Baurecht

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Aktenzeichen  3194.Z3-3_01-20-15

Datum:
12.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 18810
Gerichtsart:
Vergabekammer
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AEUV Art. 101
GWB  § 97 Abs. 1, 2, § 124 Abs. 1 Nr. 4
Art. 57 Abs. 4 Richtlinie 2014/24/EU

 

Leitsatz

1. Die Rechtsfolgen einer Angebotsabgabe in Kenntnis eines anderen Angebots sind nach geltender Rechtslage ausschließlich am fakultativen Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB zu messen.
2. Bei Unternehmen zwischen denen aufgrund eines gemeinsamen Inhabers bzw. Alleingesellschafts und Geschäftsführers kann – anders als bei in einem Konzern verbundenen Unternehmen, die unabhängig voneinander handeln können – von vorneherein kein Wettbewerb bestehen kann, führt eine in diesem Fall gar nicht vermeidbare Kenntnis des jeweils anderen Angebots nicht automatisch zum Ausschluss der Angebote.
3. Ein Ausschluss käme allenfalls – nach dokumentierter Ermessensausübung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – dann in Betracht, wenn durch die beiden in Kenntnis von einander erstellten Angebote der Wettbewerb gegenüber den weiteren Bietern verfälscht würde.
4. Da die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung unter den Gemeindeorganen, im Unterschied zur verwaltungsinternen Geschäftsverteilung, auch gegenüber Außenstehenden rechtliche Bedeutung besitzt, führt eine Vergabeentscheidung, die unter Verletzung dieser gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung getroffen wurde, jedenfalls dann zu einer Rechtsverletzung von Bietern, wenn die Entscheidung durch das Vergaberecht nicht zwingend vorgegeben war, sondern in Ausübung von Ermessen erfolgt ist.

Tenor

1. Der Antragsgegner hat die Angebote des Antragstellers zu 1) und der Antragstellerin zu 2) unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer wieder in die Prüfung und Wertung aufzunehmen.
2. Es wird festgestellt, dass der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) durch die Ausschreibung von Optionen bzgl. des mandantenfähigen rechnergestützten Betriebsleitsystems und durch die Vergabeentscheidung vom 01.04.2020 durch den seinerzeit unzuständigen Landrat vor Erledigung dieser Rügepunkte in ihren Rechten verletzt war.
3. Der Antragsgegnerund die Beigeladene tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragstellers zu 1) und der Antragstellerin zu 2) jeweils zur Hälfte.
4. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von…,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
5. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) war jeweils notwendig.

Gründe

I.
Der Antragsgegner als Aufgabenträger des Öffentlichen Personennahverkehrs gem. Art. 8 BayÖPNVG im Nahverkehrsraum A… beabsichtigt, öffentliche Busverkehrsdienstleistungen für das Linienbündel „W… Land 02“ im Wege eines offenen Verfahrens zu vergeben. Zur Abwicklung der Ausschreibung bediente er sich dabei der A…er Verkehrs- und Tarifverbund GmbH. Eine entsprechende Veröffentlichung der Dienstleistung erfolgte im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union. Der Preis ist nicht das einzige Zuschlagskriterium (Ziffer II.2.5 der Bekanntmachung). Gemäß Auftragsbekanntmachung soll der Vertrag vom 13.12.2020 bis zum 09.12.2028 laufen. Dem Auftraggeber steht dabei eine einseitige Option auf eine Verlängerung um zwei weitere Jahre zu. Nebenangebote waren nach der Bekanntmachung nicht zugelassen. Im Zuge der Ausschreibung hatte der Antragsgegner einen Antrag auf Förderung für ein mandantenfähiges, rechnergestütztes Betriebsleitsystem bei der Regierung von S… gestellt, über den bis zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens jedoch noch nicht entschieden wurde.
Unter Ziffer II.2.11) der Auftragsbekanntmachung wurde zu möglichen Optionen festgelegt:
„Optionen: ja Beschreibung der Optionen:
Die AW GmbH hat einen Förderantrag für ein mandantenfähiges rechnergestütztes Betriebsleitsystem (ITCS = Intermodal Transport Control System) für den AVV-Regionalbusverkehr bei der Regierung von S… gestellt, um allen Regionalbusunternehmen im A…er Verkehrs – und Tarifverbund einen gleichen und diskriminierungsfreien Zugang zu einem solchen, Echtzeitdaten generierenden System zu gewähren. Über den Förderantrag der AVV GmbH wurde bis zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens jedoch noch nicht entschieden. Daher gibt es diesbezüglich verschiedene Optionen.
Ferner hat der zuständige Aufgabenträger Landkreis A…-F… unter dem Vorbehalt der Finanzierung der betroffenen Gemeinde entschieden, dass zusätzliche Verkehrsleistungen (Kurs 2416) auf der AVV-Regionalbuslinie 241 zu erbringen sind. Aufgrund der unsicheren Finanzierung und der Notwendigkeit, im Falle der Ablehnung der Finanzierung durch die betroffenen Gemeinden, einen Rückgriff auf eine günstigere Alternative zu ermöglichen, gibt es diesbezüglich verschiedene Optionen.“
In den Ausschreibungsunterlagen ist zu den einzelnen Optionen ausgeführt:
ei der Wertung der Angebote werden die folgenden vier Optionen separat betrachtet und entsprechend der nachfolgend aufgeführten Zuschlagskriterien gewertet.
Option 1:
Bei einer Entscheidung der beteiligten Gemeinden für die Finanzierung des Kurses 2416 auf der AVV-Regionalbuslinie 241 und bei Vorliegen eines positiven Bescheids der Regierung von S… über den Förderantrag der AVV GmbH, kommt die Anlage K. I. 2. 1.1 (Kalkulation – Option 1 Mit Kurs 2416 Linie 241 und mit Verbund-RBL) zur Anwendung. Es gelten die Regelungen zur Option 1.
Option 2:
Bei einer Entscheidung der beteiligten Gemeinden für die Finanzierung des Kurses 2416 auf der AVV-Regionalbuslinie 241 und im Falle, dass kein oder ein negativer Bescheid der Regierung von S… über den Förderantrag der AVV GmbH vorliegt, kommt die Anlage K. I. 2. 1.2 (Kalkulation – Option 2 Mit Kurs 2416 Linie 241 und mit Verkehrsunternehmen (VU)-RBL) zur Anwendung. Es gelten die Regelungen zur Option 2.
Option 3:
Bei einer Entscheidung der beteiligten Gemeinden gegen die Finanzierung des Kurses 2416 auf der AVV-Regionalbuslinie 241 und bei Vorliegen eines positiven Bescheids der Regierung von S… über den Förderantrag der AVV GmbH, kommt die Anlage K. I. 2. 1.3 (Kalkulation – Option 3 Ohne Kurs 2416 Linie 241 und mit Verbund-RBL) zur Anwendung Es gelten die Regelungen zur Option 3.
Option 4:
Bei einer Entscheidung der beteiligten Gemeinden gegen die Finanzierung des Kurses 2416 auf der AVV-Regionalbuslinie 241 und im Falle, dass kein oder ein negativer Bescheid der Regierung von S… über den Förderantrag der AVV GmbH vorliegt, kommt die Anlage K. I. 2. 1.4 (Kalkulation – Option 4 Ohne Kurs 2416 Linie 241 und mit Verkehrsunternehmen (VU)-RBL) zur Anwendung. Es gelten die Regelungen zur Option 4.
Die Zuschlagserteilung sollte demnach auf das wirtschaftlichste Angebot erfolgen, unter Zugrundelegung des jeweiligen Angebotspreises einer der vier oben genannten Optionen. Die jeweilige Option wurde wiederum davon abhängig gemacht, ob zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung ein positiver, ein negativer oder gar kein Bescheid über den Förderantrag der AVV GmbH vorläge und ob die beteiligten Gemeinden ggf. zur Finanzierung des auf sie entfallenden Kostenanteils bereit seien.
Nach Ziffer III.3.3) der Auftragsbekanntmachung wurde außerdem mitgeteilt:

2) Die Bieter können M… 30% der Leistungen (gemessen an den Fahrplan km pro Jahr) an Subunternehmer vergeben. Näheres regeln die Vergabeunterlagen.

Am 12.02.2020 fand eine Kreistagssitzung des Antragsgegners statt, in der die Vergabeentscheidung vom Kreistag auf den Kreisentwicklungsausschuss delegiert wurde. Dies wurde damit begründet, dass eine Entscheidung in der nächsten Sitzung des Kreistags am 22.04.2020 nach Auffassung der AVV zu spät sei infolge der notwendigen Vorlaufzeit für die Organisation des Betriebs beispielsweise zur Beschaffung von Neufahrzeugen bzw. der Akquise von Personal. Der Kreisentwicklungsausschuss hingegen könne bereits in seiner Sitzung am 01.04.2020 darüber entscheiden.
Insgesamt sechs Bieter reichten bis zum Schlusstermin am 21.02.2020 um 12:00 Uhr Angebote für die verschiedenen Optionen ein, darunter die beiden Antragsteller und die Beigeladene. Die Angebote der Antragsteller wurde dabei jeweils personenidentisch vom Inhaber des Antragstellers zu 1) bzw. dem Geschäftsführer der Antragstellerin zu 2) unterschrieben.
Am 01.04.2020 erging eine dringliche Anordnung des Landrats des Antragsgegners, wonach der Kurs 2416 auf der AVV-Regionallinie nicht vergeben werde. Außerdem werde der Auftrag in der Option 3 an die Beigeladene vergeben, sollte ein positiver Bescheid der Regierung von S… über den Förderantrag vorliegen. Sollte dagegen kein oder ein negativer Bescheid vorliegen, werde der Auftrag in der Option 4 an die Beigeladene vergeben. Die Angebote der Antragsteller würden aufgrund Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb ausgeschlossen. Die dringliche Anordnung wurde damit begründet, dass die Sitzung des Kreisentwicklungsausschusses am 01.04.2020 wegen der CoronaPandemie nicht stattfinden könne, wohingegen die nächste Kreistagssitzung am 22.04.2020 nach Auffassung der AVV zu spät sei.
Mit Informationsschreiben nach § 134 GWB wurde beiden Antragstellern mitgeteilt, dass der Wertung der Angebotspreis nach Option 4 zugrunde gelegt worden sei. Ihre Angebote seien wegen Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb und Wettbewerbsverfälschung ausgeschlossen worden, da beide Angebote von der gleichen Person gefertigt worden seien. Gleichzeitig solle der Zuschlag frühestens am 16.04.2020 auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden.
Daraufhin rügten die Antragsteller mit Schreiben vom 09.04.2020 ihren jeweiligen Angebotsausschluss. So könne ein Wettbewerbsverstoß bzw. eine Verfälschung schon deshalb nicht vorliegen, da die Antragsteller nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stünden. Die Angebotsausschlüsse seien daher vergaberechtswidrig, zumal vor einem Ausschluss ein vorgetragener Wettbewerbsverstoß seitens des Antragsgegners aufzuklären gewesen wäre.
Außerdem wurde gerügt, dass nach einschlägigen Presseberichten davon auszugehen sei, dass die Beigeladene in kartellrechtliche Ermittlungen verwickelt sei. Eine Prüfung etwaiger Ausschlussgründe gem. §§ 123, 124 GWB durch den Antragsgegner sei offenkundig unterblieben bzw. nur unzureichend erfolgt.
Schließlich fehle es mit Blick auf die verschiedenen Optionen dem Vergabeverfahren offensichtlich an der notwendigen Vergabereife, sodass den Bietern unzumutbare Alternativangebote und damit einhergehend ein unverhältnismäßiger Aufwand für die Angebotserstellung aufgebürdet werde. Auch stelle die vorgenommene Beschränkung der Unterauftragsvergabe auf 30% einen Vergabeverstoß dar.
Mit Schreiben vom 14.04.2020 wies der Antragsgegner die Rügen der Antragsteller zurück. Er hielt an seiner Auffassung eines Wettbewerbsverstoßes durch die Antragsteller fest. Zudem sei in Bezug auf etwaige Ausschlussgründe nach § 124 GWB bei der Beigeladenen Ermessen dahingehend ausgeübt worden, dass diese nicht auszuschließen sei. Was die Optionen angehe, seien diese zulässig, da diese von Entscheidungen Dritter abhingen und in den Vergabeunterlagen exakt definiert worden seien. Die Berechtigung zur Vorgabe einer Selbstausführungsquote wiederum ergebe sich aus Art. 4 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007.
Nachdem den Rügen der Antragsteller nicht abgeholfen wurde, stellten die Antragsteller mit Schreiben vom 15.04.2020 einen Nachprüfungsantrag und beantragten,
1. festzustellen, dass die Antragsteller in ihren Bieterrechten gem. § 97 Abs. 6 GWB verletzt sind und
2. die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen der Antragsteller zu verhindern, insbesondere:
a) dem Antragsgegner die Erteilung des Zuschlags auf der Grundlage des bisherigen Vergabeverfahrens zu untersagen und
b) dem Antragsgegner für den Fall der fortgesetzten Vergabeabsicht aufzugeben, das Vergabeverfahren in den Stand vor Auftragsbekanntmachung oder (hilfsweise) in den Stand vor der Angebotsprüfung und -wertung zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen.
3. den Antragstellern Einsicht in die Vergabeakten gem. § 165 Abs. 1 GWB zu gewähren;
4. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller gem. § 182 Abs. 4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG für notwendig zu erklären und
5. dem Antragsgegner die Kosten des Nachprüfungsverfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen der Antragsteller aufzuerlegen.
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig, insbesondere liege keine Rügepräklusion vor im Hinblick auf § 160 Abs. 3 GWB. Eine frühere Rügeverpflichtung aus § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 GWB habe nicht bestanden, da ein Vergaberechtsverstoß erst dann erkennbar sei, wenn er von einem durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt und unter Zugrundelegung der üblichen Kenntnis als Rechtsverstoß erkannt werden könne (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 06.06.2019, 15 Verg 8/19; EuGH, Urteil. v. 23.03.2015, Rs. C-538/13). Bei Anlegen dieses Maßstabs seien weder die ausgeschriebenen vier Optionen noch die Selbsterbringungsquote für die Antragsteller als Vergaberechtsverstöße erkennbar gewesen, da hierfür über den reinen Gesetzestext hinaus vertiefte Kenntnisse über die hierzu ergangene Rechtsprechung erforderlich seien. Die Rüge vom 09.04.2020 erfolgte rechtzeitig i.S.d. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nach Kenntnisnahme und juristischer Prüfung durch die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller.
Der Nachprüfungsantrag sei begründet, da dem Vergabeverfahren angesichts der verschiedenen Optionen offenkundig die Vergabereife gefehlt habe. Dadurch sei zum einen den Bietern ein unverhältnismäßiger Aufwand für die Angebotserstellung abverlangt worden, zum anderen sei vom Antragsgegner eine unzulässige Markterkundung i.S.d. § 28 Abs. 2 VgV vorgenommen worden, da nur eine von vier möglichen Optionen bezuschlagt worden wäre. Das Argument des Antragsgegners, dass die Optionen von Entscheidungen Dritter abhingen, verfange nicht, da die sachgerechte, vollständige und rechtzeitige Ermittlung des zu deckenden Beschaffungsbedarfs Sache des Auftraggebers sei. Der Pflicht zur Herstellung der notwendigen Vergabereife entziehe sich der Antragsgegner, wenn er mit ausdifferenzierten Vergabebedingungen zu den alternativ anzubietenden Optionen und zur jeweils optionsabhängigen Wertung der Angebote versuche, den Mangel der vorherigen Planung und Festlegung der ausgeschriebenen Leistung zu Lasten der Bieter in das Vergabeverfahren zu verlagern. Dies verletze den Grundsatz der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung, weil die Bieter nicht bestimmen könnten, welche Leistung von ihnen im Auftragsfall verlangt werde. Auch der Transparenzgrundsatz gem. § 97 Abs. 1 GWB sei betroffen, weil sich die Bieter nicht darauf konzentrieren könnten, das nach allen bekannt gemachten Zuschlagskriterien wirtschaftlichste Angebot zu erstellen. Schließlich sei auch der Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 2 GWB tangiert, weil die nachträgliche Bestimmung der einschlägigen Option und der einschlägigen Zuschlagskriterien dem Antragsgegner Manipulationsmöglichkeiten eröffne.
Dessen ungeachtet enthalte die Ausschreibung ein vergaberechtswidriges Selbstausführungsgebot bzw. eine unzulässige Nachunternehmerbeschränkung durch eine Limitierung der Ausführung durch Nachunternehmer auf M…imal 30% der ausgeschriebenen Leistung. Eine nach Meinung des Antragsgegners zulässige Berechtigung zu einer derartigen Beschränkung lasse sich jedoch nicht auf Art. 4 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 stützen. So handle es sich bei dem streitgegenständlichen Auftrag nicht um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag i.S.d. Art. 2 lit. i) der Verordnung (EG) 1370/2007, sondern lediglich um einen einfachen Dienstleistungsauftrag, so dass die vom Antragsgegner angeführte Entscheidung des EuGH hier nicht einschlägig sei (Urteil vom 27.10.2016, Rs. C-292/15, „Hörmann Reisen“). Zudem sei diese Entscheidung seit der Vergaberechtsreform 2014/2016 überholt, da der Unionsgesetzgeber zwischenzeitlich mit den neuen Vergaberichtlinien eine klare Regelung im Verhältnis der neuen Richtlinien zur alten Verordnung getroffen habe. Somit sei ein Rückgriff auf die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 als lex specialis nicht mehr möglich, da der Unionsgesetzgeber klar geregelt habe, dass die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen, die keine Verkehrsdienste auf der Schiene und keine Konzession beträfen, ausschließlich nach den Richtlinien 2014/24/EU bzw. 2014/25/EU zu erfolgen habe.
Der Ausschluss des Angebots der Antragsteller sei in jedem Fall – zumal ohne vorherige Aufklärung – zu Unrecht erfolgt. Der vom Antragsgegner angenommene Verstoß gegen den Wettbewerbsgrundsatz bzw. eine Verfälschung des Wettbewerbs liege nicht vor. Die Antragsteller bildeten einen „qualifiziert faktischen Konzern“ i.S.d. § 17 Abs. 1 AktG, so dass beide Antragsteller nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stünden. Dies sei sowieso durch die umfassende Leitungsmacht des Antragstellers zu 1) sowie die vollständige Beherrschung des Antragstellers zu 2) ausgeschlossen. Folglich bildeten beide Antragsteller ein einheitliches Unternehmen, das keinem Binnenwettbewerb unterliege. Somit könne bei fehlendem Wettbewerb dieser auch nicht eingeschränkt oder verfälscht werden. Daher wären die Wettbewerbsregeln nach § 97 Abs. 1 GWB für Unternehmen, die eine wirtschaftliche Einheit bildeten, nicht anwendbar (EuGH, Urteil v. 17.05.2018, Rs. C-531/16). Die Angebote der Antragsteller seien im streitgegenständlichen Verfahren wie mehrere (Haupt-) Angebote durch ein und denselben Bieter zu betrachten. Dies sei nach der Rechtsprechung anerkannt und im vorliegenden Fall in den Vergabeunterlagen auch nicht ausgeschlossen oder untersagt worden. Die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung bestünde in einem solchen Fall nicht (BGH, Urteil v. 29.11.2016, X ZR 122/14) und sei jedenfalls dann unproblematisch, wenn sich die Angebote nicht nur im Preis, sondern auch sachlich-technisch voneinander unterscheiden würden (BGH, ebd.; OLG München, Beschluss v. 29.10.2013, Verg 11/13). Diese Vorgabe sei hier erfüllt, da die Angebote der Antragsteller voneinander abweichende Fahrzeugkombinationen beinhalteten.
Der vergaberechtswidrige Ausschluss der Angebote der Antragsteller sei jedoch insofern bedeutungsvoll, als das Angebot des Zuschlagsdestinärs nicht ausgeschlossen worden sei, obwohl dieser nach Informationen aus der Presse in noch laufende kartellrechtliche Ermittlungen rund um ein A…er Bus-Kartell verwickelt zu sein scheine. Vor diesem Hintergrund erscheine es zweifelhaft, dass der Antragsgegner sein Ermessen hinsichtlich der Prüfung etwaiger Ausschlussgründe gem. §§ 123, 124 GWB ordnungsgemäß ausgeübt habe. Der Nichtausschluss der Beigeladenen bei gleichzeitigem Ausschluss der Antragsteller unter Verweis auf wettbewerbsrechtliche Gesichtspunkte lasse eine unzulässige Ungleichbehandlung der Bieter erkennen.
Die Vergabekammer informierte den Antragsgegner über den Nachprüfungsantrag mit Schreiben vom 15.04.2020 und forderte die Vergabeunterlagen an, die der Vergabekammer mittels Leserechten auf der eVergabe – Plattform zugänglich gemacht wurden.
Die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners erwiderte hierauf mit Schriftsatz vom 30.04.2020 und beantragte,
1.Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2.Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung angefallenen Kosten des Antragsgegners zu tragen.
3.Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für den Antragsgegner wird für notwendig erklärt.
Der Nachprüfungsantrag sei hinsichtlich der fehlenden Vergabereife, unzulässigen Markterkundung und Selbsterbringungsquote wegen Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB als unzulässig zurückzuweisen. Es wurde dazu ausgeführt, dass diese Verstöße für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt erkennbar gewesen seien. Insbesondere die Selbsterbringungsquote sowie die verschiedenen Optionen seien bereits aus der Auftragsbekanntmachung bzw. den Vergabeunterlagen ersichtlich gewesen.
Ebenso sei die Antragsbefugnis der Antragsteller zu verneinen, da zum einen deren Angebote wegen Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb zwingend auszuschließen gewesen seien und zum anderen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH (Beschluss v. 26.09.2006, X ZB 14/06) kein Sachverhalt gegeben sei, um die übrigen Angebote im Vergabeverfahren ebenfalls auszuschließen. Eine Aufklärung der Angebote der Antragsteller durch den Antragsgegner sei entbehrlich gewesen, da Herr S… als die für beide Angebote verantwortliche Person benannt worden sei, so dass seine Kenntnis beider Angebote feststehe mit der Folge, dass ein Verstoß gegen den Geheimwettbewerb vorläge. Auch eine Klassifizierung als qualifiziert faktischer Konzern als Begründung eines fehlenden Wettbewerbsverhältnisses sei unerheblich für die Frage der Verletzung des Geheimwettbewerbs, da die Antragsteller getrennte Angebote abgegeben hätten, wodurch ein Wettbewerbsverhältnis zu Dritten entstanden sei. Gleichzeitig sei der Antragsgegner nach Prüfung der Eignung der Beigeladenen gem. § 42 Abs. 1 i.V.m. §§ 122 ff. GWB rechts- und ermessensfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, von einem Ausschluss deren Angebots nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB abzusehen.
Der Antrag sei auch unbegründet, da aufgrund des wirksamen Ausschlusses der Antragsteller und der vorliegenden zuschlagsfähigen Angebote der Mitbewerber die Antragsteller keine Chance auf die Auftragserteilung hätten.
Hinsichtlich der strittigen Selbsterbringungsquote würden die Antragsteller den weiten Anwendungsbereich der in Art. 2 lit. i) der VO (EG) Nr. 1370/2007 enthaltenen Definition eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags verkennen. Mittels der Vergabe eines Verkehrsvertrages erfolge hier die Betrauung des Ausschreibungsgewinners mit der Verwaltung und Erbringung von öffentlichen Personenverkehrsdiensten auf den streitgegenständlichen Linien, für die es dann noch zusätzlich der Linienverkehrsgenehmigungen durch die Regierung von S… bedürfe. Weder in dem von den Antragstellern angeführten Urteil des EuGH noch in irgendeiner anderen Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Anwendung der VO (EG) Nr. 1370/2007 sei in Zweifel gezogen worden, dass es sich bei der Vergabe eines Verkehrsvertrages um die Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags i.S.d. Art. 2 lit. i) der VO (EG) Nr. 1370/2007 handle.
Abwegig sei die Auffassung der Antragsteller, dass die Entscheidung des EuGH vom 27.10.2016 in der Rechtssache C-292/15 seit der Vergaberechtsreform 2014/2016 nicht mehr aufrechterhalten werden könne. Etwaige Erwägungsgründe der RL 2014/24/EU stünden einem Rückgriff auf die VO (EG) Nr. 1370/2007 nicht entgegen. Es werde verkannt, dass gem. Art. 5 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1370/2007 bei der Vergabe eines Auftrags über den öffentlichen Personenverkehrsdienst mit Bussen nur die Bestimmungen von Art. 5 Abs. 2 bis 6 dieser Verordnung nicht anwendbar seien. Dies habe der EuGH etwa mit Urteil vom 20.09.2018, Rs. C-518/18 unter Bezugnahme auf seine Entscheidung in Sachen „Hörmann Reisen“ festgestellt. Somit stünde zweifelsfrei fest, dass auch nach der Vergaberechtsreform die Anwendbarkeit von Art. 4 Abs. 7 der VO (EG) Nr. 1370/2007 gegeben sei und eine Beschränkung der Nachunternehmervergabe gestattet sei.
Es liege auch keine fehlende Vergabereife oder eine unzulässige Markterkundung vor. Es sei in den Vergabeunterlagen transparent ausgeführt worden, welche verschiedenen Optionen erforderlich seien und unter welchen Voraussetzungen welche Option zur Bezuschlagung gelange. Es wurden noch nähere Ausführungen zu den Hintergründen der Notwendigkeit der verschiedenen Optionen, insbesondere zu dem geplanten Fördervorhaben eines Betriebsleitsystems sowie zur Möglichkeit der Einführung eines zusätzlichen Linienkurses gemacht.
Mit Verfügung vom 13.05.2020 wurde die Frist bis zur Entscheidung der Vergabekammer gemäß § 167 Abs. 1 S. 2 GWB bis 31.07.2020 verlängert.
Die Antragsteller erwiderten auf das Vorbringen des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 14.05.2020, dass eine Rügepräklusion zur fehlenden Vergabereife sowie zur Selbsterbringungsquote ausweislich der ständigen Rechtsprechung des EuGH nicht vorläge. Eine Frist, die für die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens vorgeschrieben sei, beginne erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, ab dem ein Bieter von dem geltend gemachten Verstoß Kenntnis erlangt habe oder hätte erlangen müssen. Maßstab hierfür sei ein durchschnittlich fachkundiger Bieter, der die übliche Sorgfalt anwende. Eine objektive Erkennbarkeit sei somit nur für solche offensichtlichen Verstöße zu bejahen, die einem durchschnittlich erfahrenen Bieter bei der Angebotserstellung als rechtswidrig auffallen müssten. Dies sei für die Antragsteller im vorliegenden Fall nicht erkennbar gewesen im Sinne des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 oder 3 GWB. Hierzu seien vielmehr vertiefte Kenntnisse des Vergaberechts bzw. der einschlägigen Rechtsprechung erforderlich gewesen. Die fristauslösende Kenntnis über die gerügten Vergaberechtsverstöße hätten die Antragsteller erst nach Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 08.04.2020 erlangt und mit Schreiben vom 09.04.2020 gerügt. Eine Rügepräklusion scheide daher aus.
Zur Antragsbefugnis wurde vorgetragen, dass diese selbst bei einem gerechtfertigten Angebotsausschluss gegeben wäre. An eine Schadensdarlegung seien nach ständiger Rechtsprechung keine überzogenen Anforderungen zu stellen. So sei es unzulässig, Fragestellungen zur Begründetheit des Nachprüfungsantrags bereits im Rahmen der Zulässigkeit vorwegzunehmen, um so dem Antragsteller seinen grundrechtlich geschützten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz zu verwehren. Die Antragsteller machten sodann nähere Ausführungen zu den einzelnen gerügten Vergaberechtsverstößen unter dem Aspekt der Antragsbefugnis.
Die Antragsteller hielten ihren Nachprüfungsantrag weiterhin für begründet, da im streitgegenständlichen Vergabeverfahren ein nicht zu rechtfertigender Verstoß gegen den Grundsatz der Vergabereife sowie gegen das Gebot einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung vorliege, dem der Antragsgegner im Einzelnen nicht substantiiert entgegengetreten sei.
Bei der Selbsterbringungsquote wiederum sei zwar, wie der Antragsgegner zutreffend ausführe, der Begriff des „öffentlichen Dienstleistungsauftrags“ weit zu verstehen. Nichtsdestotrotz habe die VO 1370/2007 einen sehr spezifischen Anwendungsbereich, der im vorliegenden Fall nicht eröffnet sei. Auch die Rechtsprechung des EuGH vermöge die Auffassung des Antragsgegners nicht zu stützen, da die Frage, ob ein Verkehrsvertrag wie der hier zu vergebende überhaupt unter den Anwendungsbereich der VO 1370/2007 falle, vom EuGH bisher nicht entschieden worden sei. Ebenso fehle es im vorliegenden Fall an einem Betrauungsakt im Sinn der VO 1370/2007 sowie an der notwendigen Verwaltungskomponente eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags. Da es sich somit um einen einfachen öffentlichen Auftrag über die Ausführung von Bus-Verkehrsdienstleistungen im Sinne der RL 2014/24/EU handle, sei eine Beschränkung der Selbsterbringungsquote vergaberechtswidrig.
Dem Ausschluss der eigenen Angebote widersprach der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller insoweit, als keine Verletzung des Geheimwettbewerbs vorgelegen habe. Im Übrigen stelle es eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dar, wenn den Antragstellern die Möglichkeit der Abgabe mehrerer nicht eigenständiger Angebote versagt werde, anderen Bietern hingegen diese Möglichkeit offen gestanden habe.
Angesichts der in der Tagespresse veröffentlichten schwerwiegenden Vorwürfe im Zusammenhang mit kartellrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die der Antragsgegner in Bezug auf die Beigeladene nicht abgestritten habe, dränge sich der Eindruck auf, dass der Antragsgegner bei der Prüfung des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 GWB ermessensfehlerhaft gehandelt habe. Da § 124 GWB dem Antragsgegner hinsichtlich der Ausschlussfolge nur ein intendiertes Ermessen einräume, bedürfe es besonderer und außergewöhnlicher Gründe, um eine davon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen, so dass aus Gleichbehandlungs- und Wettbewerbsgründen in der Regel das Ermessen auf Null reduziert sein dürfte.
Der Antragsgegner führte in seinem Schriftsatz vom 28.05.2020 aus, die Argumentation der Antragsteller, dass deren Angebote als verschiedene Hauptangebote einer wirtschaftlichen Einheit zu sehen seien, überzeuge nicht. Er begründete seine Auffassung näher und schlussfolgerte daraus, dass eine weitere Prüfung der geltend gemachten Vergabeverstöße entbehrlich sei.
Zu den Vorwürfen der fehlenden Vergabereife merkte der Antragsgegner an, dass den Bietern kein erheblich höherer und unzumutbarer Aufwand für die Angebotserstellung entstanden sei. Ebenfalls keine Bedenken ergäben sich im Hinblick auf die Vorhaltung für den Kurs 2416.
Der Antragsgegner wies im Zusammenhang mit der Selbsterbringungsquote die Auffassung der Antragsteller zurück, dass die streitgegenständlichen Fahrdienste nicht als öffentliche Dienstleistungsaufträge anzusehen seien und somit der Anwendungsbereich der VO 1370 nicht eröffnet sei. Nach der in Art. 2 Buchstabe i) der VO 1370 geregelten Definition eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags sei mit der dort beschriebenen „Übereinkunft“ die Betrauung des Ausschreibungsgewinners gemeint. Dieser betreibe nach der Linienverkehrsgenehmigung durch die Regierung von S… als Unternehmer nach dem PBefG verantwortlich den Linienverkehr, was ihm dadurch ermöglicht werde, dass ihm mit der Zuschlagserteilung nicht nur die Durchführung der Verkehrsleistung, sondern auch die Verwaltung übertragen werde.
Die ehrenamtliche Beisitzerin hat mit Schreiben vom 18.06.2020 die Entscheidung über die Beiladung, den Umfang der Akteneinsicht sowie im Falle eines Rücknahmebeschlusses auf den Vorsitzenden und die hauptamtliche Beisitzerin übertragen.
Der Antragsgegner teilte mit Schreiben vom 01.07.2020 mit, dass zwischenzeitlich ein positiver Förderbescheid ergangen sei, so dass die Wertung nunmehr unter Zugrundelegung des Angebotspreises der Option 3 vorgenommen worden sei. Eine Änderung der Wertungsreihenfolge habe sich dadurch nicht ergeben. Eine geänderte Vorabinformation nach § 134 GWB sei an alle Bieter verschickt worden.
Mit Verfügung vom 22.07.2020 wurde die Frist bis zur Entscheidung der Vergabekammer gemäß § 167 Abs. 1 S. 2 GWB bis 05.10.2020 verlängert.
Mit Beschluss vom 17.09.2020 wurde die für den Zuschlag vorgesehene Bieterin zum Verfahren beigeladen.
Mit Verfügung vom 23.09.2020 wurde die Frist bis zur Entscheidung der Vergabekammer gemäß § 167 Abs. 1 S. 2 GWB bis 01.12.2020 verlängert.
Mit Schreiben vom 25.09.2020 zeigte die Verfahrensbevollmächtigte der Beigeladenen ihre Vertretung an und beantragte Akteneinsicht.
Mit Beschluss vom 28.09.2020 wurde der Umfang der Akteneinsicht festgelegt und der Beigeladenen entsprechende Akteneinsicht gewährt. Gleichzeitig wurde sie hinsichtlich des vorgesehenen Umfangs der Akteneinsicht für die Antragstellerin angehört.
Mit Schreiben vom 05.10.2020 nahm die Beigeladene zum Nachprüfungsverfahren Stellung und beantragte
1.den Nachprüfungsantrag der Antragsteller vom 15.04.2020 zurückzuweisen,
2.den Antragstellern die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen aufzuerlegen,
3.festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung für die Beigeladene notwendig war.
Der Nachprüfungsantrag sei offensichtlich unzulässig und hilfsweise offensichtlich unbegründet, da die Angebote der Antragsteller wegen eines Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb zwingend auszuschließen seien. Dies sei aufgrund der Personenidentität des Geschäftsführers beider Firmen offensichtlich, weswegen eine Aufklärung durch den Antragsgegner entbehrlich gewesen sei. Auch das Argument der wirtschaftlichen Einheit beider Unternehmen verfange nicht, da getrennte Angebote eingereicht worden seien, bei denen jedoch keinerlei Vorkehrungen gegen die Möglichkeit einer wechselseitigen Kenntnisnahme getroffen worden seien. Durch die übrigen vorgebrachten Vergaberechtsverstöße könne aufgrund des zwingenden Ausschlusses der Angebote beider Antragsteller kein Schaden bzw. eine subjektive Rechtsverletzung geltend gemacht werden. Ein Akteneinsichtsrecht der Antragsteller sei daher ebenfalls zu verneinen.
Rein hilfsweise liege durch die Antragsteller ein Verstoß gegen deren Rügeobliegenheit aus § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und 3 GWB vor. Aus Sicht eines verständigen Bieters – der in dem streitgegenständlichen Aufgabenkreis prinzipiell als sehr erfahren anzusehen sei – seien die vermeintlichen Vergaberechtsverstöße erkennbar und daher innerhalb der Angebotsfrist zu rügen gewesen. Hinsichtlich des Nachunternehmereinsatzes sowie der Angebotsoptionen schließe man sich im Übrigen den Ausführungen des Antragsgegners an.
Schließlich sei die erhobene Forderung eines Ausschlusses des Angebots der Beigeladenen wegen fehlender Eignung aufgrund kartellrechtlicher Erwägungen unsubstantiiert und nicht geeignet, die vom Antragsgegner rechtsfehlerfrei bejahte Beurteilung der Eignung in Frage zu stellen.
Mit Schreiben vom 08.10.2020 teilte die Beigeladene zur vorgesehenen Akteneinsicht für die Antragsteller mit, dass prinzipiell Einverständnis zum vorgesehenen Umfang der Akteneinsicht bestünde. Gleichwohl werde darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die Eignungsprüfung der Beigeladenen mittlerweile der zulässige Zeitraum für Ausschlüsse von 3 Jahren gem. § 126 Nr. 2 GWB abgelaufen sei, so dass der Nachprüfungsantrag insofern unbegründet sei und ein Akteneinsichtsrecht nicht bestünde. Zudem sei zwischenzeitlich auch das Kartellverwaltungsverfahren gegen die Beigeladene eingestellt worden.
Mit Beschluss vom 08.10.2020 wurde der Umfang der Akteneinsicht festgelegt und der Antragstellerin entsprechende Akteneinsicht gewährt.
Mit Schriftsatz vom 26.10.2020 nahm die Antragstellerin zur Akteneinsicht Stellung und ergänzte zum Sachverhalt, dass der Vergabevermerk von der AVV GmbH und somit nicht vom Antragsgegner erstellt worden sei. Dieser habe sich den Inhalt nicht zu eigen gemacht, so dass es insoweit an Ermessenserwägungen oder Entscheidungen des Auftraggebers fehle. Einzig die dringliche Anordnung des Landrats vom 01.04.2020 lasse sich dem Auftraggeber als Vergabedokumentation zurechnen.
Die Anordnung wiederum leide an einem unheilbaren formalen Ermessensfehler in Form eines Verstoßes gegen die kommunalrechtliche Zuständigkeitsverteilung auf Seiten des Antragsgegners zwischen dem Kreistag und dem Landrat. Die mit deren Eilbedürftigkeit erklärte Begründung für die dringliche Anordnung sei nämlich in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend gewesen, was von den Antragstellern im Folgenden näher ausgeführt wurde. Dies führe wiederum zu einer insgesamt rechtswidrigen Vergabeentscheidung.
Der Nachprüfungsantrag sei entgegen der Auffassung des Antragsgegners zulässig. Der Antragsgegner habe die Frage eines etwaigen Angebotsausschlusses der Antragsteller von der Begründetheit in die Zulässigkeit vorgezogen. Aufgrund der Fehlerhaftigkeit des Vergabeverfahrens komme es darauf jedoch ohnehin nicht an.
Es bleibe dabei, dass der Nachprüfungsantrag begründet sei. Neben einer übermäßigen Delegation des Vergabeverfahrens an die AVV sei der Ausschluss der Angebote der Antragsteller wegen einer vermeintlichen Verletzung des Geheimwettbewerbs ungerechtfertigt erfolgt, da ein Wettbewerb von vorneherein nicht existiert habe.
Aus der Akteneinsicht gehe zudem hervor, dass die Entscheidung des Antragsgegners, das Angebot der Beigeladenen nicht auszuschließen, ermessensfehlerhaft sei. Begründet wurde dies mit der sachlichen Unzuständigkeit des Landrats des Antragsgegners, der Einbeziehung sachfremder, da wirtschaftlichkeitsorientierter Ermessenserwägungen, einer Ermessensüberschreitung in Form einer Nichtbeachtung des intendierten Ermessens nach § 124 Abs. 1 GWB, einem Ermessensfehlgebrauch durch unterschiedliche Gewichtung von Sachverhaltsgrundlagen, abhängig auch davon, ob es sich um die Antragsteller oder die Beigeladene gehandelt habe, einer Ermessensüberschreitung durch Umgehung der in § 125 GWB normierten Bedingungen und Voraussetzungen, einem Ermessensausfall, da irrtümlicher weise der Antragsgegner eine Eröffnung des § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB nicht erkannt habe, sowie einem weiteren Ermessensausfall, da § 124 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 9 lit. c) GWB vom Antragsgegner übersehen worden seien.
Ebenfalls bestätige sich der Vorwurf der fehlenden Vergabereife bzw. der unzulässigen Markterkundung, was von den Antragstellern vertieft erläutert wurde.
Schließlich könne sich der Antragsgegner auf die – im Übrigen generell unzulässige – Selbsterbringungsquote mangels Anwendbarkeit der VO 1370/2007 nicht berufen. Da vielmehr Art. 63 der RL 2014/24/EU gelte, wonach Bieter unbegrenzt Kapazitäten anderer Unternehmen verwenden dürften, würde die vom Antragsgegner vorgegebene Selbsterbringungsquote gegen diese Norm verstoßen.
Der Kreistag des Antragsgegners genehmigte in seiner Sitzung am 02.11.2020 die Eilentscheidung des Landrats vom 01.04.2020 zur Vergabe des Linienbündels mit Wirkung vom gleichen Tag.
Die Beigeladene teilte mit Schriftsatz vom 09.11.2020 mit, dass der Antragsgegner ermessensfehlerfrei entschieden habe, die Angebote der Antragsteller auszuschließen und den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Kartell- und strafrechtliche Ermittlungen gegen die Beigeladene seien zwischenzeitlich eingestellt worden, so dass für die Beigeladene kein Ausschlussgrund vorläge und dadurch eine Rechtsverletzung der Antragsteller auszuschließen sei.
Die von den Antragstellern vorgetragene Argumentation, sie hätten als wirtschaftliche Einheit agierend zwei Hauptangebote abgegeben, seien als Schutzbehauptungen unbeachtlich.
Der Antragsgegner teilte mit Schriftsatz vom 18.11.2020 mit, das Handeln des AVV lasse sich eindeutig dem Antragsgegner zurechnen, was folgerichtig auch für den Vergabevermerk gelte. Ebenso würden die gegen die Zulässigkeit der dringlichen Anordnung angeführten Gründe nicht verfangen. Die Voraussetzungen für die Dringlichkeit der Anordnung durch den Landrat gem. Art. 34 Abs. 3 LKrO seien gegeben gewesen.
Eine übermäßige Delegation des Vergabeverfahrens an die AVV sei nicht erfolgt, sondern das Verfahren sei kontinuierlich durch den Antragsgegner begleitet und dokumentiert worden. Auch die weiteren Ausführungen der Antragsteller sowohl zu dem vermeintlich ermessensfehlerhaften Nichtausschluss der Beigeladenen als auch zur Selbsterbringungsquote wurden in Gänze als unzutreffend zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 19.11.2020 gaben die Antragsteller und die Beigeladene sowie mit Schreiben vom 22.12.2020 der Antragsgegner ihr Einverständnis zu einer Entscheidung der Vergabekammer nach Aktenlage.
Mit Schreiben vom 10.12.2020 erteilte die Vergabekammer einen rechtlichen Hinweis, wonach nach vorläufiger Rechtsauffassung der Nachprüfungsantrag überwiegend zulässig und insofern begründet sei, soweit die Angebote der Antragsteller wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs ausgeschlossen worden seien, wohingegen die anderen Vergabeverstöße nicht durchdringen könnten. Im Ergebnis seien die Antragsteller daher wieder in das Vergabeverfahren aufzunehmen und ihre Angebote zu werten, sofern der Antragsgegner keine weiteren Ausschlussgründe geltend machen könne. Eine Aufhebung oder Rückversetzung des Vergabeverfahrens sei hingegen nicht geboten. Ebenso sei eine Rechtsverletzung der Antragsteller durch den Nichtausschluss der Beigeladenen nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB nicht ersichtlich.
Auf den Hinweis wird Bezug genommen.
Die Beigeladene nahm hierzu mit Schriftsatz vom 21.12.2020 Stellung. Die Antragstellerin habe nicht als wirtschaftliche Einheit agiert und deshalb das Gebot des Geheimwettbewerbs verletzt. Zudem seien die Antragsteller bei entsprechender Ermessensausübung des Antragsgegners voraussichtlich auch im Hinblick auf § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB auszuschließen, bedingt durch die Insolvenz des Antragstellers zu 1) und damit begründeten Zweifeln an der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit der Antragsteller.
Mit Schriftsatz vom 22.12.2020 nahm der Antragsgegner zum rechtlichen Hinweis der Vergabekammer ausführlich Stellung und teilte mit, keine Veranlassung zu sehen, von seiner Rechtsauffassung abzusehen, so dass er am Ausschluss der Angebote der Antragsteller festhalte.
Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 04.01.2021 stellte die Antragstellerin ihr Rechtsschutzbegehren derart um, dass sie vorrangig beantragt, die Angebote der Antragstellerinnen wieder in die Wertung zu nehmen und die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen und lediglich hilfsweise verlangt, das Vergabeverfahren in einen frühen Stand vor Angebotsabgabe zurück zu versetzen und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
Zudem sei nach Auffassung des Antragstellers zu 1) und der Antragstellerin zu 2) hinsichtlich zweier Rügepunkte im Laufe des Nachprüfungsverfahrens nachträglich (nach Einreichung des Nachprüfungsantrags) eine (Teil‐)Erledigung „in sonstiger Weise“ gemäß § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB eingetreten:
So habe sich die fehlende Vergabereife im Hinblick auf die Ausschreibung der Optionen 3 und 4 bezüglich des mandantenfähigen rechnergestützten Betriebsleitsystems (Verbund‐RBL) nach den Feststellungen der Vergabekammer „in sonstiger Weise“ (§ 168 Abs. 2 Satz 2 GWB) erledigt. Zum einen habe sich der Antragsgegner mit der geänderten Vorabinformation vom 30.06.2020 (Anlage AST 6 und AST 7) nachträglich – nach Einreichung des Nachprüfungs‐ antrags vom 15.04.2020 – nunmehr auf die Option 3 festgelegt und es sei angesichts des zwischenzeitlich vorliegenden Förderbescheids der Regierung von S… vom 25.06.2020 auch nicht zu erwarten, dass sich der Antragsgegner noch ein weiteres Mal umentscheide. Zum anderen habe die Vergabekammer in ihrem Hinweis vom 10.12.2020 – für die Antragstellerinnen erstmals erkennbar – klargestellt, dass die Ausschreibung der Optionen 3 und 4 keine Auswirkung auf die Bieterreihenfolge gehabt habe. Insoweit sei der zum Zeitpunkt seiner Einreichung zunächst zulässige und begründete Nachprüfungsantrag der Antragstellerinnen folglich inzwischen (teil‐)erledigt.
Auch die Unzuständigkeit des Landrats des Antragsgegners für die „Dringliche Anordnung“ vom 01.04.2020 habe sich im Laufe des Nachprüfungsverfahrens nachträglich „in sonstiger Weise“ (§ 168 Abs. 2 Satz 2 GWB) erledigt. Mit dem Beschluss des Kreistags vom 02.11.2020 (Anlage Ag 2) habe das originär zuständige Gemeindeorgan die fehlerhafte Entscheidung des Landrats nicht (ex tunc) „geheilt“, sondern (ex nunc) ersetzt. Nachträglich – nach Einreichung des Nachprüfungsantrags am 15.04.2020 – liege damit eine Vergabeentscheidung vor, die zumindest nicht mehr die innergemeindliche Organkompetenz verletze. Auch insoweit sei der zum Zeitpunkt seiner Einreichung zunächst zulässige und begründete Nachprüfungsantrag der Antragstellerinnen inzwischen (teil‐)erledigt.
Hinsichtlich dieser beiden erledigten Rügepunkte hätten die Antragstellerinnen bereits mit der Einreichung des Nachprüfungsantrags einen Antrag auf Feststellung der Rechtsverletzung gestellt. Soweit dies noch erforderlich sein sollte, würden die Antragstellerinnen den Antrag nach § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB hiermit nochmals stellen. Das insoweit erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass die Antragstellerinnen beabsichtigen, den Antragsgegner hinsichtlich des durch die Rechtsverletzung entstandenen Schadens auf Ersatz in Anspruch zu nehmen (§§ 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 Nr. 1 und § 280 Abs. 1 BGB; vgl. für viele BGH, Urt.v. 09.06.2011 – X ZR 143/10). Ein nach §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB erstattungsfähiger Schaden sei den Antragstellerinnen bereits in Form ihrer außergerichtlichen, von der Kostenentscheidung der Vergabekammer nicht (mit‐)umfassten Rechtsverfolgungskosten für die Prüfung der streitgegenständlichen Ausschreibung und der anwaltlichen Rüge vom 09.04.2020 (Anlage AST 04) entstanden. Ein weitergehender Schadenersatzanspruch könne sich für die Antragstellerinnen zudem daraus ergeben, dass der hier streitgegenständliche Auftrag zwischenzeitlich für mindestens 6 (und optional bis zu 12) Monate interimsweise an die Beigeladene vergeben worden sei, wobei die Interimsleistungen wirtschaftlich an die Stelle der ausgeschriebenen Leistungen treten würden, die ihrerseits ersatzlos entfielen. Soweit damit vom Antragsgegner ein wirtschaftlich gleichzusetzender Auftrag – teilweise – bereits erteilt worden sei und dieser insoweit an die Stelle des hier zu vergebenden Hauptauftrages trete, stehe sogar die Möglichkeit eines auf das positive Interesse gerichteten Schadensersatzes im Raum (vgl. BGH, Urt.v. 20.11.2012 – X ZR 108/10).
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 i.V.m. § § 8a Abs. 2 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 PBefG und §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.
Gegenstand der Vergabe ist ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag i.S.d. Art. 2 lit. i) der VO (EG) Nr. 1370/2007. Der Antragsgegnerist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB.
Die RL 2014/25/EU ist im hier strittigen Nachprüfungsverfahren nicht anzuwenden, da der Antragsgegner kein Sektorenauftraggeber ist. Als Sektorenauftraggeber ist nur anzusehen, wer Verkehrsleistungen selbst erbringt, nicht aber, wer die Dienstleistung lediglich organisiert (OLG Düsseldorf, B. v. 07.11.2012 – Az.: VII-Verg 11/12 und B. v. 21.07.2010 – Az.: VII-Verg 19/10, Vk Südbayern, B. v. 22.12.2014 – Az.: Z3-3-3194-1-51-11/14). Die bloße Organisation solcher Dienstleistungen macht den Antragsgegner nicht zu einem Sektorenauftraggeber. Einer dahingehenden Annahme widersprechen Art. 4 Abs. 1 Buchst. a, Art. 11 UA 2 RL 2014/25/EU wo davon die Rede ist, dass nur solche Auftraggeber der Sektorenrichtlinie unterliegen, die Verkehrsleistungen als solche „erbringen“ oder „ausführen“. In diesem Sinn ist auch § 1 Abs. 1 SektVO richtlinienkonform zu verstehen („Tätigkeiten auf dem Gebiet des Verkehrs“). Infolgedessen ist im hier zu entscheidenden Vergabenachprüfungsverfahren der Antragsgegner nicht als Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 GWB, sondern als öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 99 Nr. 1 GWB zu bewerten, da er den örtlichen Busverkehr für seine Bevölkerung lediglich organisiert, aber nicht selbst erbringt.
Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert in Höhe von 214.000 Euro erheblich.
Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
1.1 Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.
Der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) haben ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgen, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragsteller haben eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere durch den Ausschluss ihrer Angebote; hilfsweise auch aufgrund der ihrer Ansicht nach vergaberechtswidrigen Selbsterbringungsquote, der nach Auffassung der Antragsteller fehlenden Vergabereife bzgl. des mandantenfähigen, rechnergestützten Betriebsleitsystems und der unzulässigen Ausschreibung des Kurses 2416 zu Markterkundungszwecken, des ihrer Ansicht nach ermessensfehlerhaften Nichtausschlusses der Beigeladenen sowie der Vergabeentscheidung durch den kommunalrechtlich unzuständigen Landrat geltend gemacht.
Die Antragsbefugnis der Antragsteller entfällt nicht aufgrund ihres Ausschlusses durch den Antragsgegner wegen des angenommenen Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb. Die Rechtmäßigkeit dieses Ausschlusses ist Gegenstand des vorliegenden Vergabenachprüfungsverfahrens und im Rahmen der Begründetheit zu entscheiden. Auch bezüglich der weiteren Rügepunkte lässt der vorgenommene Ausschluss der Antragsteller deren Antragsbefugnis nicht entfallen. Müsste das Vergabeverfahren aufgehoben oder zurückversetzt werden, so dass neue Angebote einzuholen wären, könnten entweder der Antragsteller zu 1 oder die Antragstellerin zu 2 ein neues Angebot abgeben und die Problematik der Angebotsabgabe in Kenntnis eines weiteren Angebots vermeiden. Den Antragstellern stünde insoweit eine zweite Chance zu.
1.2 1.2 Die Antragsteller haben auch überwiegend ihrer Rügeobligenheit nach § 160 Abs. 3 Satz1 GWB genügt.
Dies gilt offensichtlich für den Ausschluss der Antragsteller, den diese nach der Mitteilung nach § 134 GWB am 02.04.2020 am 09.04.2020 gerügt haben und damit die 10-Tage-Frist des § 160 Abs. 3 Satz1 Nr.1 GWB eingehalten haben.
Bzgl. der weiteren Rügepunkte kommt eine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Satz1 Nr.2 oder 3 GWB überwiegend nicht in Betracht. Dies gilt insbesondere für die Rüge der nach Auffassung der Antragsteller rechtswidrigen Selbsterbringungsquote als auch für die Rüge der nach Auffassung der Antragsteller fehlenden Vergabereife bzgl. des mandantenfähigen, rechnergestützten Betriebsleitsystems bzw. der unzulässigen Ausschreibung von Optionen. Die entsprechenden Regelungen sind zwar aus der Bekanntmachung bzw. aus den Vergabeunterlagen ersichtlich, der Verstoß für einen durchschnittlichen Bieter aber nicht erkennbar. Erkennbar im Sinne von § 160 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB ist ein Vergaberechtsverstoß, wenn sich die zugrunde liegenden Tatsachen aus der Auftragsbekanntmachung (Nr. 2) bzw. den Vergabeunterlagen (Nr. 3) ergeben (OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 11.07.2018, VII-Verg 24/18; vom 12.10.2011, VII-Verg 46/11 und vom 09.04.2014, VII-Verg 36/13) und sie ein durchschnittlich fachkundiger, die übliche Sorgfalt anwendender Bieter als Vergaberechtsverstoß erkennen konnte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 08.03.2017, VIIVerg 39/16). Die Erkennbarkeit bezieht sich dabei sowohl auf die den Vergaberechtsverstoß begründenden tatsächlichen Umstände als auch auf die Vergaberechtswidrigkeit als solche (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 09.04.2014, VII-Verg 36/13). Die Präklusionsbestimmungen sind gemäß ihrem Wortlaut streng auszulegen und anzuwenden, um den durch die Rechtsmittelrichtlinie der Union garantierten Primärrechtsschutz nicht einzuschränken (EuGH, Beschluss vom 19.06.2003, C 249/01; BVerfG, Beschluss vom 29.07.2004, 2 BvR 2248/03; OLG Düsseldorf vom 21.10.2015, VII-Verg 28/14; Jaeger, NZBau 2009, 558, 560). Eine Rügepräklusion kommt aus diesem Grund nur bei ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht, die einem durchschnittlich erfahrenen Bieter auch ohne dahingehende Überprüfung der Auftragsbekanntmachung bzw. der Vergabeunterlagen auffallen müssen (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 01.06.2016, VII-Verg 6/16). Maßgeblich ist, ob der Bieter, wenn man den Maßstab eines durchschnittlich fachkundigen Bieters anlegt, den Verstoß hätte erkennen müssen bzw. ob der Verstoß sich aufdrängte (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.05.2019 Verg 47/18; Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, 5. Aufl. 2016, § 160 GWB, Rn. 274).
Ein Vergaberechtsverstoß durch die nach Auffassung der Antragsteller rechtswidrige Selbsterbringungsquote ist rechtlich schon deshalb eindeutig nicht für einen durchschnittlichen Bieter erkennbar, da § 47 Abs. 5 VgV und Art. 4 Abs. 7 VO 1370/2007 Selbsterbringungsquoten vorsehen und zu den Details Kenntnisse der Rechtsprechung, insbesondere der Entscheidung des EuGH vom 27.10.2016 – Rs. C-292/15, erforderlich sind. Gleiches gilt für den Vorwurf der fehlenden Vergabereife bzgl. des mandantenfähigen, rechnergestützten Betriebsleitsystems bzw. der unzulässigen Ausschreibung von Optionen. Die von den Antragstellern an genommenen Verstöße sind nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz herauszulesen. § 28 VgV spricht nicht von Optionen, nur von der Markterkundung, auch in § 31 VgV und §§ 121 und 127 GWB besteht keine Regelung. § 7 EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A ist für das vorliegende Vergabeverfahren offensichtlich nicht einschlägig.
Soweit die Antragsteller dagegen rügen, dass die Optionen mit Bedienung des Kurses 2416 unter Verstoß gegen § 28 Abs. 2 VgV lediglich zur Markterkundung ausgeschrieben worden sind, ist dieser Vorwurf in der Sache wohl zutreffend, jedoch ist insoweit Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 GWB eingetreten. Aus Ziffer 1.4 der Ausschreibungsunterlagen geht hervor, dass die Gemeinden erst auf Basis der Ausschreibungsergebnisse über den Kurs 2416 entscheiden wollten, de Facto also eine Markterkundung durch das Vergabeverfahren erreichen wollten. Der Verstoß war daher in tatsächlicher Hinsicht erkennbar und die Unzulässigkeit eines solchen Vorgehens ergibt sich zwanglos aus § 28 Abs. 2 VgV, so dass der Verstoß für ein durchschnittliches Bieterunternehmen auch in rechtlicher Hinsicht erkennbar war.
2. Der Nachprüfungsantrag ist im Hauptantrag begründet, da der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) nach Auffassung der Vergabekammer zu Unrecht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs vom Verfahren ausgeschlossen wurden.
2.1 Der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2 sind nicht zwingend von der Wertung auszuschließen, weil ihre Angebote in Kenntnis von jeweils anderen Angebot erstellt wurden. Zunächst kann von einem – vom Antragsgegner wohl so angenommenen – zwingenden Ausschlussgrund keine Rede sein. Das Verhalten der Antragsteller ist nach geltender Rechtslage am fakultativen Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB zu messen. Die vom Antragsgegner zitierte ältere Rechtsprechung ist weder auf die heutige Rechtslage noch auf den konkreten atypischen Fall ohne Weiteres zu übertragen. Nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB können öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn der öffentliche Auftraggeber über hinreichende Anhaltspunkte dafür verfügt, dass das Unternehmen mit anderen Unternehmen Vereinbarungen getroffen oder Verhaltensweisen aufeinander abgestimmt hat, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestands des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB ist ein abgestimmtes Verhalten zweier Unternehmen, das eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt. Im Regelfall geht es dabei um die Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen, die Vereinbarungen getroffen oder Verhaltensweisen aufeinander abgestimmt haben. Beim Antragsteller zu 1) und der Antragstellerin zu 2) handelt es sich allerdings um Unternehmen, die derart miteinander verbunden sind, dass Wettbewerb zwischen ihnen – anders als bei in einem Konzern verbundenen Unternehmen, die unabhängig voneinander handeln können und die bereits Gegenstand von Entscheidungen waren (vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.02.2013 – Verg 31/12) – von vorneherein nicht bestehen kann. Aufgrund der Stellung von Herrn S… als Inhaber des Antragstellers zu 1) und Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Antragstellerin zu 2) ist ein abgestimmtes Verhalten zwischen den beiden nur formal selbständigen Unternehmen überhaupt nicht vermeidbar. Aufgrund der umfassenden Leitungsmacht des Antragstellers zu 1) und der vollständigen Beherrschung der Antragstellerin zu 2) i.S.d. § 17 Abs. 1 AktG ist jeglicher Wettbewerb zwischen den Unternehmen von vornherein ausgeschlossen. Die Antragsteller sind im Sinne der Zusammenschlusskontrolle nach § 36 Abs. 2 Satz 1 GWB als einheitliches Unternehmen anzusehen. Diese Sichtweise darf zumindest im vorliegenden Falle, wo Wettbewerb zwischen den beiden Unternehmen von vorneherein nicht bestehen kann, nicht außer Betracht bleiben. Im vorliegenden Fall verfügt Herr S… als Inhaber des Antragstellers zu 1) und als Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Antragstellerin zu 2) über die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit das Wettbewerbsverhalten beider Unternehmen zu steuern. Ein Handeln beider Unternehmen ohne die letztverantwortliche Beteiligung von Herrn S… ist schlichtweg nicht möglich. Damit ist der Wettbewerb zwischen dem Antragsteller zu 1) und der Antragstellerin zu 2) aber nicht vom Schutzgegenstand des § 1 GWB oder Art. 101 Abs. 1 AEUV umfasst (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.07.2015 – Verg 6/15). Auch der EuGH hat im Urteil vom 17.05.2018 – Rs. C-531/16 darauf hingewiesen, dass Art. 101 AEUV dann nicht anwendbar ist, wenn die Absprache n oder Verhaltensweisen, die er verbietet, von Unternehmen angewandt werden, die eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dies ist vorliegend bei den Antragstellern aber der Fall. Aus diesem Grund sind der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) nicht zwingend deshalb auszuschließen, weil – was beim gegebenen Sachverhalt gar nicht vermeidbar ist – ihre Angebote in Kenntnis des jeweils anderen Angebots erstellt wurden. Der Bevollmächtigte der Antragsteller hat zurecht darauf hingewiesen, dass es nicht Aufgabe des Vergaberechts ist, einen objektiv am Markt nicht existenten Wettbewerb zu schützen oder überhaupt erst herzustellen.
Zumindest bei Unternehmen, die derart verflochten sind, wie der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) gilt der vergaberechtliche Wettbewerbsgrundsatz nicht uneingeschränkt. Der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) sind daher jedenfalls nicht nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB vom Vergabeverfahren auszuschließen, weil sie ihre Angebote in Kenntnis des jeweils anderen Angebots abgegeben haben.
Die Angebote stellen auch keine nach der Rechtsprechung (OLG München, Beschluss vom 29. Oktober 2013 – Verg 11/13, zweifelnd BGH, Urteil vom 29.11.2016 – X ZR 122/14) unzulässigen Doppelangebote dar. Es handelt sich nicht um Angebote desselben Bieters, die sich nur im Preis unterscheiden. Die Angebote der Antragsteller stammen von unterschiedlichen, wenn auch hochgradig miteinander verflochtenen Unternehmen.
Im Übrigen unterscheiden sie sich auch in technischer Hinsicht, da die Antragsteller abweichend voneinander verschiedene, in ihren jeweiligen Fuhrparks vorhandene Fahrzeuge angeboten und dies in ihren Angeboten (in der Unterlage Fahrzeugmeldung) so auch vermerkt haben.
Ein Ausschluss käme allenfalls – nach dokumentierter Ermessensausübung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – dann in Betracht, wenn durch die beiden Angebote der Antragsteller der Wettbewerb gegenüber den weiteren Bietern verfälscht würde, weil z.B. gezielt Effekte der Bewertungsmethode ausgenützt werden, um die Zuschlagschancen anderer Bieter zu minimieren. Dafür sieht die Vergabekammer derzeit aber keine Anhaltspunkte. Auch der Antragsgegner und die Beigeladene haben dazu in ihren Stellungnahmen auf den rechtlichen Hinweis der Vergabekammer vom 10.12.2020 nichts vorgetragen.
Die Antragsteller sind daher wieder ins Verfahren aufzunehmen und ihre Angebote zu werten, da der Antragsgegner bislang keine weiteren Ausschlussgründe festgestellt und geltend gemacht hat.
2.2 Die Angebote des Antragstellers zu 1 und der Antragstellerin zu 2) sind nicht wegen der fehlenden Fahrzeugmeldung für das Ersatzfahrzeug nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV auszuschließen. Die fehlende Fahrzeugmeldung für das Ersatzfahrzeug, die mit Angebotsabgabe hätte erfolgen müssen, ist eine fehlende leistungsbezogene Unterlage i.S.d. § 56 Abs. 2 VgV. Da die Angaben für das Ersatzfahrzeug nicht in Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien eingehen, ist die Nachforderung auch nicht nach § 56 Abs. 3 Satz 1 VgV ausgeschlossen. Der Antragsgegner kann sich vorliegend auch nicht mehr ermessensfehlerfrei gegen eine Nachforderung entscheiden. Da er dieselbe Unterlage von anderen Unternehmen bereits nachgefordert hat, muss er dies aus Gründen der Gleichbehandlung auch bei den Antragstellern tun.
2.3 Soweit der Antragsgegner in seinem Vergabevermerk festgehalten hat, dass er nicht nachvollziehen könne, warum der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) denselben Kostenansatz für Option 3 und Option 4 angeboten habe, erfüllt dies allein keinen Ausschlussgrund. Der Antragsgegner hat bisher nicht dargelegt, dass in den Angeboten der Antragsteller Preise fehlen oder Anhaltspunkte für eine Mischkalkulation bestehen.
2.4 Der Antragsteller zu 1) erfüllt aufgrund seines Insolvenzverfahrens möglicherweise den fakultativen Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB. Der Antragsgegner hat in der Vergabedokumentation – in die die Antragsteller insoweit auch Akteneinsicht erhalten haben – Erwägungen zu einer Prognose über eine möglicherweise nicht ordnungsgemäße Ausführung des Auftrags während der ganzen Vertragslaufzeit durch den Antragsteller zu 1) angestellt, den Ausschlussgrund bisher aber nicht geltend gemacht. Da es sich hierbei um einen fakultativen Ausschlussgrund mit notwendiger Ermessensausübung durch den Auftraggeber handelt, kann die Vergabekammer diesen Ausschlussgrund nicht von Amts wegen feststellen und berücksichtigen, da sie das Ermessen nicht anstelle des Antragsgegners ausüben kann. Die Vergabekammer weist insoweit darauf hin, dass für den Fall, dass der Antragsgegner von diesem Ausschlussgrund Gebrauch machen will, noch eine Anhörung des Antragstellers zu 1) geboten sein dürfte.
3. Die Antragsteller werden durch den Nichtausschluss der Beigeladenen nach § 124 Abs. 1 Nr.4 GWB nicht in ihren Rechten verletzt. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass der Antragsgegner zu Recht festgestellt hat, dass das Verhalten der Beigeladenen den Tatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 4 1 Nr. 4 GWB erfüllt hat und dass in einem solchen Fall der Ausschluss des Unternehmens den Regelfall darstellt.
Es ist bereits sehr zweifelhaft, ob der Antragsgegner derzeit überhaupt noch berechtigt wäre, die Beigeladene wegen ihrer früheren Beteiligung am „A…er Buskartell“ vom streitgegenständlichen Vergabeverfahren auszuschließen, da durchaus in Erwägung zu ziehen ist, dass mittlerweile die Frist des § 126 Nr. 2 GWB abgelaufen ist. Fristbeginn für die dreijährige Frist des § 126 Nr. 2 GWB ist nach dem Urteil des EuGH vom 24.10.2018 – Rs. C-124/17 der Zeitpunkt, zu dem eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung erfolgte. Da das Bundeskartellamt das dort gegen die Beigeladene laufende Verfahren mittlerweile eingestellt hat, ohne einen Bußgeldbescheid zu erlassen, kann diese Entscheidung der Kartellbehörden nicht maßgeblich für den Fristbeginn nach § 126 Nr. 2 GWB sein, da hier keine Ahndung des wettbewerbswidrigen Verhaltens erfolgte.
Eine fristauslösende Entscheidung kann nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern aber in der Einstellung der Strafverfahren nach § 153a StPO gegen P… und M… K… durch die Staatsanwaltschaft A… liegen. Zwar hat der Bevollmächtigte der Antragsteller zu Recht darauf hingewiesen, dass die Einstellungsentscheidung nach § 153a StPO nur die Personen P… und M… K… betroffen hat. Allerdings können die Handlungen dieser Personen der Beigeladenen nach Grundsätzen des § 123 Abs. 3 GWB zugerechnet werden, so dass diese Entscheidung durchaus für dem Fristbeginn nach § 126 Nr. 2 GWB herangezogen werden kann. Orientiert man sich an der Einstellungsentscheidung nach § 153a StPO der Staatsanwaltschaft A…, wäre die Frist seit August 2020 abgelaufen.
Jedenfalls war die Entscheidung des Antragsgegners die Beigeladene im vorliegenden Fall aufgrund besonderer Umstände noch von seinem Ermessensspielraum gedeckt. Der Anspruch der Antragsteller auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung ist damit erfüllt.
Der Antragsgegner hat auf der Grundlage eines bereits im Rahmen vorhergehender Vergabeverfahren hinreichend aufgeklärten Sachverhalts entschieden. Er hat nach Akteneinsicht der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft festgestellt, dass hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beigeladene mit anderen Unternehmen eine Vereinbarung getroffen hat, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckte und daher der Tatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB erfüllt war. Im Rahmen seiner dann gebotenen Ermessensentscheidung über den Ausschluss hat der Antragsgegner offenbar anwaltlichen Rat in Anspruch genommen und zunächst berücksichtigt, dass die Strafverfahren gegen die Geschäftsführer der Beigeladenen nicht durch Einstellung mangels Tatverdacht nach § 170 Abs. 2 StPO, sondern lediglich gegen Geldauflage nach § 153a StPO erfolgte. Nach dieser Vorschrift kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Vor diesem Hintergrund durfte der Antragsgegner zu Gunsten der Beigeladenen unterstellen, dass diese zwar am „A…er Buskartell“ beteiligt war, dort aber offenbar nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Zu dieser Feststellung passt auch die Tatsache, dass das Bundeskartellamt – anders als gegenüber anderen Beteiligten am „A…er Buskartell“ – kein Ordnungswidrigkeitenverfahren eröffnet und kein Bußgeld verhängt hat. Weiterhin hat der Antragsgegner zu Gunsten der Beigeladenen berücksichtigt, dass diese in den letzten Jahren in wettbewerblicher Art und Weise an Vergabeverfahren teilgenommen hat. Ebenso durfte der Antragsgegner in seine Erwägungen einstellen, dass die Beigeladene zumindest rudimentäre Selbstreinigungsmaßnahmen unternommen hat, auch wenn diese – für sich genommen – den Anforderungen des § 125 Abs. 1 GWB möglicherweise nicht genügen. Insgesamt lag daher – aufgrund atypischer Umstände des Einzelfalls – kein Fall vor, in dem das Ermessen des Auftraggebers auf Null reduziert gewesen wäre und jede andere Entscheidung als der Ausschluss der Beigeladenen andere Bieter – wie die Antragsteller – in ihren Rechten verletzt hätte. Der Auftraggeber hat vielmehr die maßgeblichen Gesichtspunkte gesehen und bei seiner Entscheidung berücksichtigt.
4. Soweit die Antragsteller den Nachprüfungsantrag mit Schreiben vom 04.01.2021 für erledigt erklärt haben, ist auf ihren Antrag festzustellen, dass der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) durch die Ausschreibung von Optionen bzgl. des mandantenfähigen rechnergestützten Betriebsleitsystems und durch die Vergabeentscheidung vom 01.04.2020 durch den seinerzeit unzuständigen Landrat vor Erledigung dieser Rügepunkte in ihren Rechten verletzt waren.
Die Antragstellerin besitzt auch für den von ihr gestellten Antrag, festzustellen, dass sich der Nachprüfungsantrag auf sonstige Weise erledigt und eine Rechtsverletzung vorgelegen hat, das nach allgemeiner Auffassung (siehe z.B. OLG München, Beschluss vom 19.07.2012, Verg 8/12; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.06.2013, VII -Verg 55/12) erforderliche Feststellungsinteresse. Als Feststellungsinteresse genügt jedes anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition der Antragstellerin in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.05.2014 – 15 Verg 4/13; OLG München, Beschluss vom 19.07.2012 – Verg 8/12). Dieses Feststellungsinteresse ergibt sich vorliegend aus der Möglichkeit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, bei denen ein Feststellungsinteresse schon wegen der Bindungswirkung der Entscheidungen der Vergabenachprüfungsinstanzen für die Zivilgerichte gem. § 179 Abs. 1 GWB regelmäßig gegeben ist.
Ein nach §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB erstattungsfähiger Schaden kann den Antragstellerinnen bereits in Form ihrer außergerichtlichen, von der Kostenentscheidung der Vergabekammer nicht (mit‐)umfassten Rechtsverfolgungskosten für die Prüfung der streitgegenständlichen Ausschreibung und der anwaltlichen Rüge vom 09.04.2020 entstanden sein. Dies genügt bereits für ein Vorliegen des Feststellungsinteresses.
4.1 Die Ausschreibung von Optionen bzgl. des mandantenfähigen rechnergestützten Betriebsleitsystems war unzulässig.
Derartige Optionen, in der Sache eigentlich Alternativpositionen, dürfen nur dann ausgeschrieben werden, wenn ein berechtigtes Interesse des Auftraggebers hieran besteht (OLG München, Beschluss vom 22.10.2015 – Verg 5/15).
Ein solches berechtigtes Interesse liegt nicht vor, wenn der Auftraggeber die Unklarheit, aufgrund derer er die Alternativpositionen ausgeschrieben hat, nicht vor der Einleitung des Vergabeverfahrens hätte klären können.
Die Begründung des Antragsgegners, er habe diese Option bilden müssen, da für ihn nicht absehbar gewesen wäre, wie die Regierung von S… als zuständige Förderbehörde über den entsprechenden Antrag entscheiden würde und wann eine solche Entscheidung ergehen würde, ist für die Vergabekammer nur schwer nachzuvollziehen. Der Auftraggeber lässt sich hier derart ein, als sei es für ihn als Landkreis nicht möglich gewesen, von seiner zuständigen Bezirksregierung Informationen zur Erfolgsaussichtigkeit seines Förderantrags und zur voraussichtlichen Bearbeitungsdauer zu erhalten. Dies widerspricht allen Erfahrungen der Vergabekammer Südbayern, die ja selbst an einer bayerischen Bezirksregierung angesiedelt ist, zum Umgang der Regierungen mit den Landkreisen. Gerade gegenüber öffentlichen Gebietskörperschaften wie Landkreises verhalten sich die Regierungen nicht wie eine „Blackbox“ sondern pflegen im Regelfall einen partnerschaftlichen Informationsaustausch. Sollte dies auf Mitarbeiterebene nicht der Fall gewesen sein, dürfte es für den Landrat des Antragsgegners unschwer möglich gewesen sein, die relevanten Informationen zu enthalten. Es spricht daher Einiges dafür, dass der Antragsgegner die Optionen einfach gebildet hat, ohne ausreichende Informationen zur Erfolgsaussichtigkeit seines Förderantrags und zur möglichen Bearbeitungsdauer einzuholen. Damit lag eine nicht gerechtfertigte Ausschreibung von Optionen bzw. eine Vergabe ohne die erforderliche Vergabereife vor.
Da dieser Verstoß die Antragsteller jedoch – wie sie allerdings erst nach der Akteneinsicht im Nachprüfungsverfahren erkennen konnten – nicht in ihren Zuschlagschancen beeinträchtigte – waren die gehalten, ihren Nachprüfungsantrag insoweit für erledigt zu erklären.
4.2 Die Vergabeentscheidung am 01.04.2020 ist durch den seinerzeit unzuständigen Landrat getroffen worden.
Die kommunalrechtlichen Voraussetzungen für eine dringliche Anordnung gem. Art. 34 Abs. 3 Satz 1 LkrO am 01.04.2020 lag nicht vor. Die Dringlichkeit einer Anordnung in zeitlicher Hinsicht ist nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Anordnung zu beurteilen. Danach ist eine Angelegenheit dringlich, wenn die Entscheidung des zuständigen Organs zu spät käme und deshalb nicht abgewartet werden kann, weil das berufene Organ auf Grund des Zeitablaufs dann nicht mehr oder nicht mehr ebenso entscheiden könnte (BayVGH, Beschluss vom 13.08.2014 ‐ 22 CS 14.1224). Dementsprechend ist auch in § 47 Abs. 1 GeschO geregelt, dass dringliche Anordnung nur solche sein können, die innerhalb eines Zeitraumes erlassen werden müssen, in dem eine Kreistags ‐, Kreisausschuss ‐ oder sonstige Ausschusssitzung nicht stattfinden kann. Im vorliegenden Fall bestand eine Eilbedürftigkeit schon in zeitlicher Hinsicht nicht. Aus der Sicht zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Landrats am 01.04. 2020 bestand kein objektiv nachvollziehbarer Grund, wonach eine Beschlussfassung durch den Kreistag in seiner nächsten (aus damaliger Sicht) planmäßigen Sitzung am 22.04.2020 zu spät oder nicht mehr rechtzeitig gewesen wäre. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der großen Unsicherheit und fehlenden Planbarkeit weiterer Sitzungen durch die erste Welle der Corona -Pandemie. Die in der dringlichen Anordnung zitierte „Sicht des AVV“, wonach eine Zuschlagserteilung nach dem 01.04.2020 für den Zuschlagsempfänger hinsichtlich des erforderlichen Vorlaufs bis zur Betriebsaufnahme im Dezember 2020 (Einstellung von Personal, Bestellung der Fahrzeuge usw.) zu spät kommen würde, ist für die Vergabekammer nicht nachvollziehbar. Die Zuschlags ‐ und Bindefrist im hiesigen Verfahren war auf den 31.05.2020 festgelegt. Die Bieter mussten daher von Anfang an damit rechnen, dass der Zuschlag erst am 31.05.2020 erteilt werden würde. Eine planmäßige Sitzung des Kreistags am 22.04.2020 wäre daher ohne Weiteres rechtzeitig gewesen. Dass diese Sitzung aufgrund der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Pandemielage nicht stattfinden konnte, ändert daran nichts. Der Antragsgegner konnte trotz der damals bestehenden Pandemielage nicht davon ausgehen, dass monatelang keine Kreistagssitzungen mehr durchgeführt werden könnten. Dies wäre mit einer geordneten Verwaltung eines Landkreises nicht vereinbar. Tatsächlich hat der Kreistag bereits am 06.05.2020 und nochmals am 13.05.2020 wieder getagt. Diese Termine wären insbesondere angesichts der in der Leistungsbeschreibung in Ziffer 3.4.3 vorhandenen Übergangsregelungen für den Fall, dass die im Auftragsfalle neu zu bestellenden Fahrzeuge nicht rechtzeitig zu beschaffen sein sollten, für eine Zuschlagserteilung jedenfalls noch ausreichend gewesen.
Da die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung unter den Gemeindeorganen, im Unterschied zur verwaltungsinternen Geschäftsverteilung (Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayGO), auch gegenüber Außenstehenden rechtliche Bedeutung besitzt (vgl. BayVGH Urteil vom 31.03.2003 – 4 B 00.2823; Urteil vom 15.03.2004 ‐ 22 B 03.1362, so auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.05.2017 – 3 L 201/16 für eine Konzessionsvergabe), führt eine Vergabeentscheidung, die unter Verletzung dieser gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung getroffen wurde, jedenfalls dann zu einer Rechtsverletzung von Bietern, wenn die Entscheidung durch das Vergaberecht nicht zwingend vorgegeben war, sondern in Ausübung von Ermessen erfolgt ist. Dies war vorliegend insbesondere für die Entscheidungen, die Antragsteller auszuschließen und die Beigeladene nicht auszuschließen der Fall.
Der Verstoß wurde vom Antragsgegner erst lange nach Erhebung des Nachprüfungsverfahrens durch die Genehmigung des zuständigen Kreistags in der Sitzung vom 02.11.2020 abgestellt.
5. Über die weiteren Rügepunkte, die die Antragsteller nur noch hilfsweise aufrechterhalten haben, muss nicht entschieden werden, da der Hauptantrag der Antragsteller Erfolg hat. Wie im rechtlichen Hinweis vom 10.12.2020 dargestellt, sieht die Vergabekammer Südbayern keinen Anlass, dass Vergabeverfahren aufzuheben oder in einen früheren Verfahrensstand zurück zu versetzen.
6. Kosten des Verfahrens
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies sind vorliegend der Antragsgegner und die Beigeladene.
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Aus Gründen der Billigkeit (keine mündliche Verhandlung) vermindertsich die Gebühr auf …,00 Euro.
Der Antragsgegnerist als Landkreis von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S. 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit.
Von den Antragstellern wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskrafterstattet.
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsteller beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB.
Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i. S. v. § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da mittelständige Busunternehmen regelmäßig nicht in der Lage sind, ein förmliches Vergabenachprüfungsverfahren ohne anwaltliche Vertretung sachgerecht zu führen.
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen folgt aus § 182 Abs. 4 S. 3, S. 2 GWB. Danach sind Aufwendungen der Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit jedenfalls voraus, dass die Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010, Az.: Verg W 10/09). Die Beigeladene hat sich zwar aktiv durch Schriftsätze und die Stellung von Anträgen am Verfahren beteiligt, jedoch nicht mit demselben Rechtsschutzziel wie die Antragstellerin als obsiegende Verfahrensbeteiligte. Daher hat die Beigeladene ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung angefallenen Kosten selbst zu tragen.

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