Aktenzeichen W 2 K 15.30187
Leitsatz
Ein in Bulgarien anerkannter subsidiär Schutzberechtigter läuft trotz der zweifelsohne harten Lebensbedingungen für anerkannt Schutzberechtigte nicht Gefahr, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. (redaktioneller Leitsatz)
Abschiebungsandrohung und Abschiebungsanordnung stellen unterschiedliche Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung dar, die nicht teilidentisch sind. Auch der Umstand, dass beide Maßnahmen auf das gleiche Ziel gerichtet sind, nämlich auf eine Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet, und teilweise identische Prüfungsinhalte bestehen, begründet keine Teilidentität in diesem Sinne. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Ziffer 2) des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 3. März 2015 (GZ: 5885208-475) wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Kläger und Beklagte tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens jeweils zur Hälfte.
III.
Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheits-leistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
1.1
Gem. § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Der Kläger wurden dazu mit Schreiben vom 27. Mai 2016 gehört. Für die Beklagte war – aufgrund der allgemeinen Prozesserklärung vom 25.02.2016 i. d. F. vom 24.03.2016 – eine Anhörung entbehrlich.
1.2
Ergeht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, stellte das Gericht gem. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung ab. Zu diesem Zeitpunkt ist die Klage zulässig und im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.
Sie ist jedenfalls fristgerecht, so dass das genaue Zustellungsdatum dahinstehen kann.
Die Anfechtungsklage ist hier auch die allein statthafte Klageart. Wird der Asylantrag als unzulässig abgelehnt, hat ihn das Bundesamt in der Sache noch gar nicht geprüft. Die gefestigte Rechtsprechung zur Zuständigkeitsprüfung im Rahmen des Dublin-Verfahren (vgl. VGH München, B. v. 2.2.2015 – 13a ZB 14.50068 – juris) ist schon deswegen auf die vorliegende Konstellation übertragbar, weil das Dublin-Regime – entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten – aufgrund der Überleitungsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO Anwendung finden.
1.3
Die Klage ist jedoch nur soweit begründet, als sie sich gegen Ziffer 2) des verfahrensgegenständlichen Bescheides richtete. Der formell rechtmäßige Bescheid ist nur in Ziffer 2) materiell rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Nicht begründet ist die Klage jedoch soweit sie sich gegen Ziffer 1) des an-gegriffenen Bescheides richtet. Die Ablehnung des Asylantrags des Klägers als unzulässig ist rechtmäßig.
1.4
Wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 23. Oktober 2015 (Az. 1 B 41/15 – juris) ausgeführt hat, dürfen vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge nicht allein aufgrund von § 60 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG als unzulässig abgelehnt werden. Zur weiteren Begründung wird auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2015 (a. a. O.) verwiesen. In der dort zugrunde liegenden Fallkonstellation bestand jedoch für den Kläger ein Anspruch auf Übernahme ins nationale Asylverfahren. Denn die Beklagte hatte bezüglich der Ehefrau und minderjährigen Kinder des dortigen Klägers von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch gemacht, so dass sie zum Schutz der Kernfamilie verpflichtet war, auch über den Asylantrag des Klägers gem. Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO im nationalen Verfahren zu entscheiden (vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 29.4.2015 – A 11 S 57/15). Davon ausgehend lehnt das Berufungsgericht, bestätigt durch den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2015 eine Umdeutung in eine ablehnende Entscheidung im Rahmen eines nationalen Verfahrens ab (VGH Baden-Württemberg, a. a. O.).
1.5
Im vorliegenden Fall besteht für den Kläger jedoch gerade kein Anspruch auf Prüfung seines Asylantrags im nationalen Verfahren. Die Beklagte hat bislang weder von ihrem Selbsteintrittsrecht gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch gemacht, noch hat der Kläger einen Anspruch auf Übernahme ins nationale Verfahren, so dass sich die Unzulässigkeit des klägerischen Asylantrag wegen der fortbestehenden Zuständigkeit Bulgariens hier – unabhängig von § 60 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG – aus § 27a AsylG ergibt. Denn eine Verfügung ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht allein deshalb aufzuheben, weil die für sie herangezogene und in der Begründung als maßgeblich zugrunde gelegte Rechtsgrundlage diese nicht (mehr) tragen vermag, wenn sie gleichwohl in anderen rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen ihre Rechtfertigung erfährt (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 70ff.).
1.6
Die Zuständigkeitsbestimmung auf der Grundlage des Dublin-Verfahrens scheidet nämlich nicht deshalb aus, weil dem Kläger in Bulgarien bereits subsidiärer Schutz zugesprochen wurde. Zwar endet nach der aktuell gültigen Dublin III-VO (Verordnung (EU) Nr. 604/2013) die Anwendbarkeit des dort etablierten Systems zur Bestimmung des für den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaates in zeitlicher Hinsicht mit dem Erlass einer Entscheidung, die dem Antragsteller internationalen Schutz i. S. v. Art. 2 lit. a) der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie n. F.) gewährt. Dies umfasst die Flüchtlingsanerkennung genauso wie die „bloße“ Gewährung subsidiären Schutzes. Gem. Art. 2 lit. f) der Dublin III-VO ist derjenige dann als „Be-günstigter internationalen Schutzes“ anzusehen und das Dublin-Verfahren damit beendet. Dies gilt gemäß der Überleitungsbestimmung in Art. 49 Abs. 2 Satz 1 der Dublin III-VO jedoch nur für Anträge, die nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurden. Der vom der Kläger in Bulgarien gestellte Asylantrag vom 23. November 2013 fällt zeitlich jedoch in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (sog. Dublin II-VO). Art. 49 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ordnet für die Zuständigkeitsbestimmung ausdrücklich die Fortgeltung der Dublin II-VO an. Nichts anderes kann für die rechtliche Reichweite des beantragten Schutzes gelten. Denn anders als Art. 2 lit. f) Dublin III-VO, definiert Art. 2 lit. c) Dublin II-VO einen Asylantrag als „Ersuchen um internationalen Schutz eines Mitgliedstaates im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention“, so dass die Gewährung bloßen subsidiären Schutzes zugleich die Ablehnung des Antrags auf Flüchtlingsanerkennung beinhaltet, an die sich gem. Art. 16 Abs. 1 lit. e) Dublin II-VO für den ablehnenden Mitgliedstaat die Verpflichtung knüpft, den Drittstaatsangehörigen, der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 Dublin II-VO wieder aufzunehmen (vgl. dazu: VGH Baden-Württemberg, a. a. O.; VG Magdeburg, U. v. 5.10.2015, Az. 9 A 372/14 MD – juris). Nach den Regelungen der Dublin II-VO führt also nur die Anerkennung als Flüchtling i. S. v. Art. 1 lit. g) der Dublin II-VO dazu, dass das Dublin-Verfahren danach keine Anwendung mehr findet. Im Unterschied zur neueren Dublin III-VO, die auf den am 17. Dezember 2013 in Bulgarien gestellte Antrag des Kläger jedoch gerade nicht anwendbar ist, lässt die – für die nachwirkenden Rechtsfolgen des Antrags maßgebliche – Dublin II-VO die Zuerkennung subsidiären Schutzes für die Beendigung des Dublin-Regimes noch nicht genügen. Parallel zu den im Beschluss des Bundesverwaltungsgericht vom 23. Oktober 2015 (a. a. O.) dargestellten Änderungen bei den Asylverfahrensrichtlinien wird mit der Umstellung von Dublin II-VO auf Dublin III-VO eine Angleichung der Rechtsfolgen bei der Zuerkennung von subsidiärem Schutz an die Rechtsfolgen der Flüchtlingsanerkennung vollzogen. Aufgrund der jeweiligen Überleitungsvorschriften kommt diese Gleichstellung beim Kläger jedoch zeitlich weder bei der Asylverfahrensrichtlinie noch im Dublin-Verfahren zum Tragen. So zieht die Zuerkennung des subsidiären Schutzes in Bulgarien am 26. März 2014 auch nicht die Beendigung des Dublin-Verfahrens nach sich, sondern ist bei der Rechtsfolgenbestimmung als Ablehnung eines Antrags auf Flüchtlingsanerkennung zu behandeln. Die Verpflichtung zur Wiederaufnahme gem. Art. 16 Abs. 1 lit. e) Dublin II-VO ist deshalb auch nicht durch das In-Kraft-Treten der Dublin III-VO erloschen. Sie wirkt vielmehr in das Dublin-Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeit für den am 19. März 2014 in Deutschland gestellten Asylantrag hinein. Im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung der Dublin III-VO für einen Antrag nach dem 1. Januar 2014 sind die Regelungen der Dublin II-VO nämlich auch noch dann – implizit – beachtlich, wenn die Zuständigkeit sich aus der Prüfung und ggf. Verbescheidung eines Asylantrags ableitet, der zeitlich unter das Regelungsregime der Dublin II-VO fällt (vgl. VG Magdeburg, a. a. O.). So sieht auch Art. 41 Dublin III-VO ausdrücklich vor, dass – wenn ein Antrag nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurde – Sachverhalte, die die Zuständigkeit eines Mitgliedsstaats gemäß dieser Verordnung nach sich ziehen können, auch berücksichtigt werden, wenn sie aus der Zeit davor datieren.
1.7
Der Ablehnung des klägerischen Asylantrags als unzulässig gem. § 27a AsylG steht auch nicht entgegen, dass Bulgarien die Anwendbarkeit des Dublin-Regimes verneint und die Wiederaufnahme der Kläger im Dublin-Verfahren abgelehnt hat. Denn das europäische Regelwerk zur Bestimmung der Mitgliedstaaten ist unmittelbar geltendes Recht, dessen Anwendbarkeit nicht im Belieben der ebenfalls daran gebundenen Mitgliedstaaten steht. Die Beklagte hat fristgerecht am 2. Februar 2015 ein Wiederaufnahmegesuchen gem. Art. 23 Abs. 1 und 2 i. V. m. Art. 49 Abs. 1 Unterabs. 2 Halbsatz 2 Dublin III-VO gestellt, so dass die Zuständigkeit nicht automatisch gem. Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO auf sie übergegangen ist. Da Bulgarien die Wiederaufnahme im Dublin-Verfahren abgelehnt hat, wurden auch keine Fristen gem. Art. 29 Dublin III-VO hinsichtlich der Überstellung in Lauf gesetzt, die wie-derum einen automatischen Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte hätten bewirken können. Zwar hat die Beklagte es unterlassen, die Wiederaufnahme des Klägers auf dem von Bulgarien angebotenen Wege des Rücküberstellungsabkommens zu betreiben, doch lassen sich daraus keine für den Kläger individualschützenden Rechtspositionen ableiten. Denn es liegt weder ein Verstoß gegen (auch) dem Grundrechtsschutz dienende Verfahrensvorschriften der Dublin III-VO vor, noch lässt sich aus dem nunmehr fast zweijährigen Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik ein Anspruch auf Übernahme ins nationale Asylverfahren ableiten. Denn der Aspekt der Verfahrensdauer wird erst dann zu einem für einen Selbsteintritt ermessensrelevanten Belang, wenn sich das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates unangemessen lang gestaltet (vgl. VG Sigmaringen, U. v. 22.10.2014 – A 7 K 2250/13 – juris). Hier hat die Beklagte bereits im Bescheid vom 3. März 2015 die Zuständigkeit Bulgariens deutlich gemacht. Dass sie sich dabei insofern – rechtsirrig – auf den Schutzstatus im sicheren Drittstaat i. V. m. § 26a AsylG gestützt hat, steht dem nicht entgegen. Denn inhaltlich geht die Zuständigkeit Bulgariens klar aus dem Bescheid hervor. Dass die Beklagte bislang nicht den Vollzug der rechtswidrigen, aber wirksamen Abschiebungsandrohung in Ziffer 2) des Bescheides betrieben hat, ändert nichts daran, dass sie das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats mit dem Bescheid vom 3. März 2015 abgeschlossen hatte. Einer entsprechenden Anwendung der Überstellungsfristen nach der Dublin III-VO steht bereits entgegen, dass die Ablehnung Bulgariens, den Kläger im Dublin-Verfahren wiederaufzunehmen nicht in die Sphäre der das Verfahren betreibenden Beklagten fällt. Zwar hat sie es unterlassen, auf anderem Wege auf eine tatsächliche Wiederaufnahme des Klägers hinzuwirken. Da sie jedoch stattdessen die – wenn auch rechtswidrige – Abschiebungsandrohung erlassen hat, hat sie ihren Willen, an der Zuständigkeitsverteilung festzuhalten, auch dem Kläger gegenüber hinreichend deutlich gemacht, so dass bei diesem kein schutzwürdiges Vertrauen im Hinblick auf einen zeitlich bedingten Zuständigkeitsübergang entstehen konnte.
1.8
Auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union lässt sich eine Pflicht zum Selbsteintritt nur ableiten, wenn in einer Situation, in der Grundrechte des Antragstellers im Falle der Überstellung an den an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber verletzt würden, die Lage des Antragstellers durch eine unangemessen lagen Verfahrensdauer noch verschlimmert würden (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10, N.S. u. a.). Eine solche Konstellation liegt nach Überzeugung des Gerichts jedoch im Fall des Klägers gerade nicht vor. Das Gericht sieht – zum gem. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – keine wesentlichen Gründe für die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Bulgarien systemische Mängel aufweist, die für den Kläger die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 der EU-Grundrechtscharta mit sich brächte (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO). Die Prüfung systemischer Mängel erfordert eine aktuelle Gesamtwürdigung der zu der jeweiligen Situation vorliegenden Berichte und Stellungnahmen. Dabei kommt regelmäßigen und übereinstimmenden Berichten von internationalen Nichtregierungsorganisationen besondere Bedeutung zu (vgl. BVerfG, B. v. 21.4.2016 – 2 BvR 273/16 – juris).
1.9
Das Gericht verkennt nicht das Bestehen der in den vorliegenden Berichten dargestellten Missstände in Bulgarien, die sich auch auf Rückkehrer beziehen, die, wie der Kläger, bereits als subsidiär schutzberechtigt anerkannt sind. Auch hier weist die aktuelle Erkenntnislage, insbesondere die Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Stuttgart vom 23. Juli 2015 und von Prof. Dr. Ilavera vom 27. August 2015, auf gravierende Missstände bei der sozialen Absicherung und den Möglichkeiten zur Existenzsicherung hin. Jedoch ist Art. 3 EMRK nicht in dem Sinn auszulegen, dass er die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, U. v. 21.01.2011 – juris). Jedoch kann sich bei besonders schutzbedürftigen Personen, die Verweigerung von staatlicher Hilfeleistung zu einer existenzbedrohenden Gefahr verdichten (vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 10.11.2014 – A 11 S 1778/14 – juris). Gerade unter diesem Aspekt hängt das Ausmaß in dem der Einzelne von den zweifelsohne harten Lebensbedingungen für anerkannt Schutzberechtigte in Bulgarien getroffen wird, von der individuellen Verwundbarkeit ab. Entsprechend der aktuell gültigen Empfehlung des UNHCR (vgl. zuletzt Auskunft vom 28. Dezember 2014 an das VG Minden im Verfahren 10 L 530/14.A) ist im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO die besondere Schutzbedürftigkeit im Einzelfall zu prüfen. Für den Kläger geht das Gericht auf der Grundlage seines Vortrags und der beigezogenen Behördenakte jedoch nicht davon aus, dass er zu einem Personenkreis gehört, der in diesem Sinne besonders schutzbedürftig ist. Dies setzt eine spezifische gerade beim Antragsteller im Unterschied zu anderen möglichen Dublin-Rückkehrern gesteigerte Verwundbarkeit voraus. Zwar hat der Kläger im Einklang mit den dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen vorgetragen, dass man in Bulgarien kein Asylrecht kenne und er unmenschlich behandelt worden sei. Er habe sogar nichts zu essen bekommen und habe 10 Tage im Gefängnis bleiben müssen. Jedoch resultieren diese Erfahrungen aus der Aufgriffssituation nach seiner illegalen Einreise und sind nicht mit der Situation einer geordneten Rücküberstellung vergleichbar. Zwar würde er als bereits anerkannt Schutzberechtigter sich auch den durchaus widrigen Umständen gegenübersehen, die das Auswärtige Amt Auswärtigen Amtes (a. a. O.) und Prof. Dr. Ilavera (a. a. O.) schildern, jedoch wurde nichts vorgetragen, was auf eine besondere Schutzbedürftigkeit im Sinne der UNHCR-Rückführungsempfehlung hindeuten würde. Bei einer Rückkehr nach Bulgarien würden ihn die dortigen Umstände also nicht so hart treffen, dass sie einer unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 EU Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK gleichkämen. Da mithin keine rechtliche Unmöglichkeit i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO vorliegt, kommt auch auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union keine Selbsteintrittspflicht der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der unangemessenen lagen Verfahrensdauer in Betracht.
1.10
Nach alldem bleibt es bei der Zuständigkeit Bulgariens für den Asylantrag des Klägers, so dass Ziffer 1) des verfahrensgegenständlichen Bescheids auf der Grundlage von § 27a AsylG aufrechterhalten werden kann. Die Klage war insoweit abzuweisen.
1.11
Begründet ist sie jedoch im Hinblick auf Ziffer 2) des verfahrensgegenständlichen Bescheides. Eine Abschiebungsandrohung kann nicht auf die Rechtsgrundlage des § 34a Abs. 1 AsylG gestützt werden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 23. Oktober 2015 – 1 B 41/15 – juris, und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 23. November 2015 – 21 ZB 15.30237 – juris, klargestellt. Auf die Begründungen dieser Entscheidungen wird verwiesen.
1.12
Für den Fall, dass ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§27a AsylG) abgeschoben werden soll, bestimmt § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG, dass das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat anordnet, sobald deren Durchführbarkeit feststeht. Damit gibt diese Regelung dem Bundesamt als aufenthaltsbeendende Maßnahme lediglich die Abschiebungsanordnung an die Hand. Das verdeutlicht auch § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG, wonach es einer vorherigen Androhung und Fristsetzung nicht bedarf. Folgerichtig ordnet § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylG an, dass die Entscheidung zusammen mit der Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG dem Ausländer selbst zuzustellen ist, wenn der Asylantrag nur nach § 26a AsylG oder § 27a AsylG abgelehnt wird. Dies entspricht auch dem Regelungswillen des Gesetzgebers. Dieser hielt es für erforderlich, von einer Abschiebungsandrohung abzusehen, weil eine Rückführung in den Drittstaat regelmäßig nur kurzfristig durchgeführt werden kann und die Möglichkeit einer freiwilligen Rückreise in diesen Staat im Allgemeinen nicht besteht.
1.13
Darüber hinaus ist festzuhalten, dass Abschiebungsandrohung und Abschiebungsanordnung unterschiedliche Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung darstellen, die nicht teilidentisch sind. Daher ist eine Abschiebungsandrohung nicht als Minus in jeder Abschiebungsanordnung enthalten. Auch der Umstand, dass beide Maßnahmen auf das gleiche Ziel gerichtet sind, nämlich auf eine Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet, und teilweise identische Prüfungsinhalte bestehen, begründet keine Teilidentität in diesem Sinne. Dies ergibt sich nicht schon daraus, dass die Abschiebungsandrohung einer Fristsetzung bedarf, während bei einer Abschiebungsanordnung keine vorherige Androhung und Fristsetzung erforderlich ist. Allerdings setzt die Abschiebungsanordnung voraus, dass nur in einen sicheren Drittstaat oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat angeordnet werden kann und setzt voraus, dass die Abschiebung in diesen Staat tatsächlich durchgeführt werden kann. Dagegen wird bei einer Abschiebungsandrohung nicht geprüft, ob Abschiebungshindernisse bestehen. Die Prüfung, ob die Abschiebung dann tatsächlich durchgeführt werden kann, wird im Falle einer Abschiebungsandrohung von der Ausländerbehörde vorgenommen. Daher resultieren aus diesen beiden unterschiedlichen Maßnahmen auch verschiedene Rechtsschutzmöglichkeiten.
1.14
Die Abschiebungsandrohung kann auch nicht im Wege der Umdeutung auf einer anderen Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden. Denn eine Abschiebungsandrohung gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG setzt eine materielle Prüfung des Asylantrags voraus, die im Fall des Klägers jedoch gerade nicht stattgefunden hat. Wird der Asylantrag gem. § 27a AsylG als unzulässig abgelehnt, so gibt das AsylG dem Bundesamt ausschließlich die Abschiebungsanordnung als Vollstreckungsmaßnahme an die Hand. Das „Ausweichen“ auf eine Abschiebungsandrohung ist nicht möglich. Das Bundesamt kann sich nicht auf diesem Wege der Verpflichtung entziehen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen bzw. zu prüfen, ob eine Abschiebung durchgeführt werden kann. Dies bezieht sich sowohl auf die Übernahmebereitschaft des Staates, in den abgeschoben werden soll als auch auf die Prüfung von sonstigen zielstaatsbezogenen wie inländischen Abschiebungshindernissen.
1.15
Die den Kläger in Art. 2 Abs. 1 GG belastende Abschiebungsandrohung ist damit rechtwidrig und war aufzuheben. Dabei ist irrelevant, ob anstelle der Abschiebungsandrohung eine Abschiebungsanordnung hätte ergehen können. Denn bei der Frage der subjektiven Rechtsverletzung ist nicht auf eine hypothetische Sach- und Rechtslage, sondern die tatsächliche abzustellen.
Damit war dem Klageantrag stattzugeben, soweit er sich gegen Ziffer 2) des angegriffenen Bescheides wendete.
2.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
3.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 709, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Gerichtsbescheid steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids schriftlich beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg,
Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg,
zu beantragen. Hierfür besteht Vertretungszwang.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte, Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antrag muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Anstelle des Antrags auf Zulassung der Berufung können die Beteiligten innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle mündliche Verhandlung beantragen.
Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Dem Kläger wird – unter Beiordnung von Rechtsanwältin …, … – Prozesskostenhilfe gewährt, soweit sich seine Klage gegen Ziffer 2) des Bundesamtsbescheids vom 13. Februar 2015 richtet.
Gründe:
Einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Rechtsverfolgung aufzubringen, wird gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO Prozesskostenhilfe gewährt, wenn die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint.
Der Kläger hat nachgewiesen, dass er nach seinen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Rechtsverfolgung aufzubringen. Für die Erfolgsaussichten der Hauptsache wird auf das in dieser Sache ergangene Urteil vom gleichen Tag verwiesen.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).