Aktenzeichen B 6 K 17.30678
Leitsatz
1. Im Fall der Konversion zum Christentum muss festgestellt werden können, dass die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht und der Glaubenswechsel nunmehr die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Ermittlung des erforderlichen Grades willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstattlichen bewaffneten Konflikts im Fall des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ist eine wertende Gegenüberstellung der Einwohnerzahlen des betreffenden Gebietes mit der Anzahl der sicherheitsrelevanten Ereignisse und der Anzahl der Opfer in diesem Gebiet notwendig. Bei einem Opferrisiko von 1:800 ist noch nicht von einem Überschreiten der relevanten Risikoschwelle und auch noch nicht von einer relevanten Annährung an dieselbe auszugehen (BVerwG BeckRS 2012, 45614). (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die von UNAMA mitgeteilten Daten sind methodisch nachvollziehbar ermittelt und auch deswegen belastbar, da sie von einer von der internationalen Staatengemeinschaft getragenen Organisation stammen. Dass die Methodik der UNAMA überholt wäre oder die Informationen an offen erkennbaren inhaltlichen Defiziten leiden ist nicht ersichtlich. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
4 Danach besteht nur in der Provinz Helmand eine Opferwahrscheinlichkeit von mehr als 1:800, nämlich 1:766. Damit überschreitet diese die im Urteil des BVerwG für noch nicht ausreichend gehaltene Wahrscheinlichkeit um 0,0056%; eine relevante Überschreitung der Gefährdungsschwelle ist damit nach Auffassung des Gerichts und des BVerwG (BeckRS 2012, 45614) nicht verbunden. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
5 Unter Zugrundelegung der Opferzahlen für das erste Halbjahr 2017 hat die Opferwahrscheinlichkeit in etlichen Provinzen abgenommen; nur in Wardak ist ein Anstieg um 0,009 Prozentpunkte (mit nicht-konfliktbasierten Vorfällen) bzw. 0,008 Prozentpunkte (ohne nicht-konfliktbasierte Vorfälle) zu verzeichnen. (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.
1. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG sowie des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1.1 Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen auch aufgrund des Konversionsvorbringens im Folgeverfahren nicht vor. Die Beklagte hat zutreffend aufgrund dieses Vorbringens ein weiteres Asylverfahren (§ 71 AsylG) durchgeführt und im Ergebnis die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zutreffend verneint; das Gericht verweist zunächst auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Das Gericht ist allerdings der Auffassung, dass insoweit schon der Regelausschluss des § 28 Abs. 2 AsylG greift.
Nach der Auskunftslage ist die Situation von Konvertiten in Afghanistan als kritisch einzustufen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 19.10.2016, Seite 11, Republik Österreich, Länderinformationsblatt Afghanistan 11.05.2017, Seite 138 f.). Im Einzelfall können einem zum Christentum übergetretenen Muslim in Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Repressionen wegen seiner Religionsausübung drohen.
Die begründete Furcht einer Verfolgung wegen der Religion ist gegeben, wenn unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Schutzsuchenden vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Das Verbot der Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich kann hierbei eine Verfolgungshandlung darstellen, wenn der Betreffende tatsächlich Gefahr läuft, infolgedessen verfolgt oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Es ist dem Antragsteller nicht zumutbar, diese Gefahr durch Verzicht auf bestimmte religiöse Betätigungen zu vermeiden (vgl. EuGH, U.v. 5. 9.2012 – C-71/11 und C-99/11 – Rn. 79 f.; juris). Beruft sich der Schutzsuchende auf eine Verfolgungsgefährdung mit der Begründung, er sei zu einer in seinem Herkunftsland bekämpften Religion übergetreten, muss er die inneren Beweggründe glaubhaft machen, die ihn zur Konversion veranlasst haben. Es muss festgestellt werden können, dass die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht und der Glaubenswechsel nunmehr die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt (vgl. BVerwG, U.v. 20.1. 2004 – BVerwG 1 C 9.03 –, Rn. 22; BayVGH, U. v. 23.10.2007 – 14 B 06.30315 – B.v. 29.4.2010 – 14 ZB 10.30043, B.v. 4.2.2013 – 14 ZB 13.3002 –; alle juris). In besonderer Weise gilt dies, wenn der Schutzsuchende erstmals nach erfolglosem Abschluss des Asylerstverfahrens behauptet, er habe seine religiöse Überzeugung in der Folgezeit geändert. Er muss dann auch dafür gute Gründe anführen, um den Verdacht auszuräumen, der behauptete Glaubenswechsel sei nur vorgeschoben, um die Voraussetzungen für eine Flüchtlingsanerkennung zu schaffen (VGH Baden-Württemberg, U. v. 16. 3 2012 – A 2 S 1419/11 –, Rn. 24; juris). Diese Maßstäbe sind im Grundsatz auch auf die Abwendung von einer Religion anwendbar (s. VG Lüneburg, U. v. 13.6.2017 – 3 A 136/16 –, Rn. 33, juris).
Wann eine Prägung im Sinne einer ernstlichen Glaubensüberzeugung anzuerkennen ist, lässt sich nicht allgemein beschreiben. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Nach dem aus der Gesamtheit des Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahrens gewonnenen Eindruck muss sich der Schutzsuchende aus voller innerer Überzeugung von seinem bisherigen Bekenntnis gelöst und dem anderen Glauben zugewandt haben. Dazu sind die Persönlichkeit des Asylbewerbers und dessen Motive für den angeblichen Wechsel der religiösen Überzeugung vor dem Hintergrund seines bisherigen Vorbringens und seines Vorfluchtschicksals einer Gesamtwürdigung zu unterziehen. Hat er eine christliche Religion angenommen, genügt es im Regelfall nicht, dass der Schutzsuchende lediglich formal zum Christentum übergetreten ist, indem er getauft wurde (BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40/15 –; BayVGH, B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207–; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 9.6.2017, 13 A 1120/17.A, alle juris). Von einem Erwachsenen, der sich zum Bekenntniswechsel entschlossen hat, darf unter anderem im Regelfall erwartet werden, dass er mit den wesentlichen Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist. Welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, richtet sich vorwiegend nach seiner Persönlichkeit und seiner intellektuellen Disposition. Überdies wird regelmäßig nur dann anzunehmen sein, dass der Konvertit ernstlich gewillt ist, seine christliche Religion auch in seinem Heimatstaat auszuüben, wenn er seine Lebensführung bereits in Deutschland dauerhaft an den grundlegenden Geboten der neu angenommenen Konfession ausgerichtet hat (vgl. BVerwG, U. v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris).
Als Aspekt der Gesamtwürdigung ist auch zu berücksichtigen, dass die Konversion afghanischer Asylbewerber zum christlichen Glauben und ihre Geltendmachung als Nachfluchtgrund mittlerweile kein Einzelfall mehr ist. Iranische Asylbewerber, die in sehr hoher Anzahl in Evangelisch-Lutherischen Gemeinden getauft wurden, geben in der mündlichen Verhandlung bei Gericht zu ihren religiösen Aktivitäten vermehrt an, sie missionierten afghanische Asylbewerber in der Unterkunft und führten sie ihrer Gemeinde zu.
Gemessen an voranstehenden Maßstäben und tatsächlichen Umständen konnte sich das Gericht, insbesondere auch aufgrund der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugen, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland wegen seines Religionswechsels mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit verfolgungsgefährdet wäre.
Die Einzelrichterin kommt vielmehr zu dem Ergebnis, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine religiösen Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen würden oder dass der Verzicht auf solche Handlungen eine unzulässige Einschränkung seiner religiösen Identität bedeuten würde.
Der Kläger war seit dem erfolglosen Abschluss seines ersten Asylverfahrens in der Rechtsmittelinstanz am 08.06.2012 vollziehbar ausreisepflichtig. Er reagierte darauf, indem er zunächst unbekannten Aufenthalts war, die Bundesrepublik Deutschland in Richtung Norwegen verließ und dort am 13.07.2012 – offenbar unter falschen Personalien – einen Asylantrag stellte. Eine kontrollierte Überstellung des Klägers von Norwegen nach Deutschland am 27.11.2012 wurde im Vorfeld storniert, da der Kläger offenbar für die norwegischen Behörden nicht greifbar war. Am 27.12.2012 meldete er sich bei der Polizei in Deutschland, weil er von einem Freund erfahren hatte, dass ihn die norwegische Polizei suchte (Gerichtsakte S. 67 ff.). Mit Schreiben der Ausländerbehörde vom 17.05.2013 wurde der Kläger auf seine Ausreisepflichtigkeit hingewiesen und unter Hinweis auf die entsprechenden Strafvorschriften aufgefordert, bis zum 31.05.2013 einen Passantrag zu stellen (Gerichtsakte S. 92). Der Bestätigung des Evangelisch-Lutherischen Pfarramtes M … vom 30.05.2014 ist zu entnehmen, dass der Kläger an gemeindlichen Veranstaltungen und Gottesdiensten „seit beinahe einem Jahr regelmäßig teilnimmt“ (Behördenakte Folgeverfahren S. 42). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers gibt in der Begründung des Folgeantrages mit Schriftsatz vom 19.12.2013 u.a. an, dass der Kläger seit 02.06.2013 regelmäßig jeden Sonntag den Gottesdienst in M … besucht (Behördenakte Folgeverfahren S. 24). Ab Juli 2013 erfolgte die Taufvorbereitung (drei Taufgespräche über jeweils zwei Stunden, Behördenakte Folgeverfahren S. 33) und am 24.11.2013 wurde der Kläger in der M … Gemeinde „nach eingehender Unterweisung“ getauft (pfarramtliche Bestätigung vom 25.11.2013, Behördenakte Folgeverfahren S. 26).
Der zeitliche Kontext lässt keinen vernünftigen Zweifel daran zu, dass es dem unverfolgt ausgereisten Kläger in erster Linie und zielgerichtet darauf ankam, mit seiner Taufe einen Nachfluchtgrund für sein Asylverfahren zu schaffen und so seine Erfolgsaussichten über den in den Kreisen afghanische Asylbewerber zunehmend bekannten Weg des Glaubenswechsels zu eröffnen bzw. zu erhöhen.
Die Pflicht nach rechtskräftigem Abschluss des Asylerstverfahrens nach Afghanistan auszureisen, wollte der Kläger offenkundig nicht akzeptieren und erst nachdem der nächste Asylanlauf in Norwegen nicht gelang, wandte er sich auf Initiative eines Freundes hin der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde in M … zu. Wenn der Kläger in diesem Zusammenhang angibt, er habe nicht nach Afghanistan ausreisen können, denn er habe dort niemanden mehr (Niederschrift S. 3), glaubt ihm das Gericht nicht. Der Onkel mütterlicherseits war seit dem Tod der Eltern des Klägers (Erstverfahren: 2007 – Behördenakte S. 121, nunmehr: 2008 – Niederschrift S. 3) nach seinen eigenen Angaben die Hauptbezugsperson des Klägers und er lebte bei ihm und seiner Familie. Selbst wenn man vom Tod der Eltern (Anfang) 2008 ausgeht und die Angabe des Klägers im Erstverfahren zugrunde legt, er sei ungefähr ein Jahr im Iran gewesen und dann drei bis vier Monate unterwegs bis er (im Oktober 2010) nach Deutschland kam (Behördenakte Erstverfahren S. 51), hat der Kläger doch ca. eineinhalb Jahre bei dem Onkel gelebt und nicht nur eine Woche (Niederschrift S. 3). Der Onkel war nach den Angaben des Klägers auch die maßgebende Person, die ihm zur Ausreise riet und ihm einen erheblichen Anteil der Reisekosten gab und über das Familienvermögen (des verstorbenen Vaters des Klägers) verfügen konnte (Behördenakte Erstverfahren S. 52 f.). Angesichts dieser engen Bindung zum Onkel und der besonderen Bedeutsamkeit familiärer Bindungen gerade auch in der afghanischen Gesellschaft hält das Gericht das klägerische Vorbringen im Folgeverfahren, er wisse nicht wo der Onkel jetzt lebe (Behördenakte S. 73) und er habe mit ihm bei seiner Ausreise keine Rückmeldung vereinbart, er habe sich mit einer Kontaktaufnahme auch hier nicht beschäftigt, „es kann sein, dass der Onkel nicht mehr lebt oder sich nicht mehr in Ghazni aufhält“, für eine wahrheitswidrige Schutzbehauptung, um seine mangelnde Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan nach Abschluss des Erstverfahrens zu rechtfertigen (s. Niederschrift S. 3 f.). Statt freiwillig auszureisen wählte der vollziehbar ausreisepflichtige Kläger den Weg der Konversion mit Folgeantragstellung.
Vor diesem Hintergrund konnte die Einzelrichterin nicht die notwendige Überzeugungsgewissheit gewinnen, dass der Hinwendung des Klägers zum Christentum ein eigenständig tragfähiger, ernstgemeinter religiöser Einstellungswandel ohne Opportunitätserwägungen zugrunde liegt und der Glaubenswechsel nunmehr seine religiöse Identität so prägt, dass bei der Rückkehr in das Heimatland mit einer verfolgungsträchtigen Glaubensbetätigung zu rechnen wäre.
Die Tatsache, dass der Kläger mittlerweile seit fast vier Jahren getauft ist, sich seit Mitte 2013 der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde in M …, danach (Bestätigung 27.11.2015) der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde K … und nunmehr (Bestätigung vom 16.08.2017) der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde S …angeschlossen hat und regelmäßig an Bibelstunden, Hauskreisen, Gottesdiensten und sonstigen Aktivitäten des Gemeindelebens teilnimmt, vermag das Gericht angesichts der Ausgangssituation, in der sich der Kläger taufen ließ, nicht davon überzeugen, dass er zwischenzeitlich für sein kirchliches/religiöses Engagement religiöse Beweggründe (entwickelt) hätte, die unabhängig von der Motivation der Verbesserung der Bleibeperspektive im Bundesgebiet identitätsprägend in Form von „selbstempfundener Verbindlichkeit von Glaubensgeboten“ (Bundesverwaltungsgericht B. v. 25.8.2015, 1 B 40/15 juris Rn. 12) Bestand haben und ihn deshalb bei einer Rückkehr in das Heimatland einer asylrelevanten Gefährdung aussetzen könnten.
In der mündlichen Verhandlung fiel auf, dass es dem Kläger aus eigenem Antrieb heraus vor allem um die Mitteilung ging, er werde wegen seiner Konversion bei der Rückkehr nach Afghanistan (sofort) umgebracht. Einzelnachfragen zu seinem religiösen Leben beantwortete er eher allgemein – distanziert ohne inhaltliche Tiefe. Die mithin deutlichsten Aussagen waren, dass er Jesus seine Gesundheit verdanke, dass er in der Gemeinde und in Deutschland viel Liebe und Zuneigung erfahren habe, dass Jesus Gottes Sohn ist und durch sein Kreuzestod die Sünden der Menschen getilgt wurden, Jesus nie Rache und Krieg wollte und er auch die zehn Gebote achte (Niederschrift S. 4 f.).
Nachdem das Gericht den Kontaktabbruch mit der wichtigsten Bezugsperson in Afghanistan, dem Onkel, nicht für glaubhaft hält (s.o.), kann die letzte Aussage des Klägers indes kaum überzeugen. Bei der Wiedergabe der Erfahrung von Liebe und Zuneigung in der Gemeinde und „diesem christlichen Land“ (Niederschrift S. 5) wirkte der Kläger persönlich beteiligt. Es ist auch ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Kläger im jeweiligen Gemeindeleben und auch im sonstigen gesellschaftlichen Umfeld soziale Hinwendung und Nähe erfahren hat, die er so aus seinem Heimatland nicht kennt. Diese Erfahrung macht allerdings noch keine christliche Identitätsprägung des Klägers selbst aus. Was für den Kläger für sein religiöses Leben persönlich wichtig ist, wurde aber nicht konkret spürbar und nachvollziehbar.
Das Gericht kommt in der Gesamtschau zu dem Schluss, dass der Glaubenswechsel des Klägers maßgeblich und entscheidend durch die Zielsetzung bedingt war, einen Nachfluchtgrund zur Begründung des angestrebten Folgeverfahrens zu schaffen und diese Zielsetzung aktuell in der Weise fortwirkt, dass ein eigenständig tragfähiger religiöser Einstellungswandel des Klägers, ernsthaft frei von Bleibeerwägungen, weiterhin nicht glaubhaft ist.
Das Gericht ist deshalb davon überzeugt, dass es im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan zu keiner Beeinträchtigung der religiösen Identität des Klägers kommen wird.
Auch der formale bzw. asyltaktische Glaubensübertritt wird bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine nachteiligen Folgen für ihn haben (s. OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 9.6.2017, 13 A 1120/17.A juris Rn. 16).
1.2 Dem Kläger steht darüber hinaus auch kein subsidiärer Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG zu.
1.2.1 § 4 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 AsylG sind nicht einschlägig. Es ist weder ersichtlich, dass vorliegend die Todesstrafe verhängt wurde, noch dass Folter, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung drohen würden. In Hinblick auf die Konversion des Klägers wird hierzu auf 1.1. verwiesen.
1.2.2 Auch ist kein Fall des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG gegeben (ebenso: BayVGH, B. v. 04.08.2017, Az. 13a ZB 17.30791). Hierfür müsste eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gegeben sein.
1.2.2.1 Der Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes ist unter Beachtung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U. v. 27.04.2010, Az. 10 C 4/09; U. v. 24.6.2008, Az.: 10 C 43/07). Dabei setzt ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt nicht unbedingt einen so hohen Organisationsgrad und eine solche Kontrolle der Konfliktparteien über einen Teil des Staatsgebietes voraus, wie sie für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen von 1949 erforderlich sind, muss aber ein gewisses Maß an Dauerhaftigkeit und Intensität aufweisen (BVerwG, U. v. 27.04.2010, Az. 10 C 4/09; U. v. 24.06.2008, Az. 10 C 43/07). Die Kampfhandlungen müssen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend ist und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Ein Konflikt muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (BVerwG, U. v. 24.06.2008, Az. 10 C 43/07).
1.2.2.2 Für eine ernsthafte und individuelle Bedrohung ist es nicht ausreichend, dass ein eventueller Konflikt zu einer permanenten Gefährdung der Bevölkerung führt (BVerwG, U. v. 13.02.2014, Az. 10 C 6.13), sondern es bedarf einer Individualisierung der Gefahr. Eine solche kann entweder aus persönlichen Umständen oder auch ausnahmsweise aus einer Zuspitzung der allgemeinen Gefahr resultieren; letzteres ist dann der Fall, wenn der Grad willkürlicher Gewalt im relevanten Konflikt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Ausländer bei einer Rückkehr am tatsächlichen Zielort wie praktisch jede Zivilperson in diesem Gebiet alleine auf Grund der Anwesenheit im Gebiet Gefahr liefe, einer individuellen Bedrohung ausgesetzt zu sein (EuGH, U. v. 17.02.2009, Az. C-465/07; U. v. 30.01.2014, Az. C-285/12; BVerwG, U. v. 27.04.2010, Az. 10 C 4.09; U. v. 17.11.2011, Az. 10 C 13.10; U. v. 14.07.2009, Az.: 10 C 9.08; U. v. 24.06.2008, Az.: 10 C 43.07). Hierfür ist eine wertende Gegenüberstellung der Einwohnerzahlen des betreffenden Gebietes mit der Anzahl der sicherheitsrelevanten Ereignisse und der Anzahl der Opfer in diesem Gebiet notwendig (BVerwG, U. v. 13.02.2014, Az. 10 C 6.13; U. v. 17.11.2011, Az. 10 C 13/10; U. v. 27.04.2010, Az. 10 C 4.09); dabei sind nicht nur solche Gewaltakte der Konfliktpartei zu berücksichtigen, die gegen humanitäres Völkerrecht verstoßen, sondern alle, durch die Leib und Leben von Zivilpersonen wahllos und ungeachtet ihrer persönlichen Situation verletzt werden (BVerwG, U. v. 27.04.2010, Az. 10 C 4/09). Hierbei ist in der Regel auf die Herkunftsregion des Ausländers abzustellen, soweit sich dieser nicht bereits vor seiner Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst hat und sich in einem anderen Landesteil auf unabsehbare Zeit niedergelassen hatte (BVerwG, U. v. 31.01.2013, Az. 10 C 15/12; U. v. 17.11.2011, Az. 10 C 13/10). Die fehlende Wertung der statistischen Betrachtung führt jedenfalls dann nicht zu einem Fehler der Beurteilung, wenn die statistischen Zahlen weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt sind (BVerwG, U. v. 17.11.2011, Az. 10 C 13/10). Dabei ist jedenfalls bei einem Opferrisiko von 1:800 noch nicht von einem Überschreiten der relevanten Risikoschwelle und auch noch nicht von einer relevanten Annährung an dieselbe auszugehen (BVerwG, U. v. 17.11.2011, Az. 10 C 13.10).
1.2.2.2.1 Vorliegend kann das Vorliegen eines entsprechenden Konfliktes dahin stehen, weil ein im Sinne der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ausreichend hohes Risiko, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, nicht gegeben ist.
1.2.2.2.2 Unter Zugrundelegung der Einwohnerzahlen Afghanistans (Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, in der Fassung der letzten Einfügung am 11.05.2017, Nrn. 3.1 ff, S. 29 ff) von insgesamt 27.656.245 Personen und einer Gesamtanzahl ziviler Opfer in Afghanistan von 11.418 laut UNAMA (Afghanistan. Protection of civilians in armed conflict. Annual report 2016, Februar 2017) besteht eine Gesamtwahrscheinlichkeit von 0,04%, ein ziviles Opfer in Afghanistan zu werden.
1.2.2.2.3 Unter Zugrundelegung der Einwohnerzahlen für die einzelnen Provinzen Afghanistans im Jahr 2016 (Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, in der Fassung der letzten Einfügung am 11.05.2017, Nrn. 3.1 ff, S. 29 ff), der security incidents (Sicherheitsvorfälle) im Zeitraum vom 01.09.2015 bis 31.05.2016 (EASO, „Country of Origin Information Report. Afghanistan. Security Situation“ vom November 2016, Nr. 2, S. 39 ff, aufgeschlüsselt in die einzelnen Provinzen und die Kategorien „violence targeting individuals“, „Armed confrontations and airstrikes“, „Explosions“, „Security enforcement“, „Non-conflict related incidents“ und „Other incidents“) sowie der civilian casualties (zivile Verluste) im Jahr 2016 laut UNAMA (Afghanistan. Protection of civilians in armed conflict. Annual report 2016, vom Februar 2017, der den Zeitraum vom 01.01. bis 31.12.2016 abdeckt und in die Regionen Süden, Zentral, Osten, Nord-Osten, Norden, Süd-Osten, Westen und Zentrales Hochland unterteilt ist, S. 11 f), errechnen sich (unter Einbeziehung der nicht konfliktbasierten Vorfälle) die nachfolgenden Opferwahrscheinlichkeiten.
Diese Wahrscheinlichkeiten ergeben sich durch Multiplikation des prozentualen Anteils der sicherheitsrelevanten Vorfälle der einzelnen Provinz an der Gesamtanzahl der Vorfälle in der entsprechenden Region mit den zivilen Opfern in der Gesamtregion und anschließender Division durch die Bevölkerungsanzahl der Provinz.
Dabei ist dem Gericht bewusst, dass es sich bei den errechneten Wahrscheinlichkeiten nur um Näherungen handelt, da beispielsweise sowohl bei der Erfassung der Daten, als auch in Bezug auf die einzelnen Erhebungszeitpunkte sowie die Zuordnung der Opfer zu den einzelnen Anschlägen notwendig Unschärfen bestehen. Diese sind bei dem – allerdings unumgänglichen – statistischen Abgleich unvermeidbar. Insoweit ist jedoch geklärt, dass eine annährungsweise Ermittlung der entsprechenden, zueinander ins Verhältnis zu setzenden Zahlen ausreichend ist (BayVGH, B. v. 13.01.2017, Az.: 13a ZB 16.30182, Rn. 6). Dass die Opferzahlen – bei anderer Zählweise – höher liegen können, wie teils eingewandt wird (vgl. Stahlmann, Asylmagazin 2017, 82 mit Fn. 2), ändert diese Bewertung nicht, denn die von UNAMA mitgeteilten Daten sind methodisch nachvollziehbar ermittelt und auch deswegen belastbar, da sie von einer von der internationalen Staatengemeinschaft getragenen Organisation stammen. Dass die Methodik der UNAMA überholt wäre, die Informationen an offen erkennbaren inhaltlichen Defiziten litten, insbesondere an entscheidungserheblichen unzutreffenden Tatsachenannahmen, unlösbaren Widersprüchen, sich aus den Stellungnahmen ergebenden Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit oder eines speziellen, hier nicht vorhandenen Fachwissens bedürften (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2015 – 7 C 15.13 – NVwZ 2016, 308/312 Rn. 47 m.w.N.), ist weder ersichtlich noch substantiiert gerügt. Im Gegenteil liegen für Afghanistan mangels Einwohnermeldewesens auch für die Bevölkerungszahlen nur Schätzungen vor (dies räumt auch Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73/74 ein), so dass jede Datenerhebung schon deswegen an tatsächliche Grenzen stößt. Dass und weshalb andere Auskunftsquellen methodisch belastbarere Primärdaten hätten, ist nicht ersichtlich, so dass die Daten von UNAMA weiterhin zu Grunde gelegt werden.
Zentrales Gebiet: Provinz Kabul – 0,0145%, Provinz Kapisa – 0,06%, Provinz Panjshir – 0,001%, Provinz Parwan – 0,044, Provinz Wardak – 0,1244%, Provinz Logar – 0,1%; zentrales Hochland: Provinz Bamjan – 0,01%, Provinz Dai Kundi – 0,015%; südliches Gebiet: Provinz Kandahar – 0,1%, Provinz Helmand – 0,1306%, Provinz Nimroz – 0,04%, Provinz Uruzgan – 0,08%, Provinz Zabul – 0,05%; süd-östliches Gebiet: Provinz Ghazni – 0,04%, Provinz Paktya – 0,02%, Provinz Khost – 0,03%, Provinz Paktika – 0,04%; östliches Gebiet: Provinz Laghman – 0,07%, Provinz Nangarhar – 0,05%, Provinz Kunar – 0,119%, Provinz Nuristan – 0,02%; nord-östliches Gebiet: Provinz Baghlan – 0,05%, Provinz Kunduz – 0,05%, Provinz Takhar – 0,02%, Provinz Badakhshan – 0,01%; nördliches Gebiet: Provinz Faryab – 0,07%, Provinz Jawzjan – 0,04%, Provinz Balkh – 0,02%, Provinz Samangan – 0,01%, Provinz Sar-e Pul – 0,02%; westliches Gebiet: Provinz Herat – 0,02%, Provinz Badghis – 0,03%, Provinz Farah – 0,05%, Provinz Ghor – 0,01%.
Nur in der Provinz Helmand besteht eine Opferwahrscheinlichkeit von mehr als 1:800, nämlich 0,1306% (umgerechnet in die Darstellungsweise des Bundesverwaltungsgerichtes entspräche die Wahrscheinlichkeit 1:766). Damit überschreitet diese die im Urteil des BVerwG für noch nicht ausreichend gehaltene Wahrscheinlichkeit um 0,0056%; eine relevante Überschreitung der Gefährdungsschwelle ist damit nach Auffassung des Gerichts und des Bundesverwaltungsgerichtes (U. v. 17.11.2011, Az. 10 C 13.10) nicht verbunden.
Bei Herausrechnung der nicht konfliktbasierten und der sonstigen Vorfälle ergeben sich folgende Opferwahrscheinlichkeiten:
Zentrales Gebiet: Provinz Kabul – 0,0135%, Provinz Kapisa – 0,06%, Provinz Panjshir – 0,001%, Provinz Parwan – 0,043%, Provinz Wardak – 0,1296%, Provinz Logar – 0,1%; zentrales Hochland: Provinz Bamjan – 0,01%, Provinz Dai Kundi – 0,016%; südliches Gebiet: Provinz Kandahar – 0,1%, Provinz Helmand – 0,1318%, Provinz Nimroz – 0,04%, Provinz Uruzgan – 0,08%, Provinz Zabul – 0,05%; süd-östliches Gebiet: Provinz Ghazni – 0,04%, Provinz Paktya – 0,02%, Provinz Khost – 0,03%, Provinz Paktika – 0,04%; östliches Gebiet: Provinz Laghman – 0,07%, Provinz Nangarhar – 0,044%, Provinz Kunar – 0,120%, Provinz Nuristan – 0,02%; nord-östliches Gebiet: Provinz Baghlan – 0,05%, Provinz Kunduz – 0,05%, Provinz Takhar – 0,02%, Provinz Badakhshan – 0,01%; nördliches Gebiet: Provinz Faryab – 0,07%, Provinz Jawzjan – 0,04%, Provinz Balkh – 0,02%, Provinz Samangan – 0,008%, Provinz Sar-e Pul – 0,02%; westliches Gebiet: Provinz Herat – 0,02%, Provinz Badghis – 0,03%, Provinz Farah – 0,05%, Provinz Ghor – 0,01%.
Nach diesem Berechnungsmodus besteht in den Provinzen Wardak (0,1296%, entspricht 1:772) und Helmand (0,1318%, entspricht 1:759) eine Wahrscheinlichkeit, die über der seitens des Bundesverwaltungsgerichtes ausdrücklich nicht beanstandeten Wahrscheinlichkeit liegt. Jedoch erreichen auch diese Werte noch nicht die relevante Opferschwelle (BVerwG, U. v. 17.11.2011, a.a.O., juris, Rn. 23, betont ausdrücklich, dass die Schadensrelation von 1:800 in einem Jahr „so weit“ von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt ist, dass sich auch der Mangel einer wertenden Betrachtung nicht auszuwirken vermag).
In diesen Zahlen ist ohne Unterschied die Wahrscheinlichkeit von Verletzung und Tötung enthalten (die anteilige Tötungswahrscheinlichkeit beträgt in der Zentralregion 22,74%, im zentralen Hochland 21,74%, im Süden 35,33%, im Süd-Osten 37,65%, im Osten 27,15%, im Nord-Osten 30,08% im Norden 28,19% und im Westen 41,15% (vgl.: UNAMA, Afghanistan. Protection of civilians in armed conflict. Annual report 2016, vom Februar 2017, S. 11 f)).
Unter Zugrundelegung der Opferzahlen für das erste Halbjahr 2017 (UNAMA, Afghanistan. Protection of civilians in armed conflict. Midyear Report 2017, July 2017, S. 10) und unter Beibehaltung der übrigen Zahlen stellt sich die Berechnung unter Einbeziehung der nicht-konfliktbasierten Vorfälle wie folgt dar (in Klammern findet sich die Hochrechnung für das gesamte Kalenderjahr):
Zentrales Gebiet: Provinz Kabul – 0,0078% (0,0155%), Provinz Kapisa – 0,032% (0,063%), Provinz Panjshir – 0,0007% (0,0014%), Provinz Parwan – 0,023% (0,046%), Provinz Wardak – 0,066% (0,133%), Provinz Logar – 0,05% (0,10%); zentrales Hochland: Provinz Bamjan – 0,002% (0,004%), Provinz Dai Kundi – 0,003% (0,006%); südliches Gebiet: Provinz Kandahar – 0,05% (0,1%), Provinz Helmand – 0,062% (0,124%), Provinz Nimroz – 0,02% (0,04%), Provinz Uruzgan – 0,037% (0,074%), Provinz Zabul – 0,023% (0,045%); süd-östliches Gebiet: Provinz Ghazni – 0,02% (0,04%), Provinz Paktya – 0,014% (0,028%), Provinz Khost – 0,015% (0,03%), Provinz Paktika – 0,02% (0,04%); östliches Gebiet: Provinz Laghman – 0,03% (0,06%), Provinz Nangarhar – 0,02% (0,04%), Provinz Kunar – 0,05% (0,1%), Provinz Nuristan – 0,008% (0,016%); nord-östliches Gebiet: Provinz Baghlan – 0,016% (0,03%), Provinz Kunduz – 0,014% (0,028%), Provinz Takhar – 0,005% (0,01%), Provinz Badakhshan – 0,004% (0,008%); nördliches Gebiet: Provinz Faryab – 0,02% (0,04%), Provinz Jawzjan – 0,013% (0,025%), Provinz Balkh – 0,008% (0,017%), Provinz Samangan – 0,003% (0,006%), Provinz Sar-e Pul – 0,008% (0,015%); westliches Gebiet: Provinz Herat – 0,01% (0,02%), Provinz Badghis – 0,02% (0,04%), Provinz Farah – 0,03% (0,06%), Provinz Ghor – 0,007% (0,014%).
Ohne nicht konfliktbasierte Vorfälle ergeben sich folgende Opferwahrscheinlichkeiten:
Zentrales Gebiet: Provinz Kabul – 0,0072% (0,014%), Provinz Kapisa – 0,033% (0,066%), Provinz Panjshir – 0,0008% (0,0015%), Provinz Parwan – 0,023% (0,046%), Provinz Wardak – 0,069% (0,138%), Provinz Logar – 0,05% (0,10%); zentrales Hochland: Provinz Bamjan – 0,002% (0,003%), Provinz Dai Kundi – 0,003% (0,006%); südliches Gebiet: Provinz Kandahar – 0,05% (0,1%), Provinz Helmand – 0,062% (0,124%), Provinz Nimroz – 0,02% (0,04%), Provinz Uruzgan – 0,037% (0,074%), Provinz Zabul – 0,022% (0,044%); süd-östliches Gebiet: Provinz Ghazni – 0,02% (0,04%), Provinz Paktya – 0,014% (0,028%), Provinz Khost – 0,015% (0,03%), Provinz Paktika – 0,02% (0,04%); östliches Gebiet: Provinz Laghman – 0,03% (0,06%), Provinz Nangarhar – 0,02% (0,04%), Provinz Kunar – 0,05% (0,1%), Provinz Nuristan – 0,008% (0,016%); nord-östliches Gebiet: Provinz Baghlan – 0,016% (0,03%), Provinz Kunduz – 0,014% (0,028%), Provinz Takhar – 0,005% (0,01%), Provinz Badakhshan – 0,004% (0,008%); nördliches Gebiet: Provinz Faryab – 0,02% (0,04%), Provinz Jawzjan – 0,013% (0,025%), Provinz Balkh – 0,008% (0,017%), Provinz Samangan – 0,003% (0,006%), Provinz Sar-e Pul – 0,008% (0,015%); westliches Gebiet: Provinz Herat – 0,01% (0,02%), Provinz Badghis – 0,02% (0,04%), Provinz Farah – 0,03% (0,06%), Provinz Ghor – 0,007% (0,014%).
Voranstehender Berechnung folgend hat die Opferwahrscheinlichkeit in etlichen Provinzen abgenommen; nur in Wardak ist ein Anstieg um 0,009 Prozentpunkte (mit nicht-konfliktbasierten Vorfällen) bzw. 0,008 Prozentpunkte (ohne nicht-konfliktbasierte Vorfälle) zu verzeichnen. Dies führt nicht zum Überschreiten der relevanten Opferschwelle (s.o.).
UNAMA weist in Anlage III des Halbjahresberichtes (Afghanistan. Protection of civilians in armed conflict. Midyear Report 2017, July 2017, S. 72 f) die Anzahl der civilian casualties für jede einzelne Provinz aus. Legt man diese Zahlen der Berechnung der Opferwahrscheinlichkeiten zu Grunde, ergeben sich folgende Werte:
Zentrales Gebiet: Provinz Kabul – 0,023% (0,05%), Provinz Kapisa – 0,014% (0,028%), Provinz Panjshir – 0,00% (0,00%), Provinz Parwan – 0,006% (0,012%), Provinz Wardak – 0,007% (0,014%), Provinz Logar – 0,015% (0,03%); zentrales Hochland: Provinz Bamjan – 0,0002% (0,0004%), Provinz Dai Kundi – 0,005% (0,009%); südliches Gebiet: Provinz Kandahar – 0,03% (0,06%), Provinz Helmand – 0,056% (0,113%), Provinz Nimroz – 0,025% (0,051%), Provinz Uruzgan – 0,088% (0,175%), Provinz Zabul – 0,04% (0,09%); süd-östliches Gebiet: Provinz Ghazni – 0,013% (0,03%), Provinz Paktya – 0,03% (0,06%), Provinz Khost – 0,017% (0,04%), Provinz Paktika – 0,02% (0,04%); östliches Gebiet: Provinz Laghman – 0,05% (0,1%), Provinz Nangarhar – 0,02% (0,05%), Provinz Kunar – 0,02% (0,04%), Provinz Nuristan – 0,01% (0,02%); nord-östliches Gebiet: Provinz Baghlan – 0,01% (0,02%), Provinz Kunduz – 0,02% (0,04%), Provinz Takhar – 0,005% (0,01%), Provinz Badakhshan – 0,003% (0,006%); nördliches Gebiet: Provinz Faryab – 0,03% (0,06%), Provinz Jawzjan – 0,013% (0,025%), Provinz Balkh – 0,003% (0,006%), Provinz Samangan – 0,006% (0,012%), Provinz Sar-e Pul – 0,007% (0,014%); westliches Gebiet: Provinz Herat – 0,01% (0,02%), Provinz Badghis – 0,013% (0,027%), Provinz Farah – 0,04% (0,07%), Provinz Ghor – 0,003% (0,006%).
Danach würde bei linearer Fortschreibung der Opferzahlen auf das Gesamtjahr die Provinz Uruzgan die Opferwahrscheinlichkeit von 1/800 mit 1/572 überschreiten. Dies stellt jedoch noch keine relevante Gefahrerhöhung dar (vgl. oben).
1.2.2.2.4 Auch ist nicht ersichtlich, dass eine im Wesentlichen zunehmende Tendenz der Opferwahrscheinlichkeit gegeben wäre.
Vielmehr ist nach der Dokumentation von UNAMA (UNAMA first quarter 2017 civilian casualty Data, vom 27.04.2017) für die ersten drei Monate eine Anzahl ziviler Opfer in Höhe von 2.181 verzeichnet worden. Dies entspricht laut UNAMA einem Rückgang von vier Prozent im Vergleich zu den ersten drei Monaten des Vorjahres (2.268 zivile Opfer).
Hieran ändert auch nichts, dass der Security Council der General Assembly der UN in den Berichten des Generalsekretärs „The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security” vom 03.03. und 15.06.2017 im Zeitraum vom 18.11.2016 bis 14.02.2017 5.160 security-related incidents (sicherheitsbezogene Vorfälle), von Januar bis einschließlich März 2017 5.687 security-related incidents und im Zeitraum vom 01.03. bis 31.05.2017 6.252 security-related incidents (S. 4) verzeichnete. Insoweit spricht er von einem zehnprozentigen Zuwachs im Zeitraum vom November 2016 bis Februar 2017 im Vergleich zur selben Periode im Jahr 2015 und einem dreiprozentigen Zuwachs im Vergleich zum Jahr 2014 sowie einem zweiprozentigen Zuwachs für den Zeitraum vom 01.03. bis 31.05.2017 im Vergleich zum Vorjahr.
Auch die medial sehr präsenten Anschläge in Afghanistan seit Mai 2017 (SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 19.06.2017 zu Afghanistan: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, S. 4 ff; http://www.zeit.de/thema/afghanistan) vermögen es nicht, diese Einschätzung zu widerlegen (so etwa auch: OVG No. We., B. v. 10.07.2017, Az. 13 A 1385 (17.A); s. auch AA, Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31.05.2017, 28.07.2017).
Im ersten Halbjahr 2017 bewegten sich die Opferzahlen in etwa auf dem hohen Niveau des Vorjahres; laut den Daten von UNAMA (Afghanistan. Protection of civilians in armed conflict. Midyear Report 2017, July 2017, S. 3) sank die Anzahl der Opfer um etwa ein halbes Prozent im Vergleich zum Vorjahr (24 Opfer weniger / 5.267 Opfer im ersten Halbjahr 2016).
Eine wesentliche Steigerung für die Zukunft impliziert dies nicht.
1.2.2.2.5 Die Zugehörigkeit zu einer herausgehobenen und damit gefährdeten Personengruppe (vgl.: AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, vom 19.10.2016, S. 4, 17 f) ist nicht ersichtlich. Das trifft insbesondere auch auf die Volksgruppe der Hazara zu, der der Kläger angehört (BayVGH, B. v. 20.1.2017, Az. 13 a ZB 16.30996, juris Rn. 11). Soweit für den Kläger geltend gemacht wird, er falle durch seine westliche Prägung auf, ist daraus noch keine unmittelbar verhaltensunabhängige gefährdungserhöhende Exposition zu folgern.
1.3 Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben (ebenso: BayVGH, B. v. 04.08.2017, Az. 13a ZB 17.30791). Insoweit wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
1.3.1 Die Abschiebung nach Afghanistan verstößt nicht gegen Art. 3 EMRK. Hiervon werden nur besondere Ausnahmefälle erfasst, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen; der Fall, dass bei einer Rückführung die Lage des Ausländers einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, ist an sich nicht ausreichend (vgl.: BVerwG, U. v. 31.01.2013, Az. 10 C 15/12, m.w.N.). Dies bedeutet, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des Art. 3 EMRK ist auf den gesamten Abschiebezielstaat abzustellen. Strikt von dieser mit hohen Hürden verbundenen rechtlichen Frage zu trennen ist die politisch-humanitäre Leitentscheidung des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG (vgl.: BVerwG, U. v. 31.01.2013, Az. 10 C 15/12), etwa ob das gesellschaftliche System Afghanistans durch Rückkehrer (zumutbar) belastet wird bzw. ob durch die Rückkehrer eine weitere Destabilisierung des Landes erfolgt. Über diese Fragen zu entscheiden ist die oberste Landesbehörde, nicht aber das Gericht, das an das bestehende Recht gebunden ist, berufen.
Afghanische Rückkehrer teilen mit Millionen ihrer Landsleute Lebensbedingungen, die bis hin zum Überlebenskampf führen können (vgl.: Stahlmann, Überleben in Afghanistan? Zur humanitären Lage von Rückkehrenden und ihren Chancen auf familiäre Unterstützung, Asylmagazin 3/2017, S. 73 ff – allerdings fußt dieser Artikel zum Teil auch auf mittlerweile wohl überholtem und teilweise nicht nachprüfbarem Datenmaterial bzw. erschöpft sich stellenweise in bloßen Behauptungen), die in der bundesdeutschen Sozialstaatswirklichkeit keine Entsprechung finden. Art. 3 EMRK verpflichtet die gebundenen Staaten jedoch gerade nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen (BVerwG, U. v. 31.01.2013, Az. 10 C 15/12, m.w.N.).
Es ist in Übereinstimmung mit dem UNHCR davon auszugehen, dass alleinstehende, leistungsfähige junge Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage sind, auch ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Gegenden ihren Lebensunterhalt hinreichend zu sichern; auf ein stützendes Netzwerk kommt es nicht an (vgl. statt vieler in ständiger Rechtsprechung zuletzt: BayVGH, B. v. 4.8.2017, Az. 13a ZB 17.30791; B. v. 11.04.2017, Az. 13a ZB 17.30294; B. v. 10.4.2017, Az. 13a ZB 17.30266 m.w.N.).
Überdies hat der Kläger die Möglichkeit, Unterstützung bei dem Onkel, mit dessen Familie er zusammen gewohnt hat, zu suchen. Dass dieser das Elternhaus des Klägers in Ghazni für die Finanzierung der Ausreise verkauft hat, wurde im Übrigen erstmals im Folgeverfahren vorgetragen (Niederschrift S. 2). Im Urteil des Erstverfahrens B 3 K 11.30114, S. 14 ist aufgrund der Angaben des Klägers in der Anhörung noch nachzulesen, dass es „noch das Elternhaus im Dorf Goiko, Distrikt Qarabagh“ gibt, „das nun dem Kläger gehören dürfte“.
1.3.2 Dem Kläger droht auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung Afghanistans als solcher auf Grund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.
1.4 Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken.
1.5 Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten getroffenen Entscheidung bezüglich der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, wurden nicht vorgebracht und sind auch nach den Erkenntnissen in der mündlichen Verhandlung nicht ersichtlich.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.