Bankrecht

Darlehensvertrag, Widerruf, Widerrufsrecht, Widerrufsbelehrung, Vertragsschluss, Widerrufsfrist, Darlehensnehmer, Annahmeverzug, Vertragsurkunde, Streitwert, Pflichtangaben, Verbraucher, Beschaffenheit, Hinterlegung, Kosten des Rechtsstreits, keinen Erfolg

Aktenzeichen  40 O 9956/19

Datum:
13.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 42837
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 34.700,00 € festgesetzt.  

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Über die Hilfswiderklage ist daher nicht zu entscheiden.
A.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klagepartei stand zwar nach §§ 495 Abs. 1, 491 Abs. 1 und 2 BGB ein Widerrufsrecht zu, da sie am 30.4.2016 einen Verbraucherdarlehensvertrag mit der Beklagten abgeschlossen hatte. Ihr Widerruf vom 14.3.2019 ist aber nicht innerhalb der Widerrufsfrist erfolgt, die bereits im Jahr 2016 abgelaufen war, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 1 BGB.
Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, § 355 Abs. 2 S. 1 BGB. Die Widerrufsfrist beginnt mit Vertragsschluss und nicht bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder eines Antrags, die oder der die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB enthält, zur Verfügung gestellt wird (§§ 355 Abs. 2 S. 2, 356b Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 BGB).
Der Klagepartei wurde eine Abschrift ihres Antrags zur Verfügung gestellt, der die erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB enthält. Ihr wurde insbesondere eine § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 und 2 EGBGB entsprechende Widerrufsinformation mitgeteilt.
1. Allgemein fordert das Gesetz für die Information des Verbrauchers über die Pflichtangaben, dass diese im Verbraucherdarlehensvertrag „klar und verständlich“ enthalten sein müssen (§ 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1 EGBGB). Die Frage, ob Pflichtangaben „klar und verständlich“ formuliert sind, ist aus dem Horizont eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers zu beurteilen (BGH, Urteil vom 23.02.2016, XI ZR 101/15, NJW 2016, 1881, Rz. 33f.).
Der Vertrag besteht vorliegend aus 11 Seiten, die fortlaufend mit „Seite 1 von 11“ bis „Seite 11 von 11“ nummeriert sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Einheit einer Urkunde selbst bei fehlender körperlicher Verbindung gewahrt, wenn eine fortlaufende Paginierung vorliegt (BGH, XII ZR 234/95, juris). Damit sind auch die „Europäische Standardinformation für Verbraucherkredite“ (Seite 1 bis 3), die „Informationen zu Ihrem Darlehensvertrag“ (Seite 4), die Widerrufsinformation (Seite 8) sowie die ADB (Seite 10 und 11) Vertragsbestandteil.
Zudem müssen die Pflichtangaben nicht notwendig im Darlehensantragsformular selbst enthalten sein. Sie können vielmehr auch „klar und verständlich“ in allgemeinen Geschäftsbedingungen erteilt werden (vgl. BGH, Urteil vom 4.7.2017, XI ZR 741/16). Die ADB, die hier ohnehin Bestandteil der Vertragsurkunde sind, wurden zudem durch den ausdrücklichen Hinweis unmittelbar vor der Unterschriftszeile auf Seite 7 in den Vertrag einbezogen, § 305 Abs. 2 BGB.
Auch die auf Seite 8 von 11 abgedruckte Widerrufsinformation ist vorliegend Vertragsbestandteil. Unschädlich ist dabei, dass sie erst nach der Unterschriftenzeile zum Darlehensantrag abgedruckt ist. Auf sie wird zudem bereits auf Seite 4 unter Ziffer 7 ausdrücklich verwiesen. Darüber hinaus befinden sich auf Seite 7 in dem dick umrahmten Kasten „Unterschrift Darlehensantrag“ unmittelbar vor den beiden Unterschriftszeilen ausdrückliche Hinweise auf das Widerrufsrecht bzw. die erhaltene Widerrufsinformation. Dies genügt. Etwas anderes ist weder der von der Klagepartei zitierten BGH-Rechtsprechung noch der Rechtsprechung des EuGH zu entnehmen.
2. Die Widerrufsinformation und die Pflichtangaben sind entgegen der Ansicht der Klagepartei weder in einer zu kleinen Schriftgröße noch drucktechnisch schwer lesbar abgefasst.
Die Beklagte hat nicht eine derart kleine Schriftgröße verwendet, dass der Vertrag für den durchschnittlichen (also durchschnittlich intelligenten, rechtsunkundigen und über durchschnittliche Sehkraft verfügenden) Verbraucher nicht mehr in zumutbarer lesbarer Form vorläge.
Dies gilt auch für die Vertragsbedingungen (ADB) der Beklagten auf den Seiten 10 f. der Vertragsunterlagen. Diese sind in der von der Klagepartei vorgelegten Kopie auch unter Berücksichtigung der teils komplexen Sprache noch ohne weiteres lesbar. Die Vertragsbedingungen, die hier ohnehin Bestandteil der Vertragsurkunde sind, wurden zudem durch den ausdrücklichen fettgedruckten Hinweis auf Seite 7 unter „Unterschrift Darlehensantrag“ unmittelbar vor der Unterschriftszeile in den Vertrag einbezogen, § 305 Abs. 2 BGB. Im Übrigen ist auch die Widerrufsinformation auf Seite 8 in ausreichender Schriftgröße abgedruckt und trotz der grauen Hinterlegung völlig unproblematisch lesbar.
Soweit die Anlage K 1 ein etwas verschwommenes Schriftbild aufweist, führt das Gericht diesen Umstand auf das Einscannen der Unterlagen zur Vorlage bei Gericht zurück.
Die Angaben sind in dem Vertrag mithin übersichtlich und in ausreichend großer Schriftgröße enthalten. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass es sich vorliegend um einen verbundenen Vertrag handelt.
3. Die Angabe des Rechts auf vorzeitige Rückzahlung ist vorliegend weder irreführend noch unverständlich. Die Vorgaben des Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB werden eingehalten.
Die Beklagte weist unter anderem im Darlehensantragsformular selbst auf Seite 5 unter „Wichtige Hinweise“ – „vorzeitige Rückzahlung“ sowie unter Ziffer 4.1 ihrer Allgemeinen Darlehensbedingungen ausdrücklich auf das Recht des Darlehensnehmers hin, das Darlehen (den Kredit) jederzeit ganz oder teilweise vorzeitig zurückzuzahlen. Weiter wird darauf hingewiesen, dass dem Kreditgeber, also der Beklagten, bei vorzeitiger Rückzahlung eine Entschädigung zusteht.
e) Die nach Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB erforderliche Angabe der „Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, soweit der Darlehensgeber beabsichtigt, diesen Anspruch geltend zu machen, falls der Darlehensnehmer das Darlehen vorzeitig zurückzahlt“, ist mit den Angaben unter Ziffer 4.3 der ADB, auf die der als Anlage K 1 vorgelegte Darlehensantrag unter den „Wichtigen Hinweisen“ und der Unterüberschrift „Vorzeitige Rückzahlung“ ausdrücklich verweist, erfolgt.
Dem Darlehensnehmer wird klar und verständlich vor Augen geführt, dass die Entschädigung pauschal 75,00 € beträgt. Dieser Betrag wird automatisch auf für den Darlehensnehmer leicht ermittelbare Beträge reduziert, sollten diese geringer sein (Prozentzahl des vorzeitig zurückgezahlten Betrages oder geschuldete Sollzinsen im Zeitraum zwischen der vorzeitigen und der vereinbarten Rückzahlung). Sodann wird ihm die Möglichkeit eingeräumt nachzuweisen, dass kein oder nur ein geringerer Schaden entstanden ist. Hierbei sind die finanzmathematischen Rahmenbedingung des Bundesgerichtshofs und der Verwaltungsaufwand zu berücksichtigen. Damit erfüllen die Angaben den nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/11643, S. 87) mit der Vorschrift verfolgten Zweck. Demnach ist erforderlich, dass
„der Darlehensnehmer die Berechnung der Entschädigung nachvollziehen und seine Belastungen, falls er sich zur vorzeitigen Rückzahlung entschließt, zuverlässig abschätzen kann“.
Hinzu kommt, dass eine konkrete mathematische Formel so abstrakt und schwer verständlich ist, dass sie einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher keinen zusätzlichen Informationsgewinn im Vergleich zu dem Hinweis auf die Anwendung einer Berechnungsmethode des BGH mit den wesentlichen Parametern bietet (vgl. LG Heilbronn, Urteil vom 30.01.2018, 6 O 358/17). Soweit dies das LG Berlin in der von der Klagepartei zitierten Entscheidung anders gesehen hat, folgt dem das Gericht aus den genannten Gründen nicht. Letztlich führt die zusätzliche Angabe der Pauschale dazu, dass dem Verbraucher die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung sehr viel klarer vor Augen geführt wird, als durch die bloße Angabe der Berechnungsmethode. Die weiteren Ausführungen dienen schlicht der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben.
Entgegen der klägerischen Ansicht ist die Formulierung nicht unverständlich. Die Entschädigung soll pauschal 75,00 € betragen, es sei denn der Darlehensnehmer weist nach, dass der Bank kein oder geringerer Schaden entstanden ist. Das Gericht versteht dies zwanglos als Höchstgrenze. Der nachfolgende Satz legt weitere Reduktionen dar.
Dahinstehen kann, ob die Regelung zur Vorfälligkeitsentschädigung zulässig ist oder nicht, da vorliegend nur darüber zu entscheiden ist, ob die Pflichtangabe erteilt wurde oder nicht. Wenn im vorliegenden Fall die Vorfälligkeitsentschädigung laut Vertragsinhalt so wie angegeben berechnet werden soll, ist die Pflichtangabe erteilt.
4. Auf das einzuhaltende Verfahren bei Kündigung des Vertrages gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB wird ordnungsgemäß hingewiesen.
Dahinstehen kann, ob es eines Hinweises auf ein außerordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers überhaupt bedarf. Denn in Ziffer 4 der Darlehensbedingungen, auf den der Darlehensantrag unter „Wichtige Hinweise“ und unter der fettgedruckten Zwischenüberschrift „Kündigung“ ausdrücklich hinweist, wird in Absatz 4 unter der Überschrift „Kündigung aus wichtigem Grund“ ausgeführt:
„Das Recht des Darlehensnehmers/Mitdarlehensnehmers zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Zudem steht dem Darlehensnehmer/Mitdarlehensnehmer der Verbraucher ist ein fristloses Kündigungsrecht zu, wenn die Kreditwürdigkeitsprüfung der Bank nicht ordnungsgemäß erfolgt ist, und die übrigen Voraussetzungen des § 505d BGB erfüllt sind. Die Kündigung bedarf der Textform.“
Ein Hinweis darauf, wann eine Kündigung wirksam ist und wie der Vertrag gekündigt werden kann, ist nicht erforderlich. Nach dem Wortlaut der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/11643, S. 128) „muss zumindest darauf hingewiesen werden, dass eine Kündigung nach § 314 BGB möglich ist“ (Hervorhebung d. Verf.). Keinen Unterschied kann es insofern machen, ob ausdrücklich § 314 BGB genannt wird oder auf ein Recht zur fristlosen Kündigung hingewiesen wird. Ausreichend ist darüber hinaus die bloße Angabe der Kündigungsmöglichkeit, so dass es im Rahmen der Pflichtangaben keiner näheren Erläuterung bedarf, wann ein wichtiger Kündigungsgrund vorliegt.
Die Vereinbarung der Textform für die Kündigungserklärung durch den Darlehensnehmer in den ADB ist möglich und erlegt dem Darlehensnehmer auch keine unerträgliche Last auf – wie dies z.B. der Fall wäre bei der Vereinbarung einer notariellen Erklärung im Falle einer Kündigung. Bei der Textform handelt es sich um kein übersteigertes Formerfordernis im Sinn des § 309 Nr. 13 BGB. Dabei ist auch zu werten, dass in den ADB bestimmt ist, dass die Kündigung der Darlehensgeberin der Textform unterliegt (Punkt 5.3 der ADB). Ein Hinweis auf das ordentliche Kündigungsrecht nach § 500 Abs. 1 BGB ist bei befristeten Verträgen nicht nötig.
5. Das Aufrechnungsverbot in Ziffer 10.3 der ADB führt nicht dazu, dass die Widerrufsinformation fehlerhaft wird.
Soweit die ADB unter Ziffer 10.3 eine Aufrechnung nur mit unbestrittenen bzw. rechtskräftig festgestellten Forderungen zulassen, ist diese Klausel nach dem Urteil des BGH vom 20.03.2018 (XI ZR 309/16) unwirksam. Wie der BGH dort ausgeführt hat, hält er an seiner früheren gegenteiligen Rechtsprechung nach erneuter Überprüfung nicht mehr fest. Diese Entscheidung ist nicht in einem Widerrufsverfahren ergangen, sondern es handelte sich um die Klage eines Verbraucherschutzverbandes, der als qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG eingetragen war, und betraf die Klauselkontrolle der Allgemeinen Darlehensbedingungen.
Der BGH hat in seinem Beschluss vom 02.04.2019 (XI ZR 463/18) zu den Auswirkungen einer unwirksamen Regelung zu einer Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis auf die Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsbelehrung folgendes ausgeführt:
„In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass eine inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Widerrufsbelehrung nicht dadurch undeutlich wird, dass die Vertragsunterlagen an anderer, drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten (Senatsurteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 443/16, WM 2017, 2248 Rn. 25).
Erst recht gilt dies ohne Rücksicht auf die Art ihrer Gestaltung, soweit Zusätze außerhalb der Widerrufsbelehrung zwar eine unzulässige und damit unwirksame Abweichung von Vorschriften des Verbraucherschutzrechts aufweisen, aber nicht in Zusammenhang mit der Unterrichtung über das Widerrufsrecht als solches stehen. Dass in den Darlehensvertrag einbezogene Allgemeine Geschäftsbedingungen eine unwirksame Regelung zu einer Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis enthalten, ist damit für die Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsbelehrung ohne Auswirkung.“
Dem schließt sich das erkennende Gericht nach eigener Prüfung an.
6. Sofern der Kläger rügt, dass die ergänzende Darlehensbedingung in Ziffer 10.3 der ADB, wonach ein Leistungsverweigungerungs- und Zurückbehaltungsrecht ausgeübt werden kann, wenn es nicht auf dem Darlehensvertrag beruht, den Angaben in der Widerrufsinformation widerspreche, wird ebenfalls auf den bereits unter Ziffer c) zitierten Beschluss des BGH vom 02.04.2019 (XI ZR 463/18) verwiesen. Das klägerseits zitierte Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.08.2018 (25 O 73/18) bezieht sich nicht auf ein Zurückbehaltungs- oder Leistungsverweigerungsrecht, sondern auf die Angabe des Tageszinssatzes.
7. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB erfordert ausweislich seines Wortlauts lediglich einen Hinweis auf den Anspruch des Darlehensnehmers auf einen Tilgungsplan nach § 492 Abs. 3 Satz 2 BGB. Nicht erforderlich ist demnach die Darstellung eines Tilgungsplanes selbst. Auf Seite 5 der Darlehensunterlagen wird die Klagepartei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie von der Beklagten jederzeit einen Tilgungsplan verlangen kann. Weitere Angaben waren nicht zu erteilen. Ein Zitiergebot von konkreten Vorschriften besteht nicht.
8. Die Beklagte hat die Pflichtangabe zur „Art des Darlehens“ gemäß Art. 247 § 6 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 2 EGBGB erfüllt.
In den Gesetzesmaterialien (Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie vom 21.01.2009, BT-Drs. 16/11643, S. 123) heißt es hierzu:
„Nach Nummer 2 muss die „Art des Darlehens“ angegeben werden. Dies entspricht Artikel 5 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe a, Artikel 6 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a der Verbraucherkreditrichtlinie. Nummer 2 umfasst auch die „Produktbeschreibung“ aus dem Europäischen Standardisierten Merkblatt für grundpfandrechtlich gesicherte Verbraucherdarlehensverträge. Bei der „Art“ kann zunächst zwischen Darlehensverträgen und anderen entgeltlichen Finanzierungshilfen unterschieden werden. Die Vertragsart kann deshalb zum Beispiel auch als „Leasingvertrag“ bezeichnet werden. Die Art kann sich aber auch auf die nähere Ausgestaltung des Darlehens beziehen, z. B. ein befristetes oder unbefristetes Darlehen mit regelmäßiger Tilgung oder Tilgung am Ende der Laufzeit. Auch die besonderen Formen, die in §§ 503 bis 505 BGB-E genannt werden, stellen Darlehensarten dar.“
Die Beklagte hat diese Pflichtangabe vorliegend an mehreren Stellen des als Anlage K 1 vorgelegten Darlehensvertrages erteilt. Zum einen findet sich die Angabe in dem von der Beklagten verwendeten Muster nach Anlage 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB „Europäische Standardinformation für Verbraucherkredite“. Dort ist ausdrücklich die Kreditart als „Ratenkredit mit gleichbleibenden Monatsraten, erhöhter Schlussrate und festem Zinssatz“ angegeben (S. 1 von 11). Weiter findet sich auf Seite 4 von 11 unter Ziffer 1. nochmals eine klare Beschreibung des Inhalts des Darlehensvertrags und unter Ziffer 3. der Rückzahlungsmodalitäten. Im Übrigen sind auch auf dem auf Seite 5 von 11 vorgelegten Darlehensantragsformular die Angaben „Darlehensantrag Ratenkredit“ enthalten (siehe Anlage K 1), sowie weiter unter der Überschrift „Zahlungsplan“ die Anzahl und Höhe der einzelnen Tilgungsraten sowie die Höhe und der Fälligkeitszeitpunkt der Schlussrate. Die Art des Darlehens ist auch hieraus klar ersichtlich.
9. Die Beklagte musste dem Kläger kein Widerrufsformular nach Anlage 2 zu Art. 246a EGBGB Informationspflichten bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen mit Ausnahme von Verträgen über Finanzdienstleistungen als Teil der Widerrufsbelehrung zur Verfügung stellen. Denn während der die Rechtsfolgen eines Widerrufs regelnde § 357 BGB a.F. in seinem Anwendungsbereich sämtliche Verbraucherverträge erfasste, ist die Neufassung auf die Vertriebsformen der Außergeschäftsraum- und Fernabsatzverträge beschränkt (BeckOK BGB/Müller-Christmann BGB § 357 Rn. 1, beckonline). Hinzu kommt, dass die Erteilung des Widerrufsformulars lediglich Voraussetzung für den Anspruch auf Wertersatz gegen den Verbraucher ist und nicht für den Beginn der Widerrufsfrist (vgl. § 357 Abs. 7 BGB: „Der Verbraucher hat Wertersatz für einen Wertverlust der Ware zu leisten, wenn (…) 2. der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat.“)
10. Die Beklagte kann sich bezüglich der erteilten Widerrufsinformation (siehe Seite 8 von 11 der Anlage K 1) auf die Schutzwirkung des Musters nach Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 und 5 sowie § 12 Abs. 1 S. 3 und 6 EGBGB berufen, da sie in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form ein Formular verwendet hat, das dem Muster sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht.
Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung auf Seiten 71 ff. (GA 140 ff.) durch eine Gegenüberstellung deutlich gemacht, dass sie das Muster der Anlage 7 des EGBGB übernommen hat. Dass die Beklagte den Darlehensnehmer im Gegensatz zum Muster direkt angesprochen hat, ist nach den Gestaltungshinweisen zur Anlage 7 zu Art. 247 § 6 EGBGB ausdrücklich zulässig.
Soweit der Kläger Abweichungen von dem in Anlage 6 zum EGBGB enthaltenen Muster geltend macht, da der Gestaltungshinweis [8c] fälschlicherweise verwendet worden sei, kann das Gericht den Einwand nicht nachvollziehen. Nach Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 und § 12 Abs. 1 S. 3 EGBGB ist die Anlage 7 und nicht die Anlage 6 das maßgebliche Muster. Einen Gestaltungshinweis [8c] enthält Anlage 7 nicht. Sollte der Kläger den Gestaltungshinweis [5c] meinen, hat die Beklagte diesen korrekt übernommen. Die von der Klagepartei behauptete Einschränkung, der Hinweis dürfte nur im Falle der bloßen – etwa mietweisen – Gebrauchsüberlassung einer Sache eingefügt werden, findet aus Sicht des Gerichts weder in der Formulierung des Gestaltungshinweises selbst noch in den Gesetzesmaterialien eine Stütze. Sinn und Zweck der Regelung sprechen zudem gerade für ein weites Verständnis.
11. Soweit die Klagepartei die sog. Kaskadenverweisung in der gesetzlichen Musterbelehrung rügt, hat der BGH diese bereits mit Urteil vom 22.11.2016 – XI ZR 434/15 und darüber hinaus mit Urteil vom 19.03.2019 – XI ZR 44/18, in welchem er auch Ausführungen zu dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Saarbrücken macht, gebilligt. Auf die Ausführungen des BGH zum Az. XI ZR 44/18 wird Bezug genommen.
12. Die Voraussetzung des § 356b Abs. 1 BGB ist erfüllt, weil die Klagepartei eine Abschrift ihrer Vertragserklärung erhalten hat. Die Klagepartei hat unstreitig das von ihr in der Anlage K1 vorgelegte Exemplar des Vertragstextes erhalten. Unerheblich ist dabei, ob dieses von der Klagepartei unterzeichnet wurde.
Gemäß § 356b Abs. 1 BGB beginnt die Widerrufsfrist auch nicht, bevor der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine für diesen bestimmte Vertragsurkunde, den schriftlichen Antrag des Darlehensnehmers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder seines Antrags zur Verfügung gestellt hat.
Zwar bezeichnet der Begriff „Vertragsurkunde“ nur das von beiden Vertragsparteien unterzeichnete schriftliche Original des Vertrags (BGH XI ZR 381/16). Jedoch genügt es ausweislich § 356b Abs. 1 BGB, wenn dem Darlehensnehmer eine Abschrift seines Vertragsantrags zur Verfügung gestellt wird.
Dabei ist es nicht erforderlich, dass auch die „Abschrift“ unterzeichnet ist. In den Gesetzesmaterialien (Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie v. 21.1.2009, BT-Drs. 16/11643, S. 80) wird hierzu ausgeführt: „Eine Abschrift ist unabhängig von ihrer Herstellung jedes Dokument, das den Vertragsinhalt wiedergibt, ohne dass es besonderer förmlicher Zusätze, wie beispielsweise einer Unterschrift, bedarf. So ist Artikel 10 Abs. 1 Satz 2 der Verbraucherkreditrichtlinie zu verstehen, der von einer „Ausfertigung“ spricht.“
Das der Klagepartei ausgehändigte Exemplar der Vertragsunterlagen stellt eine Abschrift der Vertragserklärung der Klagepartei dar. Es gibt unstreitig den Vertragstext wieder, welcher von der Klagepartei unterzeichnet worden ist. Nach Unterschriftsleistung der Klagepartei auf der für die Beklagte bestimmten Vertragserklärung (siehe Anlage B 6) dokumentiert das der Klagepartei überlassene Exemplar ihre Vertragserklärung und wird damit zur Abschrift ihres Vertragsantrags (vgl. BGH, Urteil v. 27.2.2018, XI ZR 160/17, Rz. 30, juris).
Auf die Frage, ob Verwirkung eingetreten ist oder das Verhalten des Klägers den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens rechtfertigen könnte, kommt es damit nicht mehr an.
Mangels Hauptanspruchs bestehen auch keine Nebenansprüche.
B.
Da der Klage des Klägers nicht zugesprochen wird, ist die Bedingung, unter der die Hilfswiderklage erhoben worden ist, nicht eingetreten, so dass es keiner Entscheidung über den im Rahmen der Hilfswiderklage gestellten Feststellungsantrag der Beklagten bedarf.
C.
Die Entscheidung über die Kostentragung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 S. 1 und 2 ZPO.
D.
Der Streitwert bemisst sich nach dem Nettodarlehensbetrag sowie der Anzahlung (vgl. auch BGH, Beschluss vom 29.05.2015, XI ZR 335/13 Rn. 3). Der begehrten Feststellung des Verzugs (Antrag Ziffer 3) wurde kein eigenständiger Streitwert beigemessen. Zinsen und vorgerichtliche Anwaltsgebühren bleiben gemäß §§ 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO, 43 Abs. 1 GKG als Nebenforderungen außer Betracht.

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