Bankrecht

Unwirksamer Widerruf eines Kfz-Finanzierungsdarlehens

Aktenzeichen  5 U 4250/20

Datum:
9.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 48185
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 522 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Darlehensgeberin kann sich, wie der BGH entschieden hat (zuletzt BGH BeckRS 2020, 6259), auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen, da die dem Darlehensnehmer zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde die erforderlichen Mindestangaben enthalten hat. Eine erneute Vorlage an den EuGH wegen der eindeutigen Rechtslage ist somit nicht zu veranlassen.  (Rn. 9) (red. LS Andy Schmidt)

Verfahrensgang

22 O 16871/19 2020-06-12 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 12.06.2020, Aktenzeichen 22 O 16871/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des insgesamt zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 40.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Kläger macht Ansprüche nach dem Widerruf einer Kfz-Finanzierung geltend. Der Darlehensvertrag über 34.899,36 € datiert vom 22.09.2014 (vgl. Anl. K 1), zusätzlich leistete der Kläger eine Anzahlung/Inzahlungnahme von 3.725,55 €. Mit weiterem Darlehensvertrag vom 25.08.2017 finanzierte der Kläger die Schlussrate aus dem ersten Darlehen von 19.353,04 €. Am 11.12.2018 bzw. Anwaltsschreiben vom 16.01.2019 widerrief der Kläger die vorgenannten Darlehensverträge.
Wegen der weiteren Einzelheiten einschließlich der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Widerruf sei verfristet gewesen, da der Kläger über die Pflichtangaben einschließlich der Widerrufsinformation ordnungsgemäß belehrt worden sei.
Gegen das ihm am 22.06.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.07.2020 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 26.10.2020 mit am 26.10.2020 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag begründet. Er rügt insbesondere, dass die zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde die Mindestangaben nach Art. 247 §§ 6-13 EGBGB nicht vollständig enthalten hat. Die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterbelehrung könne die Beklagte nicht in Anspruch nehmen.
Er beantragt in der Berufungsinstanz, unter Aufhebung des am 17.08.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts München I (28 O 16503/19), wie folgt zu erkennen:
1. Es wird festgestellt, dass der Kläger ab seiner Widerrufserklärung vom 11.12.2018 aus dem mit der Beklagten zwecks Finanzierung des Fahrzeugs des Fabrikats BMW, Modell 320D, Fahrgestell-Nr. … abgeschlossenen Darlehensvertrag zu der Darlehensvertrag-Nr. … weder Zins- noch Tilgungsleistungen gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB schuldet.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 16.066,45 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB hieraus zu zahlen nach Herausgabe des Fahrzeugs des Fabrikats BMW, Modell 320D, Fahrgestell-Nr. … nebst Fahrzeugschlüsseln und -papieren durch den Kläger an die Beklagte.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte mit der Annahme des Kraftfahrzeuges des Fabrikats BMW, Modell 320D, Fahrgestell-Nr. … sich in Verzug befindet.
4. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.590,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Hilfsweise beantragt er,
die Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen.
Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung.
Der Senat hat mit Beschluss vom 28.10.2020 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Hierzu hat der Kläger mit Schriftsatz vom 08.12.2020 Stellung genommen. Der Bundesgerichtshof habe bisher noch nicht darüber entschieden, wenn im Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie die Gesetzlichkeitsfiktion nicht greife. Nun habe er in den Urteilen vom 27.10.2020 vertreten, dass seine bisherige Rechtsprechung nur dann nicht fortgelte, wenn die Gesetzlichkeitsfiktion nicht greife. Zu beachten sei, dass der EuGH schon mehrfach die Rechtsprechung des XI. Senats des BGH korrigiert habe, auch wenn es keiner erwartet habe. In der Literatur werde auch der gegenteilige Standpunkt vertreten. Deshalb erscheine es zweifelhaft, wie das Urteil des EuGH vom 26.03.2020 umzusetzen sei. Daher werde beantragt, dem EuGH die im genannten Schriftsatz formulierten Fragen zur Gesetzlichkeitsfiktion vorzulegen. Im Übrigen werde die Aufsichtsbehörde in der Vertragsurkunde nicht zutreffend angegeben, da mehrere Aufsichtsbehörden in Betracht kämen. Außerdem müsse der Darlehensvertrag einen klaren und verständlichen Hinweis auf den Anspruch des Darlehensnehmers auf einen Tilgungsplan enthalten.
II.
Es besteht keinerlei Anlass, das Verfahren auszusetzen, und dem EuGH die vom Kläger vorformulierten Fragen vorzulegen. Denn der Senat teilt – wie den Klägervertretern immer wieder mitgeteilt – die Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs, dass sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen kann, ohne dass sich hier europarechtliche Zweifelsfragen ergeben würden. Dies hat der Bundesgerichtshof in diesem Jahr häufig entschieden, diese eindeutige und vom Senat geteilte Rechtsauffassung ergibt sich beispielsweise aus dem Beschluss vom 31.03.2020, XI ZR 198/19, Rn.6 ff, in dem der Bundesgerichtshof an seiner Rechtsauffassung in Kenntnis der Entscheidung des EuGH vom 26.03.2020 festgehalten und erneut betont hat, dass eine Vorlage an den EuGH wegen der eindeutigen Rechtslage nicht veranlasst sei. Die Angabe der BaFin als Aufsichtsbehörde ist ausreichend, wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat (BGH, Hinweisbeschluss v. 23.6.2020, XI ZR 491/19 Rn.13). Auf die Möglichkeit, „jederzeit“ einen Tilgungsplan zu verlangen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB a.F.) wurde im Vertrag hingewiesen (Anl. K1, S. 5, Mitte). Das impliziert im Übrigen eindeutig, dass dieser unentgeltlich zu haben ist. Mithin hat weder die Berufung Erfolgsaussicht, noch ist die mündliche Verhandlung veranlasst.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch auf die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Der Streitwert beruht auf §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO.

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