Aktenzeichen M 3 S 16.50611
AsylG AsylG § 26a, § 77
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2, Art. 18 Abs. 1 lit. b
EuGrCh Art. 4
Leitsatz
Das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Belgien weisen nach aktuellem Kenntnisstand keine systemischen Mängel auf, die nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO einer Rückführung entgegenstehen würden. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe im vorliegenden Verfahren (M 3 S 16.50611) wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der nach seinen eigenen Angaben am … 1991 in … geborene Antragsteller ist äthiopischer Staatsangehöriger. Er stellte am 2. Juni 2016 bei dem Bundesamt für … (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
Bei seiner ersten Befragung durch das Bundesamt zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am 6. Juli 2016 gab der Antragsteller an, dass er November 2011 von Äthiopien aus über Sudan (Aufenthalt 1,5 Jahre), Libyen (6 Monate), Italien (2 Tage), Frankreich (11 Tage), Belgien (16 Monate) gereist sei und von dort aus auf dem Landweg am 8. Januar 2016 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Die Reise habe ca. 5 Jahre gedauert. Zuerst sei er am 1. August 2014 in den Mitgliedsstaat Italien eingereist und habe sich dort 2 Tage aufgehalten. In Belgien habe er am 5. August 2014 internationalen Schutz beantragt, dort seien ihm am 15. August 2015 auch Fingerabdrücke abgenommen worden.
Die eingeleitete Eurodac-Recherche des Bundesamts ergab am 2. Juni 2016 einen Treffer der Kategorie I (…) für Belgien.
Aufgrund des Eurodac-Treffers der Kategorie I richtete das Bundesamt am 6. Juni 2016 ein Wiederaufnahmeersuchen an die belgischen Behörden, die mit Schreiben vom 8. Juni 2016 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages erklärten.
Mit Bescheid vom 3. August 2016, zugestellt am 9. August 2016, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Belgien an. Weiter wurde eine Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots ausgesprochen. Auf die Bescheidsbegründung wird Bezug genommen.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 10. August 2016, eingegangen am 11. August 2016, erhob der Antragsteller Klage (M 3 K 16.50610) und beantragte weiter,
die aufschiebende Wirkung dieser Klage anzuordnen sowie die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten.
Der Kläger mache politische Gründe für sein Aufenthaltsrecht geltend.
Der Vater des Klägers sei in Äthiopien von Regierungssoldaten getötet worden, weil er gegen die Regierung gewesen sei und an Demonstrationen teilgenommen habe. Der Vater sei sechs Monate in Haft in einem äthiopischen Gefängnis gewesen. In dem Gefängnis sei ihm angedroht worden, er werde getötet, wenn er weiterhin für die Opposition tätig sei. Desgleichen sei ihm angedroht worden, dass auch seine Familie getötet werde. Der Antragsteller müsse damit rechnen, dass er ebenfalls im Falle einer Rückkehr getötet werde. Es werde hier von äthiopischen Sicherheitskräften nach der Sippenhaft gehandelt.
Das Bundesamt legte mit Schriftsatz vom 13. August 2016 die Behördenakten vor und äußerte sich im Übrigen nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Nach dem gemäß § 77 AsylG zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblichen § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008, zuletzt geändert durch Art. 6 G v. 31.7.2016 (BGBl I S. 1939) ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31). Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsanordnung sind nach der im Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Überprüfung gegeben. Danach ist Belgien aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Die belgischen Behörden haben das Übernahmeersuchen vom 6. Juni 2016 mit Schreiben vom 8. Juni 2016 akzeptiert. Da für den Antragsteller ein EURODAC-Treffer der Kategorie 1 ermittelt wurde, ist Belgien nach Art. 18 Abs. 1 lit.b Dublin-III-VO zuständiger Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers. Somit steht grundsätzlich fest, dass die Abschiebung nach Belgien durchgeführt werden darf.
Die Überstellung an Belgien ist auch nicht rechtlich unmöglich im Sinn des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte i.S.v. Art. 6 Abs. 1 EUV entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH v. 21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris).
Vorliegend sind keine wesentlichen Gründe für die Annahme ersichtlich, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Belgien systemische Schwachstellen aufweisen würden, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich brächten.
Dem Gericht liegen keine Erkenntnisquellen vor, die die Befürchtung rechtfertigen würden, dass in Belgien systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen bestehen. Der Antragsteller selbst hat systemische Mängel in Belgien weder geltend gemacht noch konkret dargelegt, worin diese liegen sollten. Hiervon ist nach der Rechtsprechung zahlreicher Verwaltungsgerichte in Bezug auf Belgien nicht auszugehen (vgl. VG Ansbach, U.v. 18.9.2015 – AN 14 K 15.50158 – juris Rn. 32 m.w.N., VG Düsseldorf, U.v. 4.3.2015 – 22 L 88/15.A – juris Rn. 19ff).
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
2. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten des Antragstellers bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
Prozesskostenhilfe ist nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) einer Partei auf Antrag zu gewähren, wenn diese nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Gemäß den obigen Ausführungen bietet der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, so dass der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abzulehnen war.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.