Aktenzeichen Z3-3/3194/1/28/07/16
Leitsatz
Die vom Auftraggeber bei einer Angebotswertung nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis gewählte Methode für die Umrechnung des Preises in Wertungspunkte muss die relativen Preisabstände bei der Punkteverteilung angemessen abbilden. Jeder für den Auftraggeber gesparte oder mehr aufgewandte Euro muss sich gleichermaßen auswirken. (amtlicher Leitsatz)
Die vom Auftraggeber gewählte Methode für die Umrechnung des Preises in Wertungspunkte darf keine Veränderung der Zuschlagskriterien oder ihrer Gewichtung bewirken (vgl. EuGH, Urteil vom 14.07.2016 – Rs. C-6/15). (amtlicher Leitsatz)
Es bestehen grundsätzliche Bedenken, ob durch eine Umrechnung des Angebotspreises in Wertungspunkte mit den gängigen Interpolationsmethoden eine Ermittlung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses gem. § 127 Abs. 1 GWB in vergaberechtskonformer Weise erfolgen kann. (amtlicher Leitsatz)
Tenor
1. Dem Antragsgegner wird untersagt, im streitgegenständlichen Vergabeverfahren den Zuschlag auf die Angebote der Beigeladenen zu erteilen.
2. Das Vergabeverfahren wird in den Stand vor Versand der Vergabeunterlagen zurückversetzt. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die Vergabeunterlagen unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu korrigieren.
3. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gebühr beträgt …,.. €. Er ist von der Zahlung der Gebühr befreit. Auslagen sind nicht angefallen.
Gründe
I.
Der Antragsgegner beabsichtigt die Vergabe der Lieferung von Multifunktionsgeräten. Eine entsprechende Veröffentlichung der Lieferleistung erfolgte im Rahmen einer EU-weiten Bekanntmachung am 07.05.2016 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften im Wege eines Offenen Verfahrens. Die Vergabe erfolgt in 2 Losen. Nach Ziffer II.1.5 der Bekanntmachung werden in Los 1 drei Schwarz-Weiß-Digitaldrucksysteme mit einer garantierten Mindestabnahme von insgesamt 20 Mio. Klicks und in Los 2 ein Farb-Digitaldrucksystem, für welches eine Mindestabnahme von durchschnittlich 700.000 Klicks (insges. 2,8 Mio.) vorgesehen ist, ausgeschrieben. Angebote sind für alle Lose möglich (Ziff. II.1.8 der Bekanntmachung). Nach Ziffer II.1.9 sind Varianten/Alternativangebote nicht zulässig. Die Vertragslaufzeit beträgt 48 Monate (Ziffer II.3 der Bekanntmachung).
Als Schlusstermin für den Eingang der Angebote wurde nach Ziffer IV.3.4 der europaweiten Bekanntmachung der 13.06.2016, 11.00 Uhr, festgelegt.
Nach Ziffer IV.2.1 der Bekanntmachung soll das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die Kriterien, die in den Ausschreibungsunterlagen aufgeführt sind, erteilt werden.
In Ziffer 4 „Bewertung der Angebote“ (S.65 der Vergabeunterlagen, S.5 der Ergänzenden Bewerbungsbedingungen) ist Folgendes geregelt:
Die Wertungskriterien sind der Preis mit einer Gewichtung von 35% und die Leistung mit einer Gewichtung von 65%, wobei sich der Preis P aus dem Preisblatt (Produkte/Leistungen) und die Leistung L aus den Leistungspunktzahlen aus dem Kriterienkatalog ermittelt.
„Die Formel für die Kennzahl Z lautet: L + P = Z. Z ist maximal 100, der höchste zu erreichende Wert. Das Angebot mit der höchsten Kennzahl Z ist das Wirtschaftlichste.“
„P: Der beste Preis (das preisgünstigste Angebot) wird als 100 angenommen und die prozentuale Abweichung der anderen Angebote berechnet und dann gewichtet.
Bsp.: Bestes Angebot ist 9.000 € (dieser Bieter erhält 100 Punkte für den Preis). Der Beispielbieter hat ein Angebot über 12.000 € abgegeben. Er erhält somit 75 Punkte.“
Zudem enthielten die Vergabeunterlagen einen Kriterienkatalog, der für jedes Los wiederum in Unterkriterien und diese teilweise wieder in weitere Kriterien unterteilt wurden, jeweils mit Angabe der Gewichtung.
Die Antragstellerin hat bei beiden Losen das preislich günstigste Angebot abgegeben.
Mit Schreiben vom 13.07.2016 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass das Angebot der Antragstellerin nicht berücksichtigt werden könne und beabsichtigt sei, am 25.07.2016 auf das Angebot der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen.
Das Angebot der Antragstellerin sei hinsichtlich Los 1 und Los 2 zwar jeweils das günstigste gewesen, habe jedoch jeweils einen geringeren Prozentsatz der Leistungspunkte (der benannt wurde) erzielt, so dass die Antragstellerin bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots jeweils auf Rangstelle 2 gelegen habe.
Mit Fax vom 19.07.2016 rügte die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner die fehlerhafte Mitteilung gemäß § 134 GWB, da die Gründe der Nichtberücksichtigung nicht nachvollziehbar seien, sowie die fehlerhafte Wertung. Es sei für die Antragstellerin nicht nachvollziehbar, dass die Beigeladene mehr Leistungspunkte erreicht habe als die Antragstellerin. Die Antragstellerin bezweifle daher die von der Beigeladenen angegebenen Informationen und die damit verbundene Punktebewertung. Der Antragstellerin sei bekannt, dass die Beigeladene in ihren Produktdatenblättern hinsichtlich der Emissionswerte verwirrende Angaben mache. Ebenso sei der Antragstellerin bekannt, dass die Beigeladene in ihren Produktblättern nicht den geforderten Schallleistungspegel (gemessen in Lwa dB (A)), sondern den Schalldruckpegel (Lpa dB (A)) angebe. Die Antragstellerin bat den Antragsgegner die Entscheidung nochmals zu prüfen und zu korrigieren. Zudem wurde um Übersendung der Bewertungsmatrix gebeten, die der Entscheidung zugrunde gelegen habe.
Mit Schreiben vom 20.07.2016 half der Antragsgegner den Rügen der Antragstellerin nicht ab. Er wies darauf hin, dass der Aufbau der den jeweiligen Bewertungen der Lose zugrundeliegenden Kriterienkataloge so gestaltet worden sei, dass die Bieter selbst, wenn sie die für ihr Angebot geltenden Werte im eVergabe-System eingetragen haben, die sofort für das jeweilige Angebot erzielten Leistungspunkte einsehen konnten. Es sei bei keinem Angebot von den Bieterangaben abgewichen worden. Sämtliche Angaben, insbesondere die Angaben zu den Emissionswerten, seien durch vorgelegte Produkt- und Umweltdatenblätter nachvollziehbar und durch Vor-Ort-Tests vom Antragsgegner geprüft worden. Die Werte zum Schallleistungspegel im Angebot der Beigeladenen seien für beide Lose durch das jeweilige Umweltdatenblatt belegt worden und es seien keine falschen Ozonwerte berücksichtigt worden.
Weil die Rügen den Antragsgegner nicht zur Änderung seiner Rechtsauffassung bewegten, beantragte die Antragstellerin mit Schreiben vom 21.07.2016,
1. die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gem. §§ 160 ff. GWB,
2. die Gewährung von Akteneinsicht in die Vergabeakten des Antragsgegners gem. § 165 Abs.1 GWB,
3. festzustellen, dass die Antragstellerin durch das Verhalten des Antragsgegners in dem Offenen Verfahren (EU) Digitaldrucksysteme für die Hausdruckerei, Verfahren Nr. … vom 09.05.2016 bekannt gemachten Vergabeverfahren in ihren Rechten aus § 97 Abs. 2 und 6 GWB verletzt wird,
4. der Antragsgegner zu verpflichten, die Angebotswertung zur o.g. Vergabe erneut vorzunehmen.
Hilfsweise zu 4.
5. Für den Fall der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens durch Aufhebung oder in sonstiger Weise festzustellen, dass eine Rechtsverletzung vorgelegen hat,
sowie des Weiteren
7. (gemeint wohl 6.) festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für den Antragsgegner nicht erforderlich gewesen sei,
8. (gemeint wohl 7.) dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Die Antragstellerin sei antragsbefugt, da sie ihr Interesse am Auftrag durch Abgabe der Angebote für Los 1 und 2 zum Ausdruck gebracht habe. Durch die vorgenommene fehlerhafte Bewertung des Antragsgegners drohe der Antragstellerin ein Schaden, da sie das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Dies mindere ihre Zuschlagschancen. Zudem sei die Antragstellerin ihrer Rügeobliegenheit unverzüglich nachgekommen.
Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Die Antragstellerin sei durch die fehlerhafte Wertung in ihren Rechten aus § 97 Abs.2 und 6 GWB verletzt worden. Der Antragsgegner führe in der Abweisung der Rüge mit Schreiben vom 20.07.2016 aus, dass die Beigeladene insbesondere hinsichtlich der Ozonemissionswerte 0 mg/h sowohl die Multifunktionsgeräte in Los 1 und 2 eingetragen habe und damit 10 Punkte erhalten habe. Aufgrund ihrer Marktkenntnis sei davon auszugehen, dass die Beigeladene falsche Angaben gemacht habe. Zumindest „die Farbmaschinen“ würden Ozonemissionen erzeugen, wie auch im Bedienerhandbuch der Beigeladenen zu entnehmen sei. Dass die Beigeladene widersprüchliche Angaben mache, ergebe sich auch aus dem als Anlage 7 beigefügten Umweltdatenblatt. Dort sei hinsichtlich der Ozonemissionswerte 0 mg/h angegeben, jedoch in der Fußnote darauf hingewiesen, dass die Ozonemissionswerte unter der Nachweisgrenze von < 0,12 mg/h liege. Auch wenn Ozonemissionswerte unter der Nachweisgrenze liegen, seien Emissionen vorhanden und es sei falsch zu behaupten, dass die vom Multifunktionsgerät generierte Emission bei 0 mg/h liege. Sofern der Antragsgegner Emissionswerte unter der Nachweisgrenze einem Emissionswert von 0 mg/h bei der Beigeladenen gleichgesetzt habe, sei dies bei der Antragstellerin ebenfalls so zu werten.
Auch gehe die Antragstellerin davon aus, dass die Beigeladene statt dem Schallleistungspegel den Schalldruckpegel angegeben habe, der geringere Messwerte habe und auf diese Weise ebenfalls die Höchstpunktzahl von 10 erhalten habe.
Die Vergabekammer informierte den Antragsgegner über den Nachprüfungsantrag mit Schreiben vom 21.07.2016 und forderte die Vergabeunterlagen an, die am 27.07.2016 eingegangen sind. Zudem wurde der Vergabekammer ein Lesezugang zur e-Vergabeplattform des Antragsgegners gewährt.
Der ehrenamtliche Beisitzer hat die Entscheidung über den Umfang der Akteneinsicht, über Beiladungen und Rücknahmebeschlüsse mit Schreiben vom 25.07.2016 auf den Vorsitzenden und die hauptamtliche Beisitzerin übertragen.
Mit Schreiben vom 28.07.2016 wurde die Bieterin, die den Zuschlag erhalten soll, beigeladen.
Mit Schreiben vom 28.07.2016 nahm der Antragsgegner Stellung zum Nachprüfungsantrag und beantragte die Anträge der Antragstellerin abzuweisen.
Zunächst teilte der Antragsgegner mit, dass er davon ausgehe, dass sich die Antragstellerin gegen die Vergabeentscheidung beider Lose wende.
Zur Bewertung der Leistung führte der Antragsgegner u. a. allgemein aus, dass der Aufbau der den jeweiligen Bewertungen der Lose zugrundeliegende Kriterienkataloge bei beiden Losen so gestaltet gewesen sei, dass die Bieter selbst die für ihr Angebot geltenden Werte im eVergabe-System eingetragen haben und damit sofort die für das jeweilige Angebot erzielten Leistungspunkte einsehen konnten.
Weiter wurde mitgeteilt, dass die Ausführungen der Antragstellerin, die bisher die Leistung erbracht habe (Vertragsende 31.08.2016), unbegründet und nicht nachweisbar seien.
Sämtliche Angaben im Angebot der Beigeladenen seien durch die vorgelegten Produkt- und Umweltdatenblätter nachvollziehbar und bei Vor-Ort Tests (bei Los 1 hinsichtlich des Bewertungskriteriums 1.4 Teilsatzheftung und bei Los 2 hinsichtlich des Bewertungskriteriums 2.4 Rückstichbroschüren) von Mitarbeitern der ausschreibenden Stelle überprüft worden.
Insbesondere seien die von der Antragstellerin angegriffenen Ozonemissionswerte durch Vorlage entsprechender Produkt- und Umweltdatenblätter durch die Beigeladene belegt worden. Dabei unterstelle die Antragstellerin, dass die Beigeladene in der Beantwortung der Leistungskriterien jeweils die maximale Wertung (10 Leistungspunkte) gewählt habe, indem sie einen Emissionswert von „0“ angegeben habe.
Für Los 1 sei von der Beigeladenen der Wert „0“ angegeben und durch das der Akte beiliegende (deutschsprachige) Umweltdatenblatt belegt worden. Der Wert „0“ werde im Umweltdatenblatt auch nicht durch eine Fußnote eingeschränkt, so dass keine Zweifel an der Bieterangabe seitens des Antragsgegners bestanden haben und die maximale Leistungspunktzahl bei diesem Kriterium bei Los 1 zu Recht ausgewählt worden sei.
Im Übrigen wäre – die Richtigkeit des Vortrags der Antragstellerin unterstellt, wonach Emissionen entgegen der Angaben im Umweltdatenblatt der Beigeladenen vorhanden seien, die allerdings unter der Nachweisgrenze von < 0,12 mg/h lägen - allenfalls eine Bewertung mit 9 statt 10 Leistungspunkten anzusetzen gewesen. Die Gesamtwertung bei Los 1 hätte somit auch in einem solchen Fall zu keinem anderen wirtschaftlichsten Angebot geführt. Selbst in diesem Falle hätte die Antragstellerin keine Zuschlagschance gehabt und sei insoweit nicht in ihren Bieterrechten verletzt worden.
Bei Los 2 sei von der Beigeladenen als Antwort der Wert 1,99 – 0,5 mg/h angegeben worden, der mit 7 Leistungspunkten bewertet worden sei.
Des Weiteren sei von der Antragstellerin gerügt worden, dass bei den Kriterien 1.5.8 (Schallleistungspegel im Bereitschaftsmodus) und 1.5.9 (Schallleistungspegel im Betriebsmodus) in Los 1 sowie analog bei Los 2 in 2.5.12 und 2.5.13 unzutreffende Leistungspunkte vergeben worden seien. Auch die dortigen Angaben der Beigeladenen seien durch Vorlage der Produkt- und Umweltdatenblätter belegt, so dass seitens des Antragsgegners kein Anlass bestanden habe, an der Richtigkeit der Bewertung zu zweifeln. Während die von der Beigeladenen bei Los 1 gewählten Werte bereits mit dem Angebot belegt worden seien, seien bei Los 2 in dem zunächst als Anlage zum Angebot vorgelegten Produktdatenblatt nur die Werte für den Schalldruckpegel angegeben gewesen. Auf hiesige Nachfrage sei aber von der Beigeladenen die insoweit eingegebenen Werte für den Schallleistungspegel belegt worden. Die Leistungspunkte, die die Beigeladene vorgewählt habe, haben den im Produktblatt nachgewiesenen Werten entsprochen. Es liege bei der Bewertung beider Lose auch insoweit kein Vergaberechtsverstoß vor.
Der Vorsitzende und die hauptamtliche Beisitzerin legten mit Schreiben vom 29.07.2016 den Umfang der Akteneinsicht fest. Mit Schreiben vom 29.07.2016 wurde der Antragstellerin Akteneinsicht nach § 165 Abs. 1 GWB gewährt.
Mit Schreiben vom 01.08.2016 wurde zur mündlichen Verhandlung am 16.08.2016, um 10.00 Uhr in den Räumen der Regierung von Oberbayern geladen.
Die Antragstellerin nahm mit Schreiben vom 04.08.2016 noch zur gewährten Akteneinsicht und zum Schreiben des Antragsgegners vom 29.07.2016 Stellung und hat darauf hingewiesen, dass sich ihr Nachprüfungsantrag auf Los 1 und 2 beziehe und führte weiter aus, dass der Antragsgegner eine andere Bewertungsgewichtung vorgenommen habe, als bekannt gemacht worden sei. Auf Seite 61 ff. der Leistungsbeschreibung sei die Gewichtung der einzelnen Leistungskriterien wie folgt angegeben:
– „Teilsatzheftung:70%
– Reaktionszeit Servicetechniker:2,73%
– Ausgabegeschwindigkeit:2,73%
– Ozonemission:2,73%
– Styrolemission:2,73%
– Benzolemission:2,73%
– TVOC-Emission:2,73%
– Feinstaubemission:2,73%
– Schallleistungspegel im Bereitschaftsmodus:5,45%
– Schallleitungspegel im Betriebsmodus:5,45%“.
In dem Vergabevermerk unter „I. Vermerk Los 1 Leistung“ sei dagegen mitgeteilt worden, dass die Druckgeschwindigkeit des Mustersatzes mit 70% innerhalb der Leistungsbewertung gewichtet worden sei und darüber hinaus seien die Emissionsanforderungen bewertet und mit 30% gewichtet worden, wobei die Lärmemissionen doppelt gewichtet worden sei.
Das gelte auch für Los 2. Gemäß dem Vergabevermerk unter „Los 2 Leistung“ sei die Rückstichbroschüre mit 35% gewichtet und die Ausgabegeschwindigkeit, die Sortierbarkeit des Papierkatalogs, Emissionsanforderungen und Lärmemissionen mit 65% gewichtet worden. Gemäß dem Kriterienkatalog für die Leistung von Los 2 auf Seite 63 ff. fehle in der Gewichtung wiederum die Reaktionszeit.
Weiterhin werde im Vergabevermerk und im Schriftsatz des Antragsgegners aufgeführt, dass während der Bewertungsphase eine Vor-Ort-Teststellung bei der Beigeladenen stattgefunden habe. Dagegen heiße es in Ziffer 1.1 der Leistungsbeschreibung hinsichtlich der Teststellung, dass sich der Antragsgegner vorbehalte, die Richtigkeit der Angaben in einer Teststellung an dem angebotenem System beim Anbieter oder einem benannten Referenzkunden zu überprüfen. Aufgrund der Formulierung habe die Antragstellerin nicht davon ausgehen müssen, dass die Durchführung der Teststellung lediglich beim wirtschaftlichsten Angebot durchgeführt werde. Die Auswahl der teilnehmenden Bieter an der Teststellung sei im Vergabeverfahren transparent und diskriminierungsfrei festzulegen.
Fakt sei auch, dass die angebotene Maschine der Beigeladenen in Los 1, ausweislich des Umweltdatenblattes auf Englisch, keinen Ozonemissionswert von „0 mg/h“ aufweise und durch die nicht fehlerfreie Übersetzung irreführende Informationen übermittelt habe, um die Vergabeentscheidung des öffentlichen Auftraggebers zu beeinflussen. Deshalb stelle sich die Frage, ob die Beigeladene nicht gemäß § 124 Abs.1 Nr.9 c) GWB ausgeschlossen werden müsse.
In diesem Zusammenhang sei auch bereits die Bewertung des Antragsgegners in Frage zu stellen. Denn rein objektiv betrachtet, generiere jedes Kopiersystem Ozonemissionswerte und auch andere Emissionen, so dass grundsätzlich ein Emissionswert von „0 mg/H“ von keinem Bieter erreicht werden könne und damit kein Bieter die Höchstpunktzahl von 10 Punkten erreichen könne.
Mit Fax vom 05.08.2016 erteilte der Vorsitzende der Vergabekammer dem Antragsgegner den rechtlichen Hinweis, dass die vom Antragsgegner bekanntgegebene und umgesetzte Wertung der Angebotspreise nach Auffassung der Vergabekammer gegen Vergaberecht verstoße, da sie die relativen Preisabstände bei der Punkteverteilung nicht angemessen berücksichtige und die bekanntgegebene Gewichtung von 35% Preis und 65% Leistung verzerre. Dieser Verstoß führe dazu, dass im vorliegenden Vergabeverfahren kein Zuschlag erteilt werden könne, sondern das Verfahren in den Stand vor Versand der Vergabeunterlagen zurückzuversetzen sei. Die Angebotsaufforderung müsse beim Preiskriterium berichtigt und den Bietern Gelegenheit gegeben werden, ihre Angebote zu erneuern.
Im Übrigen regte die Vergabekammer an, zu überprüfen, ob die bekanntgegebene Wertung der Angebote mit „L + P = Z“ beibehalten werden soll, da nach vorläufiger Ansicht der Vergabekammer Südbayern zumindest Zweifel beständen, ob hierdurch tatsächlich das beste Preis-Leistungs-Verhältnis gemäß § 127 Abs.1 S.2 GWB ermittelt werden könne. Die Vergabekammer hat unter Fristsetzung um Mitteilung gebeten, ob der Antragsgegner das Vergabeverfahren entsprechend zurückversetzen werde.
Nach Genehmigung der Verlängerung der Frist zur Stellungnahme nahm die Beigeladene durch ihren Bevollmächtigten mit Schreiben vom 08.08.2016 Stellung und teilte mit, dass der Zuschlag zu Recht an die Beigeladene zu erteilen sei. Die Antragstellerin habe lediglich mit pauschalen und teilweise auch unsubstantiierten Behauptungen ihren Nachprüfungsantrag begründet.
Die Antragstellerin habe in ihrer Rüge vom 19.07.2016 nicht, wie behauptet, die Angebotswertung als solche angegriffen, sondern lediglich konkret bei den Leistungskriterien „Ozonemission“ und „Schallleistungspegel“ die Punktebewertung des Angebots der Beigeladenen angegriffen, wobei der Rüge nicht zu entnehmen gewesen sei, ob sich diese auf beide Lose oder nur auf eines der Lose beziehe. Zum Nachweis ihrer Behauptung habe sie lediglich auf das Produktsicherheitsblatt der Beigeladenen bezüglich des Modells „…“ verwiesen, bei dem es sich nur um einen Schwarz-Weiß-Drucker handelt, der ausschließlich mit dem Los 1 angeboten worden sei. Auf die Farbdrucksysteme der Beigeladene hinsichtlich Los 2 habe die Antragstellerin in dieser Rüge nicht hingewiesen, und genauso wenig irgendwelche Nachweise vorgelegt. Die Ermittlung des Inhalts der Rüge vom 19.07.2016 sei jedoch wesentlich, da nur Verstöße zu prüfen seien, die ordnungsgemäß gerügt worden sind und mit denen die Antragstellerin daher nicht präkludiert ist.
Der Nachprüfungsantrag entspreche auch teilweise nicht den Anforderungen an die Antragsbefugnis, jedenfalls sei er hinsichtlich des Loses 2 als unzulässig zurückzuweisen.
Bei den Ozonemissionswerten habe die Antragstellerin im Nachprüfungsantrag pauschal behauptet, dass sie davon ausgehe, dass die Beigeladene bei den angebotenen Multifunktionsgeräten eine 0-Emission für beide Lose eingetragen und somit je Los die Höchstpunktzahl erhalten habe. Tatsächlich habe die Beigeladene bei der Wertung beim Los 2 eine geringere Punktzahl erhalten, da sie gerade keine Nullemission eingetragen habe. Da bei Los 2 (Farbmultifunktionsgeräten) keine 0-Emission von der Beigeladenen angegeben worden sei, liege insoweit eine unsubstantiierte ins Blaue hinein gemachte Behauptung vor, die nicht weiter zu verfolgen sei.
Das Gleiche gelte hinsichtlich der Behauptung, dass für das Angebot der Beigeladenen hinsichtlich der Schallleistungspegel unter den Ziff. 1.5.8 und 1.5.9 sowie 2.5.12 und 2.5.13 unzutreffende Leistungspunkte vergeben worden seien. Die Beigeladene habe nicht bloß den Schalldruckpegel, sondern auch den zutreffenden Schallleistungspegel benannt. Auch hier habe die Antragstellerin lediglich Vermutungen geäußert. Ein erfahrenes Unternehmen, wie die Beigeladene könne wohl zwischen dem Schallleistungspegel und dem Schalldruckpegel unterscheiden.
Die Beigeladene nahm hinsichtlich der Begründetheit auch bezüglich der Punkte Stellung, die sie als unzulässig ansieht.
Richtig sei, dass die Beigeladene im Los 1 den Wert „0“ angegeben habe und dieser Wert sei durch das Umweltdatenblatt der Beigeladenen mit der Überschrift „Umwelt-Sicherheit“ für das angebotene Modell mit einem Ozonemissionswert mit „0 mg/h“ bezeichnet worden. Allerdings verfüge das Produktdatenblatt ausdrücklich über eine Anmerkung auf die in Deutschland/Europa zulässige und angewandte Berechnungsmethode: „*Emissionsraten nach RAL-Kriterien Gerätevolumen < 250 Liter/RAL-UZ171“. Das niederländische Datenblatt, auf das sich wohl die Antragstellerin beziehe, verweise darauf, dass die Ozonemissionen unterhalb des messbaren Wertes liegen. Die maßgeblichen ECO-Deklarationen gingen von einem Ozonwert von 0,002 mg/h aus, der durch zulässige Abrundungen „0“ betrage. Damit sei die Beigeladene berechtigt, bei ihrem Angebot den Wert „0“ als Emission anzukreuzen und für ihr Angebot im Los 1 10 Punkte zu erreichen. Aber selbst wenn eine Bewertung mit 9 Punkten, wie die Antragstellerin vortrage, gerechtfertigt wäre, führe dies zu keiner Veränderung im Rang der Bieterangebote. Auch dann sei der Zuschlag der Beigeladenen für Los 1 zu erteilen.
Ein Vergabeverstoß hinsichtlich des Loses 2 bei den Ozonemissionen liege ohnehin nicht vor, weil die Beigeladene eine wesentlich niedrigere Punktzahl als 10 Punkte erhalten habe. Bei den Farbdruckern habe sie den Wert angegeben, der in den Produktblättern hinsichtlich der Farbemission angegeben worden sei.
Im Hinblick auf die Werte der Schallleistungspegel habe die Beigeladene in beiden Losen die zutreffenden Schalleistungspegelwerte genannt, und nicht die von der Antragstellerin behaupteten Schalldruckpegelwerte.
Damit sei der Nachprüfungsantrag nicht nur teilweise unzulässig, sondern in jedem Fall als unbegründet zurückzuweisen.
Auch die in der Replik aufgeführten Argumente der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 04.08.2016 seien nicht geeignet dem Nachprüfungsantrag zum Erfolg zu verhelfen. Bezüglich der von der Antragstellerin vertretenen Auffassung, dass die Bewertungsgewichtung fehlerhaft angewandt worden sei, sei es aus Sicht der Beigeladenen offensichtlich, dass der Antragsgegner die beiden Unterpunkte „Reaktionszeit Servicetechniker“ sowie „Ausgabegeschwindigkeit“ mit den jeweils im Vorfeld bereits zugeordneten Gewichtungen von 2,73% gewertet habe. Der Antragsgegner habe mit der Bemerkung im Vergabevermerk nur gemeint, dass die Einzelemissionen jeweils gesondert berücksichtigt worden seien und somit insgesamt eine stärkere Gewichtung erfahren haben, wie im Kriterienkatalog von 10.06.2016 anlässlich der Ausschreibung bereits mitgeteilt worden sei. Damit habe der Antragsgegner keine neue Bewertungsgewichtung angewandt, sondern lediglich die Bewertungsgewichtungen bei der Angebotsbewertung zugrunde gelegt. Gleiches gelte für Los 2.
Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin, sei auch der Antragsgegner berechtigt gewesen, die Teststellung lediglich bei dem zur Zuschlagserteilung beabsichtigten Angebot der Beigeladenen vorzunehmen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen.
Zur weiteren Überprüfungen gebe das Vorbringen der Antragstellerin keinen Anlass, schließlich habe die Antragstellerin das Bewertungssystem als solches weder in der Rüge, noch im Nachprüfungsantrag angegriffen. Eine entsprechende Rüge habe jedoch zwingend nach § 160 Abs.3 Nr.3 GWB erfolgen müssen. Auch habe die Beigeladene keine irreführenden Angaben gemacht, wie die Antragstellerin behaupte. Es lägen ferner keine Ausschlussgründe nach § 124 GWB hinsichtlich des Angebots der Beigeladenen vor.
Der Antragsgegner teilte mit Schreiben vom 10.08.2016 mit, dass er das Vergabeverfahren nicht in den Stand vor Versand der Vergabeunterlagen zurücksetzen werde. Entgegen der im Hinweis der Vergabekammer vom 04.08.2016 geäußerten Rechtsauffassung sei die vorgenommene Wertung nicht gleichheitswidrig und wettbewerbsverzerrend. Das vom Antragsgegner verwendete Bewertungssystem gewährleiste gerade, dass – insbesondere bei nur sehr geringen relativen Preisabständen – diese relativen Preisabstände berücksichtigt werden und verhindere somit gerade Wettbewerbsverzerrungen, wie sie beispielsweise in der Sonderkonstellation bei lediglich zwei abgegebenen Angeboten auftreten könne. Zudem stehe dem öffentlichen Auftraggeber bei der Festlegung der anzuwendenden Wertungsformel ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Bei der Bestimmung der Kriterien für das wirtschaftlichste Angebot sei er weitgehend ungebunden, bestimmten Faktoren eine größere Bedeutung zuzumessen. Die Kontrolle durch die Vergabenachprüfungsinstanzen habe sich dabei ähnlich wie bei der Ermessenskontrolle darauf zu beschränken, ob ein Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand gegeben ist und kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder ein Ermessensfehlgebrauch vorliegen. Vielmehr gehe die VK Sachsen offenbar davon aus, dass eine Preisbewertung im Dreisatz-Rechenwege (Minderung der Punktzahl für die nächst teureren Angebote aus dem prozentualen Preisabstand zum günstigsten Bieter) ein zulässiges Bewertungssystem darstellt, sofern dessen Verwendung – wie vorliegend – in den Vergabeunterlagen transparent dargelegt wird. Auch die VK Bund habe unter diesen Voraussetzungen – transparente Darlegung des Bewertungssystems – in ihrem Beschluss vom 21. Oktober 2014, Az. VK 2-81/14, in dem auch vorliegend verwendeten Bewertungssystem als solchem keinen Vergaberechtsverstoß gesehen.
Auch sei der Vergabekammer eine Überprüfung dieser Wertung ohnehin bereits versagt, weil die Antragstellerin den sich aus den Vergabeunterlagen klar ergebenden Umstand, wie die Wertung der Preise vom Antragsgegner vorzunehmen beabsichtigt sei, nicht gerügt habe und somit materiell präkludiert sei. Jedenfalls sei selbst bei einem angenommenen Vergaberechtsverstoß hinsichtlich des bei den Preisen benutzten Bewertungssystems keinesfalls ein schwerer und offenkundiger Vergaberechtsverstoß, der zu einer Durchbrechung der materiellen Präklusion gem. § 160 Abs.3 S.1 Nr.3 GWB führen würde, zu sehen.
Außerdem führen sämtliche in der Unterlage für Ausschreibung und Bewertung – UfAB – vorgeschlagenen Bewertungsmethoden zu vergleichbaren Ergebnissen. Sowohl nach der erweiterten Richtwertmethode als auch nach der gewichteten Richtwertmethode (Median und Referenzwert) würde das Angebot der Beigeladenen im Los 2 den Zuschlag erhalten. Lediglich bei Anwendung der einfachen Richtwertmethode erhalte das Angebot der Antragstellerin im Los 2 den Zuschlag. Diese Methode, bei der Preis und Leistung der Angebote gleich wiegen, wurde in vorliegendem Fall von der ausschreibenden Stelle aber bewusst nicht gewählt, da die Fachseite großen Wert auf schnelle und emissionsarme Geräte gelegt hatte und dies daher entsprechend bei der Bewertung zum Tragen kommen sollte.
Weiter führte der Antragsgegner aus, dass in dem Vergabevermerk die Bewertungserbnisse, die sich aus der Bewertungsmatrix der Leistungskriterien im eVergabe-System ergaben textlich zusammengefasst und bestimmte Kriterien hervorgehoben wurden. Es seien insgesamt alle Angaben, die die Bieter bei der Erstellung ihrer Angebote gemacht hatten, durch die Vergabestelle bestätigt worden.
Durch die Teststellung sollten die betroffenen Kriterien lediglich verifiziert oder falsifiziert werden und dies hätte allenfalls zu einer Abwertung der abgegebenen Angebote führen können Eine Benachteiligung der Antragstellerin liege damit ohnehin nicht vor.
Der mittlerweile mandatierte Bevollmächtigte des Antragsgegners nahm mit Schreiben vom 11.08.2016 zu dem Hinweis der Vergabekammer vom 04.08.2016 wie folgt Stellung:
Festzustellen sei, dass es keine richtige, bedenkenfreie Methode für die Umrechnung der Eurowerte in Punktwerte gebe. Der Graph einer Formel, bei der das günstigste Angebot 100 Punkte und ein Angebot, das doppelt so teuer ist wie das günstigste Angebot, 0 Punkte erhält, verlaufe zwischen diesen beiden Werten zwar linear. Angebote, die aber mehr als doppelt so teuer wie das günstigste Angebot sind, erhalten somit einen negativen Punktwert. Der Umstand, dass der Graph hier die Null-Punkte-Achse bei dem doppelten Wert des Angebotes mit der niedrigsten Wertungssumme schneidet, ist nicht etwa mathematisch zwingend oder Zufall, sondern eine willkürliche Vorgabe dieser Umrechnungsformel. Ebenso wäre es möglich, den „Nullpunkt” auf den dreifachen oder auf den hundertfachen Wert des besten Angebotswertes zu setzen. Diese willkürliche Maßgabe für den Nullpunktwert kann aber ganz erhebliche Auswirkungen auf das Wertungsergebnis haben. So werden bei einem geringen Nullpunktwert (also beispielsweise bei dem doppelten Wert des besten Angebotes) durch sehr geringe Preisunterschiede sehr große Punktunterschiede erzielt. Bei einen großen Nullpunktwert (a!so beispielsweise bei dem hundertfachen Wert des besten Angebotes) hingegen durch sehr große Preisunterschiede sehr geringe Punktunterschiede. Dies allein zeige, dass es sich auch hier nicht um die allein mathematische richtige Formel handelt und dass auch bei linearen Formeln ganz erhebliche Möglichkeiten der Einflussnahme bestehen. Festzustellen bleibt also, dass die Vorstellung einer mathematisch zutreffenden Umrechnung von Preisen in Punktwerte reine Illusion ist.
Wenn sich aber der Antragsgegner unter unterschiedlichen, jeweils nicht per se richtigen Methoden ohne diskriminierende oder wettbewerbsfeindliche Intention für eine entscheidet, so bewege er sich dabei im Rahmen seines insoweit bestehenden Beurteilungsspielraums. Ein Bieter habe keinen Anspruch darauf, dass ein bestimmter mathematisch einwandfreier methodischer Ansatz gewählt wird. Vielmehr habe er nur Anspruch darauf, dass die Schwerpunkte der Bewertung ordnungsgemäß offengelegt werden und dadurch transparent werden. Mit der von dem Antragsgegner gewählten Methode sei auch nicht gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und des Wettbewerbs verstoßen worden. Denn die Formel sei unterschiedslos auf alle Bieter und alle Angebote angewendet worden und nicht per se nachteilig für einen bestimmten Bieter.
Die Antragstellerin entgegnete mit Schreiben vom 12.08.2016, dass sie dem Schreiben des Antragsgegners gem. § 134 GWB lediglich entnehmen konnte, dass ihr Angebot im Gegensatz zum Angebot der Beigeladenen nicht das wirtschaftlichste gewesen sei. Da die Antragstellerin demnach die konkrete Wertung der Beigeladenen nicht kannte, könne sie zu einem möglichen Wertungsfehler auch nicht mehr vortragen, als hier geschehen.
Weiter könne bei richtiger Anwendung der Regeln und Messvorschrift nach RAL UZ 171 maximal festgestellt werden, dass die Emissionen unterhalb der Nachweisgrenze liegen. Im Testbericht seien die Nachweisgrenzen entsprechend anzugeben. Diese liegen bei dem anzuwendenden Verfahren nie bei 0 mg/h. Von Ab- oder Aufrundungsregeln sei im zitierten Messverfahren an keiner Stelle die Rede und entspreche auch nicht der üblichen Laborpraxis. Sofern auf andere Art und Weise bewiesen werden soll, dass kein Ozon generiert wird, sei dies sicherlich möglich. Das Messverfahren nach UZ171 sei für diesen Nachweis allerdings ungeeignet.
Die mündliche Verhandlung fand in den Räumen der Regierung von Oberbayern am 16.08.2016 statt. Der Antragsgegner bestätigte, dass in den Vergabeunterlagen kein Zeitpunkt für die Vorlage der in der Tabelle „Leistungskriterien“ angesprochenen Umweltdatenblätter festgelegt wurde. Eine Vorlagepflicht von Datenblättern hinsichtlich der Schallleistungspegel sei in den Vergabeunterlagen überhaupt nicht vorgesehen gewesen. Auf die Niederschrift wird verwiesen.
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert.
Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und im Ergebnis begründet. Das Vergabeverfahren ist in den Stand vor Versand der Vergabeunterlagen zurückzuversetzen.
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
Da das Vergabeverfahren nach dem 18. April 2016 begonnen wurde (EU-Bekanntmachung vom 07.05.2016), ist nach § 186 Abs. 2 GWB n. F. nicht nur für das Vergabeverfahren, sondern auch für das sich daran anschließende Nachprüfungsverfahren das Recht anwendbar, das zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens galt. Anwendbar ist somit das GWB in der neuen Fassung.
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs.1, 158 Abs.2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.
Gegenstand der Vergabe ist ein Lieferauftrag i. S. d. § 103 Abs.2 GWB. Der Antragsgegner ist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr.1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgebliche Schwellenwert in Höhe von 209.000 Euro für den Gesamtauftrag.
Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.
1. Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
1.1 Antragsbefugnis
Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es ein Interesse am Auftrag hat, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs.6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.
Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerin hat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs.6 GWB durch eine fehlerhafte Bewertung und Prüfung der bekanntgegebenen Wertungskriterien, insbesondere der von der Beigeladenen angegebenen Ozonemissionen und Schallleistungspegel in den Losen 1 und 2 sowie eine unzulässigerweise durchgeführte Teststellung durch den Antragsgegner dargelegt. Da ihr der Zuschlag nicht erteilt wird, droht ihr ein finanzieller Schaden.
1.2 Rügeobliegenheit
Die Antragstellerin hat ihrer Rügeobliegenheit hinsichtlich der geltend gemachten Verstöße bezüglich der Bewertung und Prüfung der von der Beigeladenen angegebenen Ozonemissionen und Schallleistungspegel in den Losen 1 und 2 gemäß §°160 Abs.3 S.1 Nr.1, Nr.4 GWB genügt. Die anderen vorgetragenen Verstöße, so eine möglicherweise fehlerhafte Bewertung und Prüfung der bekanntgegebenen Wertungskriterien als auch eine unzulässigerweise durchgeführte Teststellung durch den Antragsgegner waren für die Antragstellerin hingegen erst mit der gewährten Akteneinsicht erkennbar.
2. Begründetheit des Nachprüfungsantrags
Der Nachprüfungsantrag ist im Ergebnis begründet.
2.1 Hinsichtlich der gerügten Verstöße ist der Nachprüfungsantrag unbegründet, da die Antragstellerin insoweit nicht in ihren Rechten verletzt ist.
2.1.1 Der Vermutung der Antragstellerin hat sich insoweit bestätigt, als dass das von der Beigeladenen im Los 1 angebotene System eine Ozonemission von 0,002 mg/h generiert und die Emission somit nicht bei 0 mg/h liege sofern der Wert nicht abgerundet wird. Unter Zugrundelegung der unter der Ziff. 1.5.3 von dem Antragsgegner vorgegebenen Möglichkeiten und der tatsächlichen Emissionen hätte die Beigeladene die Angabe „°0,99 – 1,99 – 2,99 – < 3,0 mg/h der Fall sein muss).
Ob nach „RAL-Kriterien Gerätevolumen < 250 Liter/RAL-UZ171“ im Umweltdatenblatt der Beigeladenen nun zulässigerweise „0 mg/h“ angegeben werden durfte oder „unter der Nachweisgrenze“ hätte stehen müssen, kann hier dahinstehen. Denn die Antragstellerin ist hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt, da sich selbst bei einer Bewertung dieses Leistungskriteriums in Ziff. 1.5.3 mit 9 Punkten die Rangfolge der Angebote nicht geändert hätte. Unter Berücksichtigung der Gewichtung dieses Kriteriums hätte die Beigeladene in der Gesamtwertung 0,32 Punkte weniger erhalten. Dieser Punktabzug beim Angebot der Beigeladenen für Los 1 hätte - für sich genommen - sich bei keiner der diskutierten oder in Betracht kommenden Wertungsformeln auf die Rangfolge der Angebote ausgewirkt.
2.1.2 Mangels einer fehlerhaften Bewertung und Prüfung der bekanntgegebenen Wertungskriterien, insbesondere der von der Beigeladenen angegebenen Ozonemission in Los 1 und Schallleistungspegel in den Losen 1 und 2 sowie einer zulässigerweise nur mit der Beigeladenen durchgeführten Teststellung ist die Antragstellerin insoweit nicht in ihren Rechten verletzt.
Die Beigeladene hat die Ozonemission in Los 1 und die Schallleistungspegel in den Losen 1 und 2 zutreffend angegeben. Dies ergibt sich aus dem vom Antragsgegner nach Angebotsabgabe angeforderten und am 20.07.2016 von der Beigeladenen vorgelegten Datenblatt. Dieses Datenblatt war nach den Vergabeunterlagen zu keinem bestimmten Zeitpunkt vorzulegen, so dass der Antragsgegner dieses nach Angebotsabgabe im Rahmen der Aufklärung anfordern durfte.
Sämtliche bekanntgegebenen Wertungskriterien wurden von dem Antragsgegner gewertet. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus der Summe der von den Bietern jeweils erreichten Punktzahl in einem Leistungskriterium. Entgegen der Annahme der Antragstellerin hat der Antragsgegner also nicht einzelne bekanntgegebene Wertungskriterien nicht gewertet.
Die Teststellung wurde zulässigerweise nur mit der Beigeladenen durchgeführt. Es erfolgte diesbezüglich keine Wertung, sondern lediglich eine Prüfung, ob die angebotenen Geräte jeweils den Anforderungen nach Ziff.1.1 der Leistungsbeschreibungen zu Los 1 und 2 (S.84 und S. 98 der Vergabeunterlagen) entsprechen.
2.2 Der Nachprüfungsantrag erweist sich jedoch aus anderen, nicht von der Antragstellerin gerügten Verstößen, die die Antragstellerin in ihren Rechten verletzen, als begründet. Die bekanntgegebene Methode für die Umrechnung des Preises in Punkte (Pkt.) ist vergaberechtswidrig, da sie widersprüchlich ist. Weiterhin ist die angewandte Methode für die Umrechnung des Preises in Punkte vergaberechtswidrig, da sie die relativen Preisabstände bei der Punkteverteilung nicht angemessen berücksichtigt und im Ergebnis die bekanntgegebene Gewichtung von 35% Preis und 65% Leistung verändert.
2.2.1 Die unter Ziff.4 „Bewertung der Angebote“ (S.65 der Vergabeunterlagen, S.5 der Ergänzenden Bewerbungsbedingungen) angegebene Methode zur Berechnung der Preispunkte verstößt gegen das Transparenzgebot, da sich die textliche Beschreibung und das Rechenbeispiel widersprechen.
Nach Ziff.4 „Bewertung der Angebote“, wird „der beste Preis (das preisgünstigste Angebot) […] als 100 angenommen und die prozentuale Abweichung der anderen Angebote berechnet und dann gewichtet“. Dies impliziert eine lineare Umrechnung, bei der die prozentuale Abweichung des zu bewertenden Angebots vom günstigsten Angebot berechnet werden soll, da auf dieses zuvor abgestellt wurde und als Referenz mit 100 Pkt. bewertet wird. Die Formel für die prozentuale Abweichung nach dieser Formulierung lautet dann wie folgt:
Die prozentuale Abweichung kann jedoch nicht mit den Preispunkten gleichgesetzt werden, da ansonsten z. B. auch ein Angebot mit dem doppelten Preis wie das günstigste die Höchstpunktzahl von 100 Pkt., höhere Angebotspreise sogar noch mehr Punkte erreichen würden. Die Preispunkte für höhere Angebotspreise als dem günstigsten müssen aber logischerweise weniger als 100 Pkt. betragen.
Es ist demnach nicht geregelt, wie genau die Preispunkte aus der prozentualen Abweichung berechnet werden sollen. Naheliegend ist jedoch, dass der Antragsgegner die prozentuale Abweichung in Preispunkten von der maximal zu erreichenden Punktzahl abziehen wollte. Die Umrechnungsformel nach der oben genannten Formulierung sieht demnach wie folgt aus:
Herauszuheben ist, dass das zu bewertenden Angebot im Zähler steht und damit die Umrechnung von Angebotspreis in Preispunkte linear ist.
Eine andere Formel liefert das auf die textliche Formulierung folgende Rechenbeispiel. Es lautet wie folgt: „Bestes Angebot ist 9.000€ (dieser Bieter erhält 100 Punkte für den Preis). Der Beispielbieter hat ein Angebot über 12.000€ abgegeben. Er erhält somit 75 Punkte.“ Aus dem Beispiel ergibt sich damit folgende Rechenformel:
Es ergibt sich also eine komplett andere Umrechnungsformel, bei der das zu bewertende Angebot im Nenner steht.
Das zu bewertende Angebot taucht nach der textlichen Beschreibung im Zähler und nach dem Rechenbeispiel im Nenner auf. Dass beide fundamental unterschiedlichen Formeln auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, ist evident. Beispielweise würde ein Angebot in Höhe von 18.000€ nach der textlichen Beschreibung 0 Pkt., nach dem Rechenbeispiel jedoch 50 Pkt. erhalten.
Vorliegend stellt sich nicht die Frage, ob der Antragsgegner überhaupt verpflichtet war, die Bewertungsmethode vor Angebotsabgabe bekanntzugeben (so OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09.04.2014, Verg 36/13; VK Sachsen, Beschl. v. 12.06.2015; Az.: 1/SVK/016-15; ähnlich schon OLG München, Beschl. v. 21.05.2010; Az.: Verg 2/10, a. A. jetzt mit sehr widersprüchlicher Begründung EuGH, Urt. v. 14.07.2016 – Rs. C-6/15) denn er hat sich für die Bekanntgabe entschieden.
Allerdings hat er insoweit widersprüchliche Angaben gemacht. Der öffentliche Auftraggeber muss aber die bekanntgegebene Bewertungsmethode so eindeutig, klar und transparent formulieren, dass alle Bieter diese in derselben Weise verstehen und ihre Angebote daran ausrichten können. Dies war hier nicht der Fall, so dass der Antragsgegner gegen das Transparenzgebot verstoßen hat. Die Bekanntgabe von zwei sich widersprechenden Bewertungsmethoden birgt auch die Gefahr von Manipulationen. Denn der öffentliche Auftraggeber hätte es folglich in der Hand, welche Methode er für die Bewertung heranzieht. Davor ist der Wettbewerb als solcher als auch der einzelne Bieter durch eindeutige und transparente Formulierungen zu schützen.
2.2.2. Weiter ist die vom Antragsgegner durchgeführte Preiswertung gleichheitswidrig und wettbewerbsverzerrend und folglich unzulässig. Der Antragsgegner verwendet zur Preisbepunktung die Formel, die sich aus seinem Rechenbeispiel ergibt. Diese Umsetzung hat zur Folge, dass sich gleiche Preisunterschiede nicht in gleichen Bepunktungsunterschieden wiederspiegeln.
Gäbe es beispielsweise zum günstigsten Angebot von 9000 € zwei weitere Angebote mit 12000 € und 15000 € würden diese nach der angewendeten Formel 75 Pkt. bzw. 60 Pkt. erhalten. Das günstigste Angebot hat, wie definiert, 100 Pkt.. Die relativen Preisabstände zwischen allen drei Angeboten sind identisch, sie betragen nämlich 3000 €. Diese Gleichheit findet sich in der Bepunktung nicht wieder, denn die Punktabstände betragen 25 Pkt. und 15 Pkt.. Der Grund hierfür liegt in der Formel an sich: Der zu bewertende Angebotspreis steht im Nenner, die Bepunktung ist also hyperbolisch. Eine lineare Bepunktung, wie sie aus der textlichen Beschreibung hervorgeht, würde für gleiche Preisunterschiede auch gleiche Punktunterschiede in der Bewertung ergeben:
Angebotspreis
Lineare Methode nach textlicher Beschreibung
Hyperbolische Methode nach Rechenbeispiel
9000 €
100 Pkt.
100 Pkt.
12000 €
~67 Pkt.
75 Pkt.
15000 €
~33 Pkt.
60 Pkt.
Die hyperbolische Bewertung, wie sie bei diesem Vergabeverfahren durchgeführt wird, hat zur Konsequenz, dass hohe Angebotspreise eine unverhältnismäßig hohe Bepunktung erfahren.
Im Gegensatz zu einer linearen Interpolation führt dies weiter dazu, dass ausschließlich der günstigste Angebotspreis im Ergebnis letztlich mit einer 35%igen Gewichtung in die Gesamtwertung einfließt. Alle anderen Angebotspreise erhalten im Verhältnis zu diesem günstigsten Angebotspreis eine zu hohe Punktzahl und fließen folglich zu einer verhältnismäßig höheren Punktzahl in die Gesamtwertung ein. Die Gewichtung wird dabei genau genommen zwar nicht verändert, aber das Produkt aus Preispunkten und Gewichtung fällt jedoch bei allen anderen als dem günstigsten Angebotspreis unverhältnismäßig höher aus als gegenüber einer linearen Umrechnung. Dies ist – bei allen anderen als dem günstigsten Angebotspreis – faktisch einer Erhöhung der Gewichtung des Preiskriteriums gleichzustellen. Je größer der Angebotspreis ist, desto größer ist der effektive Gewichtungsfaktor mit dem dieses Angebot bewertet wird.
Dieses Ergebnis widerspricht der Bekanntgabe, dass das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag erhalten soll. Das bedeutet, dass mit der Höhe der Angebotspreise die zugehörigen Preispunkte linear fallen müssen. Aber gerade das ist bei der hier angewendeten Berechnungsmethode nicht der Fall. Gerade bei besonders hohen Angeboten nehmen die Preispunkte nicht linear mit dem Preiszuwachs ab. Die verwendete Methode ist also nicht geeignet, das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln.
Bei der Wahl des Wertungssystems für die Preise ist nämlich zu beachten, dass die relativen Preisabstände angemessen bei der Punkteverteilung berücksichtigt werden müssen (VK Bund, Beschl. v. 24.10.2014, Az.: Vk 2-85/14; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.04.2015, Az.: Verg 35/14; VK Südbayern, Beschl. v. 24.07.2015, Az.: Z3-3-3194-1-28-04/15). Jeder für den Auftraggeber gesparte Euro muss sich gleichermaßen auswirken (VK Lüneburg, Beschl. v. 07.02.2014, Az.: VgK 51/2013). Weiter darf die angewandte Formel keine Veränderung der bekanntgegebenen Gewichtung bewirken (zuletzt: EuGH, Urt. v. 14.07.2016, Az.: C-6/15).
Der Antragsgegner geht fehl in der Annahme, dass die von ihm gewählte Preisumrechnungsformel von seinem Beurteilungsspielraum gedeckt sei. Die gewählte Preisumrechnungsformel ist nämlich gerade nicht eine von mehreren vertretbaren. Die von dem Antragsgegner zitierten Beschlüsse belegen keineswegs die vergaberechtliche Zulässigkeit der von ihm verwendeten Preisumrechnungsformel. Die Vergabekammer Sachsen hat sich in ihrem Beschluss vom 12.06.2015 (Az.: 1/SVK/016-15) wegen insoweit vorgelegener Präklusion überhaupt nicht zur Zulässigkeit einzelner Umrechnungsformeln geäußert. In dem von der 2. Vergabekammer des Bundes zitierten Beschluss vom 21.10.2014 (Az.: VK 2-81/14) war die von dem Antragsgegner verwendete Preisumrechnungsformel nicht Gegenstand dieser Entscheidung. Dem Beschluss des OLG Schleswig vom 02.07.2010 (Az.: 1 Verg 1/10) lag schließlich eine lineare (und keine hyperbolische) Umrechnung zugrunde, ebenso dem Beschluss der Vergabekammer Westfalen vom 21.01.2015 (Az.: VK 18/14). Die letztgenannte Entscheidung hatte eine Transparenzprüfung zum Gegenstand. Die Vergabekammer Westfalen stellt insoweit schließlich fest: „Ob diese „Formel“ mathematisch zu einem optimalen Ergebnis führt, ist nicht Gegenstand einer Transparenzüberprüfung. Es darf nur nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führen.“ Genau dies ist aber vorliegend der Fall.
Die Antragstellerin ist durch dieses Vorgehen in ihren Rechten verletzt. Ein Schadenseintritt könnte dann zu verneinen sein, wenn es auch unter Zugrundelegung jeder denkbaren Formelvariante bei derselben Rangfolge der Angebote bleiben sollte. Dies ist bei Los 1 evident nicht der Fall. Unter Zugrundelegung der Formel, die in Ziff.4 „Bewertung der Angebote“ textlich beschrieben ist und die zwischen dem günstigsten Angebotspreis und dem Doppelten hiervon linear interpoliert, hätte das Angebot der Antragstellerin die höchste Kennzahl Z erreicht und mithin den Zuschlag erhalten. Dies ist bei Los 2 zwar nicht in dieser Deutlichkeit der Fall. Das Angebot der Antragstellerin hätte nach keiner der diskutierten Wertungsformeln die höchste Kennzahl Z erreicht. Da die Wahl des Wertungssystems aber vom Antragsgegner zu treffen ist und zahlreiche Wertungssysteme denkbar sind und auch einbezogen werden muss, ob der Antragsgegner trotz der Ausführungen der Vergabekammer überhaupt an seiner bekanntgegebenen Gewichtung festhalten wird, ist es nicht ausgeschlossen, dass die Antragstellerin auch im Los 2 nach einer Korrektur des Wertungssystems und erneuten Angebotsabgabe den Zuschlag erhalten könnte.
Dieser Rechtsverstoß führt dazu, dass im vorliegenden Vergabeverfahren kein Zuschlag erteilt werden kann, sondern das Verfahren mindestens in den Stand vor Versand der Vergabeunterlagen zurückzuversetzen ist, sofern der Antragsgegner an seinem Beschaffungsvorhaben festhalten sollte. Die Angebotsaufforderung muss jedenfalls beim Preiskriterium berichtigt und den Bietern Gelegenheit gegeben werden, ihre Angebote zu erneuern. Sofern der Antragsgegner auch die Gewichtung der Zuschlagskriterien verändern möchte, wird er die Bekanntmachung ebenfalls ändern müssen. Der Antragsgegner hat schließlich einen Entscheidungsspielraum, in welcher Weise er das Wertungssystem korrigieren will.
Einer Berücksichtigung dieses Mangels von Amts wegen (vgl. § 163 Abs.1, § 168 Abs.1 S.2 GWB) steht nicht das Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge eines Verfahrensbeteiligten entgegen. Allerdings können Vergaberechtsfehler dann nicht von Amts wegen berücksichtigt werden, wenn eine entsprechende Rüge nach § 160 Abs.3 GWB präkludiert wäre; eine Rügepräklusion würde ihren Sinn verlieren, wenn der Mangel dennoch von Amts wegen eingeführt werden könnte (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 15.06.2005 – VII-Verg 5/05; OLG Celle, B. v.11.02.2010, 13 Verg 16/09).
Obwohl dies von keiner Partei gerügt wurde, ist keine Präklusion gem. § 160 Abs.3 S.1 Nr.3 GWB eingetreten. Der Verstoß war für die Parteien nicht erkennbar. Dabei kommt es nicht darauf an, ob insoweit auf die subjektiven Fähigkeiten des betreffenden Bieters oder auf die durchschnittlichen Fähigkeiten eines derartigen Bieters abzustellen ist. An die Vergaberechtskenntnisse eines Bieters dürfen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Aus einem bloßen Abgleich der Verdingungsunterlagen und der Vergabebekanntmachung mit § 127 GWB und § 58 VgV ließ sich ein Vergaberechtsverstoß nicht erkennen. Die Beantwortung dieser Frage ergibt sich erst aus der Rechtsprechung. Ein durchschnittlicher Bieter muss indessen nicht die Rechtsprechung der Vergabesenate und Vergabekammern kennen (Dicks: in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 107 GWB, Rn. 49). Eine Rügepräklusion kommt in der Regel nur bei auf allgemeiner Überzeugung der Vergabepraxis beruhenden und ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.01.2014, Az.: Verg 26/13). Dies ist bezüglich Bewertungsmethoden zumindest derzeit eindeutig nicht der Fall.
Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Problematik von der Antragstellerin in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht positiv erkannt wurde und nicht gem. § 160 Abs.3 S.1 Nr.1 GWB innerhalb von 10 Tagen nach Erlangung der Kenntnis gerügt wurde. Allein die Tatsache, dass die Antragstellerin durch ihre Rechtabteilung juristisch beraten war, führt nicht dazu, dass positive Kenntnis aller denkbaren Verstöße unterstellt werden kann.
Die Vergabekammer weist für das zu korrigierende Wertungssystem auf Folgendes hin:
Die Vergabekammer hat erhebliche Zweifel daran, dass eine Umrechnung des Angebotspreises in Preispunkte mit den gängigen Interpolationsmethoden in vergaberechtskonformer Weise erfolgen kann. Diese weisen stets eine Abhängigkeit von zumindest einem der eingereichten Angebote, z. B. dem günstigsten, auf. Damit wohnen diesen Interpolations-Methoden zwei Schwachstellen inne:
Erstens sind sie anfällig für den sog. „Flipping-Effekt“. Diese Anfälligkeit, auch ohne Konkretisierung im Einzelfall, führt dazu, dass die verwendete Formeln nicht geeignet sein können, das Preis-Leistungs-Verhältnis und folglich das wirtschaftlichste Angebot (§ 127 Abs.1 S.2 GWB) widerzuspiegeln (Bartsch/von Gehlen, in: NZBau 2015, 523). Denn die Wirtschaftlichkeit eines Angebots darf nicht von der Höhe eines anderen Angebots abhängen. Vielmehr muss sich die Wirtschaftlichkeit eines Angebots direkt aus seinem Preis-Leistungs-Verhältnis ergeben.
Zweites ist bei der Ausschreibung die Bewertungsformel aufgrund des fehlenden Wissens um das Angebot, in dessen Abhängigkeit die Formel steht, nicht vollständig festgelegt und damit streng genommen nicht vollständig bekanntgegeben. Selbst wenn man mit der – zweifelhaft begründeten – zur Richtlinie 2004/18/EG ergangenen Entscheidung des EuGH vom 14.07.2016, Az.: C-6/15 keine Pflicht zulasten des öffentlichen Auftraggebers annehmen würde, den potenziellen Bietern durch die Veröffentlichung in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen die Bewertungsmethode zu Kenntnis zu bringen, hat der Gerichtshof in derselben Entscheidung doch betont, dass zur Vermeidung jeder Gefahr von Parteilichkeit die Bewertungsmethode, anhand derer der öffentliche Auftraggeber die Angebote konkret bewertet und einstuft, aber grundsätzlich nicht nach der Öffnung der Angebote durch den öffentlichen Auftraggeber festgelegt werden darf (EuGH, Urt. v. 14.07.2016, Az.: C-6/15). Etwas anderes gilt nur, wenn die Festlegung der Bewertungsmethode aus nachweislichen Gründen nicht vor der Öffnung möglich war, was so gut wie nie gegeben sein dürfte.
Im Ergebnis spricht Vieles dafür, dass der Begriff des besten Preis-Leistungs-Verhältnis i. S. d. Art. 67 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU bzw. § 127 Abs. 1 Satz 2 GWB mathematisch zu verstehen ist und die gewählte Bewertungsmethode das Preis-Leistungs-Verhältnis jedes Angebots abbilden können muss. Ein solches Verständnis findet seine Stütze auch in den Erwägungsgründen der Richtlinie 2014/24/EU.
In Erwägungsgrund 90 der Richtlinie heißt es:
Aufträge sollten auf der Grundlage objektiver Kriterien vergeben werden, die die Einhaltung der Grundsätze der Transparenz, der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung gewährleisten, um einen objektiven Vergleich des relativen Werts der Angebote sicherzustellen, damit unter den Bedingungen eines effektiven Wettbewerbs ermittelt werden kann, welches das wirtschaftlich günstigste Angebot ist.
In Erwägungsgrund 92 der Richtlinie findet sich folgende Passage:
Öffentliche Auftraggeber sollten bei der Bewertung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses die mit dem Gegenstand des Auftrags verbundenen wirtschaftlichen und qualitativen Kriterien festlegen, die sie zu diesem Zweck heranziehen werden. Diese Kriterien sollten damit eine vergleichende Beurteilung des Leistungsniveaus jedes einzelnen Angebots gemessen am Gegenstand des Auftrags, wie in den technischen Spezifikationen festgelegt, ermöglichen.
3. Kosten des Verfahrens
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs.3 S.1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend der Antragsgegner.
Es wird eine Gebühr in Höhe von …,.. € festgesetzt. Der Antragsgegner ist von der Zahlung der Gebühr befreit. Dies ergibt sich aus § 182 Abs.1 S.2 GWB i. V. m. § 8 Abs.1 Nr.2 VwKostG. Auslagen sind nicht angefallen.
Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft erstattet.