Aktenzeichen 20 ZB 17.1391
BayAbfG Art. 3 Abs. 1 S. 2
KommZG Art. 22 Abs. 1 S. 1
GG Art. 28 Abs. 2 S. 2
BV Art. 10
VwGO § 65 Abs. 1, § 113 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
1. Die Überlassungspflicht bezüglich der aus privaten Haushaltungen stammenden Abfälle nach § 17 Abs. 1 KrwG sowie die Ausnahmen von dieser Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 KrWG bestehen ausschließlich im öffentlichen Interesse. (Rn. 17 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Art. 28 Abs. 2 GG räumt einer Selbstverwaltungskörperschaft keine materiell-rechtliche Position ein, die dem Grundrecht eines betroffenen Bürgers entgegengehalten werden kann. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Durch die Zuweisung einer im Allgemeinwohl liegenden Pflichtaufgabe an einen Aufgabenträger (öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger) werden diesem keine subjektiven Rechte verliehen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 17 K 16.1241 2017-05-11 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
II. Der Beigeladene hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 20.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der beigeladene Zweckverband erstrebt als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. Mai 2017 (Az. M 17 K 16.1241).
In der angefochtenen Entscheidung hat das Verwaltungsgericht die Untersagung der gewerblichen Altkleidersammlung der Klägerin im Landkreis Starnberg durch den Bescheid des Landratsamtes Starnberg vom 10. Februar 2016 aufgehoben und damit der Anfechtungsklage stattgegeben.
Zur Begründung führt das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Untersagung der gemäß § 18 Abs. 1 KrWG angezeigten gewerblichen Altkleidersammlung sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten, weil im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Klägerin oder der für die Leitung und Beaufsichtigung der Sammlung verantwortlichen Personen (§ 18 Abs. 5 Satz 2, 1. Alt. KrWG) noch Zweifel daran bestünden, dass die gesammelten Abfälle einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt würden (§ 18 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. KrWG), und der Sammlung auch keine überwiegenden öffentlichen Interessen im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 KrWG entgegen stünden (§ 18 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. KrWG).
Dem war ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorausgegangen. In diesem Verfahren hatte der Senat mit Beschluss vom 20. Dezember 2016 die Beschwerde des Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 27. Juni 2016 (Az. M 17 S. 16.1243 – juris), mit dem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Untersagungsverfügung wiederhergestellt worden war, mangels Beschwerdebefugnis verworfen (Az. 20 CS 16.1416 – juris). Mit weiterem Beschluss vom 30. Januar 2017 hatte der Senat die Beschwerde des Beklagten gegen den oben genannten Beschluss des Verwaltungsgerichts als unbegründet zurückgewiesen (Az. 20 CS 16.1416).
Der Beigeladene beantragte mit Schriftsatz vom 29. Juni 2017 die Zulassung der Berufung gegen das ihm am 1. Juni 2017 zugestellte Urteil vom 11. Mai 2017. Zur Begründung seines Rechtsmittels machte der Beigeladene mit Schriftsatz vom 1. August 2017, per Telefax am selben Tag beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend.
Er vertritt im Wesentlichen den Standpunkt, der klägerischen Sammlung stehe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein Untersagungsgrund gemäß § 18 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. KrWG in der Gestalt überwiegender öffentlicher Interessen entgegen. Die Irrelevanzschwelle sei durch die klägerische Sammlung im Zusammenwirken mit anderen gewerblichen Sammlungen überschritten, weshalb die Regelvermutung (§ 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG) zu Lasten der Klägerin greife. Die vom Verwaltungsgericht angewendete Berechnungsmethode sei unzutreffend, weil bei der Beurteilung der künftigen Auswirkungen gewerblicher Sammlungen im Ausgangspunkt nicht von der Gesamtsammelmenge an Alttextilien im Landkreis, sondern von der Sammelmenge allein des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auszugehen sei. Dieser seien sodann die Mengen gewerblicher und gemeinnütziger Sammlungen, soweit diese nicht bestandskräftig untersagt worden seien, gegenüber zu stellen.
Des Weiteren werde durch die klägerische Sammlung entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG wesentlich beeinträchtigt.
Der Beigeladene sei durch das angegriffene Urteil auch materiell beschwert, weil er dadurch in seinen rechtlich geschützten Interessen nachteilig berührt sei. Von dieser Entscheidung hänge ab, wie er die Altkleidersammlung künftig organisieren könne und welche Mengen an Altkleidern seiner eigenen Sammlung entzogen würden. Der Gesetzgeber habe in § 17 Abs. 3 KrWG eine Norm geschaffen, die gerade den Betrieb eines Erfassungs- und Verwertungssystems haushaltsnaher Abfälle durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit dieses Systems und des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers selbst schützen wolle. Mit dieser Norm definiere der Gesetzgeber, dass im Falle der Gefährdung der Funktionsfähigkeit in den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG eingegriffen werde. Diesen Kernbereich und eine damit verbundene Rechtsverletzung müsse der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger auch gegenüber Dritten auf dem Rechtsweg verteidigen können. Auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gera (U.v. 12.2.2015 – 5 K 1420/13 GE) wurde Bezug genommen. Durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2016 (Az. 7 C 5.15) werde die Rechtsmittelbefugnis des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nicht in Frage gestellt. Das Bundesverwaltungsgericht habe lediglich die Frage aufgeworfen, ob die Beiladung als notwendige Beiladung hätte erfolgen müssen, oder ob sie als einfache Beiladung aufrechtzuerhalten sei. Für den Fall, dass der Verwaltungsgerichtshof anderer Auffassung sei, werde eine Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit im Hinblick auf ein beim Bundesverwaltungsgericht anhängiges Revisionsverfahren gegen das Urteil des OVG Sachsen-Anhalt vom 17. März 2016 (Az. 2 L 45/14) angeregt.
Der Beigeladene hat sein Vorbringen in weiteren Schriftsätzen vertieft.
Die Landesanwaltschaft Bayern hat sich mit Schriftsätzen vom 11. September und 12. Oktober 2017 zum Verfahren geäußert. Sie tritt der Rechtsauffassung des Beigeladenen im Ergebnis bei.
Die Klägerin ist dem entgegen getreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtssowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag des Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München ist unzulässig.
Dem nach § 65 Abs. 1 VwGO beigeladenen Zweckverband als öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger fehlt die erforderliche Rechtsmittelbefugnis, weil er durch die angegriffene Entscheidung nicht materiell beschwert ist. Die Zulässigkeit des von einem erstinstanzlich Beigeladenen erhobenen Rechtsmittels erfordert, dass dieser materiell durch die verwaltungsgerichtliche Entscheidung beschwert ist. Eine solche materielle Beschwer liegt nur dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung zu einer Verletzung subjektiver Rechte des Beigeladenen im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO führen kann. Ob dies der Fall ist, ist nach der Rechtskraftwirkung des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu beurteilen (BVerwG, U.v. 12.3.1987 – 3 C 2/86 – BVerwGE 77, 102, zitiert nach juris Rn. 35 ff.; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, vor § 124, Rn. 30). Der Beigeladene muss geltend machen können, aufgrund der Bindungswirkung des Urteils möglicherweise präjudiziell in eigenen Rechten verletzt zu sein (BVerwG, U.v. 24.8.2016 – 9 B 54.15, NVwZ 2017, 568 Rn. 6).
Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen kann eine solche Rechtsverletzung vorliegen, wenn die beigeladene Behörde durch die gerichtliche Entscheidung unmittelbar in der Erfüllung eines nur ihr gesondert übertragenen, selbständigen Aufgabenkreises beeinträchtigt würde (BVerwG, U.v. 29.1.1991 – 4 C 51.89 – NVwZ-RR 1991, 601/602, juris; U.v. 17.5.1995 – 6 C 8.94 – NVwZ-RR 1996, 31, juris; ebenso Rudisile in Schoch/Schnei-der/Bier a.a.O.). Dem gegenüber können sich juristische Personen des öffentlichen Rechts nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Bereich der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben grundsätzlich nicht auf Grundrechte berufen; Ausnahmen hiervon hat das Bundesverfassungsgericht nur zugelassen, soweit es sich um solche juristischen Personen des öffentlichen Rechts handelt, die von der ihnen durch die Rechtsordnung übertragenen Aufgabe her unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeordnet sind und sich deshalb in einer „grundrechtstypischen Gefährdungslage“ befinden, was bei Gemeinden nicht der Fall ist (stRspr., z.B. BVerfG, B.v. 21.2.2008 – 1 BvR 1987/07 – NVwZ 2008, 778, juris Rn. 8 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen wird ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger – hier als Zweckverband und damit als Körperschaft des öffentlichen Rechts gem. Art. 2 Abs. 3 Satz 1 KommZG – durch die verwaltungsgerichtliche Stattgabe der Anfechtungsklage eines gewerblichen Sammlers gegen eine Untersagungsverfügung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, weil solche Rechte weder durch die bundesgesetzliche Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 KrWG (1.) noch durch die Zuweisung der Entsorgungsaufgabe als Pflichtaufgabe des eigenen Wirkungskreises nach Art. 3 Abs. 1 BayAbfG (2.) begründet werden.
1. Die bundesrechtliche Überlassungspflicht bezüglich der aus privaten Haushaltungen stammenden Abfälle nach § 17 Abs. 1 KrWG besteht entgegen dem Vorbringen des Beklagten und des Beigeladenen ausschließlich im öffentlichen Interesse. Die Gesetzesbegründung führt zur Rechtfertigung der Überlassungspflicht in § 17 Abs. 1 KrWG aus, dass es sich bei der Abholung und Behandlung von Haushaltsabfällen um eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (Art. 106 Abs. 2 AEUV) handele. Die mit den Überlassungspflichten verbundenen Beschränkungen der Warenverkehrs- und Wettbewerbsfreiheit seien erforderlich, da anderenfalls die Erfüllung der kommunalen Entsorgungsaufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert würde. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, U.v. 15.11.2007 – C-162/06, International Mail Spain – Rn. 34; U.v. 17.5.2001 – C-340/99, TNT Traco – Rn. 54) komme es darauf an, ob die jeweilige Aufgabe zu wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen erfüllt werden könne. Allerdings stehe die Einräumung exklusiver Rechte europarechtlich unter dem Vorbehalt der „Erforderlichkeit“, sie dürfe also nicht angewandt werden, wenn es ein milderes Mittel zur Absicherung der Funktionstüchtigkeit der kommunalen Entsorgung gebe. Daher komme den Ausnahmetatbeständen, insbesondere der gewerblichen Sammlung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG eine wichtige Funktion zu. Insbesondere durch die vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit gewerblicher Sammlungen werde im Bereich der Hausmüllentsorgung der Warenverkehrs- und Wettbewerbsfreiheit der notwendige Raum gegeben. Die gesetzliche Ausnahmeklausel des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG diene dem Zweck, die Verhältnismäßigkeit der Überlassungspflichten sicherzustellen (BT-Drs. 17/6052, S. 85 f.). Dies betont auch das VG Gera in der vom Beigeladenen angeführten Entscheidung (VG Gera, U.v. 12.2.2015 – juris Rn. 65), wohingegen das VG Leipzig in seinen Zwischenurteilen vom 18. November 2016 diesen Aspekt übersieht (1 K 1681/14 – juris – und 1 K 1902/14).
Daher bestehen nicht nur die Überlassungspflicht an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, sondern auch die Ausnahmen von dieser Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 KrWG nach der gesetzlichen Konzeption allein im öffentlichen Interesse. Soweit die gesetzliche Regelung gewerbliche Abfallsammlungen als nur eingeschränkt zulässig erachtet, dient diese Regelung allein dem Zweck, die vom Gesetzgeber für erforderlich gehaltene Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 KrWG europarechtlich abzusichern. Mithin besteht auch sie nur im öffentlichen Interesse und bezweckt keine Zuerkennung subjektiver Rechte an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (ebenso OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 17.3.2016 – 2 L 45/14 – juris Rn. 82; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 8.4.2014 – 20 E 547/13 – juris Rn. 5 f.).
Dass der Gesetzgeber in § 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG im Wege einer widerleglichen Vermutung (vgl. BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – NVwZ 2016, 1559, LS 1 und Rn. 24ff.) ein einer gewerblichen Sammlung entgegenstehendes Überwiegen von öffentlichen Interessen bei einer Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers normiert hat, ändert hieran nichts. Denn bei der „Planungssicherheit“ und der „Organisationsverantwortung“ handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die nach der gesetzlichen Konzeption die Erforderlichkeitsschwelle im europarechtlichen Sinn definieren und konkretisieren. Sie vermögen jedoch nicht die grundlegende Konzeption, die allein im öffentlichen Interesse und nicht im subjektiven Interesse des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers besteht, zu verändern.
Eine Verletzung des Beigeladenen in eigenen Rechten durch die verwaltungsgerichtliche Entscheidung lässt sich auch nicht mit der Argumentation des Beigeladenen, dass mit einer Pflicht normalerweise ein Recht korrespondiere, begründen. Denn ungeachtet der Frage, ob ein derartig weiter Grundsatz überhaupt Geltung beansprucht, ist für § 17 KrWG jedenfalls anerkannt, dass mit der Pflicht, die aus privaten Haushalten stammenden Abfälle dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu überlassen, ein Anspruch des privaten Abfallerzeugers oder -besitzers auf Abnahme der Abfälle durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger korrespondiert (Schomerus in Verstey/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 17 Rn. 10; Ernst in Kopp-Assenmacher, KrWG, § 17 Rn. 7; Frenz in Fluck/Frenz/Fischer/Franßen, Kreislaufwirtschaftsrecht, Abfallrecht und Bodenschutzrecht, Ziff. 150, § 17 KrWG Rn. 58). Dass daraus aber ein Recht des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers folgen müsse, ist keineswegs zwingend und widerspräche wie oben dargestellt der gesetzgeberischen Konzeption des § 17 KrWG.
Schließlich lässt sich das von dem Beigeladenen und dem Beklagten gewünschte Ergebnis auch nicht aus der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – NVwZ 2016, 1559) ableiten. Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung mit der Konkretisierung der sogenannten „Irrelevanzschwelle“ möglicherweise weitgehend im Sinne der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger entschieden hat, so hat es sich jedoch nicht dahingehend geäußert, dass ein subjektives Recht des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auf bestimmte Abfallfraktionen bestünde. Da nämlich – wie oben dargestellt – die Überlassungspflicht nach § 17 KrWG und deren Ausnahmen allein im öffentlichen Interesse bestehen, stellt die Irrelevanzschwelle, auch wenn aus ihr eine vergleichsweise günstige Position für die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger abzuleiten wäre, allein einen faktischen Reflex dar. Eine subjektive Rechtsposition wird daraus aber nicht.
Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die bundesrechtlichen Regelungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger hinsichtlich der Untersagung einer gewerblichen Abfallsammlung keine subjektive Rechtsposition zumessen.
2. Etwas anderes folgt nicht aus der Zuweisung der Entsorgungsaufgabe als Pflichtaufgabe des eigenen Wirkungskreises der Landkreise nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayAbfG. Diese Aufgabe ist hier im Wege der Aufgabenübertragung nach Art. 22 Abs. 1 Satz 1 KommZG auf den beigeladenen Zweckverband übergegangen. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayAbfG erfüllen die Landkreise und kreisfreien Gemeinden die sich aus dem KrWG und aus dem BayAbfG ergebenden Aufgaben als Pflichtaufgaben im eigenen Wirkungskreis. Im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches kommt den Gemeindeverbänden, mithin auch den Landkreisen, gem. Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 10 BV ein Selbstverwaltungsrecht nach Maßgabe der Gesetze zu (vgl. BVerfG, B.v. 7.2.1991 – 2 BvL 24/84 – NVwZ 1992, 365/367, juris). Ob die Selbstverwaltungsgarantie neben der institutionellen Garantie den Gemeindeverbänden auch ein subjektives Recht verleiht, hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zunächst verneint, zuletzt offen gelassen (vgl. BayVerfGH, E.v. 28.11.2007 – Vf. 15-VII-05 – VerfGHE 60, 184, juris Rn. 171, 200 m.w.N.). Sie enthält jedenfalls keine Garantie eines bestimmten Bestandes an Aufgaben, sondern sichert die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung (BVerfG, B.v. 7.2.1991 a.a.O. Rn. 69; B.v. 23.11.1988 – Rastede, 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83 – NJW 1989, 347/349, juris Rn. 57 m.w.N.; BayVerfGH, E.v. 28.11.2007 – Vf. 15-VII-05 – VerfGHE 60, 184, juris Rn. 200 f.). Der eigene Wirkungskreis der Landkreise und damit der Umfang der Selbstverwaltung wird durch den Gesetzgeber bestimmt (Art. 10 Abs. 2 BV). Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Aussagen dahingehend präzisiert, dass sich ein Zweckverband weder unmittelbar noch mittelbar auf das Recht der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) berufen kann (BVerwG, B.v. 8.11.2013 – 8 B 6.13 – juris Rn. 5 zur Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich einer durch einen Zweckverband betriebenen öffentlichen Wasser-versorgungseinrichtung). Art. 28 Abs. 2 GG räumt der Selbstverwaltungskörperschaft keine materiell-rechtliche Position ein, die dem Grundrecht eines betroffenen Bürgers entgegengehalten werden kann. Art. 28 Abs. 2 GG ist eine Kompetenzverteilungsgarantie im gewissermaßen innerstaatlichen Verhältnis der Kommunen zu ihrem Land oder zum Bund; er betrifft aber nicht das Außenverhältnis der Kommunen zu den Bürgern. Namentlich ist die Vorschrift nicht geeignet, den öffentlichen Gemeinwohlbelangen, die den Grundrechten der Bürger entgegengesetzt werden können, ein höheres Gewicht einzuräumen, wenn sie von einer Kommune (anstelle eines Landes oder des Bundes) wahrgenommen werden (BVerwG a.a.O. Rn. 6).
Die hier streitgegenständliche Untersagungsverfügung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG dient der Durchsetzung der Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 KrWG. Diese schützt die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gegenüber Maßnahmen Dritter, welche die Erfüllung der Entsorgungsaufgabe zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen verhindern oder die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigen. Der Schutzzweck der maßgeblichen Vorschriften besteht damit allein in der im öffentlichen Interesse liegenden ordnungsgemäßen Erfüllung der Überlassungs- und Entsorgungspflichten nach § 17 Abs. 1 bzw. § 20 Abs. 1 KrWG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 BayAbfG. Durch die Übertragung dieser Aufgabe nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayAbfG auf die Landkreise werden diesen somit im Allgemeinwohl liegende Pflichtaufgaben zugewiesen, diese werden durch die Aufgabenzuweisung aber nicht zu subjektiven Rechten. Ein Mehr an Rechten kann damit auch einem Zweckverband nicht übertragen werden. Eine Beeinträchtigung der dem Beigeladenen übertragenen Aufgaben durch gewerbliche Sammlungen führt damit zwar möglicher Weise zu einer durch die zuständigen Behörden im Rahmen der Gesetze abzuwehrenden Beeinträchtigung des Allgemeinwohls, nicht jedoch zu einer im Wege eines Rechtsmittels des Beigeladenen abzuwehrenden subjektiven Rechtsverletzung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 2.4.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).