Baurecht

Bewertung eines Personaleinsatzkonzeptes im Nachprüfungsverfahren

Aktenzeichen  RMF-SG21-3194-4-3

Datum:
1.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZfBR – 2020, 102
Gerichtsart:
Vergabekammer
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VgV § 8 Abs. 1 S. 2, § 17
GWB § 97 Abs. 1, 6, § 99,  § 103 Abs. 1, § 106 Abs. 1, § 160 Abs. 2, § 166 Abs. 1 S. 3, § 167, § 168, § 182
BayVwVfG Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2
BayNpV § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1. Die Wertungsentscheidung muss den an sie zu stellenden vergaberechtlichen Anforderungen genügen. Dazu gehört, dass das vorgeschriebene Verfahren für die Bewertung eingehalten und der Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt wird sowie die von der Vergabestelle selbst aufgestellten Vorgaben beachtet und keine sachwidrigen und gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßenden Erwägungen angestellt werden. (Rn. 87)
2. Eine Punktevergabe erfolgt auf der Grundlage einer wertenden Beurteilung des Entscheidungsträgers. Dass bei den Vorgaben subjektive Komponenten (im Sinne von Einschätzungen, nicht im Sinne von willkürlichen persönlichen Präferenzen) eine wesentliche Rolle spielen, ist offensichtlich. (Rn. 102)
3. Die Vergabestelle hat die Pflicht, die für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend zu dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind. Wird die Auswahlentscheidung zur Vergabenachprüfung gestellt, untersucht die Nachprüfungsinstanz gerade auch die Benotung des Angebots des Antragstellers als solche und in Relation zu den übrigen Angeboten, insbesondere demjenigen des Zuschlagsprätendenden. (Rn. 107 – 108)
4. Bei der Benotung der Angebote kommt es nicht darauf an, jeden Benotungswert rechnerisch herzuleiten. Die Vergabestelle hat keine Verpflichtung, einen Rechenweg der Gesamtpunktzahl genauestens darzustellen. Auch hat sie im Nachhinein keine Unterkriterien herauszuarbeiten bzw. diese mit genauen Punktzahlen zu bezeichnen. Es genügt, wenn die Vergabestelle dokumentiert, auf welche Aspekte sie die Bewertung im Einzelnen stützt. Sie hat dabei die Aspekte zu bezeichnen, denen sie positiv oder negativ besonderes Gewicht beimisst. (Rn. 110 – 111)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Vergabestelle.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Vergabestelle war notwendig.
4. Die Beigeladene trägt ihre Aufwendungen selbst.
5. Die Gebühr für dieses Verfahren beträgt x….,– €.
Auslagen sind nicht angefallen.

Gründe

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
a) Die Vergabekammer Nordbayern ist für das Nachprüfverfahren nach § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 Satz 2 BayNpV sachlich und örtlich zuständig.
b) Die VSt ist öffentlicher Auftraggeber nach § 99 GWB.
c) Bei dem ausgeschriebenen Dienstleistungsauftrag Fachplanungsleistungen für den Neubau …; in 4 Losen; hier Los 3 Tragwerksplanung HOAILeistungsphasen 1-6; handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 103 Abs. 1 GWB.
d) Der Auftragswert übersteigt den Schwellenwert, § 106 Abs. 1 GWB.
e) Die ASt ist antragsbefugt. Sie hat i.S.d. § 160 Abs. 2 GWB vorgetragen, dass sie ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag hat, und eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht. Sie hat geltend gemacht, dass ihr durch die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene aufgrund der Wertung der Personaleinsatzkonzepte ein Schaden zu entstehen droht. Im Rahmen der Zulässigkeit sind an die Antragsbefugnis keine allzu hohen Anforderungen geknüpft.
f) Die ASt hat mit Schreiben vom 18.1.2019 rechtzeitig nach Erhalt des Informationsschreibens gemäß § 134 GWB vom 11.1.2019 die Wertung der Personaleinsatzkonzepte gerügt.
g) Zum Zeitpunkt der Stellung des Nachprüfungsantrags am 21.1.2019 war auch die 15-Tages-Frist gem. § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB nicht abgelaufen, die der ASt nach der Rügezurückweisung vom gleichen Tag zur Verfügung steht.
h) Der Zuschlag wurde noch nicht erteilt, § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB.
2. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet.
Die Durchführung des Vergabeverfahrens verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB.
Die Bewertung der Personaleinsatzkonzepte ist nicht zu beanstanden.
Die Bewertung der Angebote erfolgt im Rahmen der bekannt gemachten Zuschlagskriterien und deren bekannt gemachten Gewichtung, sowie im Rahmen des bekannt gemachten Punkteschemas.
Bei der Bewertung hat die Vergabestelle im Rahmen ihres Beurteilungsspielraumes gehandelt. Die Bewertung ist ausreichend dokumentiert.
a) Der EuGH setzt als Maßstab für die Bewertung und Einstufung der Angebote an, dass bei der Bewertung keine Veränderung der bekannt gemachten Zuschlagskriterien oder ihrer Gewichtung erfolgen darf (EuGH, Urteil vom 14.7.2016, C-6/15).
Die VSt hat in den Vergabeunterlagen die Zuschlagskriterien Preis und Personaleinsatzkonzept 70% zu 30% festgelegt. Die Bewertung erfolgte nach dieser Gewichtung.
b) Die Bewertungen der Angebote der ASt und der BGl hinsichtlich des Personaleinsatzkonzeptes sind nicht zu beanstanden.
Die Vergabekammer prüft die Bewertung der VSt nur daraufhin, ob diese ihren Beurteilungsspielraum verletzt hat. Sie ersetzt insbesondere nicht die Wertung der VSt durch eine eigene Wertung.
Die Wertungsentscheidung muss den an sie zu stellenden vergaberechtlichen Anforderungen genügen. Dazu gehört, dass das vorgeschriebene Verfahren für die Bewertung eingehalten und der Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt wird sowie die von der Vergabestelle selbst aufgestellten Vorgaben beachtet und keine sachwidrigen und gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßenden Erwägungen angestellt werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8.3.2017-Verg 39).
Bei dem Zuschlagskriterium Personaleinsatzkonzept hat die Vergabestelle vorgegeben, was der Bieter für das konkrete Vorhaben darzulegen hat und worauf es der Vergabestelle hierbei ankommt.
Es war darzulegen, mit welchen Personen der Bieter die geschuldete Leistung erbringen wird.
Es war darzulegen, welche Vertretung für den Fall von Urlaub oder Krankheit vorgesehen ist.
Es war darzulegen, wie eine Informationsweitergabe in diesen Fällen erfolgt.
Es kommt der Vergabestelle hierbei darauf an, dass bei Urlaub und Krankheit eine Vertretungssituation mit fachlich qualifizierter Vertretung sichergestellt ist.
Es kommt der Vergabestelle darauf an dass die Vertretung über alle notwendigen Projektinformationen verfügt.
Die eingereichten Konzepte müssen plausibel und nachvollziehbar sein.
Es ist darzulegen, welche Person im Projektteam welche Aufgabe übernimmt.
c) Die VSt hat sich vorliegend an die von ihr aufgestellten Bewertungsmaßgaben, Zuschlagskriterien und Gewichtungen gehalten.
aa) Die Vergabestelle hat in der Wertung des Personaleinsatzkonzeptes bei der Antragstellerin und bei der Beigeladenen jeweils dokumentiert, welche Aspekte im Einzelnen positiv gewertet worden sind. Bei beiden Bietern stellt sie darüber hinaus fest, dass alle aufgeworfenen Fragestellungen in dem Konzept vollumfänglich dargelegt werden und es daher keine negativen Wertungsaspekte gibt.
Bei den als positiv bezeichneten Aspekten nimmt die Vergabestelle jeweils Bezug auf die vorab bekannt gegebenen Fragestellungen der personellen Aufgabenverteilung, der Vertretungsregelungen und der Informationsweitergabe und hebt deren Vorzüge im Einzelnen hervor.
Die textliche Zusammenfassung der Bewertungen als „sehr gut“ bezeichnet die Ausführungen der Bieter abschließend als vollumfänglich plausibel und nachvollziehbar und ohne Kritikpunkte und begründet die Vergabe der jeweils vollen 30 Punkte.
Die Vergabestelle hat sich somit bei der Wertung des Zuschlagskriteriums Personaleinsatzkonzept eng an die von ihr vorab aufgestellten Bewertungsmaßgaben gehalten. Sie hat in der Bewertung genau die Fragestellungen thematisiert und dokumentiert, die sie vorher abgefragt hat.
bb) Auch an die vorab bekannt gegebene Bewertungsmethode „sehr gute Lösung (23-30 Punkte) – „schlechte Lösung (0-6 Punkte)“ hat sich die Vergabestelle gehalten.
Eine Punktevergabe erfolgt auf der Grundlage einer wertenden Beurteilung des Entscheidungsträgers. Dass bei den Vorgaben, wie bei jeder Wertung, subjektive Komponenten (im Sinne von Einschätzungen, nicht im Sinne von willkürlichen persönlichen Präferenzen) eine wesentliche Rolle spielen, ist offensichtlich (OLG München, Beschluss vom 10.8.2017, Verg 3/17).
Soweit die Bieter ihre Konzepte für die Erfüllung der Qualitätskriterien schriftlich darstellen sollen, hat der Wettbewerb partiell das Gepräge eines Vergabeverfahrens mit funktionaler Leistungsbeschreibung (Vgl. BGH, Beschluss vom 4.4.2017-X ZB 3/17).
Es ist der Vergabestelle vorliegend somit nicht verwehrt, die jeweiligen benannten Aspekte gleichermaßen an subjektiven Komponenten zu messen.
Bei jeder Wertungsentscheidung verbleibt der Vergabestelle insofern ein nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der exakten Punktevergabe.
cc) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war die Vergabestelle nicht verpflichtet, zur Wertung eine weiteres Schema oder eine Methode festzulegen um ausreichend transparent werten zu können.
Die Vergabestelle hat die Pflicht, die für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend zu dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind (BGH, Beschluss vom 4.4.2017- X ZB 3/17).
Wird die Auswahlentscheidung zur Vergabenachprüfung gestellt, untersucht die Nachprüfungsinstanz gerade auch die Benotung des Angebots des Antragstellers als solche und in Relation zu den übrigen Angeboten, insbesondere demjenigen des Zuschlagsprätendenden (BGH, Beschluss vom 4.4.2017- X ZB 3/17).
Die Vergabestelle hat bereits in den Vergabeunterlagen ausführlich dargelegt, auf welche Aspekte des Personaleinsatzkonzeptes es ihr maßgeblich ankommt. Genau diese Aspekte hat die Vergabestelle anschließend in ihrer Wertungsentscheidung jeweils hervorgehoben, dokumentiert und daraus abschließend eine konkrete Gesamtpunktzahl begründet (vgl. 2b) und 2c) aa)). Die vorab aufgestellte Bewertungsmethodik ermöglicht vorliegend eine ausreichend transparente Bewertung der Konzepte ex-post.
Aus Sicht der Kammer kommt es bei der Benotung der Angebote nicht darauf an, jeden Benotungswert rechnerisch herzuleiten. Die Vergabestelle hat keine Verpflichtung einen Rechenweg der Gesamtpunktzahl genauestens darzustellen. Auch hat sie im Nachhinein keine Unterkriterien herauszuarbeiten, bzw. diese mit genauen Punktzahlen zu bezeichnen.
Es genügt, wenn die Vergabestelle dokumentiert, auf welche Aspekte sie die Bewertung des Konzepts im Einzelnen stützt. Sie hat dabei die Aspekte zu bezeichnen, denen sie positiv oder negativ besonderes Gewicht beimisst.
Die Untersuchung der Benotung der Konzepte der Antragstellerin und der Beigeladenen ergibt, dass die Vergabestelle ausreichend nachvollziehbar dokumentiert hat, welche konkrete Eigenschaften der Konzepte mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind. Beide Konzepte haben hinsichtlich der vorgegebenen Fragestellungen nachvollziehbar eine hohe Punktzahl erhalten. Welche Punktzahl dies im Einzelnen ist, ist die Entscheidung der Vergabestelle. Gleichermaßen gute bzw. sehr gute Konzepte können daher auch gleich hohe Punktzahlen erhalten.
Es ist vorliegend insbesondere nicht ersichtlich, dass die Vergabestelle das Kriterium Personaleinsatzkonzept leer laufen ließ. Einige Bieter haben gerade nicht die volle Punktzahl für dieses Zuschlagskriterien erhalten. Weiterhin vermag es nicht ungewöhnlich zu sein, dass erfahrene Bieter qualitativ hochwertige Personaleinsatzkonzepte vorstellen. Die Vergabestelle hat im Vorhinein zudem gerade ausführlich geschildert, auf was es ihr ankommt. Die Dokumentation der Bewertungen ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
dd) Es ist weiterhin vorliegend nicht festzustellen, dass bei der Bewertung innerhalb der Zuschlagskriterien Erwägungen eingeflossen sind, die nicht sachgerecht sind.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.
a) Die ASt trägt die Kosten des Verfahrens, weil sie mit ihren Anträgen unterlegen ist (§ 182 Abs. 3 Satz 1, 3 u. 5 GWB).
b) Die Kostenerstattungspflicht gegenüber der VSt ergibt sich aus § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.
c) Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die VSt notwendig (§ 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG entspr.).
Es handelt sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfach gelagerten Fall, so dass es der VSt nicht zuzumuten war, das Verfahren vor der Vergabekammer selbst zu führen. Da die ASt rechtsanwaltlich durch eine auf das Vergaberecht spezialisierte Anwaltskanzlei vertreten war, ist es im Sinne einer Gleichstellung auch sachgerecht, dass sich die VSt von einer auf das Vergaberecht spezialisierten Anwaltskanzlei vertreten ließ.
d) Die Beigeladene hat keine Anträge gestellt. Sie hat damit kein Kostenrisiko auf sich genommen. Sie erhält daher im Umkehrschluss ihre Aufwendungen nicht erstattet.
e) Die Gebühr war nach § 182 Abs. 2 GWB festzusetzen.
Im Hinblick auf die Bruttoangebotssumme der ASt aus dem Angebot und unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer errechnet sich entsprechend der Tabelle des Bundeskartellamtes eine Gebühr in Höhe von ….,- €.
f) Die von der ASt zu tragende Gebühr in Höhe von x….,- € wird mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss von x….,- € verrechnet.
Für den übersteigende Betrag von …,- € erhält die ASt eine Kostenrechnung.

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