Baurecht

Fehlende Rechtsmittelbefugnis des beigeladenen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers

Aktenzeichen  20 B 16.2248

Datum:
19.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 116499
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KrWG § 17 Abs. 1, Abs. 3 S. 2, § 18 Abs. 5 S. 2
BayAbfG Art. 3 Abs. 1 S. 2
GG Art. 28 Abs. 2 S. 2
BV Art. 10 Abs. 2
VwGO § 65 Abs. 4 S. 3, § 125 Abs. 2

 

Leitsatz

Ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger wird durch die verwaltungsgerichtliche Stattgabe der Anfechtungsklage eines gewerblichen Sammlers gegen eine Untersagungsverfügung nach § 18 Abs. 5 S. 2 KrWG nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt. Die bundesrechtliche Überlassungspflicht bezüglich der aus privaten Haushaltungen stammenden Abfälle nach § 17 Abs. 1 KrWG besteht ausschließlich im öffentlichen Interesse. (Rn. 19 – 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 12.1071 2013-10-22 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Berufung des Beigeladenen wird verworfen.
II. Der Beigeladene trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beigeladene kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn die übrigen Beteiligten nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Beigeladene wendet sich gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg (Verwaltungsgericht), mit dem der die von der Klägerin angezeigte Altmetallsammlung untersagende Bescheid des Beklagten aufgehoben wurde.
Mit Schreiben vom 11. Mai 2012, das an die Regierung von Unterfranken gerichtet war, von dieser jedoch an das Landratsamt Miltenberg (Landratsamt) weitergeleitet wurde, zeigte die Klägerin eine gewerbliche Sammlung von Metallschrott aus privaten Haushaltungen an. Die Sammlung erfolge im Bringsystem zur Anlage der Klägerin in D. Konkrete Angaben über Mengen könnten nicht gemacht werden.
Mit Bescheid vom 24. November 2012 untersagte das Landratsamt die angezeigte gewerbliche Sammlung von Stahl- und Eisenschrotten und verpflichtete die Klägerin, den Betrieb der Sammlung bis 31. Januar 2013 einzustellen.
Hiergegen ließ die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten am 13. Dezember 2012 Klage zum Verwaltungsgericht erheben. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 19. März 2013 den Landkreis zum Verfahren beigeladen und in den Gründen des Beschlusses auf § 65 VwGO verwiesen.
Mit Urteil vom 22. Oktober 2013 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 24. November 2012 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen führte es aus, dass der Beklagte sich im streitgegenständlichen Bescheid ausschließlich auf eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers berufen habe. Dies habe er im verwaltungsgerichtlichen Verfahren jedoch nicht nachgewiesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beigeladene mit der vom Senat zugelassenen Berufung.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 9. November 2016 unter Verweis auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2016 (Az. 7 C 4.15 und 7 C 5.15) sowie des OVG Magdeburg vom 17. März 2016 (Az. 2 L 45/14) zur Stellungnahme insbesondere zur Frage der materiellen Beschwer des Berufungsführers gebeten.
Die Klägerin hat sich hierzu dahingehend geäußert, dass allein eine einfache Beiladung des Landkreises habe erfolgen können. Eine materielle Beschwer des Beigeladenen durch das Urteil sei nicht erkennbar. Der Beigeladene sei zwar öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger und habe die ihm übertragenen Aufgaben gemäß § 20 KrWG wahrzunehmen. Ein nur und allein dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger gesondert übertragener eigenständiger Aufgabenkreis der Verwertung von Abfällen aus privatem Haushaltungen liege schon angesichts der §§ 17 und 18 KrWG nicht vor. Vielmehr sei diesen Rechtsgrundlagen sowie der Intention des Gesetzgebers zu entnehmen, dass neben den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern durchaus auch andere, etwa gewerbliche und gemeinnützige Sammler, Abfälle aus privaten Haushaltungen sammeln und der Verwertung zuführen könnten. Entsprechend habe das OVG Magdeburg klargestellt, dass dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger keine eigenständigen Rechte zustünden, auf die das angefochtene Urteil einwirken würde. Die Pflichten des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers begründeten kein Recht desselben, konkurrierende gewerbliche oder gemeinnützige Sammlungen zu unterbinden. Vielmehr sei allein durch die staatliche Vollzugsbehörde zu prüfen, ob angesichts einer angezeigten Sammlung die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zur Wahrnehmung seiner aus der Daseinsvorsorge erwachsenen Pflicht gefährdet sei oder nicht.
Der Beklagte führt hierzu aus, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 30. Juni 2016 (7 C 5.15) angemerkt habe, das Berufungsgericht habe zu prüfen, ob die vom Verwaltungsgericht nach § 65 Abs. 2 VwGO beschlossene notwendige Beiladung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu Recht erfolgt sei und ob diese gegebenenfalls als Einfache aufrecht zu erhalten sei. Nach dem im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. November 2014 (a.a.O. Rn. 13) genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 1999 (7 C 32.98) liege die Rechtsmittelbefugnis eines Beigeladenen dann vor, wenn er durch die Entscheidung der Vorinstanz in seinen rechtlich geschützten Interessen nachteilig berührt werde oder die Möglichkeit einer Verletzung seiner Rechte bestehe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts habe das Rechtsmittel des Beigeladenen nur dann in der Sache Erfolg, wenn die angegriffene Entscheidung über ihre objektive Rechtswidrigkeit hinaus zugleich auch die subjektiven Rechte des Rechtsmittelführers verletze (BVerwG, U.v. 28.10.1999 – 7 C 32.98 – juris Rn. 11). Ein Beispiel für die fehlende Beschwer des Beigeladenen biete das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Mai 1984 (4 C 58.81 – juris Rn. 24), wonach die dort Beigeladene zu 4), eine Fluggesellschaft, weder einen Anspruch auf Durchführung des Planfeststellungsverfahrens noch einen rechtlich geschützten Einfluss auf den Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses habe. Demgegenüber führe das Bundesverwaltungsgericht in diesem Urteil aus, dass einer Gemeinde durchaus rechtlich geschützte Interessen zustehen könnten. Wäre die in dieser Entscheidung klagende Gemeinde beigeladen gewesen, so wäre ihr die notwendige Rechtsmittelbefugnis zuzusprechen gewesen. Gleiches gelte im vorliegenden Fall. Die Position des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers werde im Gefüge der §§ 17 ff. KrWG insbesondere in § 17 Abs. 3 Satz 2, 3 KrWG mit dessen „Planungssicherheit und Organisationsverantwortung“ konturiert. Nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG genüge eine konkret geplante Leistung. Die danach geschützte Planungssicherheit setze notwendigerweise eine Planungsaufgabe und damit eine Planungshoheit voraus, die die verpflichtende Anhörung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nach § 18 Abs. 4 KrWG bestätige. Damit werde dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ein rechtlich geschützter Einfluss im Sinne der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Mai 1984 zugesprochen. Das KrWG räume dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger insbesondere in § 17 Abs. 3 KrWG eine weitaus stärkere Rechtsposition ein, als nur die abstrakte Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Planungshoheit, die nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Mai 1984 (4 C 58.81, juris Rn. 33) nicht genügen würde. Das vom Bundesverwaltungsgericht zitierte Urteil vom 27. November 2014 (7 C 18.12) befasse sich im Gegensatz zum vorliegenden Verfahren mit der Situation einer Verpflichtungsklage. Im Gegensatz dazu sei bei einer Anfechtungsklage mit der Aufhebung des eine gewerbliche Abfallsammlung untersagenden Bescheids durchaus eine Entscheidung möglich, die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger belaste und seine Rechte verletze. Ihn nur in der Position zu sehen, dass ihm nach § 20 KrWG Pflichten im Interesse der Allgemeinheit auferlegt würden und die Erfüllung dieser Pflichten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 KrWG, § 18 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. KrWG abgesichert werde, werde ihm auch in prozessualer Hinsicht nicht gerecht. Das Rechtsschutzsystem der VwGO enthalte neben dem Erfordernis einer Verletzung in eigenen Rechten auch die Unanfechtbarkeit einer Beiladung (§ 65 Abs. 4 Satz 3 VwGO) und die Unanfechtbarkeit eines die Berufung zulassenden Beschlusses (§ 152 VwGO).
Der Beigeladene führt aus, dass durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2016 (Az. 7 C 5.15) die Rechtsmittelbefugnis des beigeladenen Entsorgungsträgers nicht in Frage gestellt worden sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe lediglich die Frage aufgeworfen, ob die Beiladung als notwendige Beiladung zu erfolgen hatte oder ob sie als einfache Beiladung aufrecht zu erhalten sei. Gegen das Urteil des OVG Magdeburg vom 17. März 2016 sei ein Revisionsverfahren anhängig, in dem unter anderem die im Wesentlichen gleich gelagerte Rechtsfrage der Klagebefugnis des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu beantworten sei. Die von der Klägerin begehrte Sachentscheidung des Gerichts könne vorliegend nicht getroffen werden, ohne dass gleichzeitig Rechte des Beigeladenen betroffen würden. Aus dem materiellen Recht des § 17 Abs. 1 KrWG ergebe sich die Überlassungspflicht an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger. Es entspreche bereits allgemeinen rechtstheoretischen Grundsätzen, dass eine Pflicht als Gegenstück einem subjektiven Recht gegenüber stehe. Dieses Recht werde im Falle einer Durchführung einer gewerblichen Sammlung unmittelbar beeinträchtigt. Wie bereits im bisherigen gerichtlichen Verfahren ausführlich dargelegt, werde die bestehende flächendeckende und haushaltsnahe Sammlung durch die Sammlung der Klägerin wesentlich beeinträchtigt, weshalb hier überwiegende öffentliche Interessen entgegenstünden. Das materielle Recht räume dem Beigeladenen daher eine Rechtsstellung ein, die seine Beteiligung am Verfahren notwendig mache. Das Bundesverwaltungsgericht habe diese besondere Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in seiner Entscheidung vom 30. Juni 2016 (Az. 7 C 4.15) erneut hervorgehoben. Es stelle die Struktur des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers unter einen besonderen Schutz und verteidige sie durch die Entwicklung einer sogenannten Irrelevanzschwelle. Eine weitere Kontrollüberlegung bestätige, dass vorliegend von einem Fall der notwendigen Beiladung auszugehen sei: Denn wenn der Beklagte den Verwaltungsakt nicht erlassen hätte, hätte der Beigeladene den Rechtsweg beschreiten können und die Verpflichtung des Antragsgegners zum Erlass eines Verwaltungsaktes nach § 18 Abs. 5 KrWG gerichtlich erstreiten können. In diesem Fall wäre die Klägerin zum Verfahren notwendig beizuladen gewesen. Daneben spreche auch das Recht zur Stellungnahme gemäß § 18 Abs. 4 KrWG für eine notwendige Beiladung. Selbst für den Fall, dass kein Fall einer notwendigen Beiladung vorliegen sollte, sei der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger rechtsmittelbefugt. Denn hierfür sei allein eine materielle Beschwer maßgeblich, die unabhängig von einer notwendigen Beiladung sei (unter Verweis auf BVerwG, U.v. 30.5.1984 – 4 C 58.81). Eine materielle Beschwer und damit die Rechtsmittelbefugnis des Beigeladenen sei immer dann gegeben, wenn er durch die Entscheidung der Vorinstanz in seinen rechtlich geschützten Interessen nachteilig berührt sei (unter Verweis auf BVerwG, U.v. 28.10.1999 – 7 C 32/98 – NVwZ 2000, 436, 437). Hier sei der Beigeladene von der angegriffenen erstinstanzlichen Entscheidung ganz erheblich betroffen, da von ihr abhänge, wie er die Altmetallsammlung zukünftig organisieren könne und welche Mengen an Altmetall seiner eigenen Sammlung entzogen würden. Daneben sei die Stellung des Beigeladenen auch durch Art. 28 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich abgesichert. Danach müsse den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Der Gesetzgeber habe mit § 17 Abs. 3 KrWG eine Norm geschaffen, die gerade den Betrieb eines Erfassungs- und Verwertungssystems haushaltsnaher Abfälle durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit dieses Systems und den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger selbst schützen wolle (unter Verweis auf VG Leipzig, Zwischenurteile vom 18.11.2016 – 1 K 1902/14 bzw. 1 K 1681/14 – juris). Der Gesetzgeber definiere mit § 17 Abs. 3 KrWG, dass im Falle der Gefährdung der Funktionsfähigkeit in den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG eingegriffen werde. Im Falle des Eingriffs in diesen Kernbereich liege eine Rechtsverletzung vor, die eine materielle Beschwer des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers darstelle. Diesen Kernbereich der Selbstverwaltung müsse der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger auch gegenüber Dritten auf dem Rechtsweg verteidigen können.
Mit Schreiben vom 25. April 2017 hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Berufung mangels materieller Beschwer des Beigeladenen unzulässig sein dürfte und die Möglichkeit zur Stellungnahme hierzu eröffnet. Auf die hierzu ergangenen Stellungnahmen wird Bezug genommen.
Der Beigeladene beantragt,
das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 22. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beigeladenen gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 22. Oktober 2013 zurückzuweisen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Behördenakten und die Akten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Beigeladenen ist unzulässig und war daher nach § 125 Abs. 2 VwGO durch Beschluss zu verwerfen. Die Beteiligten wurden hierzu vorher gehört, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO.
Dem vom Verwaltungsgericht beigeladenen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger fehlt die erforderliche Beschwerdebefugnis, weil er durch die angegriffene Entscheidung nicht materiell beschwert ist. Für die Rechtsmittelbefugnis eines erstinstanzlich Beigeladenen bedarf es einer materiellen Beschwer. Diese setzt voraus, dass die angegriffene Entscheidung in subjektiv-öffentliche Rechte des Beigeladenen i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 5 VwGO eingreift (st.Rspr., z.B. BVerwG, U.v. 14.4.2000 – 4 C 5.99 – NVwZ 2000, 1048, juris; U.v. 17.5.1995 – 6 C 8.94 – NVwZ-RR 1996, 31, juris; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, vor § 124 Rn. 42 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, vor § 124 Rn. 30). Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen kann eine solche Rechtsverletzung vorliegen, wenn die beigeladene Behörde durch die gerichtliche Entscheidung unmittelbar in der Erfüllung eines nur ihr gesondert übertragenen, selbständigen Aufgabenkreises beeinträchtigt würde (BVerwG, U.v. 29.1.1991 – 4 C 51.89 – NVwZ-RR 1991, 601/602, juris; U.v. 17.5.1995 – 6 C 8.94 – NVwZ-RR 1996, 31, juris; ebenso Rudisile in Schoch/Schnei-der/Bier a.a.O.). Dem gegenüber können sich juristische Personen des öffentlichen Rechts nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Bereich der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben grundsätzlich nicht auf Grundrechte berufen; Ausnahmen hiervon hat das Bundesverfassungsgericht nur zugelassen, soweit es sich um solche juristischen Personen des öffentlichen Rechts handelt, die von der ihnen durch die Rechtsordnung übertragenen Aufgabe her unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeordnet sind und sich deshalb in einer „grundrechtstypischen Gefährdungslage“ befinden, was bei Gemeinden nicht der Fall ist (st.Rspr., z.B. BVerfG, B.v. 21.2.2008 – 1 BvR 1987/07 – NVwZ 2008, 778, juris Rn. 8 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen wird ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger durch die verwaltungsgerichtliche Stattgabe der Anfechtungsklage eines gewerblichen Sammlers gegen eine Untersagungsverfügung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, weil solche Rechte weder durch die bundesgesetzliche Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 KrWG (1.) noch durch die Zuweisung der Entsorgungsaufgabe als Pflichtaufgabe des eigenen Wirkungskreises nach Art. 3 Abs. 1 BayAbfG (2.) begründet werden.
1. Die bundesrechtliche Überlassungspflicht bezüglich der aus privaten Haushaltungen stammenden Abfälle nach § 17 Abs. 1 KrWG besteht entgegen dem Vorbringen des Beklagten und des Beigeladenen ausschließlich im öffentlichen Interesse. Die Gesetzesbegründung führt zur Rechtfertigung der Überlassungspflicht in § 17 Abs. 1 KrWG aus, dass es sich bei der Abholung und Behandlung von Haushaltsabfällen um eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (Art. 106 Abs. 2 AEUV) handele. Die mit den Überlassungspflichten verbundenen Beschränkungen der Warenverkehrs- und Wettbewerbsfreiheit seien erforderlich, da anderenfalls die Erfüllung der kommunalen Entsorgungsaufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert würde. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH C-162/06 – „International Mail Spain“, Rn. 34; EuGH C-340/99 – „TNT Traco“, Rn. 54) komme es darauf an, ob die jeweilige Aufgabe zu wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen erfüllt werden könne. Allerdings stehe die Einräumung exklusiver Rechte europarechtlich unter dem Vorbehalt der „Erforderlichkeit“, sie dürfe also nicht angewandt werden, wenn es ein milderes Mittel zur Absicherung der Funktionstüchtigkeit der kommunalen Entsorgung gebe. Daher komme den Ausnahmetatbeständen, insbesondere der gewerblichen Sammlung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG eine wichtige Funktion zu. Insbesondere durch die vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit gewerblicher Sammlungen werde im Bereich der Hausmüllentsorgung der Warenverkehrs- und Wettbewerbsfreiheit der notwendige Raum gegeben. Die gesetzliche Ausnahmeklausel des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG diene dem Zweck, die Verhältnismäßigkeit der Überlassungspflichten sicherzustellen (BT-Drs. 17/6052, S. 85 f.). Dies übersieht das VG Leipzig in den vom Beigeladenen angeführten Zwischenurteilen vom 18. November 2016 (1 K 1681/14 – juris – und 1 K 1902/14).
Daher stehen nicht nur die Überlassungspflicht an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, sondern auch die Ausnahmen von dieser Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 KrWG nach der gesetzlichen Konzeption allein im öffentlichen Interesse. Soweit die gesetzliche Regelung gewerbliche Abfallsammlungen als nur eingeschränkt zulässig erachtet, dient diese Regelung allein dem Zweck, die vom Gesetzgeber für erforderlich gehaltene Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 KrWG europarechtlich abzusichern. Mithin besteht auch sie nur im öffentlichen Interesse und bezweckt keine Zuerkennung subjektiver Rechte an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (ebenso OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 17.3.2016 – 2 L 45/14 – juris Rn. 82; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 8.4.2014 – 20 E 547/13 – juris Rn. 5 f.).
Dass der Gesetzgeber in § 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG im Wege einer widerleglichen Vermutung (vgl. BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – NVwZ 2016, 1559, LS 1 und Rn. 24ff) ein einer gewerblichen Sammlung entgegenstehendes Überwiegen von öffentlichen Interessen bei einer Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers normiert hat, ändert hieran nichts. Denn bei der „Planungssicherheit“ und der „Organisationsverantwortung“ handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die nach der gesetzlichen Konzeption die Erforderlichkeitsschwelle im europarechtlichen Sinn definieren und konkretisieren. Sie vermögen jedoch nicht die grundlegende Konzeption, die allein im öffentlichen Interesse und nicht im subjektiven Interesse des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers besteht, zu verändern.
Eine Verletzung des Beigeladenen in eigenen Rechten durch die verwaltungsgerichtliche Entscheidung lässt sich auch nicht mit der Argumentation des Beigeladenen, dass mit einer Pflicht normalerweise ein Recht korrespondiere, begründen. Denn ungeachtet der Frage, ob ein derartig weiter Grundsatz überhaupt Geltung beansprucht, ist für § 17 KrWG jedenfalls anerkannt, dass mit der Pflicht, die aus privaten Haushalten stammenden Abfälle dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu überlassen, ein Anspruch des privaten Abfallerzeugers oder -besitzers auf Abnahme der Abfälle durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger korrespondiert (Schomerus in Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 17 Rn. 10; Ernst in Kopp-Assenmacher, KrWG, § 17 Rn. 7; Frenz in Fluck/Frenz/Fischer/Franßen, Kreislaufwirtschaftsrecht, Abfallrecht und Bodenschutzrecht, Ziff. 150, § 17 KrWG Rn. 58). Dass daraus aber ein Recht des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers folgen müsse, ist keineswegs zwingend und widerspräche wie oben dargestellt der gesetzgeberischen Konzeption des § 17 KrWG.
Schließlich lässt sich das von dem Beigeladenen und dem Beklagten gewünschte Ergebnis auch nicht aus der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – NVwZ 2016, 1559) ableiten. Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung mit der Konkretisierung der sogenannten „Irrelevanzschwelle“ möglicherweise weitgehend im Sinne der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger entschieden hat, so hat es sich jedoch nicht dahingehend geäußert, dass ein subjektives Recht des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auf bestimmte Abfallfraktionen bestünde. Da nämlich – wie oben dargestellt – die Überlassungspflicht nach § 17 KrWG und deren Ausnahmen allein im öffentlichen Interesse bestehen, ist, auch wenn aus der Irrelevanzschwelle eine vergleichsweise günstige Position für die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger abzuleiten wäre, diese allein ein faktischer Reflex. Eine subjektive Rechtsposition wird daraus aber nicht.
Schließlich lässt sich auch aus § 18 Abs. 4 KrWG keine subjektive Rechtsposition ableiten. Denn diese Bestimmung dient, worauf bereits der Kläger hingewiesen hat, allein der Informationsgewinnung der für die Untersagung einer gewerblichen Sammlung zuständigen Behörde (Schomerus in Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, § 17 Rn. 15; Ernst in Kopp-Assenmacher, KrWG, § 18 Rn. 50).
Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die bundesrechtlichen Regelungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger hinsichtlich der Untersagung einer gewerblichen Abfallsammlung eine subjektive Rechtsposition nicht zumessen.
2. Etwas anderes folgt nicht aus der Zuweisung der Entsorgungsaufgabe als Pflichtaufgabe des eigenen Wirkungskreises der Landkreise nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayAbfG. Danach erfüllen die Landkreise und kreisfreien Gemeinden die sich aus dem KrWG und aus dem BayAbfG ergebenden Aufgaben als Pflichtaufgaben im eigenen Wirkungskreis. Im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches kommt den Gemeindeverbänden, mithin auch den Landkreisen, gem. Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 10 BV ein Selbstverwaltungsrecht nach Maßgabe der Gesetze zu (vgl. BVerfG, B.v. 7.2.1991 – 2 BvL 24/84 – NVwZ 1992, 365/367, juris). Ob die Selbstverwaltungsgarantie neben der institutionellen Garantie den Gemeindeverbänden auch ein subjektives Recht verleiht, hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zunächst verneint, zuletzt offen gelassen (vgl. BayVerfGH, E.v. 28.11.2007 – Vf. 15-VII-05 – VerfGHE 60, 184, juris Rn. 171, 200 m.w.N.). Sie enthält jedenfalls keine Garantie eines bestimmten Bestandes an Aufgaben, sondern sichert die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung (BVerfG, B.v. 7.2.1991 a.a.O. Rn. 69; B.v. 23.11.1988 – Rastede, 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83 – NJW 1989, 347/349, juris Rn. 57 m.w.N.; BayVerfGH, E.v. 28.11.2007 – Vf. 15-VII-05 – VerfGHE 60, 184, juris Rn. 200 f.). Der eigene Wirkungskreis der Landkreise und damit der Umfang der Selbstverwaltung wird durch den Gesetzgeber bestimmt (Art. 10 Abs. 2 BV).
Die hier streitgegenständliche Untersagungsverfügung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG dient der Durchsetzung der Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 KrWG. Diese schützt die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gegenüber Maßnahmen Dritter, welche die Erfüllung der Entsorgungsaufgabe zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen verhindern oder die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigen. Der Schutzzweck der maßgeblichen Vorschriften besteht damit allein in der im öffentlichen Interesse liegenden ordnungsgemäßen Erfüllung der Überlassungs- und Entsorgungspflichten nach § 17 Abs. 1 bzw. § 20 Abs. 1 KrWG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 BayAbfG. Durch die Übertragung dieser Aufgabe nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayAbfG auf die Landkreise werden diesen somit im Allgemeinwohl liegende Pflichtaufgaben zugewiesen, diese werden durch die Aufgabenzuweisung aber nicht zu subjektiven Rechten. Eine Beeinträchtigung der dem Beigeladenen übertragenen Aufgaben durch gewerbliche Sammlungen führt damit zwar möglicher Weise zu einer durch die zuständigen Behörden im Rahmen der Gesetze abzuwehrenden Beeinträchtigung des Allgemeinwohls, nicht jedoch zu einer im Wege eines Rechtsmittels des Beigeladenen abzuwehrenden subjektiven Rechtsverletzung.
Eine andere Entscheidung folgt auch nicht aus der Tatsache, dass die Beiladung nach § 65 Abs. 4 Satz 3 VwGO unanfechtbar ist. Die Frage, ob eine notwendige Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO erfolgen muss und ob eine materielle Beschwer eines Beteiligten im Sinne des Berufungsrechts vorliegt, bestimmen sich zwar weitgehend nach den gleichen Kriterien. Aus § 65 Abs. 4 Satz 3 VwGO kann aber entgegen der Argumentation des Beklagten nicht der Schluss gezogen werden, dass bei einer einmal erfolgten Beiladung auch eine materielle Beschwer der von dem Beigeladenen eingelegten Berufung vorliegt. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Beiladung zwar nicht anfechtbar, aber vom Gericht jederzeit aufhebbar ist (vgl. nur Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 65 Rn. 30). Im Übrigen ist auch trotz der Unanfechtbarkeit des die Berufung zulassenden Beschlusses des Senats die materielle Beschwer des Berufungsführers als Sachentscheidungsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (Happ in Eyermann, VwGO, § 125 Rn. 3).
Da die Berufung vorliegend als unzulässig verworfen wird, bedurfte es einer Aufhebung des Beiladungsbeschlusses oder einer Entscheidung, ob die durch das Verwaltungsgericht nicht genau bezeichnete Beiladung eine notwendige oder einfache Beiladung darstellt (wobei der Senat zu letzterer Variante neigt) oder ob sie gegebenenfalls als einfache Beiladung aufrecht zu erhalten wäre, nicht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 125 Abs. 1, 167 VwGO i.V.m. §§ 708, Nr. 11, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 2.4.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Die Revision wird nicht zugelassen, da kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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