Aktenzeichen 25 U 1934/17
VVG § 5a
AEUV Art. 267
Leitsatz
Verfahrensgang
12 O 17160/16 2017-05-04 Urt LGMUENCHENI LG München I
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 04.05.2017, Az. 12 O 17160/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die von der Berufung aufgezeigten Gesichtspunkte rechtfertigen eine hiervon abweichende Beurteilung nicht.
Der Umfang der der Klägerin zugegangenen Verbraucherinformationen kann entgegen der Auffassung der Klägerin kein Widerspruchsrecht begründen.
Eine unvollständige Verbraucherinformation steht einer fehlenden Verbraucherinformation nicht gleich; so ist allgemein anerkannt, dass eine etwaige Intransparenz der Verbraucherinformation zur Überschussbeteiligung kein Widerspruchsrecht auslöst (vgl. BGH, Urteil vom 26.09.2007 – Az. IV ZR 321/05, VersR 2007,1547 Rn. 9 – 11; OLG Hamburg, Beschluss vom 10.08.2015 – Az. 9 U 57/15; Senat, Beschluss vom 20.10.2016 – Az. 25 U 3853/16; Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Auflage 2004, § 5 a VVG, Rn. 38 m.w.N.). Sowohl die fehlende Angabe der Aufsichtsbehörde (Senat – Beschluss vom 02.11.2016 – Az. 25 U 4229/16) als auch die fehlende Angabe über die Zugehörigkeit zu einer Einrichtung zur Sicherung der Ansprüche des Versicherten führt nicht zu einem Widerspruchsrecht; bei diesen Angaben handelt es sich um sog. „reine“ Informationen, deren Unterbleiben ein Widerspruchsrecht nicht auslöst, weil keine Aussagen über die Qualität der Konditionen getroffen werden (vgl. auch Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Auflage 2004, § 5 a VVG, Rn. 21,35).
Eine Überlassung der Satzung ist gesetzlich – auch im Rahmen der Verbraucherinformationen – nicht vorgeschrieben (Anlage D zum VAG gültig vom 25.04.2006 bis 07.11.2006), so dass auch in Hinblick auf die fehlende Überlassung dieser Satzung kein Widerspruchsrecht besteht. Daran ändert auch nichts, dass die Beklagte im Rahmen der Verbraucherinformationen auszugsweise ihren Wortlaut zitiert, um den Versicherten über die Verwendung von Überschüssen zu informieren. Damit definiert die Beklagte die Satzung entgegen der Annahme der Berufung nicht als Verbraucherinformation.
Im Übrigen wird vollumfänglich auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen.
Die vorliegende Widerspruchsbelehrung ist wirksam.
Dass die Belehrung auf den Erhalt „dieser Unterlagen“ abstellt und gleichzeitig die notwendigen Unterlagen beifügt, ohne die Unterlagen in der Belehrung ausdrücklich im Einzelnen zu bezeichnen, ändert an ihrer Richtigkeit nichts (Senat, Beschluss vom 21.11.2016 – Az. 25 U 3262/16; Senat, Beschluss vom 31.05.2017 – Az. 25 U 1335/17). Eine Aufzählung der Unterlagen im Einzelnen in der Belehrung selbst ist nicht erforderlich; eine Bezugnahme auf die „oben genannten Unterlagen“ bzw. „diese Unterlagen“ kann erfolgen (Senat, Urteil vom 24.01.2014 – Az. 25 U 2705/13 – die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 30.07.2015 – Az. IV ZR 75/14 zurückgewiesen; Beschluss vom 20.02.2014 – Az. 25 U 1522/13 – die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 21.07.2015 – Az. IV ZR 102/14 zurückgewiesen; Beschluss vom 20.04.2015 – Az. 25 U 4235/14 – die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 11.11. 2015 – Az. IV ZR 263/15 zurückgewiesen, Beschluss vom 11.05.2016 – Az. 25 U 1821/16). Das OLG Köln hält im Urteil vom 25.09.2015 (Az. 20 U 97/15) eine Widerspruchsbelehrung, die nicht ausdrücklich erwähnt, dass dem Versicherungsnehmer neben dem Versicherungsschein und den Versicherungsbedingungen auch die Verbraucherinformationen vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt, für wirksam, da sich das aus der Formulierung „Überlassung der Unterlagen“ ergebe. Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsauffassung im Beschluss vom 29.06.2016 (Az. IV ZR 492/15) gebilligt.
Nach diesen Maßgaben ist die Belehrung im vorliegenden Fall ausreichend. Im letzten Absatz des Anschreibens (Anlage B 1) ist auf den Versicherungsschein und dessen Inhaltsverzeichnis Bezug genommen. Im Inhaltsverzeichnis (vgl. Anlage K 2) ist auf die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen Bezug genommen. Ohne Weiteres wird dem Versicherungsnehmer deutlich, wann die Frist zu laufen beginnt (mit Erhalt der dem Begleitschreiben beigefügten Unterlagen) und ohne Weiteres kann er auch erkennen, um welche Unterlagen es sich handelt, da er die beigefügten Unterlagen nur durchsehen muss. Die Belehrung erweckt gerade nicht den unzutreffenden Eindruck, der Fristbeginn werde nur an den Erhalt des Versicherungsscheins geknüpft, da allgemein auf den Erhalt von Unterlagen, nicht nur auf den Erhalt des Versicherungsscheins abgestellt wird. Der Versicherungsnehmer kann bei der hier vorliegenden Belehrung die Frist ohne Weiteres richtig berechnen.
Zutreffend hat das Landgericht vorliegend auch angenommen, dass die Berufung auf ein Widerspruchsrecht gegen Treu und Glauben verstoßen würde und sich insoweit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Az. 2 BvR 2437/14; 1 BvR 3280/14; 1 BvR 2230/15; 1 BvR 2231/15) und des Bundesgerichtshofes (Az. IV ZR 73/13, VersR 2014,1065; IV ZR 98/16; IV ZR 105/13, VersR 2015,876; IV ZR 310/14; IV ZR 142/13) angeschlossen. Auch im vorliegenden Fall ist das Verhalten der Klagepartei entsprechend zu bewerten. Der betroffene Vertrag wurde im Jahr 2006 abgeschlossen, erst im Jahr 2014 wurde der Widerspruch erklärt. Der Vertrag lief über 8 Jahre. Die Klägerin nahm alle Vertragsinformationen widerspruchslos entgegen, bezahlte Prämien in Höhe von 7.078,50 € und übte vertraglich eingeräumte Rechte (Widerspruch gegen Dynamisierungen, Beitragsreduzierung, Beitragsfreistellung) aus.
Da die Beklagte die Prämien entgegennahm und erkennbar von einem bestehenden Versicherungsvertrag ausging, konnte die Klagepartei bis zum Widerspruch erwarten, Versicherungsschutz zu genießen, der zweifelsfrei bei Eintritt eines Versicherungsfalls in Anspruch genommen worden wäre.
Durch dieses Verhalten wurde bei der Beklagten auch schutzwürdiges Vertrauen auf die Beständigkeit der vertraglichen Bindung begründet. Die Beklagte muss sich grundsätzlich für ihre gesamte Kalkulation – insbesondere in Hinblick auf Rückstellungen für die Überschussbeteiligung – darauf verlassen können, dass langfristig angelegte Vertragsbeziehungen nicht plötzlich nach vielen Jahren rückabgewickelt werden müssen.
Daneben ist außerdem das Vertrauen der Beklagten in den grundsätzlichen Bestand des vom deutschen Gesetzgeber gesetzten Rechts – auch bei etwaigen Zweifeln an der Europarechtskonformität – schutzwürdig und entsprechend zu berücksichtigen (vgl. Allgemein zum Vertrauensschutz in Hinblick auf das Urteil des BGH vom 07.05.2014 – Az. IV ZR 76/11 – auch Bürkle in VersR 2015, 398).
Eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUV in Hinblick auf eine etwaige Europarechtswidrigkeit des Policenmodells ist nicht veranlasst. Denn darauf kommt es nicht entscheidungserheblich an. Ohne Entscheidungserheblichkeit besteht weder eine Vorlagepflicht, noch ein Vorlagerecht. Dass eine Vorlage zur Beurteilung der Frage des Verstoßes gegen Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung nicht veranlasst ist, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 16.07.2014 – Az. IV ZR 73/13, Urteil vom 10.06.2015 – Az. IV ZR 105/13 und Beschlüsse vom 30.07.2015 – Az. IV ZR 63/13, 17.08.2015 und 19.10.2015- Az. IV ZR 310/14) und des Bundesverfassungsgerichts (Entscheidung vom 02.02.2015- Az. 2 BvR 2437/14). Dem folgt der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Beschluss vom 01.06.2015 – Az. 25 U 3379/14, Beschluss vom 15.07.2015 – Az. 25 U 3266/14, Beschluss vom 16.07.2015 – Az. 25 U 416/14), auf die zur Begründung ergänzend Bezug zu nehmen ist.
Ebensowenig besteht Anlass für eine Zulassung der Revision. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Problematik des Rechtsmissbrauchs mit seinen europarechtlichen Bezügen folgt der Senat gerade den Rechtsprechungsgrundsätzen des BGH und wendet diese auf den hier zur Entscheidung stehenden konkreten Einzelfall an. Eine Revisionszulassung zur Klärung der „streitgegenständlichen Widerspruchsbelehrung“ kommt ebenfalls nicht in Betracht. Auch deren Bewertung ist das Ergebnis einer Einzelfallbetrachtung.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).