Aktenzeichen 26 O 10944/17
VAG § 10a
Leitsatz
1. Wird eine Widerspruchsbelehrung in einem Policenbegleitschreiben unterstrichen, so ist sie gegenüber dem übrigen Text ausreichend drucktechnisch hervorgehoben. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird der Beginn der Widerspruchsfrist mit “ab Erhalt dieser Unterlagen” bezeichnet, so stellt das eine ordnungsgemäße Belehrung dar; einer Benennung der Unterlagen bedarf es nicht. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Policenmodell ist europarechtskonform. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 10.665,67 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Zahlungsanspruch in Höhe von 10.665,76 € oder eines niedrigeren Betrags nebst Zinsen.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Prämien und gezogenen Nutzungen aus beiden Verträgen gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1 1. Alternative, 818 Abs. 1 BGB. Die Prämienzahlungen erfolgten entgegen der Auffassung der Klägerin nicht ohne Rechtsgrund. Die streitgegenständlichen Versicherungsverträge sind wirksam zustande gekommen und nicht durch Widerspruch unwirksam geworden, da beide Widerspruch verfristet sind.
I. Die Widerrufsbelehrungen in den beiden Policenbegleitschreiben entsprechen nach Auffassung des Gerichts den Anforderungen des § 5 a Abs. 2 S. 1 VVG a.F.
1. Bei den beiden identischen Policenbegleitschreiben sind die formalen Anforderungen an die erforderliche Belehrung gewahrt. Soweit die Klägerin in der Replik darauf abstellt, die Beklagte befasse sich nicht mit ihrem konkret Sachvortrag, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie außergerichtlich ausdrücklich gerügt hat, dass die Belehrung nicht drucktechnisch ausreichend hervorgehoben sei (vgl. Schreiben Versicherungsberater … vom 28.04.2015 = Anlage K 7 S. 2 f.). Die Belehrung ist jeweils drucktechnisch ausreichend durch Unterstreichung hervorgehoben und enthält die für eine ordnungsgemäße Belehrung erforderlichen Bestandteile. Die Belehrung befindet sich auf einem einseitigen, relativ kurzen Anschreiben. Sie unterscheidet sich vom übrigen Text dadurch, dass sie unterstrichen, zudem durch Absätze abgegrenzt ist. Dem auch flüchtigen Leser springt die Belehrung allein schon durch die Unterstreichung ins Auge.
2. Über Beginn und Dauer der Wide rrufsfrist wurde die Klägerin durch die verwandte Formulierung auch materiell ordnungsgemäß belehrt. Der Versicherungsnehmer soll durch die Belehrung nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, sein Widerrufsrecht tatsächlich auszuüben. Er ist deshalb auch über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren (BGH vom 13. Januar 2009 – XI ZR 118/08, WM 2009, 350, Tz. 14 m.w.N.). Durch die Formulierung „ab Erhalt dieser Unterlagen“ ist das Ereignis, das den Lauf der Frist auslöst, zutreffend und unzweideutig benannt. Den Zugang kann der Versicherungsnehmer unschwer ermitteln, da es sich um eine Wahrnehmung aus seinem eigenen Bereich handelt. Welche Unterlagen mitübersandt we den, ergibt sich auch aus dem beigefügten Inhaltsverzeichnis.
Es ist nach Ansicht des Gerichts auch ausreichend, wenn ausgeführt wird, dass die Widerrufsfrist ab Erhalt „dieser Unterlagen“ zu laufen beginnt. Nach Auffassung des Gerichts gebietet der Wortlaut von § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht, die einzelnen Anlagen aufzuschlüsseln. Eine Aufzählung müsste, um vollständig zu sein, wohl auch die in Anlage D des VAG a.F. für die Verbraucherinformation nach § 10 a VA 3 a.F. vorgeschriebenen Inhalte wiedergeben. Eine solche konkrete Benennung der erforderlichen Unterlagen würde die Belehrung letztlich aber nur unübersichtlich und aufgrund der Vielzahl der Details unverständlich machen, so dass das Ziel der Widerspruchsbelehrung, den Verbraucher in die Lage zu versetzen den Fristbeginn zu prüfen, verfehlt wäre. Nach Auffassung des Gerichts ist das Vorliegen der in § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. genannten Unterlagen Voraussetzung für den Fristbeginn, ausreichend ist jedoch, dass die Unterlagen tatsächlich vorliegen. Dies ist – mit der Einschränkung, dass die Klägerin die Angaben nach § 10 a VAG a.F. in Anlage D, Abschnitt I, Absatz 2 e) für materiell ungenügend hält (dazu siehe unten) – unstrittig.
Mit dieser Auffassung folgt das Gericht der Rechtsmeinung des Oberlandesgerichts München, wie sie in dem Beschluss vom 14.08.2017, Az. 25 U 2445/17 (vorgelegt von der Beklagten, betreffend ein Parallelverfahren der Kammer) bestätigt wurde. Dieser Beschluss ist nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.09.2016, Az. IV ZR 306/14, ergangen, auf die sich die Klägerin stützen will. Aus der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist der genaue Aufbau der dort verwendeten Belehrung nicht zu entnehmen, insbesondere, ob auch ein Inhaltsverzeichnis (wie hier) verwendet wurde oder nicht. Das Gericht kann nicht erkennen, welcher Unsicherheit bei der hier gewählten Formulierung und dem vorliegenden Gesamtaufbau der übersandten Unterlagen ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer hinsichtlich der Unterlagen, die für den Fristbeginn vorliegen müssen unterliegen soll. Alle Unterlagen wurden mit einem Brief übersandt, der neben dem Policenbegleitschreiben den Versicherungsschein mit Inhaltsverzeichnis und Deckblatt enthielt. Das Gericht geht damit davon aus, dass auch die strengen Anforderung, wie sie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 07.09.2016 stellt, noch gewahrt sind, weil sich aus der Gesamtsituation erkennen lässt, welche Unterlagen für den Fristbeginn vorliegen müssen (nämlich die übersandten, wie im Inhaltsverzeichnis auch aufgeführt).
3. Die von der Klägerin als materiell ungenügend beurteilten Hinweise zu den gewählten Fonds (Informationen nach § 10 a VAG a.F. in Anlage D, Abschnitt I, Absatz 2 e) auf S. 4 und dann näher auf S. 17/18 der beiden Versicherungsscheine entsprechen den gesetzlichen Anforderungen. Nach der genannten Norm waren erforderlich „bei fondsgebundenen Versicherungen Angaben über den der Versicherung zugrunde liegenden Fonds und die Art der darin enthaltenen Vermögenswerte“. Welche Erläuterungen die Klägerin hier genau vermisst, gibt sie nicht an. Für das Gericht ist auch nicht zu erkennen, welche Informationen fehlen sollten. Insbesondere gibt die zu Nr. … erteilte Information ausdrücklich an, dass es sich um einen thesaurierenden Fonds handelt, der in Euro notiert, 2006 aufgelegt wurde und sich an einem breit gestreuten Fondskorbs bestehend aus DWS Renten- und Aktienfons orientiert und der der (näher beschriebenen) Risikoklasse 3 zuzuordnen ist. Bei Nr. … gibt die Information an, dass es sich um einen ausschüttenden Fonds handelt, der in Euro notiert, 1990 aufgelegt wurde, der vorwiegend in europäiusche Aktien investiert mit Schwerpunkt auf kleineren und mittleren Unternehmen und der der (näher beschriebenen) Risikoklasse 3 zuzuordnen ist.
II.1. Die beiden Versicherungsverträge zwischen der Klägerin und der Beklagten sind nicht bereits wegen Europarechtswidrigkeit des Policenmodells an sich unwirksam. Das Policenmodell gemäß § 5 a VVG a.F. ist europarechtskonform. Insoweit folgt die Kammer der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (IV ZR 73/13): Da die Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG dem nationalen Gesetzgeber keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrags machten und § 5 a VVG a.F. sicherstellte, dass dem Versicherungsnehmer die von den Richtlinien geforderten Informationen vorlagen, bevor der Vertrag nach nationalem Recht zustande kam, war die den Richtlinien zu entnehmende Verpflichtung, den Versicherungsnehmer vor dem ihn bindenden Vertragsschluss umfassend über den künftigen Vertragsinhalt und die ihn begleitenden Umstände zu unterrichten (EuGH VersR 2014, 225 Rn. 24 f.), durch den Regelungsgehalt des § 5 a VVG a.F. ohne weiteres gewährleistet (vgl. OLG Düsseldorf VersR 2001, 837, 838 f.; Prölss/Martin/Prölss a.a.O. § 5 a Rn. 8; Lorenz, VersR 1995, 616, 625 Römer a.a.O.; Reiff, VersR 1997, 267, 269 Wandt a.a.O. S. 32). Die dem Versicherer in § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. eingeräumte Möglichkeit, dem Versicherungsnehmer erst nach dessen Antrag die Vertragsbestimmungen und die maßgebliche Verbraucherinformation zukommen zu lassen, führte auch nicht etwa zu einer Aushöhlung oder gar Vereitelung der sich aus den Richtlinien ergebenden Informationspflichten (a.A. Meyer a.a.O. S. 202; Schwintowski, VuR 1996, 223, 239). § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. stellte sicher, dass die Widerspruchsfrist erst und nur dann zu laufen begann, wenn der Versicherungsnehmer entsprechend den gesetzlichen Vorgaben informiert worden war. Er konnte in Kenntnis der Vertragsbedingungen, der erforderlichen Information und des ihm zustehenden Widerspruchsrechts frei entscheiden, ob er den Vertrag wirksam werden ließ und von einem Widerspruch Abstand nahm. Damit wurde den erwähnten Erwägungsgründen 20 und 23 der Richtlinie 92/96/EWG Genüge getan, nach denen sich der Versicherungsnehmer vollständig informiert über ein bestimmtes Produkt für den Vertragsschluss entscheiden können soll (Wandt a.a.O. S. 32).
2. Im Übrigen wären beide Widersprüche, wenn das Policenmodell an sich entgegen der hier vertretenen Auffassung doch als europarechtswidrig erachtet würde, auch verwirkt. Die Klägerin ist bei beiden Verträgen ordnungsgemäß belehrt worden (siehe oben). Sie bezahlte fast 10 Jahre die Prämien beider Versicherungsverträge und hatte entsprechenden Versicherungsschutz. Im Jahr 2008 hat die Klägerin den Versicherungsbeitrag reduzieren lassen, den zweiten Vertrag im Jahr 2012 sogar ganz freigestellt. Durch beides hat sie zu erkennen gegeben, an dem Vertrag festhalten zu wollen. Zu keinem Zeitpunkt ha die Klägerin sonstwie vor ihrem Widerspruch zu erkennen gegeben, dass sie die beiden Verträge nicht mehr durchführen wollte. Sie hat durch dieses Verhalten bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen ausgelöst, dass die beiden Verträge Bestand haben würden. Die beiden Widersprüche wären daher nach § 242 BGB verwirkt.
B.
I. Die Klägerin hat schon mangels Anspruches in der Hauptsache keinen Anspruch auf Bezahlung von Kosten, die ihr für die außergerichtliche Vertretung durch den Versicherungsberater … entstanden sind. Gleiches gilt für einen Zinsanspruch aus diesen Kosten.
II. Anspruch auf Freistellung von der Kostenrechnung des Versicherungsberaters … für die Erstellung von zwei Privatgutachten besteht ebenfalls mangels Anspruchs in der Hauptsache nicht.
C.
Die Entscheidung über die Kosten erfolgte nach § 91 ZPO. Über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nach § 709 ZPO zu entscheiden.