Aktenzeichen Au 6 E 18.394
FreizügG/EU § 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 5 Abs. 1 S. 1, S. 2, Abs. 4
AufenthG § 1 Abs. 2 Nr. 1, § 11 Abs. 1 S. 2
Leitsatz
1. Es spricht vieles dafür, § 5 Abs. 1 S. 2 FreizügG/EU dahingehend auszulegen, dass eine Bescheinigung über die Einreichung des Antrags auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte unverzüglich nach Einreichung des Antrags auszustellen ist. (Rn. 29 – 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Deutsche und ihre drittstaatsangehörigen Familienangehörigen können sich auf das Gemeinschaftsrecht über die Freizügigkeit berufen, wenn sie während oder nach Beendigung der Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit in einem anderen Mitgliedstaat nach Deutschland zurückkehren. (Rn. 36 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller einstweilen eine Bescheinigung über die Einreichung des Antrags auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte auszustellen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.
IV. Dem Antragsteller wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt,, Prozesskostenhilfe bewilligt. Mehrkosten, die sich daraus ergeben, dass der Bevollmächtigte seinen Sitz nicht im Gerichtsbezirk hat, werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Erteilung einer Bescheinigung gemäß oder analog § 5 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU.
Er ist algerischer Staatsangehöriger und – nach seinen Angaben – seit 2003 mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet, mit dieser und den drei gemeinsamen Kindern habe er bis 2013 in Frankreich zusammengelebt.
Die Ersteinreise des Klägers erfolgte ausweislich des Auszugs aus dem Ausländerzentralregister (vom 29.7.2016, Bl. 52 der Behördenakte) am 13. Juli 2015. Die Behördenakte (Bl. 88 ff.) beinhaltet die Kopie eines „Titre de sejour“ (gültig: 31.7.2010 bis 30.7.2020; Einreise nach Frankreich: 27.2.2002) sowie eines (bis 23.11.2015 gültigen) algerischen Reisepasses des Antragstellers.
Die Staatsanwaltschaft … teilte dem Landratsamt … mit Schreiben vom 13. Juli 2015 mit, das Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller, wohnhaft c/o St., wegen Bedrohung sei mit Verfügung (vom 10.7.2015) nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
Das Amtsgericht … (…, Bl. 18 ff. der Behördenakte) verurteilte den Antragsteller (zuletzt wohnhaft in …) am 25. Mai 2016 wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. Dieser habe am 22. November 2015 Subutex von Frankreich nach Deutschland eingeführt, um es zusammen mit seiner Ehefrau – mit der er zwischenzeitlich wieder zusammen sei – zum Teil gewinnbringend zu veräußern, zum Teil selbst zu konsumieren. Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Gericht, dass Subutex-Tabletten in Frankreich frei erhältlich seien und somit ein vermindertes Unrechtsbewusstsein des – aufgrund einer bestehenden Opiatabhängigkeit handelnden – Antragstellers vorgelegen habe. Straferschwerend wurden die Vorstrafen (Verurteilung 2012 wegen Diebstahls und 2013 wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln zu Geldstrafen) berücksichtigt. Ein Hang i.S.v. § 64 StGB bestehe nicht.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 19. August 2016 wies der Antragsgegner den Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Nr. 1), drohte ihm die Abschiebung aus der Haft nach Algerien oder in jeden anderen aufnahmebereiten Staat an (Nr. 2) und befristete die Wirkungen der Ausweisung und Abschiebung auf zehn Jahre (Nr. 3). Es stützte die Ausweisung auf die Straftaten des Antragstellers (§ 53 AufenthG), der am 22. November 2015 eingereist und in Untersuchungshaft genommen worden sei und sich ab 2. Juni 2016 in Strafhaft befinde (Haftende: 21.3.2018).
Die Staatsanwaltschaft … sah daraufhin von der weiteren Vollstreckung der vorgenannten Freiheitsstrafe zum Zeitpunkt der Abschiebung (frühestens zum 10.1.2017) ab. Die JVA … fragte nach, woran die Abschiebung scheitere, der Antragsteller sei „schon ein bisschen ungeduldig“ (Bl. 103 der Behördenakte). Dieser wurde beim algerische Konsulat zur Beschaffung von Reisedokumenten vorgeführt, dieses habe jedoch darauf verwiesen, dass in … ein neuer Reisepass zur Abholung bereitliege (Bl. 110 ff. und 125 der Behördenakte). Ausweislich einer Gesprächsnotiz teilte die Ehefrau des Antragstellers der Ausländerbehörde (am 6.6.2017) telefonisch mit, dass sie von diesem getrennt lebe, sie wolle auch keinen Kontakt zu ihm. Es bestehe auch kein Kontakt zu den gemeinsamen Kindern. Eine Abschiebung erfolgte dann mangels Pass(ersatz) papieren nicht.
Am 27. November 2017 ließ der Antragsteller die Aufhebung der Wirkungen der Ausweisungsverfügung (vom 19.8.2016) und bis dahin die Ausstellung einer Bestätigung, dass die Voraussetzungen für eine Beschränkung seines Freizügigkeitsrechts nicht vorlägen, beantragen. Er habe mit seiner deutschen Ehefrau, mit der er seit 2003 verheiratet sei, und den gemeinsamen Kindern in Frankreich zusammengelebt. Dadurch sei ihm ein Freizügigkeitsrecht vermittelt worden, das in Deutschland fortbestehe, nachdem die Familienangehörigen nun gemeinsam hier lebten. Der Schutz der Unionsbürgerkinder gebiete eine Aufhebung des Einreiseverbots; zum Nachweis der Bindungen wurden Briefe u.Ä. vorgelegt. Das Landratsamt bat um Vorlage von Nachweisen, dass er Vater deutscher Staatsangehöriger sei und diese nachhaltig von ihrem Recht auf Einreise/Aufenthalt in Frankreich Gebrauch machten.
Mit Schreiben des Bevollmächtigten vom 16. Januar 2018 und 5. Februar 2018 wurde ergänzend ausgeführt, das Verhältnis des Antragstellers zu seiner Ehefrau sei zerrüttet; dies habe bereits Weihnachten 2013 zur Trennung geführt. Die Ehefrau sei im Anschluss mit den Kindern nach Deutschland verzogen. Aufgrund seines auf einen dauernden Aufenthalt in Frankreich beschränkten Aufenthaltstitels habe der Antragsteller seine Kinder dann nur noch drei Monate am Stück besuchen können, jedoch ab April 2014 die gemeinsame Wohnung mitfinanziert und den Kontakt zu seinen Kindern stets aufrecht erhalten. Die angeforderte Besucherliste (Bl. 157 der Behördenakte) enthalte zwei Fehler, auch der Mittlere der Söhne habe den Antragsteller zweimal in … besucht. Der seitens der Ehefrau beim AG … eingereichte Scheidungsantrag (vom 28.10.2017) wurde vorgelegt; die gemeinsamen Kinder (geb. ….2004, ….2007 und ….2010) seien in Frankreich geboren, eine intensive familiäre Lebensgemeinschaft für mehr als drei Monate sei offenkundig.
Am 14. Februar 2018 beantragte der Antragsteller die Ausstellung einer Aufenthaltskarte analog § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU. Er habe von 1994 bis 2014 in Frankreich gelebt, die letzten zehn Jahre dort als Gleisbauer gearbeitet und den Lebensunterhalt seiner Kinder sichergestellt, die damit zu Freizügigkeitsberechtigten gemäß Art. 21 AEUV geworden seien. Ergänzend wurde um Stellungnahme gebeten, was gegen die Ausstellung der gegenständlichen Bescheinigung spreche.
Das Landgericht … verfügte (mit Beschluss vom 23.2.2018), nach Entlassung aus dem Strafvollzug habe es mit der kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht von fünf Jahren sein Bewenden; Bewährungsauflagen wurden angeordnet, unter anderem, dass sich der Antragsteller des Konsums berauschender Mittel nach dem Betäubungsmittelgesetz zu enthalten und Drogenkontrollen zu unterziehen habe.
Der Antragsteller beantragt,
Der Antragsgegner wird vorläufig verpflichtet, dem Antragsteller eine Bescheinigung gemäß oder analog § 5 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU auszustellen.
Zudem beantragt der Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe die Aufhebung der Wirkungen der Ausweisungsverfügung und die Ausstellung einer Bestätigung, dass die Voraussetzungen für eine Beschränkung des Freizügigkeitsrechts nicht vorlägen sowie die Ausstellung einer Aufenthaltskarte beantragt. Der Antragsgegner betreibe ungeachtet dessen die Abschiebung des Antragstellers und habe nicht zu erkennen gegeben, dass er von der Durchsetzung der vermeintlichen Ausreisepflicht Abstand nehme. Eine Abschiebung scheitere allerdings bislang am Fehlen eines Reisepasses. Die Ausweisungsverfügung sei zurückzunehmen, da der Antragsteller aufgrund des Zusammenlebens mit seinen freizügigkeitsberechtigten Kindern und – damals auch – seiner Ehefrau dem Aufenthaltsgesetz zum Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung nicht unterfallen sei. Selbst wenn die Ausweisung aufgrund ihrer Bestandskraft Wirksamkeit entfalte, dürfe die hieraus resultierende Ausreisepflicht nicht vollstreckt werden, da der Aufenthalt des Antragstellers als Familienangehöriger freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger nicht beendet werden dürfe. Dieser habe glaubhaft gemacht, dass seine Kinder ihm überaus herzlich zugeneigt seien und jedenfalls das älteste Kind auch im Falle einer Scheidung beim Antragsteller bleiben werde. Angesichts dessen dürfe aus der rechtswidrigen, aber bestandskräftigen Ausweisungsverfügung nicht vollstreckt werden, da die Voraussetzungen für eine Beschränkung des Freizügigkeitsrechts nicht vorlägen. Nichts anderes gelte für den Fall, dass der Antragsteller nicht als Familienangehöriger im Sinne von § 3 Abs. 2 FreizügG/EU anzusehen sei, sondern sein Freizügigkeitsrecht auf Art. 20, 21 AEUV basiere. Auch dann wäre ein Eingriff in sein Freizügigkeitsrecht nur zulässig, wenn eine Beschränkung seines Aufenthaltsrechts unter Berücksichtigung des Status der Familienangehörigen unionsrechtlich zulässig wäre. Da die Kinder des Antragstellers gezwungen wären, sich zwischen einem Leben im Unionsgebiet und einem Leben mit ihrem Vater in Algerien zu entscheiden, würde durch den Vollzug der – vermeintlichen – Ausreisepflicht in den Kernbestand der Unionsbürgerschaft der Kinder des Antragstellers eingegriffen werden. Es bestehe ein Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung, auch wenn damit die Hauptsache vorweggenommen würde, da die Hauptsache ohnehin auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte ziele, nachdem die Sechsmonatsfrist von § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU bereits abgelaufen sei.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei bereits unzulässig, da mangels eines gültigen Passes oder Passersatzpapieren und aufgrund der am 27. November 2017 gestellten Anträge keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen beabsichtigt seien. Über diese Anträge, die Wirkungen der Ausweisungsverfügung (vom 19.8.2016) aufzuheben und bis dahin eine Bestätigung, dass die Voraussetzungen für eine Beschränkung seines Freizügigkeitsrechts nicht vorliegen, auszustellen, habe bislang mangels ausreichender Mitwirkung des Antragstellers nicht abschließend entschieden werden können (§ 82 Abs. 1 AufenthG). Der Antrag sei auch unbegründet, da der Antragsteller keinen Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU habe. Die Behörde dürfe von Familienangehörigen in den Fällen des § 5 Abs. 2 FreizügG/EU oder für die Ausstellung der Aufenthaltskarte einen anerkannten oder sonst zugelassenen gültigen Pass oder Passersatz und zusätzlich Folgendes verlangen: einen Nachweis über das Bestehen der familiären Beziehungen, bei Verwandten in absteigender und aufsteigender Linie einen urkundlichen Nachweis über Voraussetzungen nach § 3 Abs. 2 FreizügG/EU sowie eine Meldebestätigung des Unionsbürgers, den die Familienangehörigen begleiten oder dem sie nachziehen (§ 5a Abs. 2 FreizügG/EU). Bislang liege trotz Aufforderung weder ein gültiger Pass oder Passersatz, noch ein urkundlicher Nachweis über die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 FreizügG/EU vor; ebenso wenig liege eine Meldebestätigung der Deutschen vor. Es werde bisher lediglich behauptet, dass die deutschen Staatsangehörigen von ihrem Recht auf Einreise und Aufenthalt in Frankreich nachhaltig Gebrauch gemacht hätten und folglich ein sog. Rückkehrerfall vorliege. § 5 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU sei aufgrund von Art. 10 Abs. 1 Richtlinie 2004/38/EG dahingehend auszulegen, dass unmittelbar nach Antragstellung eine entsprechende Bescheinigung auszustellen sei, unabhängig davon, ob alle erforderlichen Angaben gemacht worden seien. Erforderlich sei allerdings, dass für die Angehörigeneigenschaft eine gewisse Wahrscheinlichkeit spreche; bloße Behauptungen – wie vorliegend – könnten nicht genügen (vgl. Hoppe, HTK-AuslR, § 5 Abs. 1 FreizügG/EU 05/2015 Nr. 5).
Ergänzend wurden nach gerichtlicher Aufforderung die Klägeradresse sowie die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachgereicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache Erfolg.
Gegenstand des Antrags ist (nur) die vom Antragsteller begehrte Bescheinigung (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern – Freizügigkeitsgesetz/EU – FreizügG/EU), nicht hingegen die vorläufige Ausstellung einer Aufenthaltskarte (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU; BayVGH, B.v. 15.3.2018 – 10 CS 17.2378 u.a. – juris).
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere steht der Verpflichtung des Antragsgegners im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch nicht entgegen, dass möglicherweise die Hauptsache vorweg genommen wird. Denn im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG gilt das Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Dies ist vorliegend der Fall. Ein weiteres Zuwarten hätte zur Folge, dass der Antragsteller, der bestandskräftig ausgewiesen wurde, woraus eine vollziehbare Ausreisepflicht resultiert, während der Prüfung der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts nicht nachweisen könnte, dass er nunmehr eine Aufenthaltskarte für drittstaatsangehörige Familienangehörige beantragt hat. Zwar hat die Aufenthaltskarte rein deklaratorischen Charakter (vgl. EuGH, U.v. 12.3.2014 – C456/12 – NVwZ-RR 2014, 401, juris Rn. 60; U.v. 21.7.2011 – C-325/09 (Dias) – Slg. 2011, I-6387; Geyer in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 5 FreizügG/EU Rn. 3 m.w.N.), im Unterschied zu Unionsbürgern, deren Freizügigkeitsvermutung sich bereits aus der Vorlage eines Passes oder Ausweises ableiten lässt, benötigen aber Drittstaatsangehörige ein Nachweismittel in Form einer Aufenthaltskarte (vgl. Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 5 FreizügG/EU Rn. 17). Die Notwendigkeit einer vorläufigen Ausstellung der begehrten Bescheinigung ist hier demnach gegeben. Zumal der Antragsgegner mit der einstweiligen Anordnung nur zur Ausstellung einer Bescheinigung nach bzw. analog § 5 Abs. 1 S. 2 FreizügG/EU, nicht zur Erteilung einer Aufenthaltskarte verpflichtet wird (vgl. VG SH, B.v. 21.3.2017 – 8 B 7/17 – AuAS 2017, 110, juris Rn. 26).
2. Der Antrag ist auch begründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit der Sache (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Ausreichend ist, dass auf Grund einer summarischen Prüfung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Anordnungsanspruches und eines Anspruchsgrundes gegeben ist (vgl. BVerfG, B.v. 28.9. 2009 – 1 BvR 1702/09 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 15.3.2018 – 10 CS 17.2378 u.a. – juris Rn. 17; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 123 Rn. 23). Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
a) Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner hatte zunächst aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 9.8.2012 – 19 CE 11.1893 – InfAuslR 2012, 404, juris Rn. 18, ausreichend ist danach die Ankündigung aufenthaltsbeendender Maßnahmen). Zwar hat der Antragsgegner jedenfalls im Rahmen der Antragserwiderung mitgeteilt, dass derzeit keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen beabsichtigt seien, doch ist der Antragsteller mittlerweile aus der Haft entlassen und es besteht, wie dargelegt, eine bestandskräftige Ausweisung, so dass vorliegend eine zeitnahe Ausstellung der Bescheinigung notwendig ist.
b) Auch ein Anordnungsanspruch auf vorläufige Ausstellung einer Bescheinigung gemäß bzw. analog § 5 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU ist hinreichend glaubhaft gemacht.
aa) Freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind, wird von Amts wegen innerhalb von sechs Monaten, nachdem sie die erforderlichen Angaben gemacht haben, eine Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Unionsbürgern ausgestellt, die fünf Jahre gültig sein soll (§ 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU). Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU erhält der Familienangehörige unverzüglich eine Bescheinigung darüber, dass „die erforderlichen Angaben“ gemacht worden sind.
Die Regelung des § 5 FreizügG/EU richtet sich an den Vorgaben der sog. Unionsbürgerrichtlinie (Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten – im Folgenden: RL 2004/38/EG) aus und setzt diese in nationales Recht um. Art. 10 RL 2004/38/EG sieht in Abs. 1 die Ausstellung einer Aufenthaltskarte vor und nennt in Abs. 2 die Dokumente, deren Vorlage die Mitgliedstaaten hierfür verlangen. Anders als § 5 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU sieht Art. 10 Abs. 1 Satz 2 RL 2004/EG vor, dass eine Bescheinigung über die „Einreichung des Antrags“ auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte unverzüglich ausgestellt wird.
Es spricht daher jedenfalls viel dafür, dass § 5 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU richtlinienkonform dahingehend auszulegen ist, dass die Bescheinigung, die ebenfalls rein deklaratorischen Charakter hat, unverzüglich nach Einreichung des Antrags auszustellen ist (vgl. Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 5 FreizügG/EU Rn. 18 unter Verweis auf Harms in Storr u.a., § 5 FreizügG/EU Rn. 5; Geyer in Hofmann, Ausländerrecht, § 5 FreizügG/EU Rn. 4 unter Verweis auf Renner, AuslR, 10. Aufl., § 5 FreizügG/EU Rn. 18; a.A. OVG Bremen, B.v. 31.7.2009 – 1 B 167/09 – NVwZ-RR 2010, 256, juris Rn. 4). Dies entspricht auch dem vorgenannten Zweck der Bescheinigung als Nachweismittel (für einen verfahrensrechtlich ordnungsgemäßen Aufenthalt) im Zeitraum zwischen der meldebehördlichen Anmeldung und der Entscheidung über die Ausstellung der Aufenthaltskarte (vgl. HessVGH, B.v. 7.8.2014 – 7 B 1216/14 – InfAuslR 2014, 414, juris Rn. 13; Kurzidem in Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, FreizügG/EU § 5, Rn. 6; Geyer in Hofmann, Ausländerrecht, § 5 FreizügG/EU Rn. 4: Der Bescheinigung kommt danach auch die Bedeutung zu, nachzuweisen, der Pflicht für Familienangehörige zur Beantragung einer Aufenthaltskarte nachgekommen zu sein (s.a. Art. 9 Abs. 3 RL 2004/38/EG)).
Die (Verfahrens) Bescheinigung wird demnach unabhängig von der Vorlage von Dokumenten, die die Voraussetzungen des Freizügigkeitsrechts belegen (vgl. hierzu § 5a Abs. 2 FreizügG/EU, Art. 10 Abs. 2 FreizügRL) ausgestellt. Sie stellt demgemäß kein Nachweismittel für ein – das Recht auf Erwerbstätigkeit einschließendes – Freizügigkeitsrecht dar (vgl. HessVGH, B.v. 7.8.2014 – 7 B 1216/14 – InfAuslR 2014, 414, juris Rn. 13).
bb) Ausgehend davon steht dem Antragsteller derzeit ein Anspruch auf Ausstellung der Bescheinigung (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU) zu. Denn er hat beim Antragsgegner am 14. Februar 2018 die Ausstellung einer Aufenthaltskarte für Familienangehörige beantragt und die Prüfung der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts dauert an (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU).
Entgegen der Ansicht des Antragsgegners hat der Antragsteller die Angehörigeneigenschaft nicht lediglich behauptet, sondern es spricht nach derzeitiger Aktenlage, insbesondere unter Berücksichtigung der vorgenannten Verfügung der Staatsanwaltschaft (vom 10.7.2015) und des o.g. Urteils des Amtsgerichts … 25. Mai 2016 sowie des vorgelegten Scheidungsantrags (St. gegen den Antragsteller), eine gewisse und insoweit hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines sog. Rückkehrerfalles (s. dazu sogleich).
(1) Diesem Anspruch steht § 1 FreizügG/EU nicht von vornherein entgegen, der hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs grundsätzlich nur grenzüberschreitende Sachverhalte erfasst und den Personenkreis begünstigt, der sich aus der Formulierung der Regelung ergibt. Danach findet dieses Gesetz zwar nur auf die Familienangehörigen von Unionsbürgen Anwendung. Dies ergibt sich auch unter Berücksichtigung von Art. 3 RL 2004/38/EG. Nicht vom Anwendungsbereich erfasst sind nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut Familienangehörige von deutschen Unionsbürgern. Diese sind den Regeln des allgemeinen Ausländerrechts unterworfen. Grundsätzlich fällt der Antragsteller als algerischer Staatsangehöriger, der letztlich einen Familiennachzug zu seiner deutschen Ehefrau und seinen deutschen Kindern geltend macht, damit nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes bzw. der RL 2004/38/EG.
Allerdings können sich Deutsche und ihre drittstaatsangehörigen Familienangehörigen auf das Gemeinschaftsrecht über die Freizügigkeit berufen, wenn sie während oder nach Beendigung der Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit in einem anderen Mitgliedstaat nach Deutschland zurückkehren (sog. Rückkehrfälle; vgl. EuGH, U.v. 11.12.2007 – C 291/05 (Eind) – Slg. 2007, I-10719; U.v. 7.7.1992 – C 370/90 (Singh) – InfAuslR 1992, 342; BVerwG, U.v. 22.6.2011 – 1 C 11/10 – BayVBl 2012, 311; U.v. 16.11.2010 – 1 C 17/09 – BVerwGE 138, 122, juris Rn. 10 ff.; BayVGH, B.v. 9.5.2012 – 10 CS 12/243 u.a – BayVBl 2013, 181; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 1 FreizügG/EU Rn. 26 ff.).
Maßgeblich ist, dass Unionsbürger, die von ihrem Freizügigkeitsrecht nachhaltig Gebrauch gemacht haben, von ihren Familienangehörigen begleitet wurden und danach in ihr Heimatland zurückgekehrt sind. Die „Privilegierung“ der drittstaatsangehörigen Familienangehörigen eines Unionsbürgers beruht in diesen Fällen ausschließlich darauf, dass der Unionsbürger von seinem Freizügigkeitsrecht (bzw. seinen persönlichen Grundfreiheiten) Gebrauch gemacht hatte und das Familienmitglied sich auch im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hatte (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2012 – 10 CS 12/243 u.a – BayVBl 2013, 181, juris Rn. 17). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) erfordert es die praktische Wirksamkeit des Freizügigkeitsrechts des Unionsbürgers, dass in diesen Fällen der drittstaatsangehörige Ehegatte bei einer gemeinsamen Rückkehr in den Herkunftsstaat des Unionsbürgers auch dort ein unionsrechtlich begründetes Aufenthaltsrecht hat (vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2010 – 1 C 17/09 – BVerwGE 138, 122, juris Rn. 10 ff). Dies setzt aber voraus, dass der deutsche Ehegatte in so nachhaltiger Weise von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, dass die praktische Wirksamkeit seines Freizügigkeitsrechts als Unionsbürger es erfordert, seinem Ehepartner einen unionsrechtlichen Nachzugsanspruch zuzubilligen (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.2011 – 1 C 11/10 – BayVBl 2012, 311, juris R. 9 ff.).
Der Begriff des „Familienangehörigen“ wird zwar in § 1 FreizügG/EU nicht eindeutig umschrieben (vgl. OVG NRW, B.v. –18 B 665/15 – juris Rn. 3), nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind aber bereits für die Bestimmung des Anwendungsbereichs (§ 1 FreizügG/EU) „Familienangehörige“ nur die von § 3 Abs. 2 FreizügG/EU erfassten Personen; dies folge nicht schon eindeutig aus dem Wortlaut, wohl aber aus der Systematik des Gesetzes und seinem Sinn und Zweck (vgl. BVerwG, U.v. 25.10.2017 – 1 C 34/16 – DÖV 2018, 291, juris Rn. 12 ff). Bei den in § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU benannten Personen fallen Anwendungsbereich (§ 1 FreizügG/EU) und das Recht auf Einreise und Aufenthalt (§ 2 Abs. 1 i.V.m. § 3 FreizügG/EU) demnach insoweit zusammen (vgl. BVerwG, U.v. 25.10.2017 a.a.O.).
Vorliegend spricht jedenfalls viel dafür, dass der Antragsteller als Ehegatte Familienangehöriger i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 FreizügG/EU ist; zwar bleibt ein familiär abgeleitetes Freizügigkeitsrecht grundsätzlich akzessorisch, eine Auflösung der vorgetragenen Ehe ist aber nach Aktenlage bislang nicht erfolgt (vgl. § 3 Abs. 4 und 5 FreizügG/EU; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 3 FreizügG/EU Rn. 11 ff. m.w.N.). Hingegen ist der Antragsteller kein Familienangehöriger der vorgetragenen gemeinsamen und nach den Angaben im Scheidungsantrag minderjährigen Kinder, da er als Vater zwar ein Verwandter der Kinder in gerader aufsteigender Linie ist, aber nicht von den Kindern als Unionsbürgern Unterhalt gewährt erhält. Dabei kommt es auf die tatsächliche Situation an, in welcher der Familienangehörige vom Unionsbürger unterstützt wird ohne Rücksicht darauf, worauf diese Unterstützung gründet und ob der Unterstützte seinen Lebensunterhalt durch Ausübung einer entgeltlichen Tätigkeit bestreiten könnte (vgl. EuGH, U.v. 18.6.1987 – C-316/15 – Slg. 1987, 2811 Rn. 22). An der Unterhaltsgewährung durch den Unionsbürger fehlt es hier, weil nicht der Antragsteller Unterhalt durch seine Kinder erhält, sondern die Kinder Unterhalt durch den Antragsteller – nach dessen Angaben – erhielten, solange er in Frankreich erwerbstätig gewesen sei. Eine tatsächliche und erforderliche Betreuung der Kinder durch den Antragsteller wurde nicht geltend gemacht (vgl. EuGH, U.v. 19.10.2004 – C-200/02 (Zu/Chen) – Slg. 2004, I-9925; s.a. Nr. 3.2.2.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU – VwV-FreizügG/ EU). Für einen gemeinsamen Aufenthalt in Frankreich spricht nach derzeitiger Aktenlage auch der Scheidungsantrag (Bl. 166 f. der Behördenakte, danach wurde die Ehe am 20.9.2003 in … geschlossen und die Ehefrau sei 2013 mit den Kindern aus der dortigen gemeinsamen Wohnung ausgezogen). Nach Aktenlage hat sich der Antragsteller danach wohl vorübergehend bei seiner Frau und den gemeinsamen Kindern im Bundesgebiet aufgehalten.
Letztlich kann die Frage, ob die Ehefrau des Antragstellers von ihrem Freizügigkeitsrecht nachhaltig Gebrauch gemacht hat und eine gemeinsame Rückkehr gegeben war, nach den vorgenannten Ausführungen für das gegenständliche Eilverfahren offen bleiben. Gleiches gilt für die seitens des Antragstellers angesprochene Frage, ob Art. 20 AEUV einer Aufenthaltsverweigerung entgegenstünde (vgl. EuGH, U.v. 8.3.2011 – C-34/09 (Ruiz Zambrano) – InfAuslR 2011, 179) bzw. ob eine Aufenthaltsverweigerung zur Folge hätte, dass die Kinder – die nach derzeitiger Aktenlage bei ihrer Mutter bzw. der Ehefrau des Antragstellers leben – gezwungen wären, das Gebiet der Union zu verlassen, um ihn zu begleiten (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 9.8.2012 – 19 CE 11.1893 – InfAuslR 2012, 404, juris Rn. 41 ff. unter Verweis auf EuGH, U.v. 15.11.2011 – C-256/11 (Dreci) – NVwZ 2012, 97; U.v. 5.5.2011 – C-434/09 (Mc Carthy) – juris).
(2) Schließlich steht die bestandskräftige Ausweisung vom 19. August 2016 einem möglichen Freizügigkeitsrecht des Antragstellers wohl nicht entgegen. Zwar bestimmt § 11 Abs. 1 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), dass ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf. Diese Sperrwirkung findet aber auf Ausländer, deren Rechtsstellung von dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern geregelt ist, grundsätzlich keine Anwendung (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG). Nach summarischer Prüfung ergibt sich auch keine Fortgeltung der Sperrwirkung; denn nach der Übergangsvorschrift des § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bleiben u.a. die vor dem 1. Januar 2005 (d.h. vor Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes/EU) getroffenen Ausweisungen einschließlich ihrer Rechtsfolgen wirksam (vgl. BVerwG, U.v. 4.9.2007 – 1 C 21.07 – BVerwGE 129, 243; BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 9.8.2012 – 19 CE 11.1893 – InfAuslR 2012, 404, juris Rn. 33). Demgegenüber sieht § 7 Abs. 2 FreizügG/EU eine Sperrwirkung nur für den Fall vor, dass der Unionsbürger oder seine Familienangehörigen ihr Freizügigkeitsrecht nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU verloren haben. Eine solche Feststellung ist gegenüber dem Antragsteller nicht getroffen worden.
(3) Auch die Einreise des Antragstellers ohne Visum führt voraussichtlich zu keiner anderen Beurteilung. Nach derzeitiger Aktenlage spricht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Antragssteller als Drittstaatsangehöriger wohl im Besitz einer gültigen Aufenthaltskarte eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union ist (vgl. Art. 2 Abs. 4 Satz 3 FreizügG/EU; Art. 5 Abs. 2 Satz 2 RL 2004/EG). Zumal das Freizügigkeitsrecht eines drittstaatsangehörigen Ehegatten eines Unionsbürgers grundsätzlich von der Einhaltung einer nationalen Visumspflicht unabhängig ist (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 9.8.2012 – 19 CE 11.1893 – InfAuslR 2012, 404, juris Rn. 31 unter Verweis auf EuGH, U.v. 25.7.2002 – C-459/99 (MRAX) – InfAuslR 2002, 417; U.v. 14.4.2005 – C-157/03 – InfAuslR 2005, 229; U.v. 25.7.2008 – C-127/08 (Metock) – NVwZ 2008, 1097; U.v. 19.12.2008 – C-551/07 (Deniz Sahin) – InfAuslR 2009, 96).
Der Antragsgegner war demnach zu verpflichten, einstweilen eine Bescheinigung über die Einreichung des Antrags auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte auszustellen. Soweit er auf fehlende Unterlagen verweist, kommt die nur befristete Ausstellung der Bescheinigung bzw. deren Einziehung analog § 5 Abs. 4 FreizügG/EU in Betracht, wenn die erforderlichen Unterlagen für die Ausstellung einer Aufenthaltskarte trotz Erinnerung an die bestehende Verpflichtung nicht fristgerecht vorgelegt werden (vgl. Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 5 FreizügG/EU Rn. 20).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 2 und 53 Abs. 2 Nr. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Ziffern 8.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
III.
Hinreichende Erfolgsaussichten sind nach den vorgenannten Darlegungen im Zeitpunkt der Bewilligungsreife gegeben.
Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers folgt aus seinen Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, wonach er derzeit u.a. nicht erwerbstätig ist und kein Vermögen hat. Dabei geht die Kammer davon aus, dass der Antragsteller derzeit keinen durchsetzbaren Anspruch auf Gewährung eines Prozesskostenvorschusses i.S.v. § 1360a Abs. 4 Satz 1 BGB gegen seine Ehefrau hat. Zwar kann ein solcher erst nach Rechtskraft der Scheidung nicht mehr entstehen, doch ist die Ehefrau nach ihren Angaben im Scheidungsantrag derzeit nicht berufstätig, sondern bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (vgl. BGH, B.v. 12.4.2017 – XII ZB 254/16 – NJW 2017, 1960).