung des Urlaubsabgeltungsanspruches vor und errechnet insoweit Mindestlohnansprüche (vgl. Schriftsatz der Klägervertreter vom 31.08.2018, Seiten 4 und 5). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt jedoch eine isolierte Betrachtung im Hinblick auf den Mindestlohn nicht in Frage. Vielmehr ist der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt. Erfüllt ist der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, wenn die für den Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit dem gesetzlichen Mindestlohn ergibt. Erfüllung tritt mit Zahlung des Bruttoarbeitsentgelts ein. Auch verspätete Zahlungen können Erfüllungswirkung haben. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde. Dies erfordert jedoch die schlüssige Darlegung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, der sodann der erzielte Lohn gegenüberzustellen ist (vgl. zum Ganzen BAG vom 25.05.2016 – 5 AZR 135/16). Nach diesen Grundsätzen liegt keine schlüssige dahingehende Darlegung vor, dass durch die Nichtauszahlung der streitgegenständlichen Urlaubsabgeltung die Frage des Mindestlohnes tangiert ist. Es ist der Kammer nicht ersichtlich, inwieweit ein Verstoß gegen das MiLoG vorliegen sollte, zumal der Kläger ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von EUR 3.014,07 erzielt hat. Daher verbleibt es bei der Klageabweisung.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. Da der Kläger unterliegt, hat er die Kosten zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ff ZPO. Da der Kläger einen Betrag in Höhe von 2.643,09 EUR eingeklagt hat, war dies der festzusetzende Streitwert. Eine gesonderte Zulassung der Berufung war nicht veranlasst, § 64 Abs. 3 a ArbGG.