Aktenzeichen M 9 S 17.52062
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2
Leitsatz
In Italien liegen keine systemischen Schwachstellen des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen vor, die eine hinreichend wahrscheinliche Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh begründen würden. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der laut eigener Aussage am 7. Februar 1992 geborene Antragsteller (Bl. 23 d. Behördenakts – i.F.: BA –) ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger Nigerias (Bl. 23 d. BA). Er reiste nach eigenen Angaben am 2. Juni 2017 von Italien kommend in das Bundesgebiet ein (Bl. 17 d. BA). Er beantragte am 7. Juli 2017 förmlich beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – i.F.: Bundesamt – Asyl (Bl. 23 d. BA). Die Behördenakte (Bl. 42 d. BA) enthält eine vom Antragsteller nicht unterzeichnete Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (i.F.: BÜMA) vom 6. Juni 2017, die dem Bundesamt laut Eingangsstempel am 7. Juni 2017 zugegangen ist.
Aufgrund eines Eurodac-Treffers (Nachweis auf Bl. 59 d. BA) der Kategorie 1 (IT1…) wurde am 14. Juli 2017 gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (i.F.: Dublin III-VO) ein Wiederaufnahmegesuch an Italien gerichtet (Bl. 60ff. d. BA); eine Zugangsbestätigung liegt vor (Bl. 67ff. d. BA). Die italienischen Behörden haben bis dato nicht geantwortet.
Mit Bescheid vom 1. August 2017, dem Antragsteller am 2. August 2017 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt (vgl. Bl. 106f. d. BA) lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Ziff. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Ziff. 3) und befristete das Verbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 4). Wegen des Bescheidinhalts wird auf diesen Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat am 10. August 2017 Klage und Eilantrag gegen den Bescheid erhoben. Er beantragt im hiesigen Verfahren,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Der Bescheid sei dem Kläger am 2. August 2017 zugestellt worden (vgl. auch Anlage K2). Im Übrigen wird auf das Vorbringen Bezug genommen.
Das Bundesamt stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichtssowie die beigezogene Behördenakte.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist bereits unzulässig, da er nicht innerhalb der Frist des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG erhoben wurde. Bei dieser Frist handelt es sich um eine Ereignisfrist, § 187 Abs. 1 BGB; der Tag des fristauslösenden Ereignisses ist der Tag der Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung (vgl. auch VG München, B.v. 11.11.2016 – M 8 S 16.50308 – juris; BeckOK AuslR, Stand: 17. Ed. 1.8.2017, AsylG § 34a Rn. 31) und damit der Tag der Zustellung des Bescheids (hier: der 2. August 2017, vgl. Bl. 106f. d. BA und Anlage K2 zur Antragsschrift). Damit lief die Ereignisfrist am 3. August 2017, 00:00 Uhr, an und am 9. August 2017, 24:00 Uhr, ab (zur Berechnung z.B. BeckOGK, Stand: 15.2.2018, BGB § 187 Rn. 23ff.). Klage und Eilantrag gingen bei Gericht trotz korrekter Rechtsbehelfsbelehrung:erst am 10. August 2017 und damit verspätet ein. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, § 60 VwGO, wurden weder dargelegt noch sind solche ersichtlich.
Der Antrag ist im Übrigen auch unbegründet.
Italien ist vorliegend für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrs zuständig. Dies ergibt sich aus Art. 13 Abs. 1 Satz 1, Art. 18 Abs. 1 lit. b, Art. 23 Abs. 1, Abs. 2 Unterabs. 1, Art. 25 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Dublin III-VO. Die Anforderungen der Mengesteab-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 26.7.2017 – C-670/16 – juris) wurden eingehalten.
Die Überstellung an Italien ist auch nicht rechtlich unmöglich im Sinn des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Italien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt wären. Auf die einhellige Rechtsprechung wird verwiesen.
Den Anträgen des Antragstellerbevollmächtigten auf Einholung aktueller Auskünfte und Sachverständigengutachten war nicht weiter nachzugehen. Im auf eine lediglich summarische Prüfung der Sachlage angelegten und grundsätzlich auf die Verwertung präsenter, d.h. von den Beteiligten beigebrachter, ohne förmliche Beweiserhebung gewonnener und lediglich glaubhaft gemachter (§ 294 ZPO) Beweismittel ausgerichteten verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren steht eine förmliche Beweisaufnahme im Ermessen des Gerichts (BeckOK VwGO, Stand: 40. Ed. 1.1.2017, VwGO § 86 Rn. 12). Das Gericht sieht hinsichtlich des bereits in formeller Hinsicht nicht als Beweisantrag formulierten Begehrs angesichts der ihm vorliegenden umfangreichen und aktuellen Erkenntnismittel von der Anforderung einer entsprechenden Auskunft ab. Dies umso mehr, als es nicht „das eine“ richtige bzw. überzeugende Erkenntnismittel geben kann, sondern stets ein breites Spektrum zu berücksichtigen ist. Es wird verwiesen auf die ständige Rechtsprechung des Gerichts (z.B. VG München, B.v. 14.2.2017 – M 9 S 16.50800 – juris; B.v. 2.2.2017 – M 9 S 17.50067 – juris).
Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse – bezogen auf Italien –, § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG, oder inlandsbezogene Vollzugshindernisse, die jeweils im Rahmen der Abschiebungsanordnung, § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG zu prüfen sind (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 10 CE 14.427 – juris), wurden nicht belegt.
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass eine vonseiten eines Facharztes diagnostizierte Krankheit keinesfalls zwingend „generell“ eine Reiseunfähigkeit oder die Feststellung von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen zur Folge hat (z.B. BayVGH, B.v. 8.2.2013 – 10 CE 12.2396 – juris). Krankheiten hindern nicht per se die Überstellung im Sinne einer Transportunfähigkeit, v.a. nicht ins innereuropäische Ausland – vorliegend: Italien – (kurze Reisewege, geringe Belastung), und begründen nicht etwa „regelhaft“ ein ernsthaftes Risiko dergestalt, dass sich der Gesundheitszustand des Betroffenen unmittelbar durch die Ausreise oder Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird.
Unabhängig davon gab der Antragsteller in seiner Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags (Bl. 78ff. d. BA, insbesondere Bl. 79 d. BA) ohnehin an, nicht an Beschwerden, Erkrankungen, Gebrechen oder an einer Behinderung zu leiden. Weitere im Klageschriftsatz angekündigte Atteste – Vorlage bis zum 2. September 2017 wurde zugesichert – zu einer angeblichen PTBS-Erkrankung (Posttraumatische Belastungsstörung) wurden nicht vorgelegt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.