Arbeitsrecht

Zur Höhe der Vergütung von Urlaubstagen

Aktenzeichen  9 Sa 177/19

Datum:
3.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 46249
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BUrlG § 7 Abs. 3, § 11 Abs. 1 S. 1
RL 2003/88/EG Art. 7
EuGrdRCh Art. 31 Abs. 2
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 1, § 613a Abs. 1 S. 1, § 614 S. 2
EFZG § 4 Abs. 1
BEEG § 17 Abs. 2
MuSchG § 24 S. 2

 

Leitsatz

1. Urlaubsansprüche sind nicht nach § 7 Abs. 3 BUrlG befristet, wenn nicht der Arbeitgeber konkret und in völliger Transparenz dafür sorgt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen Urlaub zu nehmen (Anschluss an BAG, Urteile vom 19.02.2019, Az. 9 AZR 541/15). Ein Arbeitgeber, der den Arbeitnehmer nur pauschal auffordert, Urlaub zu nehmen, gleichzeitig in einem Arbeitszeiterfassungssystem aber Urlaubsansprüche aus mehreren Jahren kumuliert fortschreibt und für diesen Urlaub aus mehreren Jahren Rücklagen bildet, genügt diesen Anforderungen nicht. (Rn. 153 – 170)
2. Der Urlaubsanspruch ist erst dann im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB entstanden, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch Erbringung der erforderlichen Mitwirkungshandlung tatsächlich in die Lage versetzt hat, den Urlaub geltend zu machen. (Rn. 176 – 185)

Verfahrensgang

36 Ca 6634/18 2019-02-22 TeU ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 22.02.2019, Az. 36 Ca 6634/18 unter Zurückweisung der Berufung des Klägers im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst.
1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 1.144,99 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2014 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 11.804,38 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2015 zu zahlen.
3. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 9.430,66 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2016 zu zahlen.
4. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 9.610,66 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2017 zu zahlen.
5. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 19.280,49 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2018 zu zahlen.
6. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 52.618,24 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2018 zu zahlen.
7. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 180.762,96 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2018 zu zahlen.
8. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner dem Kläger denjenigen Schaden (netto) zu ersetzen haben, der daraus entsteht, dass die Beklagte zu 1) die bezüglich der Anträge zu 1 und 2 ausgeurteilten Entgeltfortzahlungsansprüche des Klägers betreffend die Kalenderjahre 2013 – 2014 nicht bis spätestens zum 31.03.2015 erfüllt hat und der Kläger daher auf die Nachzahlung eine höhere Abgabenlast (Einkommenssteuer zzgl. Solidaritätszuschlag) zu zahlen hat als es bei rechtzeitiger Zahlung der Fall gewesen wäre.
9. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) dem Kläger denjenigen Schaden (netto) zu ersetzen hat, der daraus entsteht, dass die Beklagte zu 1) bis zum 10.06.2015 und die Beklagte zu 2) ab dem 11. 06.2015 die bezüglich der Anträge zu 3 und 4 ausgeurteilten Entgeltfortzahlungsansprüche des Klägers betreffend die Kalenderjahre 2015 – 2016 nicht bis spätestens zum 01.01.2016 (für 2015) bzw. zum 01.01.2017 (für 2016) erfüllt haben und der Kläger daher auf die Nachzahlung eine höhere Abgabenlast (Einkommenssteuer zzgl. Solidaritätszuschlag) zu zahlen hat als es bei rechtzeitiger Zahlung der Fall gewesen wäre.
II. Die Sache wird unter Aufhebung des Teilurteils vom 22.03.2019, – Az. 36 Ca 6634/18 zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Arbeitsgericht zurückverwiesen, soweit der Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten zu 2) bezüglich eines Steuerschadens infolge der Abrechnung und Zahlung der Umsatzprovision 2018 im Jahr 2018 statt im Jahr 2019 abgewiesen wurde.
III. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil vom 22.03.2019, – Az. 36 Ca 6634/18 wird zurückgewiesen.
IV. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen des Berufungsverfahrens bleibt dem Arbeitsgericht vorbehalten.
V. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen hinsichtlich der Entscheidung über die Urlaubsabgeltungsansprüche bezüglich des Urlaubs aus den Jahren 2011 – 2013. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufungen sind zulässig. Sie sind nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO). Die wirksame Einlegung der Berufung durch die Beklagte zu 2) scheitert insbesondere nicht an deren fehlender Postulationsfähigkeit. Bei der Beklagten zu 2) handelt es sich unstreitig um eine eingetragene Partnerschaftsgesellschaft. Diese ist nach § 7 Abs. 4 S. 2 PartGG im selben Umfang postulationsfähig wie die für sie handelnden Partner und deren Vertreter, in deren Person die gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen vorliegen müssen. Der für die Beklagte zu 2) handelnde Partner der Beklagten zu 2), Rechtsanwalt W. gehört als zugelassener Rechtsanwalt zu dem für die Vertretung vor dem Landesarbeitsgericht zugelassenen Personenkreis (§ 11 Abs. 4 S. 2 ArbGG). Damit ist auch die Beklagte zu 2) postulationsfähig. Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob eine Eintragung im Handelsregister zur Postulationsfähigkeit führt, kommt es deshalb nicht an.
II.
Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Der Kläger hat einen weitergehenden Anspruch auf Nachzahlung von Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung sowie Urlaubsabgeltung, allerdings nicht in dem vom ihm geltend gemachten Umfang. Hinsichtlich der zu leistenden Nachzahlungen hat er einen Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht bezüglich eines Steuerschadens. Soweit die Feststellung einer Schadensersatzpflicht bzgl. eines Steuerschadens infolge vorzeitiger Zahlung der Umsatzprovision 2018 begehrt wird, war der Rechtsstreit wegen des insoweit unzulässigen Teilurteils an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen.
1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Nachzahlung des der Umsatzprovision entsprechenden Anteils des Urlaubsentgelts sowie der Entgeltfortzahlung an Feiertagen und bei Krankheit für die Jahre 2013 bis 2018.
1.1. Eine Nachzahlung ist geschuldet für das Jahr 2013 für zwei Tage, für 2014 für 16, für 2015 und 2016 jeweils für 12 Tage, für 2017 für 17 und 2018 für 49 Tage.
1.1.1. Für das Jahr 2013 hat der Kläger einen Anspruch auf Nachzahlung von Differenzvergütung für zwei Feiertage aus dem Dezember 2013. Die Ansprüche auf weiteres Urlaubsentgelt für zwei Tage aus dem Dezember 2013 sind, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, verjährt.
Die Ansprüche auf Urlaubsabgeltung und Entgeltfortzahlung für Feiertage verjähren gem. § 195 BGB in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist, wenn der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit haben müsste. Hierbei besteht jedoch Einigkeit, dass für die Zwecke des Verjährungsbeginns ein Anspruch regelmäßig erst im Zeitpunkt seiner Fälligkeit als entstanden anzusehen ist (MüKomm/BGB-Grothe, 8. Aufl., § 199, Rn. 4), die dem Gläubiger die Möglichkeit verschafft Leistungsklage zu erheben (BGH, Urteil vom 8.4.2015 – IV ZR 103/15, Rn. 21).
1.1.1.1. Die Ansprüche auf Urlaubsvergütung für die im Dezember 2013 arbeitsfreien Tage sind verjährt, da diese noch im Jahr 2013 fällig geworden sind. Urlaubsentgelt ist gem. § 11 Abs. 2 BUrlG vor Antritt des Urlaubs fällig.
Der Einrede der Verjährung bezüglich der Nachzahlungsansprüche für den Dezember 2013 steht nicht die Vereinbarung über den Verjährungsverzicht aus dem Jahr 2017 entgegen. Der Verzicht auf die Einrede der Verjährung wurde nur erklärt, soweit die Verjährung nicht bereits eingetreten war. Bezüglich der in 2013 entstandenen Ansprüche war dies 2017 jedoch bereits der Fall, so dass sie von der Verzichtsvereinbarung nicht erfasst waren.
Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung ausdrücklich erhoben.
1.1.1.2. Verjährung ist nicht eingetreten hinsichtlich der weiteren Vergütung für zwei Feiertage im Dezember 2013.
Der Anspruch auf Feiertagsentgelt war zusammen mit dem Anspruch auf Entgelt für geleistete Arbeit erst im Januar 2014 fällig und somit entstanden iSd. § 199 Abs. 1 BGB.
Die im Jahr 2014 entstandenen bzw. fällig werdenden Ansprüche waren bei Abschluss der Vereinbarung über den Verzicht auf die Einrede der Verjährung im Jahr 2017 noch nicht verjährt. Die Verjährung ist auch nicht dadurch eingetreten, dass der Kläger die Ansprüche nicht rechtzeitig vor Ablauf des befristeten Verzichts am 30.06.2018 eingeklagt hat.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger die Klage noch am 30.06.2018 oder erst, wie auf dem Eingangsstempel des Arbeitsgerichts vermerkt, am 02.07.2018 eingereicht hat. Auch am 02.07.2018 war die Klage noch rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung eingegangen. Da der letzte Tag (30.06.2018) des befristeten Verzichts auf die Erhebung der Verjährungseinrede ein Samstag war, ist vorliegend ein Klageeingang am nächsten Werktag ausreichend. Nachdem die Parteien keine abweichende Vereinbarung getroffen haben, ist nach der auch für Rechtsgeschäfte geltenden Auslegungsregel (§ 186 BGB) des § 193 BGB die Vereinbarung dahin zu verstehen, dass an Stelle des Samstags der nächste Werktag trat (vgl. BGH, 21.12.1989 – IX ZR 234/88, Rn. 6).
1.1.2. Die Anzahl der Tage, an denen der Kläger wegen Urlaub, Feiertag oder Krankheit nicht gearbeitet hat, ist für die Jahre 2014, 2015 und 2016 unstreitig.
Auch die Ansprüche auf Nachzahlung von Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung für das Jahr 2014 sind nicht verjährt. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
1.1.3. Für 2017 ist zwischen den Parteien zwar streitig, ob der Urlaubsanspruch des Klägers auch erfüllt ist durch die Tage, für die dem Kläger von der Beklagten zu 2) Urlaub genehmigt wurde, den der Kläger aber nicht angetreten hat. Nachdem der Kläger an diesen Tagen unstreitig gearbeitet und Umsätze erzielt hat, macht er für diese Tage keine weitere Umsatzprovision geltend, so dass es auf diesen Streit hier nicht ankommt.
1.1.4. Für 2018 sind der Berechnung des Nachzahlungsanspruchs auch 12 Urlaubstage, und somit insgesamt 49 Urlaubs- und Entgeltfortzahlungstage zugrunde zu legen.
Im Jahr 2018 hat die Beklagte zu 2) den Kläger, bevor dieser für den Rest der Kündigungsfrist arbeitsunfähig krank wurde, für zwölf Tage zur Einbringung seiner Urlaubsansprüche freigestellt. Der Kläger bestreitet vor dem Hintergrund der zwischen den Parteien streitigen Verpflichtung zur Zahlung von Umsatzprovision als Teil des Urlaubsentgelts eine wirksame Urlaubserteilung und macht eine Nachzahlung für eine Zeit der sonstigen Freistellung geltend, ohne sich hinsichtlich der Rechtsnatur dieser Freistellung und einer Rechtsgrundlage für die Fortzahlung der Bezüge einschließlich des Umsatzprovisionsanteils näher zu erklären.
Wäre der Auffassung des Klägers zu folgen, dass Urlaub für diese 12 Arbeitstage in 2018 nicht wirksam erteilt wurde, wäre der Kläger darlegungs- und beweisbelastet für die Frage, ob vorliegend ein Erlassvertrag des Inhalts geschlossen wurde, dass der Kläger unter Fortzahlung des Grundgehalts und der Umsatzprovision freigestellt wird, oder ob Ansprüche aus Annahmeverzug bestehen. Der pauschale Hinweis auf das Angebot der Arbeitsleistung genügt im noch laufenden Arbeitsverhältnis, in dem grundsätzlich ein tatsächliches Angebot erforderlich ist, nicht. Konkreter Vortrag wäre hier darüber hinaus auch deshalb erforderlich gewesen, weil die Beklagte zu 2) auch in 2017 zwar Urlaub genehmigt, dann aber gleichwohl die Arbeitsleistung des Klägers angenommen hat. Aus der Freistellung zum Zweck der Urlaubsgewährung ergibt sich vorliegend deshalb nicht ohne weiteres ein Annahmeverzug der Beklagten zu 2). Einen derartigen substantiierten Vortrag hat der Kläger aber nicht gehalten.
1.1.4.1. Hierauf kommt es jedoch vorliegend nicht an, da dem Kläger wirksam Urlaub erteilt wurde. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass Urlaub nicht erteilt worden sei, weil lediglich das Grundgehalt und nicht auch die Umsatzprovision fortbezahlt worden sei. Die vom Kläger angezogene Entscheidung des BAG vom 10.02.2015 (Az. 9 AZR 455/13) ist nicht einschlägig. Der dort entschiedene Fall ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Im am 10.02.2015 entschiedenen Fall hat das BAG die wirksame Erteilung eines Urlaubs verneint, wenn der Arbeitgeber die Urlaubserteilung unter eine Bedingung stellt und für den Arbeitnehmer bei Urlaubsantritt völlig offen ist, ob ihm wirklich Urlaub erteilt wird und er für diesen Zeitraum überhaupt eine Vergütung erhalten wird. Das BAG führt in Anlehnung an die neuere Rechtsprechung des EuGH aus, dass ein Arbeitnehmer in unzumutbarer Weise in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt sei, wenn er bei Urlaubsantritt nicht wisse, ob ihm Urlaubsentgelt gezahlt werde. (BAG, aaO., Rn. 23) Dem ist zuzustimmen. Ein derartiger Fall ist aber hier nicht gegeben.
Bei Antritt seines Urlaubs stand für den Kläger nicht in Frage, ob ihm Urlaub erteilt wird und dass er für die Zeit des Urlaubs Urlaubsentgelt erhält. Soweit der Kläger sich darauf beruft, es habe aufgrund seines Vertrages keinen bezahlten Urlaub gegeben, da sein Grundgehalt lediglich ein bis zum Erreichen der Umsatzschwelle gezahlter Provisionsvorschuss gewesen sei, geht dies sowohl am Inhalt des Arbeitsvertrags der Parteien als auch an der im Arbeitsverhältnis gelebten Praxis vorbei. Im Arbeitsvertrag ist eindeutig ein Grundgehalt vereinbart und kein Provisionsvorschuss. An keiner Stelle des Vertrags findet sich eine Regelung, die eine Verrechnung des Grundgehalts mit Provisionen vorsieht. Das Grundgehalt hätte dem Kläger uneingeschränkt auch zugestanden, wenn er die Umsatzschwelle deutlich unterschritten hätte. Das Grundgehalt wurde von den Beklagten auch bedingungslos und ohne nachträgliche Gegenrechnungen bezahlt, unstreitig auch für Tage, an denen wegen Feiertag, Krankheit oder Urlaub vor Erreichen der Umsatzschwelle nicht gearbeitet wurde. Dass die Beklagten der Vertragsgestaltung bei Festlegung der Umsatzschwelle eine gewisse Leistungserwartung für die Normalleistung zugrunde gelegt haben mögen, ändert nichts an der Rechtsnatur der Vereinbarung eines Grundgehalts.
Dem Kläger wurde Urlaub unbedingt erteilt und er wusste bei Urlaubsantritt, dass ihm jedenfalls sein fünfstelliges Bruttomonatsgehalt für die Zeit des Urlaubs weiterbezahlt wird. Es stand ihm deshalb während des Urlaubs bedingungslos dieselbe Vergütung zur Verfügung, die ihm auch während der Arbeitszeit laufend gezahlt wurde. Der Kläger war deshalb nicht in unzumutbarer Weise in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt durch die Unsicherheit, ob er für die Zeit des Urlaubs auch eine Umsatzprovision erhält. Es bestand für den Kläger im vorliegenden Fall keine wirtschaftliche Unsicherheit, die ihm einem Antritt des Urlaubs unzumutbar machte. Dass Urlaub nur dann wirksam erteilt wird, wenn Urlaubsentgelt nicht nur vorbehaltlos zugesagt ist, sondern hinsichtlich aller Vergütungsbestandteile unstreitig ist, kann der Entscheidung des BAG vom 10.02.2015 (Az. 9 AZR 455/13) nicht entnommen werden.
1.1.4.2. Der wirksamen Urlaubserteilung steht auch nicht die Rechtsprechung des EuGH entgegen. Dieser hat in den Entscheidungen vom 15.09.2011 – C 155/10 8 (U.), 16.03.2006 – C 131/04 (T.) und 22.05.2014 – C 539/12 (S.) zwar festgestellt, dass der unionsrechtliche Urlaubsanspruch den Anspruch auf Jahresurlaub und den auf Zahlung des Urlaubsentgelts als die zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs versteht. Durch die Zahlung des Urlaubsentgelts soll der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist. (22.05.2014 – C 539/12 [S.] Rn. 17; 16.03.2006 – C 131/04 [T., Rn. 58]) Aus diesem Grund darf ein Arbeitnehmer auch keinen hinausgeschobenen finanziellen Nachteil erleiden, durch den er möglicherweise davon absieht, sein Recht auf Jahresurlaub anzutreten. (22.05.2014 – C 539/12 [S.], Rn. 21) Es kann von einem Arbeitnehmer auch nicht verlangt werden, dass er seinen Urlaub zunächst nimmt, ehe er feststellen kann, ob er für diesen bezahlt wird (EuGH, 29.11.2017 – C-214/16 [V.]).
Entgegen der Auffassung des Klägers enthält jedoch keine dieser Entscheidungen des EuGH Aussagen dazu, dass Urlaub nicht wirksam gewährt wird, wenn bei Beginn eines tatsächlich angetretenen Urlaubs Uneinigkeit über die Fortzahlung einzelner Vergütungsbestandteile besteht. Das war auch in keinem Fall Teil der Verlagefragen. Der EuGH verlangt zwar, dass die Urlaubsvergütung nicht so niedrig bemessen sein darf, dass sie den Arbeitnehmer von der Urlaubsnahme abhält. Es kann hier aber dahin stehen, ob daraus Rückschlüsse auf die Wirksamkeit einer Urlaubserteilung gezogen werden können. Vorliegend war die Urlaubsvergütung offensichtlich nicht so gering, dass dies den Kläger von der Urlaubsnahme abgehalten hätte. Der Kläger hat den Urlaub angetreten, anders als im Jahr 2017 als er trotz eines von der Beklagten bewilligten Urlaubs weitergearbeitet hat.
Darüber hinaus ist vorliegend zu berücksichtigen, dass sich der Kläger nicht in einer Situation befand, bei der ihm der Antritt des Urlaubs unzumutbar war, weil er befürchten musste, durch einen künftigen Streit mit seinem Arbeitgeber über die Höhe des Urlaubsentgelts das Verhältnis zu seinem Arbeitgeber zu belasten oder gar den Bestand seines Arbeitsverhältnisses zu gefährden. Der Kläger hatte das Arbeitsverhältnis bereits gekündigt und auch ein Streit über die Höhe des Urlaubsentgelts bestand zwischen den Parteien schon seit Monaten.
1.2. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung und Entgeltfortzahlung an Feiertagen und bei Krankheit umfasst auch Ansprüche auf Fortzahlung der Umsatzprovision. Diese ist vor dem Hintergrund der von den Parteien getroffenen Vergütungsvereinbarung zu berechnen auf der Grundlage des jeweiligen Vorjahres als Referenzzeitraum und mit dem Divisor 260.
1.2.1. Der Kläger hat Anspruch auf Nachzahlung eines Teils des Urlaubsentgelts. Bei der Berechnung des Urlaubsentgelts ist neben dem Grundgehalt auch die Umsatzprovision zu berücksichtigen. Diesen Anteil des Urlaubsentgelts hat der Kläger bislang nicht erhalten.
1.2.1.1. Das Urlaubsentgelt bemisst sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes (§ 11 Abs. 1 S. 1 BUrlG).
Der Berechnung der Urlaubsvergütung sind die Arbeitsvergütungen zugrunde zu legen, die der Arbeitnehmer im Referenzzeitraum jeweils als Gegenleistung für seine Tätigkeit in den maßgeblichen Abrechnungszeiträumen erhalten hat. Dazu gehören auch schwankende Verdienstbestandteile wie etwa Akkordlohn, Provisionen oder andere Formen des Leistungslohnes. Maßgebend ist, ob mit einer Zahlung eine auf einen bestimmten Zeitabschnitt entfallende Arbeitsleistung vergütet wird. (BAG, Urteil vom 24.11.1992 – 9 AZR 564/91, Rn. 32) Zum Arbeitsverdienst in diesem Sinne gehört das allgemein geschuldete Entgelt unabhängig davon, in welchen Zeitabschnitten (Stunden, Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren) es berechnet wird. Provisionen, die der Arbeitgeber als einzige Gegenleistung oder neben einem Fixum schuldet, sind Arbeitsverdienst iSd. § 11 BUrlG. Sie sind in die Berechnung einzustellen. Eine an die jeweilige Arbeitsleistung anknüpfende Umsatzbeteiligung ist wie eine Provision zu behandeln. (vgl. ErfKomm/Gallner, § 11 BUrlG, Rn. 6, 10, mzwN.) Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH zum bezahlten Jahresurlaub iSv. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie), der eine Einbeziehung der Entgeltbestandteile in die Berechnung des Urlaubsentgelt fordert, bei denen ein innerer Zusammenhang zwischen Arbeitsleistung und Vergütungsbestandteil besteht und die ein Entgelt für die mit der Aufgabenerfüllung verbundenen Unannehmlichkeiten darstellen. (EuGH, Urt. v. 22.5.2014 – C-539/12 (S.), Rn. 29, 32)
Bei der Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht zu bleiben haben auf das gesamte Jahr bezogene Leistungen wie Gratifikationen oder Jubiläumsgelder (BAG, 23.04.1996 – 9 AZR 856/94, Rn. 19 f) oder sonstige Vergütungen für Leistungen während eines Gesamtzeitraums, die ohne Rücksicht darauf abgegolten werden, welche Tätigkeit erbracht wurde, d.h. mit denen ein Erfolg belohnt wird, der von einer Arbeitsleistung weitgehend unabhängig ist (vgl. Neumann in Neumann/Fenski/Kühn, BUrlG, 11. Aufl., Rn. 30).
1.2.1.1.1. Bei der von den Parteien mit Vertrag vom 02.07.2012 vereinbarten Umsatzprovision handelt es sich um eine Gegenleistung für die vom Kläger im konkreten Zeitraum erbrachte Arbeitsleistung. Die Umsatzprovision knüpft ausdrücklich an die vom Kläger geleisteten und der Mandantschaft in Rechnung gestellten „billable hours“ und die durch die Tätigkeit des Klägers generierten Honorarforderungen sowie die hierauf geleisteten Zahlungen an. Die Vergütung des Klägers erhöht sich unmittelbar durch jede nach Erreichen der Umsatzschwelle geleistete Arbeitsstunde, für die von der Mandantschaft Honorar gezahlt wurde. Es wird gerade keine Gesamt- oder Jahresleistung oder ein allgemeiner Erfolg vergütet, sondern konkret die Leistung einer weiteren abrechenbaren Stunde. Es besteht ein innerer Zusammenhang zwischen für das Mandat erbrachter Arbeitsleistung und dem Vergütungsanspruch des Klägers. Die Umsatzprovisionen sind deshalb Bestandteil der Vergütung iSd. § 11 Abs. 1 BurlG. Dies steht auch im Einklang mit den Anforderungen aus Art. 7 Abs. 1 Arbeitszeitrichtlinie (2003/88).
1.2.1.1.2. Diesem Ergebnis steht weder die von den Parteien vereinbarte jährliche Abrechnung entgegen noch, dass nach Auffassung der Beklagten die Vergütungsvereinbarung so angelegt ist, dass nur Umsätze gemeint seien, die während des normalen Geschäftsjahres unter Inanspruchnahme des Urlaubs erwirtschaftet werden.
Die jährliche Abrechnung der Umsatzprovision wurde von den Parteien nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern aufgrund der besseren Praktikabilität nicht zuletzt vor dem Hintergrund der ohnehin schwankenden Zahlungseingänge gewählt. Der allein aus pragmatischen Erwägungen heraus gewählte Abrechnungsrhythmus lässt deshalb keine Rückschlüsse auf die Rechtsnatur der Leistung zu. Die Beklagten können sich deshalb nicht darauf berufen, dass sich aus den Problemen, die Höhe des Urlaubsentgelts bei Antritt des Urlaubs zu berechnen, ergebe, dass eine Berücksichtigung der Umsatzprovision bei der Berechnung des Urlaubsentgelts vertraglich nicht gewollt gewesen sei.
Der Vereinbarung in § 2 Abs. 3 des Arbeitsvertrages bzw. dem Nachtrag hierzu kann auch nicht entnommen werden, dass eine Vergütungsvereinbarung getroffen werden sollte, nach der nur Umsätze der Umsatzprovision zugrunde gelegt werden, die in einem Geschäftsjahr unter Inanspruchnahme des Urlaubs erarbeitet werden, oder nach der die Umsatzprovision nicht bei Berechnung des Urlaubsentgelts berücksichtigt sein soll. Bei Auslegung der Vereinbarung über die Umsatzprovision nach dem Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) kann eine derartige Einschränkung der Vereinbarung weder dem Wortlaut noch sonstigen Umständen entnommen werden. Der Vertragstext enthält keinerlei Ansatzpunkte für eine derartige Auslegung. Die Beklagten machen auch keine konkreten Umstände geltend, aus denen sich eine derartige Auslegung ergeben könnte.
Ob die Parteien die Berücksichtigung der Umsatzprovision bei der Berechnung der Urlaubsvergütung vertraglich ausschließen wollten, kann aber letztlich dahinstehen. Selbst wenn diese Konzeption der Umsatzprovision nicht nur das einseitige Verständnis der Beklagten gewesen wäre, sondern tatsächlich Inhalt der Vergütungsvereinbarung geworden wäre, könnten die Beklagten sich hierauf nicht berufen, da eine derartige Vereinbarung wegen eines Verstoßes gegen § 11 Abs. 1 BUrlG unwirksam wäre. Eine Vereinbarung dahin, dass die Umsatzprovision bei der Berechnung des Urlaubsentgelts nicht zu berücksichtigen ist, wäre eine für den gesetzlichen Mindesturlaub nach § 13 Abs. 1 S. 1 und 3 BUrlG nicht zulässige einzelvertragliche Abweichung von § 11 Abs. 1 BUrlG. (vgl. BAG, 23.04.1996 – 9 AZR 856/94, Rn. 21) Da der Kläger sowohl 2014 als auch in den Folgejahren den gesetzlichen Mindesturlaub nicht ansatzweise ausgeschöpft hat, kommt es hier nicht darauf an, ob dies auch für den vertraglichen Urlaubsanspruch gelten würde.
Die Beklagten können sich auch nicht darauf berufen, dass der Kläger bei Berücksichtigung des variablen Gehaltsbestandteils Umsatzprovision bei der Berechnung der Urlaubs- und Entgeltfortzahlungsvergütung von den erwirtschafteten Umsatzprovisionen doppelt und dreifach profitiere und dies dem Sinn und Zweck des Urlaubsrechts widerspreche. Zwar ist es zutreffend, dass sich der vom Kläger erwirtschaftete Umsatz dadurch erhöht hat, dass der Kläger seine Urlaubstage nicht genommen hat und dass sich dies auch auf die nachzuzahlende Differenzvergütung erhöhend auswirkt. Nicht nachvollzogen werden kann aber, warum es dem Sinn und Zweck des Urlaubsrechts besser gerecht werden soll, den erhöhten Umsatz, dessen Erwirtschaftung ja auch im Interesse der Beklagten war, bei der Berechnung der Vergütung der wenigen freien Tage, die der Kläger genommen hat, außen vor zulassen. Dem Sinn und Zweck des Urlaubsrechts dient es vielmehr, wenn durch die Berücksichtigung auch der variablen Vergütung, der Arbeitnehmer nicht durch Entgelteinbußen während der freien Tage von der Urlaubsnahme abgehalten wird. (vgl. EuGH, 22.05.2014 – C 539/12 (S.), Rn. 17; 16.03.2006 – C 131/04 (T., Rn 58)
I. 2.1.1.3. Bei der Berechnung des Geldfaktors für das Urlaubsentgelt ist in Abweichung vom gesetzlichen Referenzzeitraum des § 11 Abs. 1 BUrlG auf das Vorjahr abzustellen.
Vom gesetzlichen Bezugszeitraum kann in besonderen Ausnahmefällen, d.h. insbesondere bei stark schwankenden Bezügen, abgewichen werden. (vgl. BAG, Urteil vom 30. Juli 1975 – 5 AZR 342/74, Rn. 25 ff.; Neumann in Neumann/Fenski/Kühn, BUrlG, I1. Aufl., Rn. 24; Boecken/Düwel/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, § 11 BurlG, Rn. 27; a.A. ErfKomm/Gallner, 19. Aufl., § 11 BUrlG, Rn. 15, Holthaus in Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, 4. Aufl., § 11 BUrlG, Rn. 16) Schwankende Bezüge müssen, sofern die Schwankungen nicht mit täglicher und betragsmäßiger Regelmäßigkeit auftreten, durch Schätzung entsprechend § 287 Abs. 2 ZPO ermittelt werden, und zwar in der Weise, dass man von einem Durchschnittsverdienst eines bestimmten Bezugszeitraums ausgeht, der so zu wählen ist, dass ein sachgerechtes Ergebnis erzielt werden kann. (BAG, 05.06.1985 – 5 AZR 459/83, Rn. 20, zur vergleichbaren Problematik beim EFZG) Dabei kann der tatsächliche Verdienst im vorangegangenen Jahr ein zuverlässigerer Maßstab sein als der Verdienst im vorangegangenen Monat (BAG Urt. v. 29.11.1962 – 2 AZR 176/62, Rn. 15, ebenfalls zum EFZG).
Vorliegend besteht ein ausgesprochen stark schwankender Vergütungsanspruch, der ein ausnahmsweises Abweichen vom gesetzlichen Referenzzeitraum rechtfertigt. Vor dem Hintergrund des Schwankens der Umsätze und der Zufälligkeit der Bezahlung der Rechnungen durch die Mandanten haben die Parteien eine jährliche Abrechnung und Bezahlung der Umsatzprovision vereinbart. Wollte man vorliegend am gesetzlichen Referenzzeitraum festhalten, würde dies dazu führen, dass Urlaub, der innerhalb von 13 Wochen nach Fälligkeit der Umsatzprovision genommen würde, wegen der Berücksichtigung der in diesem Zeitraum für das gesamte vorangegangene Jahr ausgezahlten Umsatzprovision mit einem Urlaubsentgelt zu vergüten wäre, das in keinerlei angemessenem Verhältnis mehr zu dem Entgelt steht, das der Kläger bei Erbringung der Arbeitsleistung im Urlaubszeitraum hätte verdienen können. Andererseits wäre im Falle eines Urlaubs, der mehr als 13 Wochen nach Fälligkeit der Umsatzprovision eingebracht wird, d.h. über einen Zeitraum von neun Monaten, die Umsatzprovision überhaupt nicht mehr zu berücksichtigen. Dies wiederspricht, wie bereits ausgeführt, sowohl § 11 Abs. 1 BUrlG als auch Art. 7 Abs. 1 Arbeitszeitrichtlinie (2003/88) (s.o.).
Ein ähnlicher Verstoß gegen § 11 Abs. 1 BUrlG und Art. 7 Abs. 1 Arbeitszeitrichtlinie (2003/88) wäre auch gegeben, würde man nicht auf den Zeitpunkt der Fälligkeit/Zahlung der Umsatzprovision, sondern auf den Zeitraum der Entstehung des Anspruchs abstellen. Da der Anspruch nach dem Arbeitsvertrag nicht über das ganze Kalenderjahr verteilt entsteht, sondern, da er an ein Umsatzziel anknüpft, erst ab Erreichen der Umsatzschwelle, wäre ein Urlaub in den Monaten, für die der Referenzzeitraum noch in der Zeit vor dem Erreichen der Umsatzschwelle liegt, allein mit dem Grundgehalt zu vergüten. Urlaub, dessen Referenzzeitraum ganz oder teilweise in die Zeit nach dem Erreichen der Umsatzschwelle fällt, wäre dementsprechend „mehr wert“.
Bei beiden Anknüpfungsszenarien, Anknüpfen an der Fälligkeit oder Anknüpfen an der Entstehung des Anspruchs, treten die Schwankungen jedes Jahr nach demselben Muster auf, so dass die Höhe des Urlaubsentgelts durch den Zeitpunkt des Beantragens oder des Gewährens beeinflusst werden könnte. Vor diesem Hintergrund ist vorliegend als Referenzzeitraum das von den Parteien zur Abrechnung herangezogene Kalenderjahr zugrunde zu legen. Nur so lässt sich das nach der Rechtsprechung des EuGH in Art. 7 Abs. 1 Arbeitszeitrichtlinie (2003/88) enthaltene Gebot, das dem Arbeitnehmer ein Urlaubsentgelt zusteht, das mit dem Entgelt für Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist (EuGH, 12. Februar 2015 – C-396/13 – [R.] Rn. 66; 22. Mai 2014 – C-539/12 – [S.] Rn. 16), für Urlaub in allen Monaten des Kalenderjahres verwirklichen.
1.2.1.1.4. Entgegen der Auffassung des Klägers ist als Referenzzeitraum nicht das Jahr, in dem Urlaub genommen wird, sondern das vorangegangene Kalenderjahr zugrunde zu legen.
Die Systematik des § 11 BUrlG sieht eine Berechnung des Urlaubsentgelts auf der Grundlage eines vor Urlaubsantritt liegenden Referenzzeitraums vor. Dies ergibt sich zum einen aus der Bestimmung des Referenzzeitraums in § 11 Abs. 1 BUrlG, als auch aus § 11 Abs. 2 BUrlG, wonach das Urlaubsentgelt vor Antritt des Urlaubs fällig ist. Demgemäß hat auch das BAG in vergleichbaren Fällen auf den tatsächlichen Verdienst im Vorjahr abgestellt (BAG, 29.11.1962 – 2 AZR 1767/62, Rn. 15, zum EFZG). Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Konzeption ist auch hier das Abstellen auf die Umsatzprovision des Vorjahres geboten. Soweit der Kläger hiergegen einwendet, dies würde ihn benachteiligen, da die Umsatzprovisionen jährlich gestiegen seien und er so zu stellen sei, als hätte er im jeweiligen Jahr weitere Umsatzprovision erarbeitet, ist dem entgegenzuhalten, dass bei der Berechnung des Urlaubsentgelts nicht das Lohnausfallprinzip sondern das Referenzprinzip vorrangig ist. Darüber hinaus kann die Frage, welcher Referenzzeitraum zugrunde zu legen ist, nicht davon abhängig gemacht werden, was sich im Einzelfall des Klägers für diesen günstig auswirkt. Sie ist abstrakt und auch für Fälle, in denen sich das Einkommen verringert oder von Jahr zu Jahr schwankt, zu beantworten. Nur die Betrachtung des Vorjahres lässt eine Berechnung des Anspruchs im Zeitpunkt seines Entstehens und seiner Fälligkeit zu.
1.2.1.2. Der Geldfaktor des Urlaubsentgelts ist unter Zugrundelegung des Divisors 260 zu berechnen.
Nach § 11 Abs. 1 BUrlG ist das Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen Entgelt im Referenzzeitraum zu errechnen. Der hierbei zugrunde zu legende Teiler ist individuell nach der Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers zu ermitteln. Als berücksichtigungsfähige Tage für den Teiler zählen alle Tage, an denen der Arbeitnehmer regelmäßig in der Woche zur Arbeit verpflichtet wird. Feiertage und bezahlte Krankheitstage fließen ein und sind nicht etwa abzuziehen. Dasselbe gilt für Urlaubstage, die im Referenzzeitraum gewährt und genommen sind. (vgl. ErkKomm/Gallner, 19. Aufl., § 11 BUrlG, Rn. 16; BeckOK/Lampe, § 11 Rn. 13) Ein Abweichen von diesem Grundsatz ist vorliegend nicht veranlasst.
Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass eine genaue Berechnung, wieviel Umsatzprovision der Kläger an einem Arbeitstag verdient, grundsätzlich eher bei Zugrundelegung der tatsächlichen Arbeitstage möglich ist. Dem steht aber entgegen, dass die genaue Anzahl der tatsächlich vom Kläger geleisteten Arbeitstage nicht bekannt ist. Der für die Anspruchsvoraussetzungen darlegungs- und beweisbelastete Kläger macht hierzu auch keine nachvollziehbaren Angaben. Die Beklagte beruft sich darauf, dass der Kläger in erheblichem Umfang auch an Samstagen oder Sonntagen gearbeitet hat. Dies wird vom Kläger zwar mit dem Hinweis darauf, dass Arbeit an Sonntagen ja nicht zulässig sei und deshalb bestimmt auch von der Beklagten nicht geduldet worden wäre, bis auf wenige Ausnahmen in Abrede gestellt. Dies hält die Kammer aber vor dem Hintergrund der vom Kläger verdienten Umsatzprovisionen für eine gänzlich unglaubwürdige Schutzbehauptung. Auch wenn die Tätigkeit des Klägers den Mandanten nicht durchgängig mit einem Stundensatz von 250 € netto, sondern später auch mit einem Stundensatz von 345 € netto in Rechnung gestellt worden sein mag, können die Umsatzprovisionen des Klägers nicht ohne Arbeit auch am Wochenende erwirtschaftet worden sein. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger selbst für sich in Anspruch nimmt, dass er auch in erheblichem Umfang Tätigkeiten erbracht hat, die nicht einzelnen Mandaten zugeordnet werden konnten und dass in die Umsatzprovision auch nur die auf Mandate verwendeten Stunden eingeflossen sind, die den Mandanten tatsächlich in Rechnung gestellt wurden und von diesen auch bezahlt wurden.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist es für die Berechnung des Geldfaktors auch nicht unerheblich, ob die Umsatzprovision am Wochenende erwirtschaftet wurde oder nicht. Zwar trifft es zu, dass sich an der Höhe der Umsatzprovision nichts ändert, wenn der Kläger die abrechenbaren Stunden auf einen anderen Tag geschrieben hat. Aber bei der vom Kläger geforderten Errechnung des Geldfaktors für das Urlaubsentgelt unter Zugrundelegung der im Referenzzeitraum konkret angefallenen Arbeitstage würde es sehr wohl einen Unterschied machen, wenn ein bestimmter Umsatz eben nicht an fünf Tagen – Montag bis Freitag – je Woche sondern an sechs Tagen – z.B. Montag bis Samstag – erarbeitet wurde, da dies gerade den Divisor beeinflussen würde.
Nachdem es vorliegend aber, auch vor dem Hintergrund der von den Beklagen, die sich auf die Samstags- und Sonntagsarbeit berufen, offensichtlich geduldeten Praxis am Wochenende geleistete Stunden auf andere Tage zu schreiben, nicht mehr aufklärbar sein dürfte, an welchen und wie vielen Tagen der Kläger konkret am Wochenende gearbeitet hat, ist es vorliegend geboten, an der gesetzlich vorgesehenen pauschalen Berechnung unter Zugrundelegung der im Referenzzeitraum geschuldeten 260 Arbeitstage festzuhalten.
1.2.1.3. Hieraus ergibt sich für einen Urlaubstag unter Berücksichtigung des Anfalls von Umsatzprovision erst nach Überschreiten der Umsatzschwelle in 2014 folgende Beispielsberechnung:
Der Kläger hat in 2013, d.h. im Vorjahr, einen Umsatz in Höhe von 639.403,70 € erarbeitet, d.h. an einem Arbeitstag durchschnittlich 2.459,25 € (= 639.403,70 € : 260). Für jeden Urlaubstag ist der Berechnung der Umsatzprovision deshalb ein Umsatz in Höhe von 2.459,25 € zugrunde zu legen. Da es sich dabei jeweils um Umsatz oberhalb der Umsatzschwelle handelt, diese ist bereits deutlich überschritten, führt dies je Urlaubstag zu einer Umsatzprovision in Höhe von 737,77 € (= 2.459,25 € x 30%).
Dass bei der Berechnung des sich aus der Umsatzprovision ergebenden Anteils am Urlaubsentgelt, die Umsatzschwelle nicht nochmals zu berücksichtigen ist, ergibt sich auch aus folgender Vergleichsberechnung:
Aus dem von der Beklagten anerkannten Umsatz ergibt sich für das Referenzjahr 2013 eine jährliche Umsatzprovision in Höhe von 89.821,11 € (= [639.403,70 € – 340.000 €] x 30%).
Bei Berücksichtigung des einem durchschnittlichen Tag geschuldeter Arbeitsleistung entsprechenden weiteren Umsatzes ergibt sich ein Jahresumsatz von 641.862,95 € (= 639.403,70 € + 2.459,25 €). Zieht man hiervor die Umsatzschwelle von 340.000 € ab, ergibt sich ein Betrag von 301.862,95 €, aus dem sich die jährliche Umsatzprovision in Höhe von 90.558,88 € (= 301.862,95 € x 30%) errechnet.
Die Umsatzprovision erhöht sich somit auch nach der Vergleichsberechnung je weiterem zu berücksichtigenden Urlaubstag im Jahr 2014 um 737,77 € (= 90.558,88 € – 89.821,11 €).
1.2.2. Der Kläger hat auch für die Tage, die er infolge eines Feiertages (§ 2 EFZG) oder infolge Arbeitsunfähigkeit (§ 3 EFZG) nicht gearbeitet hat, einen Anspruch auf Nachzahlung der auf diese Tage entfallenden Umsatzprovision. Die Berechnung hat hier wegen der Besonderheiten der Vereinbarung über die Umsatzprovision nach denselben Grundsätzen zu erfolgen, wie oben für die Nachzahlung des Urlaubsentgelts dargestellt.
1.2.2.1. Bei den Ansprüchen nach § 2 EFZG und § 3 EFZG ist ebenfalls anerkannt, dass das fortzuzahlende Entgelt auch erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile umfasst, wie z.B. Provisionen, Prämien oder sonstige Vergütungen, die als Leistungsbestandteil zum Austauschverhältnis gehören. Weiter ist anerkannt, dass trotz des grundsätzlich anzuwendenden Lohnausfallprinzips, bei stark schwankenden Bezügen ausnahmsweise eine Berechnung des in der ausfallenden Arbeitszeit zu erwartenden leistungsbezogenen Entgelts unter Zugrundelegung des Einkommens im Vorjahr zu erfolgen hat. (vgl. (BAG, 05.06.1985 – 5 AZR 459/83, Rn. 20; BAG Urt. v. 29.11.1962 – 2 AZR 176/62, Rn. 15; MüKomm/MüllerGlöge, 7. Aufl., § 2 EFZG, Rn. 31; ErfKomm/Reinhard, 19. Aufl., § 4 EFZG, Rn. 14; Schaub/Linck, 17. Aufl., § 98 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Rn. 82) Dass die besondere Ausgestaltung der Vereinbarung über die Umsatzprovision hier einen derartigen Rückgriff auf das Ergebnis des Vorjahres erfordert, wurde bereits ausgeführt. Insoweit wird vollumfänglich auf die obigen Ausführungen verwiesen.
1.2.2.2. Soweit die Beklagten sich darauf berufen, die Entgeltfortzahlung könne eine Umsatzprovision nicht umfassen, da nicht davon ausgegangen werden könne, der Kläger hätte im Falle der Arbeit an den freien Tagen einen weiteren entsprechenden Umsatz erzielt, ist dem entgegenzuhalten, dass diese Prognose jeder Grundlage entbehrt. Der Kläger hat weit mehr Umsatz generiert, als die Beklagten nach eigenem Bekunden erwartet haben. Es war offensichtlich genug „Geschäft“ vorhanden, das es dem Kläger ermöglichte, auch an den Tagen, an denen er arbeitete und seinen gesetzlichen und vertraglichen Urlaub nicht nahm, Umsatz zu generieren. Ansatzpunkte dafür, dass es dem Kläger nicht auch möglich gewesen wäre, bei Arbeit an Feier- oder Krankheitstagen weiteren Umsatz zu generieren, sind vor diesem Hintergrund weder ersichtlich noch werden sie konkret von den Beklagten benannt.
1.2.2.3. Hinsichtlich der Berechnung des auf einen freien Tag entfallenden Umsatzprovisionsanteils kann ebenfalls auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Vor dem Hintergrund, dass ausnahmsweise auf denselben Referenzzeitraum abzustellen ist, ergeben sich hier keine Abweichungen.
1.3. Auf der Grundlage des oben ausgeführten ergeben sich für die von den Beklagten geschuldete Nachzahlung von Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung für Feier – und Krankheitstage folgende Bruttobeträge:
Jahr
Tage für die
Umsatz
1/260 aus
Nachzahlung
Nachzahlung
Nachzah“
lung
je Jahr
Vorjahres“
je Tag (= 30%
für alle Tage
geschuldet
Umsatz
aus 1/260)
des Jahres
2012
496.166,27 €
2013
2
639.403,70 €
1.908,33 €
572,50 €
1.145,00 €
2014
16
681.103,33 €
2.459,25 €
737,77 €
11.804,38 €
2015
12
694.103,33 €
2.619,63 €
785,89 €
9.430,66 €
2016
12
982.926,88 €
2.669,63 €
800,89 €
9.610,66 €
2017
17
930.662,82 €
3.780,49 €
1.134,15 €
19.280,49 €
2018
49
697.997,12 €
3.579,47 €
1.073,84 €
52.618,24 €
Der Kläger hat demzufolge Anspruch auf Nachzahlung von Urlaubs-, Feiertags- und Entgeltfortzahlungsvergütung in Höhe von 1.145,00 € brutto für zwei Tage aus 2013, in Höhe von 11.804,38 € brutto für 16 Tage aus 2014, in Höhe von 9.430,66 € brutto für 12 Tage aus 2015, in Höhe von 9.610,66 € brutto für zwölf Tage in 2016, in Höhe von 19.280,49 € brutto für 17 Tage in 2017 und für 49 Tage im Jahr 2018 in Höhe von 52.618,24 € brutto.
Soweit der Kläger mit seiner Berufung weitergehende Ansprüche geltend macht, war diese zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Anspruch auf Urlaubsabgeltung für 152 nicht genommene Urlaubstage aus den Jahren 2011 – 2018 in Höhe von 180.762,96 € brutto.
2.1. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein offener Urlaubsanspruch besteht, der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien bestand ein offener Urlaubsanspruch des Klägers im Umfang von 152 Tagen.
2.1.1. Der Kläger hat unstreitig in 2011 neun Urlaubstage, in 2012 zwölf Urlaubstage, in 2013 siebzehn Urlaubstage, in 2014 vierundzwanzig Urlaubstage sowie in 2015 und 2016 jeweils fünfundzwanzig Urlaubstage nicht genommen.
2.1.2. Im Jahr 2017 hat der Kläger 24 Urlaubstage nicht genommen. Es ist zwischen den Parteien streitig, ob der Urlaubsanspruch des Klägers von der Beklagten zu 2) erfüllt wurde für 21 Urlaubstage, die der Kläger für den Zeitraum 29.11.2017 – 29.12.2017 Urlaub zunächst beantragt hat und von der Beklagten, wenn auch nicht unter den vom Kläger genannten Bedingungen, genehmigt erhielt, und an denen der Kläger sodann aber gleichwohl seine Arbeitsleistung erbracht hat.
Die Erfüllung des Urlaubsanspruchs (§ 362 Abs. 1 BGB) setzt voraus, dass der Arbeitnehmer von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt wird. Hier hat die Beklagte zu 2) gegenüber dem Kläger zwar eine Freigestellungserklärung abgegeben, zwischen den Parteien ist aber streitig, ob diese geeignet war, den Urlaubsanspruch des Klägers zu erfüllen. Dies kann jedoch dahinstehen, da die Parteien diese Freistellung jedenfalls konkludent für gegenstandslos erklärt haben, der Kläger indem er seine Arbeitsleistung in der Zeit vom 29.11.2017 – 29.12.2017 wie gewohnt erbrachte und die Beklagte zu 2) indem sie diese Arbeitsleistung vorbehaltslos annahm. Eine den Urlaubsanspruch erfüllende Freistellung des Klägers ist nicht erfolgt.
Die Beklagten können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, das Verhalten des Klägers sei treuwidrig gewesen. Die Beklagte zu 2) wusste, dass der Kläger den Urlaub nicht antrat und weiterhin für sie arbeitete und hat diese Arbeitsleistung angenommen. Der Kläger hat keinerlei Umstände gesetzt, denen die Beklagte zu 2) hätte entnehmen können, der Kläger sei der Ansicht, durch diese Zeit der Erbringung der Arbeitsleistung werde der Urlaubsanspruch erfüllt.
2.1.3. Im Jahr 2018 hat der Kläger 16 Urlaubstage nicht genommen. Für das Jahr 2018 ist zwischen den Parteien streitig, ob dem Kläger in der Zeit der Freistellung vom 20.08.2018 bis 05.09.2018 wirksam Urlaub erteilt wurde. Dies ist vorliegend zu bejahen. Insofern wird auf die obigen Ausführungen unter Ziffern 1.1.4.1. und 1.1.4.2. verwiesen. Von dem vom Kläger geltend gemachten Jahresurlaub (einschließlich der „Pflichttage“) sind deshalb 12 Urlaubstage abzuziehen, so dass 16 abzugeltende Urlaubstage verbleiben.
2.2. Die Urlaubsansprüche aus den Jahren 2011 bis 2017 sind nicht jeweils zum 31.12. des Urlaubsjahres oder zum 31.03. des Folgejahres nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen, da die Beklagten ihren bei europarechtskonformer Auslegung des § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG erforderlichen Mitwirkungsobliegenheiten nicht genügt haben.
2.2.1. Für den gesetzlichen Mindesturlaub iSd. §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG schreibt § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG vor, dass der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. Diese Bindung an das laufende Urlaubsjahr ist vorliegend aber nicht eingetreten, da die Beklagten ihren bei richtlinienkonformer Auslegung des § 7 Abs. 1 BUrlG erforderlichen Mitwirkungsobliegenheiten nicht genügt haben.
2.2.1.1. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verfiel nicht genommener Urlaub unabhängig davon, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hatte, den Urlaub zu nehmen nach § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG mit Ablauf des Urlaubsjahres, sofern kein Übertragungsgrund iSv. § 7 Abs. 3 S. 2 und S. 4 BUrlG gegeben war. Kam der Arbeitgeber aber mit der Urlaubsgewährung in Verzug, trat an die Stelle des im Verzugszeitraum verfallenen Urlaubs ein Schadensersatzanspruch, der die Gewährung von Ersatzurlaub zum Inhalt hatte.
2.2.1.2. Anknüpfend insbesondere an die Entscheidungen des EuGH vom 06.11.2018 – C 684/16 (Q.) und auch vom 29. November 2017 – C-214/16 – (V.) legt das BAG § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG nun richtlinienkonform aus (vgl. im Einzelnen BAG, Urteil vom 19.02.2019 – 9 AZR 423/16, Rn. 13 ff; Urteil vom 19.02.2019 – 9 AZR 541/15, Rn. 12 ff.). Danach hat die Beurteilung der Frage, ob ein Urlaubsanspruch nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen ist, nach folgenden Grundsätzen zu erfolgen:
Der Arbeitgeber muss konkret und in völliger Transparenz dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Er muss ihn – erforderlichenfalls förmlich – dazu auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub verfällt, wenn er ihn nicht nimmt.
Der Inhalt der in richtlinienkonformer Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG bestehenden Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers ergibt sich aus ihrem Zweck zu verhindern, dass der Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch nicht wahrnimmt, weil der Arbeitgeber ihn hierzu nicht in die Lage versetzt hat. Infolge des Fehlens konkreter gesetzlicher Vorgaben ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Auswahl der Mittel frei, derer er sich zur Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten bedient. Die Mittel müssen jedoch zweckentsprechend sein. Sie müssen geeignet sein, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, in Kenntnis aller relevanten Umstände frei darüber zu entscheiden, ob er seinen Urlaub in Anspruch nimmt. Deshalb darf der Arbeitgeber, will er seinen Mitwirkungsobliegenheiten genügen, den Arbeitnehmer auch nicht in sonstiger Weise daran hindern, den Urlaub in Anspruch zu nehmen. Er darf zudem weder Anreize schaffen noch den Arbeitnehmer dazu anhalten, seinen Urlaub nicht zu nehmen und dadurch – faktisch – auf ihn zu verzichten. Es ist der Eintritt einer Situation zu vermeiden, in der ein Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers davon abgehalten werden kann, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber geltend zu machen. Ob der Arbeitgeber das Erforderliche getan hat, um seinen Mitwirkungsobliegenheiten zu genügen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Die Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten hat der Arbeitgeber darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, weil er hieraus eine für sich günstige Rechtsfolge ableitet.
Der Arbeitgeber muss sich bei Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten auf einen „konkret“ bezeichneten Urlaubsanspruch eines bestimmten Jahres beziehen und den Anforderungen an eine „völlige Transparenz“ genügen. Er kann seine Mitwirkungsobliegenheiten regelmäßig zum Beispiel dadurch erfüllen, dass er dem Arbeitnehmer zu Beginn des Kalenderjahres in Textform mitteilt, wie viele Arbeitstage Urlaub ihm im Kalenderjahr zustehen, ihn auffordert, seinen Jahresurlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres genommen werden kann, und ihn über die Konsequenzen belehrt, die eintreten, wenn dieser den Urlaub nicht entsprechend der Aufforderung beantragt. Die Anforderungen an eine „klare“ Unterrichtung sind regelmäßig durch den Hinweis erfüllt, dass der Urlaub grundsätzlich am Ende des Kalenderjahres verfällt, wenn der Arbeitnehmer in der Lage war, seinen Urlaub im Kalenderjahr zu nehmen, er ihn aber nicht beantragt. Nimmt der Arbeitnehmer in diesem Fall seinen bezahlten Jahresurlaub nicht in Anspruch, obwohl er hierzu in der Lage war, geschieht dies aus freien Stücken und in voller Kenntnis der sich daraus ergebenden Konsequenzen.
Abstrakte Angaben etwa im Arbeitsvertrag, in einem Merkblatt oder in einer Kollektivvereinbarung werden den Anforderungen einer konkreten und transparenten Unterrichtung hingegen in der Regel nicht genügen. Andererseits verlangt der Zweck der vom Arbeitgeber zu beachtenden Mitwirkungsobliegenheiten grundsätzlich nicht die ständige Aktualisierung dieser Mitteilungen, etwa anlässlich jeder Änderung des Umfangs des Urlaubsanspruchs. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. Setzt sich der Arbeitgeber in Widerspruch zu seinen Erklärungen, indem er etwa einen Urlaubsantrag aus anderen als den in § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG genannten Gründen ablehnt oder anderweitig eine Situation erzeugt, die geeignet ist, den Arbeitnehmer davon abzuhalten, seinen Urlaub zu beantragen, entfällt die Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG. Dem Arbeitgeber obliegt es in diesem Fall, seine Mitwirkungshandlungen erneut vorzunehmen.
Hat der Arbeitgeber durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten den Urlaubsanspruch an das Urlaubsjahr gebunden und verlangt der Arbeitnehmer dennoch nicht, ihm Urlaub zu gewähren, verfällt sein Anspruch nach Maßgabe von § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG mit Ablauf des Urlaubsjahres. Liegen die Voraussetzungen einer Übertragung des Urlaubs nach § 7 Abs. 3 Satz 2 oder Satz 4 BUrlG vor, wird der Urlaub „von selbst“ auf die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen. Der Urlaubsanspruch kann in diesem Fall grundsätzlich nur dann mit Ablauf des Übertragungszeitraums untergehen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auffordert, seinen Urlaub noch innerhalb des Übertragungszeitraums zu nehmen, und ihn darauf hinweist, dass der Urlaubsanspruch anderenfalls erlischt.
Hat der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, tritt der am 31. Dezember des Urlaubsjahres nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der am 1. Januar des Folgejahres entsteht. Dieser Teil des Urlaubsanspruchs ist gegenüber dem Teil, den der Arbeitnehmer zu Beginn des aktuellen Urlaubsjahres erworben hat, nicht privilegiert. Für ihn gelten, wie für den neu entstandenen Urlaubsanspruch, die Regelungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BUrlG. Der Arbeitgeber kann deshalb das uneingeschränkte Kumulieren von Urlaubsansprüchen aus mehreren Jahren dadurch vermeiden, dass er seine Mitwirkungsobliegenheiten für den Urlaub aus zurückliegenden Urlaubsjahren im aktuellen Urlaubsjahr nachholt. Nimmt der Arbeitnehmer in einem solchen Fall den kumulierten Urlaubsanspruch im laufenden Urlaubsjahr nicht wahr, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, verfällt der Urlaub am Ende des Kalenderjahres bzw. eines (zulässigen) Übertragungszeitraums (vgl. BAG, aaO., 9 AZR 541/15, Rn. 46 ff., mwN.).
2.2.1.3. Das BAG kommt hierbei zum Ergebnis, dass die richtlinienkonforme Auslegung von § 7 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 S. 1 BUrlG auch im Einklang mit § 7 Abs. 3 S. 2 und S. 4 BUrlG steht. Nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG ist eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Die Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr setzt voraus, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub andernfalls nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG erloschen wäre. Ohne eine zulässige Befristung des Urlaubsanspruchs wäre die gesetzliche Anordnung einer Übertragung des Urlaubsanspruchs in das Folgejahr bei Vorliegen besonderer Übertragungsgründe entbehrlich. Bei einer richtlinienkonformen Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 BUrlG ist der Anwendungsbereich von § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG deshalb grundsätzlich auf die Fälle beschränkt, in denen der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten iSv. § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nachgekommen ist und infolgedessen der Urlaubsanspruch iSv. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG befristet war. Hat der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt, ist der Urlaubsanspruch für das jeweilige Urlaubsjahr unabhängig vom Vorliegen eines Übertragungsgrundes regelmäßig nicht iSv. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG an das Urlaubsjahr gebunden. Einer Übertragung auf das nächste Kalenderjahr bedarf es nicht.
Entsprechendes gilt für die Übertragungsregelung des § 7 Abs. 3 Satz 4 BUrlG, der zufolge ein nach § 5 Abs. 1 Buchst. a BUrlG entstehender Teilurlaub auf Verlangen des Arbeitnehmers auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen ist. Diese Bestimmung setzt ebenfalls eine (wirksame) Befristung des (Teil-)Urlaubsanspruchs voraus. Auch sie verlangt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer grundsätzlich durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten in die Lage versetzt hat, seinen (Teil-)Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen, damit der Arbeitnehmer durch ein entsprechendes Verlangen den andernfalls verfallenden Teilurlaub auf das nächste Kalenderjahr übertragen kann (vgl. BAG, aaO., Rn. 26 ff.).
2.2.1.4. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze sind die Urlaubsansprüche des Klägers aus den Jahren 2011 bis 2017 nicht infolge ihrer Befristung nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen.
Es kann dahin stehen, ob und mit welcher Intensität und in welchem Umfang die Beklagten den Kläger in der Vergangenheit aufgefordert haben, Urlaub zu nehmen. Auch bei Unterstellung des vom Kläger bestrittenen Vortrags der Beklagten hierzu als wahr, haben die Beklagten ihren Mitwirkungsobliegenheiten nicht genügt. Selbst wenn die Beklagten den Kläger dazu aufgefordert haben sollten, Urlaub zu nehmen, haben sie ihn jedenfalls nicht über die Konsequenzen – den Verfall der Urlaubsansprüche – belehrt, die eintreten, wenn er seinen Urlaub nicht beantragt. Die Beklagten haben den Kläger auch nach ihrem eigenen Vortrag zu keiner Zeit auf den drohenden Verfall der Urlaubsansprüche, auf den sie sich jetzt berufen, hingewiesen. Soweit die Beklagten sich in dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz erstmals darauf berufen, dem Kläger hätte aus den ab dem Jahr 2017 stattfindenden Gesprächen und der E-Mail Korrespondenz klar sein müssen, dass der Urlaub verfalle, ist der Vortrag sowohl verspätet als auch gänzlich unsubstantiiert. Ein konkreter Hinweis auf den Verfall der Urlaubsansprüche noch in 2017 noch zu einem Zeitpunkt, zu dem der Urlaub angetreten werden konnte, ist dem Vortrag nicht zu entnehmen. Es fehlt deshalb an der Herstellung der von EuGH und BAG geforderten „völligen Transparenz“ hinsichtlich der Folgen des unterbliebenen Urlaubsantrags.
Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, dass dies im vorliegenden Einzelfall nicht erforderlich gewesen sei, weil der Kläger als Rechtsanwalt entsprechende Rechtskenntnisse hinsichtlich des Verfalls von Urlaubsansprüchen nach § 7 Abs. 3 BUrlG hatte. Zum einen gehört zu diesen Rechtskenntnissen dann auch das Wissen, dass von den Regelungen des § 7 Abs. 3 BUrlG zwar nicht zu Lasten, aber sehr wohl zu Gunsten eines Arbeitnehmers abgewichen werden kann, insbesondere dadurch, dass Übertragungszeiträume verlängert werden können. Zum anderen hatte der Kläger auch Grund anzunehmen, dass die Beklagten von dieser Möglichkeit Gebrauch machen und nicht genommenen Urlaub nicht verfallen lassen. Entsprechende Hinweise ergaben sich für den Kläger jedenfalls aus der Fortschreibung der Urlaubstage im Programm für die Arbeitszeiterfassung. Der Kläger hatte die Beklagte bereits im Jahr 2014 auf den hohen Stand des Urlaubskontos im Zeiterfassungssystem hingewiesen. Dass dieser Hinweis „augenzwinkernd“ erfolgte, bedeutet nicht, dass der Kläger von einem Verfall der fortgeschriebenen Ansprüche ausgehen musste. In 2017 wies das Zeiterfassungsprogramm für den Kläger einen Stand von 99 Urlaubstagen aus. Ein derartiger Stand des Urlaubskontos ist nur möglich, wenn die Beklagten sich über mehrere Jahre nicht auf die Befristung der Urlaubsansprüche berufen haben. Ein weiterer Hinweis für eine derartige Handhabung lag in der Bildung von Rückstellungen für die Urlaubsansprüche. Es kann dahinstehen, ob diese Umstände ausreichend wären, um daraus ein entsprechendes Anerkenntnis der Urlaubsansprüche abzuleiten. Sie sind aber jedenfalls ein klarer Hinweis dafür, dass es für den Kläger trotz seiner Rechtskenntnisse keinesfalls völlig transparent war, dass im Urlaubsjahr nicht genommener Urlaub verfallen soll. Die Umstände deuteten auf eine großzügige Übertragung von Urlaubsansprüchen hin. Der Kläger hatte deshalb, als er sich entschied, keinen Urlaub zu beantragen, gerade keine Kenntnis aller relevanten Umstände, sondern von der Beklagten Signale erhalten, die im Widerspruch zu einem Verfall der Urlaubsansprüche nach § 7 Abs. 3 BUrlG im konkreten Einzelfall stehen.
Die Beklagte zu 2) kann sich auch nicht auf einen Verfall von 21 Tagen Urlaub aus dem Jahr 2017 berufen, für die sie die Freistellung genehmigte, an denen der Kläger dann aber gearbeitet hat. Aus der Tatsache, dass der Kläger hier zwar eine Freistellung genehmigt erhielt, von der dann einvernehmlich Abstand genommen wurde, mag abzuleiten sein, dass der Kläger Urlaub hätte nehmen können. Daraus ergibt sich aber nicht, dass der Kläger wusste, als er sich für die Weiterarbeit entschied, dass der Urlaubsanspruch andernfalls verfällt und nicht, wie jedenfalls für ihn bisher üblich, dem Urlaubskonto hinzugefügt wird.
2.2.2. Für die vertraglichen, den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigenden Urlaubsansprüche des Klägers geltend diese Ausführungen in gleicher Weise. Auch für diesen Teil der Urlaubsansprüche ist eine Bindung an das Urlaubsjahr nicht erfolgt, da die Beklagten ihren Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen sind.
Die unionsrechtlichen Vorgaben betreffen ausschließlich den gesetzlichen Urlaubsanspruch von vier Wochen (BAG, Urt. v. 19.2.2019 – 9 AZR 541/15, Rn. 35). Die Parteien haben aber weder im Arbeitsvertrag noch sonst an irgendeiner Stelle zum Ausdruck gebracht, dass sie beim Urlaubsanspruch zwischen gesetzlichem Mindestanspruch und dem weitergehenden vertraglichen Anspruch des Klägers differenzieren wollen. Der vertragliche Urlaubsanspruch folgt deshalb denselben Regeln, wie der gesetzliche Anspruch. (BAG, 19.02.2019 – 9 AZR 541/15, Rn. 36, zum tariflichen Mehrurlaub; vgl. Bayreuther, Urlaubsrecht – finalisiert, NZA 2019, 945, 948)
2.3. Die Beklagten können sich hinsichtlich der 38 nicht genommenen Urlaubstage aus den Jahren 2011 – 2013 nicht auf die Einrede der Verjährung berufen.
Da die Beklagten in der Vergangenheit ihren Mitwirkungsobliegenheiten nach § 7 Abs. 1 BUrlG nicht genügt haben, ist auch eine Verjährung nicht eingetreten.
2.3.1. Die Frage, ob die bei richtlinienkonformer Auslegung des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG aus mehreren Jahren kumulierbaren Urlaubsansprüche der Verjährung unterliegen, hat das BAG zuletzt offen gelassen (vgl. BAG, 19.02.2019 – 9 AZR 312/16, Rn. 28; BAG, Urteil vom 19. März 2019 – 9 AZR 881/16, Rn. 28). In der Vergangenheit hat das BAG die Verjährung vom Urlaubsansprüchen, anders als die Verjährung von Urlaubsersatzansprüchen (BAG, 11.04.2006 – 9 AZR 523/05, Rn. 37), mit Hinweis auf die Befristung des Urlaubsanspruchs verneint (BAG, 05.12.1995 – 9 AZR 666/94, Rn. 419). Dies wurde auch in der Literatur ohne weitere Begründung sondern eher unter Hinweis auf einen fehlenden tatsächlichen Anwendungsbereich der Verjährungsregeln überwiegend so gesehen (Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, 2. Aufl., 2001, § 7, Rn. 229; GK-BUrlG/Bleistein, 5. Aufl., 1992, § 1, Rn. 145; Schütz/Hauck, Gesetzliches und tarifliches Urlaubsrecht, Rn. 151).
Auch in der neueren Literatur wird die Verjährung des Urlaubsanspruchs vor dem Hintergrund des eigenen Fristenregimes des Urlaubsrechts z.T. abgelehnt, (BeckOK, ArbR/Lampe, BUrlG, § 7 Rn. 19). Z.T. wird, wie auch in der Instanzrechtsprechung (vgl. LAG Düsseldorf, 18.08.2010 – 12 Sa 650/10, Rn. 27 ff., mit ausführlicher Begründung) die Anwendbarkeit der Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB (Neumann in Neumann/Fenski/Kühn, BUrlG, 11. Aufl., § 13, Rn. 78) vertreten. Auch die Anwendbarkeit der zehnjährigen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 1 BGB wird vertreten, unter Herleitung mit Hinweis auf die fehlende Kenntnis Scheinselbständiger bzgl. ihrer Urlaubsansprüche (Tiedemanns, Anm. zu EuGH, 29.11.2017 – C-214/16 (V.), EuWZ 2018, 43, 44).
Es bestehen Bedenken, ob an der vor allem vom fehlenden praktischen Anwendungsbereich getragenen Feststellung, Urlaubsansprüche unterlägen wegen ihrer Befristung nicht der Verjährung, noch festgehalten werden kann, wenn die fehlende Mitwirkung des Arbeitgebers an der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs über mehrere Jahre hinweg jeweils zu einem Hinausschieben der Befristung führen kann und u.U., wie auch im vorliegenden Fall, ein Verfall der Urlaubsansprüche auch nach deutlich mehr als drei Jahren nicht eintritt. Den §§ 194 ff. BGB lässt sich eine diesbezügliche Einschränkung nicht entnehmen.
2.3.2. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen, da bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG die Verjährungsfrist erst beginnt, wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheiten erfüllt hat.
Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist, wenn der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit haben müsste. Hierbei besteht jedoch Einigkeit, dass für die Zwecke des Verjährungsbeginns ein Anspruch regelmäßig erst im Zeitpunkt seiner Fälligkeit als entstanden anzusehen ist (MüKomm/BGBGrothe, 8. Aufl., § 199, Rn. 4), da erst die Fälligkeit dem Gläubiger die Möglichkeit verschafft, Leistungsklage zu erheben (vgl. BGH, Urteil vom 08.04.2015 – IV ZR 103/15, Rn. 21).
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Arbeitgeber in Anbetracht des zwingenden Charakters des Rechts auf bezahlten Jahresurlaub und angesichts des Erfordernisses, die praktische Wirksamkeit von Art. 7 der Richtlinie 2003/88 zu gewährleisten, u. a. verpflichtet, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun, und ihm, damit sichergestellt ist, dass der Urlaub ihm noch die Erholung und Entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen wird. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer in die Lage versetzen seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Infolge der schwächeren Position des Arbeitnehmers ist zu verhindern, dass der Arbeitgeber ihm eine Beschränkung seiner Rechte auferlegen kann. Aufgrund dieser schwächeren Position kann der Arbeitnehmer davon abgeschreckt werden, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen, da insbesondere die Einforderung dieser Rechte ihn Maßnahmen des Arbeitgebers aussetzen könnte, die sich zu seinem Nachteil auf das Arbeitsverhältnis auswirken können (vgl. ausführlich EuGH, 06.11.2018 – C-684/16, [Q.], Rn. 38 ff.).
Der EuGH setzt sich weder in dieser Entscheidung noch in der ebenfalls auf die Verwirklichung des unionsrechtlichen Urlaubsanspruchs gerichteten Entscheidung vom 29.11.2017 – C-214/16 (V.) mit der Frage der möglichen Verjährung von Urlaubsansprüchen auseinander. Der EuGH betont aber jeweils, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der EuGRCh einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegenstehen, nach denen ein Arbeitnehmer seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub automatisch und ohne Prüfung, ob er vom Arbeitgeber, z.B. durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen in Anspruch zu nehmen, verliert. Er betont weiter, dass die nationalen Gerichte bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der fraglichen Richtlinie auszulegen haben, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen und damit Art. 288 AEUV nachzukommen. Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung verlangt, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der fraglichen Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel in Einklang steht. Soweit dies nicht gelingt, ist im Anwendungsbereich von Art. 31 Abs. 2 EuGRCh eine entgegenstehende Reglung durch das nationale Gericht unangewendet zu lassen (EuGH – C 648/16, [Q.], Rn. 58 f, 75).
Bestünde die Möglichkeit der Verjährung des Urlaubsanspruchs, den der Arbeitgeber nicht durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten an das Urlaubsjahr gebunden hat, und der infolgedessen in den Folgejahren jeweils neben den Urlaubsanspruch des aktuellen Jahres tritt (vgl. BAG, aaO., 9 AZR 541/15, Rn. 46), würde infolge einer nationalen Regelung, § 195 BGB, das Recht des Arbeitnehmers seinen unionsrechtlichen Anspruch auf bezahlten Urlaub zu verwirklichen, nicht mehr durchsetzbar sein, ohne dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor iSd. Rechtsprechung des EuGH und des BAG in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich zu realisieren.
Vor diesem Hintergrund sind §§ 1 und 7 Abs. 1 BUrlG dahin auszulegen, dass ein iSd. § 199 Abs. 1 BGB durchsetzbarer und fälliger Urlaubsanspruch erst entsteht, wenn der Arbeitgeber seinen, sich in richtlinienkonformer Auslegung des § 7 Abs. 1 BUrlG ergebenden Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist. Erst wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber durch die Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten tatsächlich in die Lage versetzt wurde, den Urlaubsanspruch unmittelbar gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen, ist der Arbeitnehmer auch in der Lage den Urlaubsanspruch zur Hemmung der Verjährung klageweise geltend zu machen.
Es wäre widersprüchlich anzuerkennen, dass bei europarechtskonformer Auslegung des § 7 Abs. 1 BUrlG ein Arbeitnehmer erst durch Erfüllung der erforderlichen Mitwirkungshandlungen in die Lage versetzt wird, in Kenntnis aller Umstände über die Geltendmachung des Urlaubsanspruchs gegenüber dem Arbeitgeber zu entscheiden, aber gleichwohl die Möglichkeit der verjährungshemmenden klageweise Geltendmachung durch den Arbeitnehmer vor Erfüllung der erforderlichen Mitwirkungshandlungen durch den Arbeitgeber zu bejahen.
Der Forderung des EuGH, dass ein Arbeitnehmer wegen seiner schwächeren Position nicht abgeschreckt werden darf, seine Rechte geltend zu machen und der Arbeitgeber deshalb in voller Transparenz dafür zu sorgen hat, dass ein Arbeitnehmer seinen Urlaub tatsächlich nehmen kann (vgl. EuGH, 6.11.2018 – C-684/16, Rn. 38), würde es nicht gerecht, wenn ein Arbeitnehmer zur Hemmung der Verjährung den Urlaubsanspruch klageweise geltend machen müsste, solange der Arbeitgeber nicht durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten dem Arbeitnehmer die Urlaubsnahme ermöglicht hat.
Der bei richtlinienkonformer Auslegung des § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG nach unterbliebener Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers zum Urlaubsanspruch des aktuellen Urlaubsjahres hinzutretende Urlaubsanspruch ist gegenüber dem Teil, den der Arbeitnehmer zu Beginn des aktuellen Urlaubsjahres erworben hat, nicht privilegiert. Für ihn gelten, wie für den neu entstandenen Urlaubsanspruch die Regelungen des § 7 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 BUrlG. (BAG, 19.02.2019 – 9 AZR 423/16 – Rn. 44) Bei konsequenter Umsetzung der richtlinienkonformen Auslegung darf dieser dem im aktuellen Urlaubsjahr entstandenen Urlaubsanspruch hinzugetretene Teil des Urlaubsanspruchs aber auch nicht in seiner Durchsetzung eingeschränkter sein als der Urlaubsanspruch aus dem aktuellen Jahr. Der hinzugetretene Anteil des Urlaubsanspruchs teilt vielmehr in jeder Hinsicht das rechtliche Schicksal des im aktuellen Urlaubsjahr erstmals entstanden Urlaubsanspruchs, auch hinsichtlich der Frage des Entstehens iSd. § 199 Abs. 1 BGB. Solange der Arbeitgeber seine Mitwirkungshandlung nicht erbringt, wird der nach richtlinienkonformer Auslegung des § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG entfristete Urlaubsanspruch deshalb dem neu entstehenden Urlaub zugeschlagen und teilt dessen Schicksal. Dies gewährleistet, wie vom EuGH nach Art. 7 der Arbeitsrichtlinie (2003/88) und Art. 31 Abs. 2 EuGRCh gefordert, dass ein Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Urlaub nicht automatisch und ohne vorherige Prüfung, ob er vom Arbeitgeber in die Lage versetzt wurde, seinen Anspruch wahrzunehmen, verliert.
Dem steht nicht entgegen, dass § 195 BGB im Urlaubsrecht auch weiterhin kaum praktische Bedeutung erlangen dürfte. Dies liegt weiterhin daran, dass – vorausgesetzt der Arbeitgeber erfüllt seine Mitwirkungsobliegenheiten – das Fristenregime des § 7 BUrlG ohnehin rigider ist als § 195 BGB. Bei wirksamer Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers ist der Urlaubsanspruch weiterhin an das Urlaubsjahr gebunden. (BAG, 19.02.2019 – 9 AZR 541/15 – Rn. 45) und die Frage der Verjährung stellt sich nicht, da der Anspruch ohnehin verfällt, wenn der Urlaub nicht genommen wird.
2.4. Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, dass dem Urlaubsabgeltungsanspruch für die Vergangenheit ihr Recht auf Vertrauensschutz entgegenstünde.
Der aus Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitete Grundsatz des Vertrauensschutzes kann es gebieten, einem durch gefestigte Rechtsprechung begründeten Vertrauenstatbestand erforderlichenfalls durch Bestimmungen zur zeitlichen Anwendbarkeit einer geänderten Rechtsprechung im Einzelfall Rechnung zu tragen. Die Möglichkeiten der nationalen Gerichte zur Gewährung von Vertrauensschutz sind jedoch – im Anwendungsbereich des Unionsrechts – unionsrechtlich vorgeprägt und begrenzt. Das Erfordernis einer richtlinienkonformen Auslegung umfasst die Verpflichtung der nationalen Gerichte, eine gefestigte Rechtsprechung gegebenenfalls abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit den Zielen einer Richtlinie nicht vereinbar ist. Diese Grundsätze gelten auch für die nicht in Einklang mit Unionsrecht stehende Auslegung einer in diesem Sinne auslegungsfähigen nationalen gesetzlichen Regelung. Aus dem Erfordernis der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts folgt auch, dass es Sache des EuGH ist, darüber zu entscheiden, ob – entgegen der grundsätzlichen Extunc-Wirkung von Entscheidungen gemäß Art. 267 AEUV – aufgrund der unionsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes die Geltung der von ihm vorgenommenen Auslegung einer Norm in zeitlicher Hinsicht ausnahmsweise eingeschränkt werden soll. Der EuGH hat bei seiner Entscheidung mit Urteil vom 6. November 2018 (- C-684/16 – [Q.]) die Geltung der von ihm vorgenommenen Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG – wie von Art. 31 Abs. 2 EuGRCh – nicht aus Gründen eines unionsrechtlichen Vertrauensschutzes in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt und eine zeitliche Geltungsbeschränkung damit implizit abgelehnt. Eine richtlinienkonforme Auslegung von § 7 BUrlG kann das Bundesarbeitsgericht nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes nach nationalem Recht auf einen Zeitpunkt nach Inkrafttreten von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG verschieben. (vgl. ausführlich, mzwN. BAG, 19.09.2019 – 9 AZR 423/16, Rn. 30 ff.) Diese Grundsätze gelten auch vorliegend.
Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, ob bei den Beklagten überhaupt ein Vertrauen darauf bestanden hat, dass die Urlaubsansprüche des Klägers aus der Vergangenheit nicht abzugelten sind. Vor dem Hintergrund, dass die Beklagte die kumulierten Urlaubsansprüche aus mehreren Jahren im Arbeitszeitkonto des Klägers aufgeführt hat und dafür entsprechende Rückstellungen gebildet hat, ist dies durchaus zweifelhaft.
2.5. Die Beklagten können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Urlaubsabgeltung der Einwand der Treuwidrigkeit (§ 242 BGB) entgegenstehe, da der Kläger es ja abgelehnt habe, Urlaub zu nehmen. Selbst wenn man den zwischen den Parteien streitigen Vortrag der Beklagten dazu, warum vorliegend kein Urlaub genommen wurde, als wahr unterstellt, ist das Verhalten des Klägers vorliegend nicht treuwidrig. Die Beklagten haben durch die Ansammlung der Urlaubsansprüche aus mehreren Jahren und durch die Bildung von dem Kläger bekannten Rückstellungen für die Abgeltung von Urlaub aus mehreren Jahren selbst Umstände gesetzt, aus denen der Kläger schließen konnte, dass nicht genommener Urlaub über Jahre hinweg nicht verfällt. Wenn der Kläger nun die Abgeltung von über Jahre nicht genommenen Urlaub geltend macht, verhält er sich nicht widersprüchlich, sondern knüpft lediglich an die von den Beklagten gesetzten Umstände an.
Aus denselben Gründen können die Beklagten sich nicht auf eine treuwidrige Verhinderung des Bedingungseintritts nach § 162 BGB berufen.
2.6. Für insgesamt 152 abzugeltende Urlaubstage hat der Kläger einen Anspruch auf insgesamt 180.762,96 € brutto. Dieser Betrag errechnet sich wie folgt:
„Der Berechnung der Urlaubsabgeltung ist neben dem Grundgehalt von 126.000 € jährlich der Wert der Privatnutzung des Dienstwagens zugrunde zu legen. Der Anspruch auf private Nutzung des Dienstwagens ist als Sachbezug Teil der Urlaubsvergütung (§ 11 Abs. 1 S. 2 BUrlG) und deshalb auch im Rahmen der Urlaubsabgeltung zu berücksichtigen. Die Tatsache, dass dem Kläger während der Dauer des Arbeitsverhältnisses der Dienstwagen zu Verfügung stand, steht dem Abgeltungsanspruch nicht entgegen. Durch die Abgeltung des Urlaubsanspruches soll der Arbeitnehmer letztlich so gestellt werden, wie er bei bezahlter Freistellung im Arbeitsverhältnis stünde. Hinsichtlich der Höhe des Sachbezugs ist entgegen der Ansicht des Klägers aber nicht der Wert einer Ersatzbeschaffung zugrunde zu legen, sondern grundsätzlich, wie auch sonst beim Entzug eines privat genutzten Dienstwagens der versteuerte Wert der Dienstwagennutzung. Da hier die Parteien jedoch eine ausdrückliche Vereinbarung darüber getroffen haben, mit welchem Betrag die Nutzung des Dienstwagens abzugelten ist, ist dieser von den Parteien vertraglich festgelegte Wert in Höhe von 500 € brutto zu berücksichtigen. Hieraus ergibt sich ein Wert des Sachbezugs in Höhe von 6.000 € im Jahr.“
Hinsichtlich der Berechnung der in die Urlaubsabgeltung einzubeziehenden Umsatzprovision ist aus den oben ausgeführten Gründen auf das Vorjahr, d.h. auf das Jahr 2017 als Referenzzeitraum abzustellen. Entgegen der Berechnung des Klägers kann hier jedoch nicht nur auf Tage nach Erreichen der Umsatzschwelle abgestellt werden. Vielmehr ist um das durchschnittliche Entgelt im Referenzzeitraum abzubilden, die insgesamt im Referenzzeitraum verdiente Umsatzprovision zu berücksichtigen und durch den Divisor 260 zu teilen. Hinsichtlich der Begründung des Divisors 260 wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Für das Jahr 2017 steht dem Kläger eine Umsatzprovision in Höhe von 177.198,85 € (Umsatz 930.662,82 € abzüglich 340.000 € Umsatzschwelle, daraus 30%) brutto zu.
Aus den Faktoren Grundgehalt in Höhe von 126.000 €, Sachbezug in Höhe von 6.000 € und Umsatzprovision in Höhe von 177.198,85 € ergibt sich ein Jahresgehalt des Klägers in 2017 in Höhe von 309.198,85 € brutto. Je Urlaubstag ergibt sich hieraus ein Betrag in Höhe von 1.189,23 € (= 1/260). Für 152 abzugeltende Urlaubstage ergeben sich daraus 180.762,96 € brutto.
Die Berufung des Klägers war zurückzuweisen, soweit er eine hierüber hinausgehende Urlaubsabgeltung beantragt hat.
3. Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger den Steuerschaden zu ersetzen, der diesem daraus entsteht, dass die Beklagten mit einem Teil der Fortzahlung des Entgelts bei Urlaub, Krankheit und Feiertag in Verzug geraten sind.
3.1. Sowohl für den Antrag bezüglich der Jahre 2013 – 2014 als auch für den Antrag bezüglich der Jahre 2015 und 2016 besteht das erforderliche Feststellungsinteresse.
Das besondere Feststellungsinteresse ist eine in jedem Verfahrensstadium zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung (BAG, 15.09.2009 – 9 AZR 757/08 – Rn. 25). Es besteht grundsätzlich ein rechtliches Interesse an der auf zukünftige bzw. noch nicht bezifferbare Schäden bezogenen Feststellung, wenn Schadensfolgen in der Zukunft möglich sind. Dies gilt auch dann, wenn ihre Art, ihr Umfang und ihr Eintritt noch ungewiss sind. Es muss dabei eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bestehen. Insoweit reicht es aus, wenn die nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Ersatzpflicht besteht (vgl. BAG, 16.05.2007 – 8 AZR 709/06, Rn. 126).
Nach diesen Grundsätzen ist das Feststellungsinteresse vorliegend zu bejahen. Eintritt und Umfang des Steuerschadens sind derzeit ungewiss, da die Steuerlast von der wirtschaftlichen Situation des Klägers im Zeitpunkt des Zuflusses abhängt. Beide Faktoren sind derzeit nicht bekannt. Nachdem das zu versteuernde Einkommen des Klägers vor 2017 noch unter der Grenze des § 32a Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F. lag, besteht aber auch in Anbetracht der nicht unerheblichen Nachzahlungsbeträge eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass dem Kläger auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich angehobenen Grenze des § 32a Abs. 1 Nr. 5 EStG ein Steuerschaden entsteht.
3.2. Der Kläger hat Anspruch auf die Feststellung, dass die Beklagten als Gesamtschuldner den Schaden zu ersetzen haben, der ihm durch die verspätete Zahlung des auf die Jahre 2013 und 2014 entfallenden Teils der Fortzahlung des Entgelts bei Urlaub, Krankheit und Feiertag entsteht.
Die Beklagten befinden sich mit der Zahlung dieses Teils des Entgelts für die Jahre 2013 und 2014 in Verzug. Soweit es sich um weiteres Urlaubsentgelt handelt, ist die Zahlung jeweils zum jeweiligen Tag des Urlaubsantritts fällig gewesen (§ 11 Abs. Abs. 2 BUrlG). Soweit es sich um Ansprüche auf weitere Entgeltfortzahlung handelt, waren die Zahlungen jeweils mit dem monatlichen Entgelt zum nächsten Ersten des Folgemonats (§ 614 S. 2 BGB) fällig. Der Verzug ist deshalb jeweils nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ohne Mahnung und für alle aus in den Jahren 2013 und 2014 geschuldeten Leistungen vor dem 31.03.2015 eingetreten.
3.3. Ist der Arbeitgeber mit der Entgeltzahlung im Verzug hat der Arbeitnehmer neben dem Anspruch auf Verzugszinsen (§ 288 Abs. 1 BGB) auch Anspruch auf Ersatz des durch den Verzug entstandenen weiteren Schadens (§ 288 Abs. 4 BGB). Dieser weitere Verzugsschaden umfasst auch die durch die Nachzahlung entstehenden steuerlichen Nachteile (BAG, 17.01.2018 – 5 AZR 205/17, Rn. 14; BAG, 28.10.2018 – 3 AZR 171/07, Rn. 37). Der von den Beklagten zu ersetzende Verzugsschaden umfasst deshalb auch einen eventuellen Steuerschaden des Klägers. Die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten ergibt sich aus § 613a Abs. 1 S. 1 und 2 S. 1 BGB. Der Kläger hat Anspruch auf die Feststellung, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, ihm den Steuerschaden zu ersetzen, der ihm daraus entsteht, dass zunächst die Beklagte zu 1) und sodann die Beklagte zu 2) mit einem Teil der Fortzahlung des Entgelts aus den Jahren 2015 und 2016 bei Urlaub, Krankheit und Feiertag in Verzug gekommen ist.
Insoweit kann vollumfänglich auf die Ausführungen unter Ziffer 3.2 verwiesen werden. Alle hier erfassten Ansprüche waren spätestens am 01.01.2015 bzw. 01.01.2016 fällig. Die Haftung der Beklagten zu 2) hinsichtlich der Ansprüche für die der Verzug noch vor dem Betriebsübergang entstanden ist, ergibt sich aus § 613a Abs. 1 S. 1 BGB.
3.4. Hinsichtlich des Antrags auf Feststellung der Ersatzpflicht eines Steuerschadens durch vorzeitige Auszahlung der Umsatzprovision 2018 war die Klage nach § 64 Abs. 1 S. 1 ArbGG, § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO an das Arbeitsgericht zurück zu verweisen, da insofern ein unzulässiges Teilurteil vorliegt.
3.4.1. Ein Teilurteil muss sich auf einen aussonderbaren, einer selbstständigen Entscheidung zugänglichen Teil des Verfahrensgegenstandes beziehen, und der Ausspruch über diesen Teil muss unabhängig vom restlichen Verfahrensgegenstand getroffen werden können. (vgl. Musielak/Voit, ZPO, 16. Auflage 2019, § 301, Rn. 3a, b) Ist dieser Grundsatz verletzt, besteht die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen.
Die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen wird bejaht, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden. Daher besteht diese Gefahr insbesondere bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine materiellrechtliche Verzahnung besteht (BGH, 09.11.2011 – IV 171/10, Rn. 29; BGH, 13.07.2011 – VIII ZR 342/09, Rn. 25).
3.4.2. Vorliegend besteht ein derartiger innerer Zusammenhang zwischen dem Feststellungsantrag bezüglich der Feststellung einer Schadensersatzpflicht infolge vorzeitiger Auszahlung der Umsatzprovision 2018 und dem am Arbeitsgericht noch anhängigen Antrag bezüglich Umsatzprovisionen aus nach dem 30.09.2018 vereinnahmten Honoraren.
Da sich der Kläger auf einen Steuerschaden beruft, der ihm durch eine vorzeitige Zahlung entstanden sein soll, ergibt sich ein eventueller Schadensersatzanspruch nicht aus § 288 Abs. 4 BGB, sondern nur unter den Voraussetzungen des § 280 BGB, d.h. nur bei Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung durch die Beklagte zu 2). Sollte der Kläger mit seinem noch am Arbeitsgericht anhängigen Antrag bezüglich einer Umsatzprovision, die auch für das restliche Jahr 2018 geschuldet ist, durchdringen, könnte eine Pflichtverletzung in einer nach § 266 BGB unzulässigen Teilleistung liegen. Beide Anträge sind deshalb auch von der Beantwortung der einheitlichen Vorfrage abhängig, ob die Beklagte die Berechnung und Zahlung der Umsatzprovision zulässigerweise auf die bis zum 30.09.2018 vereinnahmten Honorare begrenzen durfte.
3.4.3. Da der Zurückverweisungsgrund nur den Antrag auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht bzgl. eines Steuerschadens durch vorzeitige Zahlung der Umsatzprovision erfasst und es sich hierbei um einen von den anderen im Berufungsverfahren anhängigen Teilen des Rechtsstreits iSv. § 301 ZPO abgrenzbaren Teil handelt, ist vorliegend eine Teilzurückverweisung möglich. (vgl. MüKomm/Rimmelspacher, 5. Aufl., § 538 ZPO, Rn. 77; BGH, 09.11.2011 – IV 171/10, Rn. 28; BGH, 13.07.2011 – VIII ZR 342/09, Rn. 26) Ein innerer Zusammenhang zwischen diesem Feststellungsantrag und den anderen im Berufungsverfahren anhängigen Ansprüchen besteht nicht. Dies gilt auch für die Urlaubsabgeltungsansprüche. Da diese auf der Grundlage des Referenzzeitraums 2017 zu berechnen sind, kann über sie entschieden werden, ohne dass es darauf ankommt, ob die Umsatzprovision für 2018 aus den Zahlungseingängen bis zum 30.09.2018 oder aus den Zahlungseingängen für das gesamte Kalenderjahr zu berechnen sind.
4. Der Kläger hat nach § 288 Abs. 1 BGB Anspruch auf Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB.
Die Beklagten befinden sich hinsichtlich der hier tenorierten Zahlungsansprüche in Verzug. Soweit es sich um weiteres Urlaubsentgelt handelt, ist die Zahlung jeweils zum jeweiligen Tag des Urlaubsantritts fällig gewesen (§ 11 Abs. Abs. 2 BUrlG). Soweit es sich um Ansprüche auf weitere Entgeltfortzahlung handelt, waren die Zahlungen jeweils mit dem monatlichen Entgelt zum nächsten Ersten des Folgemonats (§ 614 S. 2 BGB) fällig. Die Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs trat mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses und somit ebenfalls mit einem nach dem Kalender bestimmten Tag ein. Der Verzug ist deshalb jeweils nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ohne Mahnung eingetreten. Soweit die Beklagten die Zinsen gesamtschuldnerisch schulden ergibt sich dies aus § 613a Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 S. 1 BGB.
III.
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Insofern wird vollumfänglich auf die obigen Ausführungen zu den dem Kläger zustehenden Ansprüchen verwiesen.
IV.
Infolge der Teilzurückverweisung an das Arbeitsgericht war die Kostenentscheidung diesem vorzubehalten.
V.
Die Revision war hinsichtlich der Frage, ob die Urlaubsabgeltungsansprüche aus den Jahren 2011 – 2013 verjährt sind, für die Beklagte zu 2) zuzulassen. Diese Frage hat vor dem Hintergrund der Möglichkeit, dass bei Unterbleiben der Mitwirkungshandlungen des Arbeitgebers nach § 7 Abs. 1 BUrlG Urlaubsansprüche über mehrere Jahre kumuliert werden können, grundsätzliche Bedeutung.
Eine weitergehende Zulassung der Revision war nicht geboten, da zu den bezüglich der weiteren Streitgegenstände aufgeworfenen Fragen höchstrichterliche Entscheidungen vorliegen. Die dort entwickelten Grundsätze waren lediglich zur Klärung der konkreten Rechtsbeziehungen der Parteien auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Dem kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

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