Baurecht

Erfolgreiche Verbandsklage gegen Wasserkraftanlage – Verstoß gegen Verschlechterungsverbot

Aktenzeichen  Au 3 K 17.196

Datum:
14.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2017, 133927
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WHG § 27 Abs. 1 Nr. 1, § 31 Abs. 2, § 67, § 68 Abs. 1, Abs. 3
RL 2000/60/EG Art. 4 Abs. 1 lit. a, Abs. 7
BNatSchG § 34, § 67 Abs. 1
BayWG Art. 63 Abs. 3
UmwRG § 1 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Eine Verschlechterung iSv Art. 4 Abs. 1 lit. a RL 2000/60/EG liegt vor, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente des Anhangs V der Wasserrahmenrichtlinie um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt.  (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. In Ermangelung von abgestimmten Bewertungsverfahren etwa für die hydromorphologischen Qualitätskomponenten und anerkannten Standardmethoden und Fachkonventionen für die Auswirkungsprognose bei der Vorhabenzulassung erfordert jede Prüfung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots eine nicht normativ angeleitete fachgutachterliche Bewertung im Einzelfall. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Lokal begrenzte Veränderungen eines Oberflächenwasserkörpers sind nicht relevant, solange sie sich nicht auf den gesamten Wasserkörper oder andere Wasserkörper auswirken. Sofern lokal begrenzte Veränderungen der unterstützenden Qualitätskomponenten sich aber in spezifischer Weise auf die biologischen Qualitätskomponenten mit Relevanz für den Oberflächenwasserkörper insgesamt auswirken können, müssen die betroffenen Teilbereiche zusätzlich gesondert betrachtet werden. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein den Belangen der Gewässerökologie und des Naturschutzes allgemein übergeordnetes Interesse an der Erzeugung von Energie durch Wasserkraft besteht nicht. Ein abstrakter Vorrang an der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien lässt sich (auch) auch aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nicht herleiten. (Rn. 38 – 40) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Landratsamts … vom 24. März 2015 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 18. Januar 2017 wird aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens haben der Beklagte und die Beigeladene je zur Hälfte zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt es nicht an der Klagebefugnis des Klägers. Dieser ist eine nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 3 UmwRG anerkannte Vereinigung, die sich vorliegend entsprechend § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG gegen eine Entscheidung wendet, für die nach Nr. 13.14 der Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung – UVPG – (Errichtung und Betrieb einer Wasserkraftanlage) eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalles durchzuführen ist. Der Kläger macht auch geltend, dass die Entscheidung seinen satzungsmäßigen Aufgabenbereich berührt (§ 2 Abs. 1 Satz Nr. 2 UmwRG), und war zur Beteiligung im Planfeststellungsverfahren berechtigt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst a) UmwRG.
2. Die Klage ist auch begründet. Der angegriffene Bescheid vom 24. März 2015 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 18. Januar 2017 ist rechtswidrig.
a) Soweit in dem Bescheid der Plan für die Herstellung eines Stauwehres und des Umgehungsgerinnes festgestellt wurde, ist dieser nach § 68 Abs. 1 WHG für einen Gewässerausbau erforderliche Planfeststellungbeschluss rechtswidrig. Dem Vorhaben stehen mehrere zwingende Versagungsgründe im Sinne von § 68 Abs. 3 WHG entgegen.
aa) Das Vorhaben verstößt zunächst gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot des § 27 i.V.m. § 31 WHG.
(1) Nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WHG sind oberirdische Gewässer, soweit sie nicht nach § 28 WHG als künstlich oder erheblich verändert eingestuft werden, so zu bewirtschaften, dass eine Verschlechterung ihres ökologischen und ihres chemischen Zustands vermieden wird. Die Vorschrift dient zur Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziffer i WRRL. Eine Verschlechterung im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente des Anhangs V der Wasserrahmenrichtlinie um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt (EuGH, U.v. 1.7.2015– C-461/13 – juris Leitsatz 3; BVerwG, U.v. 9.2.2017 – 7 A 2.15 – juris Rn. 479).
§ 5 Abs. 4 der Oberflächengewässerverordnung – OGewV – enthält Vorgaben für die Bewertung des ökologischen Zustands bzw. Potenzials. Nach Satz 1 ist maßgeblich auf die biologischen Qualitätskomponenten abzustellen; Satz 3 ergänzt dies dahin, dass bei der Bewertung der biologischen Qualitätskomponenten die hydromorphologischen und die allgemeinen physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten unterstützend heranzuziehen sind. An diesen Vorgaben für die Zustandsbewertung hat sich daher auch die Verschlechterungsprüfung auszurichten (BVerwG, U.v. 9.2.2017 – 7 A 2.15 – juris Rn. 497).
In Ermangelung von abgestimmten Bewertungsverfahren etwa für die hydromorphologischen Qualitätskomponenten und anerkannten Standardmethoden und Fachkonventionen für die Auswirkungsprognose bei der Vorhabenzulassung, erfordert jede Prüfung des Verschlechterungsverbots eine nicht normativ angeleitete fachgutachterliche Bewertung im Einzelfall (BVerwG, U.v. 9.2.2017 – 7 A 2.15 – juris Rn. 502).
Diese fachgutachterliche Bewertung hat für den vorliegenden Fall eine Verschlechterung der Gewässerqualität um mindestens eine Stufe von „sehr gut“ auf „gut“ ergeben. Bereits die Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts als amtlichem Sachverständigen vom 14. Mai 2014, der nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung im Hinblick auf Art. 63 Abs. 3 BayWG 2010 eine besondere Bedeutung zukommt (vgl. etwa BayVGH, B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – BayVBl 2012, 47/48 m.w.N.) ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Gewässerqualität durch das Vorhaben im Aufstaubereich oberhalb des Stauwehres um bis zu zwei Stufen, mindestens aber um eine Stufe verschlechtern würde. Dies ist aufgrund der sich massiv verändernden Abflussdynamik und Sohlestruktur ohne weiteres nachvollziehbar und wird auch vom Beklagten und der Beigeladenen nicht bestritten.
Darüber hinaus führt die Barrierewirkung des Stauwehrs zu einer Verschlechterung der hydromorphologischen Qualitätskomponente der Durchgängigkeit (vgl. Anlage 3 Nr. 2 OGewV). So gehen sowohl der Fischereifachberater des … nach seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung als auch die limnologische Beurteilung der Beigeladenen vom 3. Oktober 2014 selbst davon aus, dass sich die Durchgängigkeit der … flussabwärts im Hinblick auf die Fischpopulation erheblich verschlechtert. Demnach wird die Durchgängigkeit bei dem geplanten Umgehungsgerinne für die Bachforelle nur noch in Ausnahmefällen und für die Koppe (=Groppe) überhaupt nicht mehr gegeben sein. Nach der sachverständigen Einschätzung des Fischereifachberaters ist dadurch die Population der Koppe, die im gesamten FFH-Gebiet „…“ aufgrund ihrer hohen Ansprüche an die Wasserqualität und ihrer Sensibilität gegenüber Gewässerverbauungen nur noch in der … nachgewiesen werden konnte, äußerst gefährdet. Die Beigeladene hat dies nicht substantiiert in Frage gestellt. Auch das von ihr vorgelegte limnologische (Ergänzungs-)Gutachten vom 13. Mai 2015 verhält sich zwar zu den Auswirkungen der reduzierten Restwassermenge auf den Bestand der Koppe, nicht aber zu den potentiellen Auswirkungen einer entfallenden Durchgängigkeit auf den Lebensraum unterhalb des Stauwehres.
Zudem hat der Fischereifachberater in der mündlichen Verhandlung in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Vertreters des Wasserwirtschaftsamts ausgeführt, die verringerte Abflussmenge unterhalb des Stauwehres und die dadurch veränderte Fließgeschwindigkeit und Sohlestruktur der … führe in der Ausleitungsstrecke unterhalb des Stauwehres zu einem Artenaustausch Weg von strömungsgebundenen und strömungsliebenden Arten hin zu strömungsmeidenden Arten, weswegen sich auch hier nach seinen computergestützten Berechnungen die ökologische Gewässerqualität im Hinblick auf den Fischbestand nach Anlage 3 Nr. 1 OGewV um mindestens eine Stufe auf „gut“, möglicherweise auch um zwei Stufen auf „mäßig“ verschlechtere. Auch dieser Einschätzung sind weder der Beklagte noch die Beigeladene substantiiert entgegengetreten. Zwar prognostiziert die von der Beigeladenen vorgelegte ergänzende limnologische Stellungnahme vom 13. Mai 2014, dass nach den geltenden Rechenmodellen trotz des zu erwartenden Artenaustauschs der sehr gute Zustand beim Makrozoobenthos erhalten bliebe. Für die Koppe prognostiziert die Stellungnahme aber lediglich den „weitgehenden Erhalt“ der Population und auch das – wie dargestellt – nur anhand der verbleibenden Restwassermange, d.h. insbesondere ohne Berücksichtigung der Auswirkungen der für die Koppe entfallenden Durchgängigkeit aus dem Bereich oberhalb des Stauwehres.
Bezugsgröße für die Prüfung der Verschlechterung bzw. einer nachteiligen Veränderung ist ebenso wie für die Zustands-/Potenzialbewertung grundsätzlich der Oberflächenwasserkörper in seiner Gesamtheit. Lokal begrenzte Veränderungen sind daher nicht relevant, solange sie sich nicht auf den gesamten Wasserkörper oder andere Wasserkörper auswirken. Sofern lokal begrenzte Veränderungen der unterstützenden Qualitätskomponenten sich aber in spezifischer Weise auf die biologischen Qualitätskomponenten mit Relevanz für den Oberflächenwasserkörper insgesamt auswirken können, müssen die betroffenen Teilbereiche aber zusätzlich gesondert betrachtet werden (BVerwG, U.v. 9.2.2017 – 7 A 2.15 – juris Rn. 506). Diesen Anforderungen genügt die Annahme im angegriffenen Bescheid, die Verschlechterung betreffe nur lediglich ca. 100 m im Aufstaubereich, was gegenüber dem Referenzgewässer von 10 km unverbauter … nur ca. 1% betrage (S. 48 des Änderungsbescheid vom 18. Januar 2017) nicht. Diese Sichtweise lässt außer Betracht, dass ein erstmaliges, die lineare Durchgängigkeit größtenteils oder insgesamt beseitigendes Querbauwerk in einem bis dahin unberührten Gewässer ganz offensichtlich Auswirkungen auf die ökologische Qualität größerer Teile des Oberflächenwasserkörpers hat, wenn – wie hier – dadurch bislang zusammenhängende Lebensräume bestimmter Arten zerschnitten werden (vgl. zur Bedeutung der Durchgängigkeit und der Hydromorphologie für die Gewässerqualität im Falle eines Stauwehrs bereits BayVGH, B.v. 6.9.2016 – 8 CS 15.2510 – juris Rn. 36). Die Population der Koppe in dem gesamten Referenzgewässer ist daher äußerst gefährdet.
Nach alledem ist das Gericht – letztlich in Übereinstimmung mit allen Beteiligten – davon überzeugt, dass sich die Gewässerqualität der … durch das streitgegenständliche Vorhaben um mindestens eine Stufe von „sehr gut“ auf „gut“ verschlechtern würde. Davon geht auch der angegriffene Bescheid aus.
(2) Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 WHG, wonach ein Vorhaben trotz einer zu erwartenden Verschlechterung der Gewässerqualität zulässig wäre, liegen im streitgegenständlichen Fall nicht vor.
Verschlechtert ein Vorhaben den Zustand eines Gewässers oder ist es dazu geeignet, die Erreichung eines guten Zustands zu gefährden, ist es grundsätzlich unzulässig. Nach der Ausnahmeregelung in § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WHG kann es zugelassen werden, wenn Gründe des übergeordneten öffentlichen Interesses für das Vorhaben vorliegen (1. Alternative) oder wenn der Nutzen der neuen Veränderung für die Gesundheit oder Sicherheit des Menschen oder für die nachhaltige Entwicklung größer ist als der Nutzen, den die Wahrung des Verschlechterungsverbots für die Umwelt und die Allgemeinheit hat (2. Alternative). Ferner dürfen gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 WHG nicht andere geeignete Alternativen mit geringeren nachteiligen Auswirkungen zur Verfügung stehen. § 31 Abs. 2 WHG setzt die Ausnahmeregelung des Art. 4 Abs. 7 WRRL (vgl. im einzelnen EuGH, U.v. 4.5.2016 – Wasserkraftwerk Schwarze Sulm, C-346/14 – DVBl 2016, 909) in nationales Recht um.
Die gewässerkundliche Ermittlung und Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens und die nachfolgende Abwägung stehen nicht beziehungslos nebeneinander. Die Ausnahmeprüfung nach § 31 Abs. 2 WHG setzt voraus, dass die Auswirkungen auf den von negativen Veränderungen betroffenen Wasserkörper fehlerfrei erfasst und bewertet werden. Ist dies nicht der Fall, ist auch die Abwägung fehlerhaft. Die insoweit für die Abweichungsprüfung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG entwickelten Grundsätze sind auch hier anwendbar (BVerwG, U.v. 11.8.2016 – 7 A 1/15 – juris Rn. 165).
Gemessen daran dürfte die Abweichungsprüfung des Beklagten bereits deswegen fehlerhaft sein, weil die Planfeststellungsbehörde allein die Verschlechterung im Aufstaubereich berücksichtigt hat und die Auswirkungen des weitgehenden Wegfalls der Durchgängigkeit für die Fischpopulation nicht ermittelt und abgewogen hat.
Die Voraussetzungen für eine Ausnahme im Sinne des § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WHG liegen unabhängig davon nicht vor. Denn ungeachtet der Frage, ob die weiteren in § 31 Abs. 2 Satz WHG i.V.m. Art. 4 Abs. 7 WRRL genannten Bedingungen erfüllt wären, besteht kein übergeordnetes öffentliches Interesse an dem Vorhaben (vgl. hierzu und zum Folgenden BayVGH, B.v. 6.9.2016 – 8 CS 15.2510 – juris Rn. 37 ff.).
(1) Weder aus dem Zweck des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG) noch aus dessen Anwendungsbereich lässt sich ein abstrakter Vorrang des öffentlichen Interesses an der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien vor den Belangen des Umwelt- und Naturschutzes herleiten (BayVGH, B.v. 26.2.2007 – 8 ZB 06.879 – NVwZ 2007, 1101; B.v. 6.9.2016 – 8 CS 15.2510 – juris Rn. 39). Zwar besteht ein hohes öffentliches Interesse an der Nutzung der regenerativen Energiequelle Wasserkraft zur Stromerzeugung (vgl. BayVGH, B.v. 23.2.2016 – 8 CS 15.1096 – juris Rn. 17 ff.; B.v. 6.9.2016 – 8 CS 15.2510 – juris Rn. 38). Ein Vorhaben, das auf die Förderung erneuerbarer Energien durch Wasserkraft abzielt, kann zum Umweltschutz und zur nachhaltigen Entwicklung sowie zur Sicherheit und Diversifizierung der Energieversorgung beitragen und damit die Erreichung der Zielvorgaben des Kyoto-Protokolls zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaveränderungen beschleunigen (EuGH, U.v. 4.5.2016 – Wasserkraftwerk Schwarze Sulm, C-346/14 – DVBl 2016, 909 Rn. 71 ff.). Hieraus lässt sich jedoch nicht generell ableiten, dass demgegenüber alle anderen betroffenen Belange nachrangig sind. Das gilt gerade dann, wenn das Vorhaben, wie im vorliegenden Fall, in Schutztatbestände der Gewässerökologie (s.o.) und des Naturschutzrechts (dazu sogleich unter bb) und cc)) eingreift. Vielmehr belegen die Beschränkungen des § 40 Abs. 4 EEG 2017 sowie die Bestimmungen des § 67 Abs. 1 und § 35 WHG die Zurückhaltung des Gesetzgebers gegenüber Eingriffen in natürliche oder naturnahe Gewässer durch neue Wasserkraftanlagen, insbesondere wenn dies mit der erstmaligen Errichtung von Querbauten einhergeht und/oder der Fortbestand einer Fischpopulation nachhaltig gefährdet wird.
Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf das gesetzlich verankerte Ziel des Klimaschutzes. Auch daraus lässt sich kein übergeordnetes öffentliches Interesse am konkreten Vorhaben der Beigeladenen ableiten. Denn dem von der Staatszielbestimmung der Art. 20a GG, Art. 141 Abs. 1 BV ebenfalls umfassten Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen kommt eine gleichermaßen hohe Bedeutung zu. Auch die auf Landesebene bestehenden Programme und Konzepte, die die Steigerung erneuerbarer Energiequellen und Förderung der Wasserkraft vorsehen, sowie die entsprechenden Planungen des Landkreises und das Klimaschutzkonzept der Gemeinde … können ein übergeordnetes öffentliches Interesse an der geplanten Wasserkraftanlage nicht begründen; denn sie stehen unter dem Vorbehalt der Genehmigungsfähigkeit des konkreten Vorhabens (BayVGH, B.v. 6.9.2016 – 8 CS 15.2510 – juris Rn. 41).
Schließlich folgt auch aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber das Ziel der nachhaltigen Entwicklung in § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 und § 31 Abs. 2 Satz 2 WHG gesondert genannt hat, kein den Belangen der Gewässerökologie und des Naturschutzes allgemein übergeordnetes Interesse an der Erzeugung von Energie durch Wasserkraft. § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 WHG betrifft in erster Linie Eingriffe in die Gewässerbeschaffenheit mit dem Ziel der Bekämpfung von Hochwasser und Überschwemmungen (dazu und zum Folgenden Czychowski/Reinhardt, WHG, 11. Aufl. 2014, § 35 Rn. 15). Zulässig sollen darüber hinaus in Umsetzung des Art. 4 Abs. 7 Buchst. c WRRL auch Ausnahmen sein, wenn diese einen überwiegenden Nutzen für eine nachhaltige Entwicklung bewirken. Dabei ist zwar anerkannt, dass die Errichtung großer und leistungsstarker Wasserkraftwerke, die heute regelmäßig unter Berücksichtigung der biologischen und hydromorphologischen Bedürfnisse des Gewässerschutzes geplant und betrieben werden, außerhalb von unter Naturschutz gestellten Gebieten eine Ausnahme im Sinne des § 31 Abs. 2 WHG rechtfertigen kann. Anderes gilt jedoch für die Errichtung und den Betrieb kleiner und kleinster Kraftwerke, die oftmals nur aufgrund öffentlicher Förderung rentabel betrieben werden können und zu erheblichen Eingriffen in die Wasserökologie führen. Gerade diese große Bandbreite von möglichen Anlagen zur Erzeugung von Energie durch Wasserkraft zeigt die Notwendigkeit einer einzelfallbezogenen Abwägung. Bestätigt wird dies durch die Regelung des § 31 Abs. 2 Satz 2 WHG, die im Interesse einer nachhaltigen Entwicklung ausdrücklich auch eine Verschlechterung der Gewässerqualität von „sehr gut“ auf „gut“ ausnahmsweise zulässt, dabei aber auf die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 WHG verweist. Daraus wird deutlich, dass § 31 Abs. 2 WHG die Genehmigungsbehörde auch bei der Genehmigung eines Wasserkraftwerkes gerade nicht von einer Abwägungsentscheidung im konkreten Einzelfall entbindet, sondern sie vielmehr genau auf eine solche Einzelfallabwägung verpflichtet.
(2) Besteht demnach kein den Belangen der Gewässerökologie und des Naturschutzes allgemein übergeordnetes Interesse im Sinne des § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 WHG an der Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen, könnte das streitgegenständliche Vorhaben nur dann ausnahmsweise zulässig sein, wenn im konkreten Einzelfall der Nutzen durch das Wasserkraftwerk für eine nachhaltige Entwicklung größer wäre als der Nutzen, den die Erreichung der Bewirtschaftungsziele für die Umwelt und die Allgemeinheit hat (§ 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 WHG). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich.
Dabei kann dahinstehen, ob die streitgegenständliche Wasserkraftanlage tatsächlich den von der Beigeladenen prognostizierten und vom Kläger bezweifelten Energieertrag von 9 Mio. KWh im Regeljahr langfristig liefen kann. Denn selbst unter günstigsten Bedingungen würde das Kraftwerk allenfalls eine Steigerung des bayernweiten Energieertrages aus Wasserkraft um 0,03% bewirken, was ein eher untergeordnetes öffentliches Interesse an seiner Verwirklichung impliziert. Angesichts der erheblichen Eingriffe in wasserrechtliche Bewirtschaftungsziele und naturschutzrechtliche Schutztatbestände (dazu sogleich) überwiegt das öffentliche Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens ersichtlich nicht, zumal damit ein neues Querbauwerk an einem bisher frei fließenden Gewässerabschnitt verbunden wäre (vgl. dazu auch Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit, Bayerische Strategie zur Wasserkraft vom 17.4.2012, S. 2). Eine Indizwirkung kommt dabei nicht zuletzt dem Umstand zu, dass sich die am Verfahren beteiligten Träger öffentlicher Belange im Wesentlichen gegen das Vorhaben ausgesprochen haben. Sie haben dabei zu Recht auf die herausragende ökologische Bedeutung des bislang weitgehend unberührten Oberlaufs der … und den Status als Referenzgewässer, der durch die Maßnahme verloren gehen würde, abgestellt (vgl. z.B. Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts vom 14.5.2014, S. 14 f.).
bb) Darüber hinaus würde das Vorhaben auch zu einer nach § 34 Abs. 1 bis 3 BNatSchG unzulässigen erheblichen Beeinträchtigung eines Natura-2000-Gebietes führen.
Nach § 34 BNatSchG sind Projekte vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines ausgewiesenen FFH-Gebietes zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Ein Projekt darf grundsätzlich nur zugelassen werden, wenn die Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass es nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen des jeweiligen Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Sind erhebliche Beeinträchtigungen zu besorgen, ist das Projekt gemäß § 34 Abs. 2 BNatSchG vorbehaltlich einer Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG unzulässig.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BNatSchG sind hier erfüllt. Das Vorhaben liegt innerhalb des FFH-Gebietes „…“. Erhaltungsziel Nr. 2 für dieses Gebiet ist der „Erhalt ggf. Wiederherstellung der …bäche als … Flüsse mit krautiger Ufervegetation und … Flüsse mit Ufergehölzen von Salix elaeagnos mit der sie prägenden oligotrophen Wasserqualität, Fließdynamik und Geschiebeumlagerung sowie Durchgängigkeit für Gewässerorganismen einschließlich verbundenen Seitengewässern und unverbauten Abschnitten“. Das von der Beigeladenen vorgelegte Gutachten zur FFH-Verträglichkeitsprüfung geht selbst von einer erheblichen Beeinträchtigung des Lebensraumtypus … („… Flüsse mit Ufergehölzen von Salix eleagnos“) aus. Diese Einschätzung wird von allen Beteiligten und darüber hinaus von der Höheren Naturschutzbehörde geteilt. Sie leuchtet angesichts eines Flächenverlustes von 1.140 m² unmittelbar ein. Hinzu kommt – ohne dass es hierauf noch ankäme – die dargestellte Beeinträchtigung der Durchgängigkeit der … und ihrer Fließdynamik.
Des Weiteren wäre – wie dargestellt – bei Verwirklichung des Vorhabens eine erhebliche Beeinträchtigung des Lebensraumes der Koppe (= Groppe) zu befürchten. Die Koppe ist im Anhang II der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 vom 22.7.1992, S. 7) – FFH-Richtlinie – als Art von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen, gelistet. Dementsprechend ist für das vorliegende FFH-Gebiet als Erhaltungsziel Nr. 16 der Erhalt und ggf. die Wiederherstellung der Population der Koppe in der … und ihrer naturnahen Fischbiozönose sowie – auch in diesem Zusammenhang – der Erhalt und ggf. die Wiederherstellung der klaren, unverbauten Fließgewässerabschnitte mit reich strukturiertem Gewässerbett sowie der Erhalt und ggf. die Wiederherstellung der Gewässerdurchgängigkeit sowie der natürlichen Dynamik formuliert. Nach den sachverständigen Äußerungen des Fischereifachberaters und den damit übereinstimmenden Angaben des Vertreters der Höheren Naturschutzschutzbehörde würde das Vorhaben das FFH-Gebiet auch im Hinblick auf dieses Erhaltungsziel erheblich beeinträchtigen. Dieser Einschätzung sind der Beklagte und die Beigeladene – wie dargestellt – nicht substantiiert entgegengetreten.
Nach § 34 Abs. 3 BNatSchG darf abweichend von Absatz 2 ein Projekt nur zugelassen oder durchgeführt werden, soweit es aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind.
Diese Voraussetzungen liegen im hier zu entscheidenden Fall nicht vor. Da für die Entscheidung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG dieselben Maßstäbe gelten wie für die Entscheidung nach § 31 Abs. 2 WHG (BVerwG, Urt. v. 11.8.2016 – 7 A 1/15 – juris Rn. 165), kann insofern auf die Ausführungen zu § 31 Abs. 2 WHG Bezug genommen werden.
cc) Schließlich verstößt das Vorhaben auch gegen Verbotstatbestände der einschlägigen Naturschutzgebietsverordnung „…“ vom 16. Januar 1992, ohne dass hierfür in rechtmäßiger Weise eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG erteilt worden wäre.
Nach § 4 der Naturschutzgebietsverordnung „…“ vom 16. Januar 1992, ist es im Naturschutzgebiet verboten, bauliche Anlagen im Sinne der Bayerischen Bauordnung zu errichten (Nr. 1), Gewässer und ihre Ufer, den Grundwasserstand sowie den Zu- und Ablauf des Wassers zu verändern, insbesondere Grundwasser zu entnehmen oder neue Gewässer anzulegen (Nr. 4) und Leitungen jeder Art zu verlegen oder zu errichten (Nr. 5). Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschriften des § 6 Nr. 3d (Gewässerausbau im Einvernehmen mit der Regierung von …), Nr. 6 (Betrieb, Unterhaltung und Instandsetzung bestehender Wasserver- und -entsorgungs-, Energieversorgungs-, Energieerzeugungs- und Fernmeldeanlagen) und Nr. 7 (Erweiterung des Schreckseekraftwerks) liegen ersichtlich und unstreitig nicht vor, sodass es vorliegend einer Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG bedurfte.
Die Voraussetzungen für eine solche Befreiung liegen ebenfalls nicht vor. Dabei kann dahinstehen, ob angesichts der offenbar abschließenden Regelungen der Schutzgebietsverordnung zur Wasserkraft überhaupt noch Raum für eine Befreiung gewesen wäre. Denn jedenfalls im Rahmen der erforderlichen bilanzierenden Gegenüberstellung der betroffenen Belange im Rahmen des § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG (vgl. dazu etwa BVerwG vom 17.1.2007 – 9 C 1/06 – juris) ergibt sich kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens. Insofern kann im Wesentlichen auf die Ausführungen zu § 31 Abs. 2 WHG (und § 34 Abs. 3 BNatSchG) Bezug genommen werden. Dass die Nichtfeststellung des Planes für die Beigeladene zu einer unzumutbaren Belastung im Sinne § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG führen würde, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
dd) Ob das Vorhaben darüber hinaus auch gegen weitere formelle oder materielle Vorgaben des Wasser- und Naturschutzrechtes verstößt, ist nach alledem nicht mehr entscheidungserheblich. Das Gericht weist jedoch darauf hin, dass insbesondere im Hinblick auf § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG (Verpflichtung zum Erhalt und zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Gewässers als Lebensraum), § 35 Abs. 1 WHG (Erforderlichkeit von geeigneten Maßnahmen zum Schutz der Fischpopulation bei Wasserkraftnutzung) sowie im Hinblick auf § 28 Abs. 2 BNatSchG (Verbot der Beeinträchtigung von Naturdenkmälern) erhebliche (weitere) Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses bestehen.
b) Mit der Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für die Herstellung des Stauwehres und des Umgehungsgerinnes entfällt auch die Rechtfertigung für die der Beigeladenen erteilten Bewilligungen für das Aufstauen und Absenken der … sowie für das Entnehmen von Wasser aus und die Einleitung von Wasser in die …. Die Bewilligungen waren daher ebenfalls aufzuheben.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 VwGO. Die Beteiligung der Beigeladenen an den Kosten ist gerechtfertigt, weil diese die Klageabweisung beantragt hat. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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