Baurecht

Fehlende Rechtsmittelbefugnis des beigeladenen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers

Aktenzeichen  20 B 14.848

Datum:
2.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2017, 114457
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KrWG § 17 Abs. 1, Abs. 3 S. 2, § 18 Abs. 5 S. 2
BayAbfG Art. 3 Abs. 1
KommZG Art. 2 Abs. 3 S. 1
GG Art. 28 Abs. 2 S. 2
BV Art. 10
VwGO § 65 Abs. 4 S. 3, § 125 Abs. 2

 

Leitsatz

Ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger wird durch die verwaltungsgerichtliche Stattgabe der Anfechtungsklage eines gewerblichen Sammlers gegen eine Untersagungsverfügung nach § 18 Abs. 5 S. 2 KrWG nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt. Die bundesrechtliche Überlassungspflicht bezüglich der aus privaten Haushaltungen stammenden Abfälle nach § 17 Abs. 1 KrWG besteht ausschließlich im öffentlichen Interesse. (Rn. 19 – 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 17 K 13.2442 2013-10-24 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung des Beigeladenen wird verworfen.
II. Der Beigeladene trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beigeladene kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn die übrigen Beteiligten nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Beigeladene wendet sich gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts München (Verwaltungsgericht), mit dem der die von der Klägerin angezeigte Sammlung von Altschuhen untersagende Bescheid des Beklagten aufgehoben wurde.
Mit Schreiben vom 29. August 2012 zeigte die Klägerin beim Landratsamt S. (Landratsamt) eine gewerbliche Sammlung von Altschuhen an, wobei angegeben wurde, dass 36 Container aufgestellt seien und der Umfang der Sammlung ca. 48,49 t pro Jahr betrage.
Mit Bescheid vom 29. April 2013 untersagte das Landratsamt der Klägerin, gewerbliche Sammlungen von Altschuhen aus privaten Haushaltungen im Landkreis S. durchzuführen. Die gewerbliche Sammlung sei bis spätestens 2 Jahre nach Rechtskraft des Bescheides einzustellen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro angedroht.
Mit Schreiben vom 29. Mai 2013 ließ die Klägerin hiergegen Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben. Im Klageverfahren wurde mitgeteilt, dass die Sammelstellen sich zwischenzeitlich auf 3 reduziert hätten, so dass die zu erwartende jährliche Sammelmenge mit etwa 300 kg zu veranschlagen sei.
Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 24. Juni 2013 den Beigeladenen zum Verfahren nach § 65 Abs. 2 VwGO beigeladen.
Mit Urteil vom 24. Oktober 2013 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 29. April 2013 aufgehoben. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Klägerin nicht bestünden. Die Untersagung könne auch nicht darauf gestützt werden, dass die Abfälle keiner ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt würden. Schließlich lägen auch keine entgegenstehenden überwiegenden öffentlichen Interessen im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) vor.
Hiergegen wendet sich der Beigeladene mit der vom Senat zugelassenen Berufung.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 14. Dezember 2016 zur Unzulässigkeit der Berufung angehört.
Der Beklagte führt hierzu aus, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 30. Juni 2016 (7 C 5.15) angemerkt habe, das Berufungsgericht habe zu prüfen, ob die vom Verwaltungsgericht nach § 65 Abs. 2 VwGO beschlossene notwendige Beiladung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu Recht erfolgt sei und ob diese gegebenenfalls als Einfache aufrecht zu erhalten sei. Nach dem im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. November 2014 (a.a.O. Rn. 13) genannten Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 28. Oktober 1999 (7 C 32.98) liege die Rechtsmittelbefugnis eines Beigeladenen dann vor, wenn er durch die Entscheidung der Vorinstanz in seinen rechtlich geschützten Interessen nachteilig berührt werde oder die Möglichkeit einer Verletzung seiner Rechte bestehe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts habe das Rechtsmittel des Beigeladenen nur dann in der Sache Erfolg, wenn die angegriffene Entscheidung über ihre objektive Rechtswidrigkeit hinaus zugleich auch die subjektiven Rechte des Rechtsmittelführers verletze (BVerwG, U.v. 28.10.1999 – 7 C 32.98 – juris Rn. 11). Ein Beispiel für die fehlende Beschwer des Beigeladenen biete das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Mai 1984 (4 C 58.81 – juris Rn. 24), wonach die dort Beigeladene zu 4), eine Fluggesellschaft, weder einen Anspruch auf Durchführung des Planfeststellungsverfahrens noch einen rechtlich geschützten Einfluss auf den Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses habe. Demgegenüber führe das Bundesverwaltungsgericht in diesem Urteil aus, dass einer Gemeinde durchaus rechtlich geschützte Interessen zustehen könnten. Wäre die in dieser Entscheidung klagende Gemeinde beigeladen gewesen, so wäre ihr die notwendige Rechtsmittelbefugnis zuzusprechen gewesen. Gleiches gelte im vorliegenden Fall. Die Position des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers werde im Gefüge der §§ 17 ff. KrWG insbesondere in § 17 Abs. 3 Satz 2, 3 KrWG mit dessen „Planungssicherheit und Organisationsverantwortung“ konturiert. Nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG genüge eine konkret geplante Leistung. Die danach geschützte Planungssicherheit setze notwendigerweise eine Planungsaufgabe und damit eine Planungshoheit voraus, die die verpflichtende Anhörung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nach § 18 Abs. 4 KrWG bestätige. Damit werde dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ein rechtlich geschützter Einfluss im Sinne der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Mai 1984 zugesprochen. Das KrWG räume dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger insbesondere in § 17 Abs. 3 KrWG eine weitaus stärkere Rechtsposition ein, als nur die abstrakte Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Planungshoheit, die nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Mai 1984 (4 C 58.81, juris Rn. 33) nicht genügen würde. Das vom Bundesverwaltungsgericht zitierte Urteil vom 27. November 2014 (7 C 18.12) befasse sich im Gegensatz zum vorliegenden Verfahren mit der Situation einer Verpflichtungsklage. Im Gegensatz dazu sei bei einer Anfechtungsklage mit der Aufhebung des eine gewerbliche Abfallsammlung untersagenden Bescheids durchaus eine Entscheidung möglich, die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger belaste und seine Rechte verletze. Ihn nur in der Position zu sehen, dass ihm nach § 20 KrWG Pflichten im Interesse der Allgemeinheit auferlegt würden und die Erfüllung dieser Pflichten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 KrWG, § 18 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. KrWG abgesichert werde, werde ihm auch in prozessualer Hinsicht nicht gerecht. Das Rechtsschutzsystem der VwGO enthalte neben dem Erfordernis einer Verletzung in eigenen Rechten auch die Unanfechtbarkeit einer Beiladung (§ 65 Abs. 4 Satz 3 VwGO) und die Unanfechtbarkeit eines die Berufung zulassenden Beschlusses (§ 152 VwGO).
Der Beigeladene führt aus, dass die Rechtsmittelbefugnis des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in der Rechtsprechung bislang nicht abschließend geklärt sei. Gegen das Urteil des OVG Magdeburg vom 17. März 2016 sei ein Revisionsverfahren anhängig, in dem u.a. die im Wesentlichen gleichgelagerte Rechtsfrage der Klagebefugnis des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu beantworten sei. Die Rechtsprechung des OVG Münster und des OVG Magdeburg werde von zahlreichen Verwaltungsgerichten nicht geteilt (u.V.a. VG Leipzig, U.v. 18.11.2016 – juris 1 K 1902/14; VG Gera, U.v. 12.2.2015 – 5 K 1420/13 GE). Eine materielle Beschwer und damit die Rechtsmittelbefugnis eines Beigeladenen seien immer dann gegeben, wenn er durch die Entscheidung der Vorinstanz in seinen rechtlich geschützten Interessen nachteilig berührt sei (BVerwG, U.v. 28.10.1999 – 7 C 32/98 – NVwZ 2000, 436, 437). Die rechtlich geschützten Interessen des Beigeladenen ergäben sich zunächst aus § 17 Abs. 1 KrWG, der die Überlassungspflicht von Abfällen an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger regelt. Es entspreche insoweit bereits allgemeinen rechtstheoretischen Grundsätzen, dass eine Pflicht als Gegenstück einem subjektiven Recht gegenüberstehe. Dieses Recht würde im Falle der Durchführung einer gewerblichen Sammlung unmittelbar beeinträchtigt. Nach dem Kaskadenmodell des § 17 Abs. 3 KrWG bestehe ein Recht des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, überlassungspflichtige Abfälle unter Ausschluss von gewerblichen Sammlern zu erfassen und zu verwerten, wenn den gewerblichen Sammlungen überwiegende öffentliche Interessen entgegenstünden. Wie bereits im bisherigen Verfahren ausführlich dargelegt, werde die bestehende Alttextilsammlung des Beigeladenen durch die Sammlung der Klägerin im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG wesentlich beeinträchtigt, so dass ihr überwiegende öffentliche Interessen entgegenstünden. Die besondere Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers sei in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2016 (7 C 4.15 – juris Rn. 52) erneut hervorgehoben und konturiert worden. Das Bundesverwaltungsgericht stelle die Struktur des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers unter einen besonderen Schutz und verteidige sie durch die Entwicklung einer sogenannten Irrelevanzschwelle. Die so konturierte Rechtsstellung wäre nicht justiziabel und damit wirkungslos, wenn mit ihr keine Rechtspositionen verbunden wären, die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger auch eigenständig geltend machen könne. Auch das Recht zur Stellungnahme gemäß § 18 Abs. 4 KrWG spreche für eine notwendige Beiladung. Hierdurch werde ihm eine qualifizierte Stellung im Verfahren eingeräumt. Vor allem aber gebe § 17 Abs. 3 KrWG eine Definition des Gesetzgebers, unter welchen Voraussetzungen von einer „Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers“ auszugehen sei. Dabei gehe es nicht um die Frage, welchen Umfang an Selbstverwaltung der Gesetzgeber einer Kommune einräume, sondern um eine Definition des Gesetzgebers, wann der Kernbereich der Selbstverwaltung angegriffen sei, da bereits die Funktionsfähigkeit gefährdet sei. Diesen Kernbereich der Selbstverwaltung dürfe die Kommune auch gegenüber Dritten verteidigen, weshalb hierzu prozessuale Schutzmechanismen wie eine notwendige Beiladung, Klagebefugnis oder eine Berufung auf eine Rechtsverletzung notwendig seien.
Die Klägerin äußerte sich dahingehend, dass dem Beigeladenen eine Rechtsmittelbefugnis nicht zustehe. Ihm stehe auch keine Klagebefugnis für eine Verpflichtungsklage gegen die zuständige Abfallbehörde auf Erlass einer Untersagungsverfügung zu. Ein solches Recht lasse sich insbesondere auch nicht aus der Überlassungs-pflicht des § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG ableiten. Diese Norm sei nicht drittschützend. Die Überlassungspflicht richte sich ausschließlich an den Abfallbesitzer. Ein Überlassungsanspruch des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers folge daraus nicht. Die Überlassungspflicht korrespondiere zwar mit einem Überlassungsanspruch des Abfallbesitzers gegen den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger. Umgekehrt habe der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger aber keinen Rechtsanspruch auf Überlassung von Abfällen. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger sei das staatliche Mittel zur Sicherstellung einer funktionierenden Abfallentsorgung. Er sei der Teil der öffentlichen Verwaltung, dem die Aufgabe der Abfallentsorgung zugewiesen sei. In der Erfüllung dieser Aufgabe erschöpfe sich seine Daseinsberechtigung. Seine Aufgabe sei nicht die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde unter dem Deckmantel einer funktionierenden öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger habe keinen Anspruch auf Marktanteile am Abfallmarkt und damit auch keinen Anspruch auf Überlassung bestimmter Abfallmengen. Dies würde die verfassungsmäßigen und europarechtlichen Grenzen der wirtschaftlichen Betätigung von Gemeinden deutlich überschreiten. Deshalb sei in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG auch von „überwiegenden öffentlichen Interessen“ die Rede und nicht etwa von „überwiegenden wirtschaftlichen Interessen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers“. Aus § 18 Abs. 4 KrWG folge nichts anderes. Die danach abzugebende Stellungnahme diene einzig der Schaffung einer Tatsachengrundlage für die zuständige Abfallbehörde. Die Bestimmung erfordere kein Einvernehmen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in Bezug auf die zu treffende Anordnung. Insofern bestehe ein wesentlicher Unterschied zu § 36 BauGB, der zur Wahrung der gemeindlichen Planungshoheit als Ausdruck der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ein Einvernehmenserfordernis statuiere.
Der Beigeladene beantragt,
das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 24. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 24. Oktober 2013 zurückzuweisen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Behördenakten und die Akten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Beigeladenen ist unzulässig und war daher nach § 125 Abs. 2 VwGO durch Beschluss zu verwerfen. Die Beteiligten wurden hierzu vorher gehört, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO.
Dem vom Verwaltungsgericht beigeladenen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger fehlt die erforderliche Beschwerdebefugnis, weil er durch die angegriffene Entscheidung nicht materiell beschwert ist. Für die Rechtsmittelbefugnis eines erstinstanzlich Beigeladenen bedarf es einer materiellen Beschwer. Diese setzt voraus, dass die angegriffene Entscheidung in subjektiv-öffentliche Rechte des Beigeladenen i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 5 VwGO eingreift (st.Rspr., z.B. BVerwG, U.v. 14.4.2000 – 4 C 5.99 – NVwZ 2000, 1048, juris; U.v. 17.5.1995 – 6 C 8.94 – NVwZ-RR 1996, 31, juris; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, vor § 124 Rn. 42 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, vor § 124 Rn. 30). Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen kann eine solche Rechtsverletzung vorliegen, wenn die beigeladene Behörde durch die gerichtliche Entscheidung unmittelbar in der Erfüllung eines nur ihr gesondert übertragenen, selbständigen Aufgabenkreises beeinträchtigt würde (BVerwG, U.v. 29.1.1991 – 4 C 51.89 – NVwZ-RR 1991, 601/602, juris; U.v. 17.5.1995 – 6 C 8.94 – NVwZ-RR 1996, 31, juris; ebenso Rudisile in Schoch/Schneider/Bier a.a.O.). Dem gegenüber können sich juristische Personen des öffentlichen Rechts nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Bereich der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben grundsätzlich nicht auf Grundrechte berufen; Ausnahmen hiervon hat das Bundesverfassungsgericht nur zugelassen, soweit es sich um solche juristischen Personen des öffentlichen Rechts handelt, die von der ihnen durch die Rechtsordnung übertragenen Aufgabe her unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeordnet sind und sich deshalb in einer „grundrechtstypischen Gefährdungslage“ befinden, was bei Gemeinden nicht der Fall ist (st.Rspr., z.B. BVerfG, B.v. 21.2.2008 – 1 BvR 1987/07 – NVwZ 2008, 778, juris Rn. 8 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen wird ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger – hier als Zweckverband und damit Körperschaft des öffentlichen Rechts gem. Art. 2 Abs. 3 Satz 1 KommZG – durch die verwaltungsgerichtliche Stattgabe der Anfechtungsklage eines gewerblichen Sammlers gegen eine Untersagungsverfügung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, weil solche Rechte weder durch die bundesgesetzliche Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 KrWG (1.) noch durch die Zuweisung der Entsorgungsaufgabe als Pflichtaufgabe des eigenen Wirkungskreises nach Art. 3 Abs. 1 BayAbfG (2.) begründet werden.
1. Die bundesrechtliche Überlassungspflicht bezüglich der aus privaten Haushaltungen stammenden Abfälle nach § 17 Abs. 1 KrWG besteht entgegen dem Vorbringen des Beklagten und des Beigeladenen ausschließlich im öffentlichen Interesse. Die Gesetzesbegründung führt zur Rechtfertigung der Überlassungspflicht in § 17 Abs. 1 KrWG aus, dass es sich bei der Abholung und Behandlung von Haushaltsabfällen um eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (Art. 106 Abs. 2 AEUV) handele. Die mit den Überlassungspflichten verbundenen Beschränkungen der Warenverkehrs- und Wettbewerbsfreiheit seien erforderlich, da anderenfalls die Erfüllung der kommunalen Entsorgungsaufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert würde. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH C-162/06 – „International Mail Spain“, Rn. 34; EuGH C-340/99 – „TNT Traco“, Rn. 54) komme es darauf an, ob die jeweilige Aufgabe zu wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen erfüllt werden könne. Allerdings stehe die Einräumung exklusiver Rechte europarechtlich unter dem Vorbehalt der „Erforderlichkeit“, sie dürfe also nicht angewandt werden, wenn es ein milderes Mittel zur Absicherung der Funktionstüchtigkeit der kommunalen Entsorgung gebe. Daher komme den Ausnahmetatbeständen, insbesondere der gewerblichen Sammlung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG eine wichtige Funktion zu. Insbesondere durch die vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit gewerblicher Sammlungen werde im Bereich der Hausmüllentsorgung der Warenverkehrs- und Wettbewerbsfreiheit der notwendige Raum gegeben. Die gesetzliche Ausnahmeklausel des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG diene dem Zweck, die Verhältnismäßigkeit der Überlassungspflichten sicherzustellen (BT-Drs. 17/6052, S. 85 f.).
Daher stehen nicht nur die Überlassungspflicht an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, sondern auch die Ausnahmen von dieser Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 KrWG nach der gesetzlichen Konzeption allein im öffentlichen Interesse. Soweit die gesetzliche Regelung gewerbliche Abfallsammlungen als nur eingeschränkt zulässig erachtet, dient diese Regelung allein dem Zweck, die vom Gesetzgeber für erforderlich gehaltene Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 KrWG europarechtlich abzusichern. Mithin besteht auch sie nur im öffentlichen Interesse und bezweckt keine Zuerkennung subjektiver Rechte an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (ebenso OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 17.3.2016 – 2 L 45/14 – juris Rn. 82; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 8.4.2014 – 20 E 547/13 – juris Rn. 5 f.).
Dass der Gesetzgeber in § 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG im Wege einer widerleglichen Vermutung (vgl. BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – NVwZ 2016, 1559, LS 1 und Rn. 24ff) ein einer gewerblichen Sammlung entgegenstehendes Überwiegen von öffentlichen Interessen bei einer Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers normiert hat, ändert hieran nichts. Denn bei der „Planungssicherheit“ und der „Organisationsverantwortung“ handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die nach der gesetzlichen Konzeption die Erforderlichkeitsschwelle im europarechtlichen Sinn definieren und konkretisieren. Sie vermögen jedoch nicht die grundlegende Konzeption, die allein im öffentlichen Interesse und nicht im subjektiven Interesse des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers besteht, zu verändern.
Eine Verletzung des Beigeladenen in eigenen Rechten durch die verwaltungsgerichtliche Entscheidung lässt sich auch nicht mit der Argumentation des Beigeladenen, dass mit einer Pflicht normalerweise ein Recht korrespondiere, begründen. Denn ungeachtet der Frage, ob ein derartig weiter Grundsatz überhaupt Geltung beansprucht, ist für § 17 KrWG jedenfalls anerkannt, dass mit der Pflicht, die aus privaten Haushalten stammenden Abfälle dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu überlassen, ein Anspruch des privaten Abfallerzeugers oder -besitzers auf Abnahme der Abfälle durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger korrespondiert (Schomerus in Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 17 Rn. 10; Ernst in Kopp-Assenmacher, KrWG, § 17 Rn. 7; Frenz in Fluck/Frenz/Fischer/Franßen, Kreislaufwirtschaftsrecht, Abfallrecht und Bodenschutzrecht, Ziff. 150, § 17 KrWG Rn. 58). Dass daraus aber ein Recht des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers folgen müsse, ist keineswegs zwingend und widerspräche wie oben dargestellt der gesetzgeberischen Konzeption des § 17 KrWG.
Schließlich lässt sich das von dem Beigeladenen und dem Beklagten gewünschte Ergebnis auch nicht aus der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – NVwZ 2016, 1559) ableiten. Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung mit der Konkretisierung der sogenannten „Irrelevanzschwelle“ möglicherweise weitgehend im Sinne der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger entschieden hat, so hat es sich jedoch nicht dahingehend geäußert, dass ein subjektives Recht des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auf bestimmte Abfallfraktionen bestünde. Da nämlich – wie oben dargestellt – die Überlassungspflicht nach § 17 KrWG und deren Ausnahmen allein im öffentlichen Interesse bestehen, ist, auch wenn aus der Irrelevanzschwelle eine vergleichsweise günstige Position für die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger abzuleiten wäre, diese allein ein faktischer Reflex. Eine subjektive Rechtsposition wird daraus aber nicht.
Schließlich lässt sich auch aus § 18 Abs. 4 KrWG keine subjektive Rechtsposition ableiten. Denn diese Bestimmung dient, worauf bereits der Kläger hingewiesen hat, allein der Informationsgewinnung der für die Untersagung einer gewerblichen Sammlung zuständigen Behörde (Schomerus in Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, § 17 Rn. 15; Ernst in Kopp-Assenmacher, KrWG, § 18 Rn. 50).
Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die bundesrechtlichen Regelungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger hinsichtlich der Untersagung einer gewerblichen Abfallsammlung eine subjektive Rechtsposition nicht zumessen.
2. Etwas anderes folgt nicht aus der Zuweisung der Entsorgungsaufgabe als Pflichtaufgabe des eigenen Wirkungskreises der Landkreise nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayAbfG. Danach erfüllen die Landkreise und kreisfreien Gemeinden die sich aus dem KrWG und aus dem BayAbfG ergebenden Aufgaben als Pflichtaufgaben im eigenen Wirkungskreis. Im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches kommt den Gemeindeverbänden, mithin auch den Landkreisen, gem. Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 10 BV ein Selbstverwaltungsrecht nach Maßgabe der Gesetze zu (vgl. BVerfG, B.v. 7.2.1991 – 2 BvL 24/84 – NVwZ 1992, 365/367, juris). Ob die Selbstverwaltungsgarantie neben der institutionellen Garantie den Gemeindeverbänden auch ein subjektives Recht verleiht, hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zunächst verneint, zuletzt offen gelassen (vgl. BayVerfGH, E.v. 28.11.2007 – Vf. 15-VII-05 – VerfGHE 60, 184, juris Rn. 171, 200 m.w.N.). Sie enthält jedenfalls keine Garantie eines bestimmten Bestandes an Aufgaben, sondern sichert die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung (BVerfG, B.v. 7.2.1991 a.a.O. Rn. 69; B.v. 23.11.1988 – Rastede, 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83 – NJW 1989, 347/349, juris Rn. 57 m.w.N.; BayVerfGH, E.v. 28.11.2007 – Vf. 15-VII-05 – VerfGHE 60, 184, juris Rn. 200 f.). Der eigene Wirkungskreis der Landkreise und damit der Umfang der Selbstverwaltung wird durch den Gesetzgeber bestimmt (Art. 10 Abs. 2 BV). Mit der Übertragung von Aufgaben auf einen Zweckverband – wie hier den Beigeladenen – gehen das Recht und die Pflicht der Verbandsmitglieder, die übertragenen Aufgaben zu erfüllen, auf diesen über (Art. 22 Abs. 1 Satz 1 KommZG).
Die hier streitgegenständliche Untersagungsverfügung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG dient der Durchsetzung der Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 KrWG. Diese schützt die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gegenüber Maßnahmen Dritter, welche die Erfüllung der Entsorgungsaufgabe zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen verhindern oder die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigen. Der Schutzzweck der maßgeblichen Vorschriften besteht damit allein in der im öffentlichen Interesse liegenden ordnungsgemäßen Erfüllung der Überlassungs- und Entsorgungspflichten nach § 17 Abs. 1 bzw. § 20 Abs. 1 KrWG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 BayAbfG. Durch die Übertragung dieser Aufgabe nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayAbfG auf die Landkreise werden diesen somit im Allgemeinwohl liegende Pflichtaufgaben zugewiesen, diese werden durch die Aufgabenzuweisung aber nicht zu subjektiven Rechten. Ein Mehr an Rechten kann damit auch einem Zweckverband nicht übertragen werden. Eine Beeinträchtigung der dem Beigeladenen übertragenen Aufgaben durch gewerbliche Sammlungen führt damit zwar möglicher Weise zu einer durch die zuständigen Behörden im Rahmen der Gesetze abzuwehrenden Beeinträchtigung des Allgemeinwohls, nicht jedoch zu einer im Wege eines Rechtsmittels des Beigeladenen abzuwehrenden subjektiven Rechtsverletzung.
Eine andere Entscheidung folgt auch nicht aus der Tatsache, dass die Beiladung nach § 65 Abs. 4 Satz 3 VwGO unanfechtbar ist. Die Frage, ob eine notwendige Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO erfolgen muss und ob eine materielle Beschwer eines Beteiligten im Sinne des Berufungsrechts vorliegt, bestimmen sich zwar weitgehend nach den gleichen Kriterien. Aus § 65 Abs. 4 Satz 3 VwGO kann aber entgegen der Argumentation des Beklagten nicht der Schluss gezogen werden, dass bei einer einmal erfolgten Beiladung auch eine materielle Beschwer der von dem Beigeladenen eingelegten Berufung vorliegt. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Beiladung zwar nicht anfechtbar, aber vom Gericht jederzeit aufhebbar ist (vgl. nur Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 65 Rn. 30). Im Übrigen ist auch trotz der Unanfechtbarkeit des die Berufung zulassenden Beschlusses des Senats die materielle Beschwer des Berufungsführers als Sachentscheidungsvoraussetzungen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (Happ in Eyermann, VwGO, § 125 Rn. 3).
Da die Berufung vorliegend als unzulässig verworfen wird, bedurfte es einer Aufhebung des Beiladungsbeschlusses oder einer Entscheidung, ob die durch das Verwaltungsgericht erfolgte notwendige Beiladung als einfache Beiladung aufrecht zu erhalten wäre, nicht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 125 Abs. 1, 167 VwGO i.V.m. §§ 708, Nr. 11, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 2.4.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Die Revision wird nicht zugelassen, da kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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