Aktenzeichen Au 6 K 18.50319
GG Art. 6 Abs. 1
EMRK Art. 3
Dublin III-VO Art. 12 Abs. 2
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5
Leitsatz
1 Dublin-Rückkehrer erhalten in der Regel einen ungehinderten Zugang zum Asylverfahren und in der ersten Zeit nach der Überstellung ein geordnetes Aufnahmeverfahren mit den zugehörigen Leistungen zur Sicherung der Grundbedürfnisse. Sie werden im Allgemeinen in den früheren Stand ihres Asylverfahrens eingesetzt (BayVGH BeckRS 2014, 52068). Auch neueren Erkenntnismitteln können keine Hinweise auf systemische Mängel entnommen werden. (Rn. 25 und 26) (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch bei der Gesundheitsversorgung werden Flüchtlinge und Personen mit humanitärem Aufenthaltsrecht in Italien wie italienische Bürger behandelt. Der kostenlose Zugang zur Notfallversorgung steht ihnen immer zur Verfügung, die Versorgung sonstiger ernsthafter, auch chronischer Erkrankungen mit den erforderlichen Medikamenten und der notwendigen ärztlichen Behandlung ist gesichert. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3 Soweit die Kläger Rückführungshindernisse hinsichtlich Armeniens geltend machen, sind diese vom Bundesamt nicht zu prüfen, das lediglich die Rückführung nach Italien angeordnet hat. Rückführungshindernisse hinsichtlich Armeniens zu prüfen, ist Sache Italiens. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
4 Eine Lebensgefahr kann sich im Falle seiner Rückführung nach Italien ergeben, soweit die erforderliche Registrierung mehr Zeit in Anspruch nimmt, als bis zur nächst fälligen Dialyse, spätestens nach drei Tagen, zur Verfügung steht. Soweit ein Arztbesuch wegen fehlender Registrierung beim nationalen Gesundheitsdienst und bei der öffentlichen lokalen Institution ASL nicht möglich sein sollte, wäre es dem Kläger zu 1 zuzumuten, diese Registrierung bei den genannten Stellen durchzuführen. Hierbei kann er auf die Unterstützung durch Hilfsorganisationen zurückgreifen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
5 Es wird davon ausgegangen, dass der Kläger zu 1 auch unter Berücksichtigung seiner Nieren-Erkrankung den hierfür erforderlichen Organisationsaufwand leisten kann. Die tenorierte Maßgabe dient lediglich dazu, die Gefahr von lebensbedrohlichen Verzögerungen im Ablauf soweit zu mindern, dass der Kläger zu 1 unverzüglich die erforderliche Anschlussbehandlung erhält. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
6 Für die Ehefrau des Klägers zu 1 besteht auf Grund der von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten tatsächlich gelebten Familieneinheit und des Beistandsbedarfs auf Grund seiner Erkrankung solange ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis, als für den Kläger zu 1 ein Abschiebungsverbot anzunehmen ist. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Auf die Klage des Klägers zu 1 hin werden ihn betreffend Ziffern 2 bis 4 des Bescheids vom 13. Februar 2018 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass für den Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bis zur Vorlage einer Zusicherung Italiens durch die Beklagte an den Klägerbevollmächtigten vorliegt, dass der Kläger zu 1 im Falle seiner Überstellung nach Italien unverzüglich die erforderliche medizinische Behandlung, insbesondere Dialyse, erhält.
Auf die Klage der Klägerin zu 2 hin werden sie betreffend Ziffern 3 bis 4 des Bescheids vom 13. Februar 2018 aufgehoben.
Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
II. Von den Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens haben die Kläger als Gesamtschuldner eine Hälfte und die Beklagte die andere Hälfte zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässigen Klagen haben nur im tenorierten Umfang teilweise Erfolg. Der mit den Klagen angegriffene Bescheid des Bundesamtes ist im tenorierten Umfang rechtswidrig und daher aufzuheben, im Übrigen aber rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
Die Klage des Klägers zu 1 ist unter der tenorierten Maßgabe teilweise begründet bis zur Vorlage einer Zusicherung Italiens durch die Beklagte, dass der Kläger zu 1 im Falle seiner Überstellung nach Italien unverzüglich die erforderliche medizinische Behandlung, insbesondere Dialyse, erhält. Der weitergehende Antrag für den Kläger zu 1 und für die Klägerin zu 2 ist nicht begründet, weil davon ausgegangen werden kann, dass in Italien die erforderliche medizinische Behandlung möglich und dem Kläger zu 1 auch grundsätzlich zugänglich ist. Die hier noch zu klärende unverzügliche Zugänglichkeit nach Ankunft im Falle seiner Rücküberstellung ist daher kein dauerhaftes sondern ein behebbares Hindernis. Hinzu tritt das ausnahmsweise auch im Rücküberstellungsverfahren zu prüfende inländische Abschiebungshindernis zu Gunsten der Klägerin zu 2 zur Wahrung der Familieneinheit in Bezug auf den medizinisch betreuungsbedürftigen Kläger zu 1.
Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer einen Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft zuständigen Staat gestellt hat. Solche Rechtsvorschriften finden sich aktuell in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin-III-VO, ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31).
1. Vorliegend ist davon auszugehen, dass Italien für die Prüfung der dort gestellten Asylanträge der Kläger zuständig und die Ablehnung der Asylanträge als unzulässig daher rechtmäßig ist.
Vorliegend ist Italien im auch für die Anwendung der Dublin III-VO maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG, vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2016 – 1 C 24.15 – juris Rn. 8) gemäß Art. 12 Abs. 2 und Abs. 4 VO 604/2013/EU für die Behandlung des Asylgesuchs der Kläger zuständig. Denn die Kläger sind im Besitz eines von italienischen Behörden ausgestellten Visums mit Gültigkeit vom 25. Oktober 2017 bis 17. November 2017 (BAMF-Akte Bl. 4 f.). Besitzt ein Kläger ein gültiges Visum, so ist nach Art. 12 Abs. 2 Satz 1 VO 604/2013/EU der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung erteilt wurde. Besitzt ein Kläger ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Kläger das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten nicht verlassen hat (Art. 12 Abs. 4 Satz 1 VO 604/2013/EU). Dies ist bei den Klägern der Fall. Italien ist somit gemäß Art. 12 Abs. 2 und Abs. 4 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Buchst. a) Dublin III-VO gehalten, die Kläger wieder aufzunehmen, auch wenn die italienischen Behörden das Wiederaufnahmegesuch nicht ausdrücklich angenommen haben.
2. Gründe, von einer Überstellung nach Italien gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 VO 604/2013/EU abzusehen, sind nicht ersichtlich.
a) Diese Vorschrift setzt voraus, dass es sich als unmöglich erweist, einen Kläger an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Kläger in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GrCH mit sich bringen. In diesem Fall setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der Zuständigkeitskriterien nach Kapitel III der Dublin-III-VO fort, um ggf. die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festzustellen. Kann keine Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festgestellt werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
Dieser Regelung liegt das Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10, C-493/10 – juris) zugrunde. Danach gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der EU-Grundrechtecharta entspricht. Allerdings ist diese Vermutung widerleglich. Den nationalen Gerichten obliegt die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Kläger führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GrCH ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH v. 21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist jedoch nicht bereits bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen in dem jeweils zuständigen Mitgliedstaat widerlegt. An die Feststellung systemischer Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 VO 604/2013/EU sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von derartigen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im betreffenden Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 9).
b) Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der ganz überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass ein außerhalb des Konzepts normativer Vergewisserung liegender Ausnahmefall vorliegt, oder dass der Kläger in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 25.6.2015 – 11 LB 248/14 – AuAS 2015, 180, juris; BayVGH, U.v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295; OVG NRW, U.v. 24.4.2015 – 14 A 2356/12A; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13; OVG Koblenz, U.v. 21.2.2014 – 10 A 10656/13 – jeweils juris). Dublin-Rückkehrer erhalten in der Regel einen ungehinderten Zugang zum Asylverfahren und in der ersten Zeit nach der Überstellung ein geordnetes Aufnahmeverfahren mit den zugehörigen Leistungen zur Sicherung der Grundbedürfnisse. Sie werden im Allgemeinen in den früheren Stand ihres Asylverfahrens eingesetzt (BayVGH, U.v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris Rn. 42). Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und dort im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches – in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges – Leistungsniveau besteht (BayVGH, U.v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris Rn. 44; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris Rn. 56). Auf die detaillierten Ausführungen hierzu in den Beschlüssen des Verwaltungsgerichts Augsburg (VG Augsburg, B.v. 6.9.2017 – Au 1 S 17.50198; B.v. 30.5.2017 – Au 7 S 17.50041 wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Auch neueren Erkenntnismitteln können keine Hinweise auf systemische Mängel entnommen werden. In dem vom Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE) für das Projekt AIDA – Asylum Information Database erstellten Länderbericht zu Italien vom Januar 2015 (abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/reports/country/italy) wird zwar ausgeführt (S. 51 ff. des Berichts), dass dort zumindest in der Vergangenheit nicht für alle Asylbewerber adäquate Aufnahmeeinrichtungen zur Verfügung gestanden haben; die Zahl von Unterbringungsplätzen war unzureichend. Bei Dublin-Rückkehrern kann es längere Zeit dauern, bis sie einer Aufnahmeeinrichtung zugewiesen werden. Zum einen jedoch werden die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen dem vorgenannten Bericht zufolge (vgl. dort S. 53 f.) seit 2013 deutlich erhöht. UNHCR und Nichtregierungsorganisationen beraten die staatlichen Stellen bei der Verbesserung der Aufnahmebedingungen. Speziell für Dublin-Rückkehrer wurden zum anderen Zentren zur übergangsweisen Unterbringung eingerichtet. Ein systemischer Mangel der Aufnahmebedingungen kann deshalb auch für die Personengruppe, welcher die Kläger angehören, nicht angenommen werden.
Auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR (GK), U.v. 4.11.2014 – Tarakhel/Schweiz, Nr. 29217/12 – NVwZ 2015, 127) werden keine systemischen Mängel der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien festgestellt. Vielmehr ist bei besonders schutzbedürftigen Asylbewerbern wie z.B. Familien mit Neugeborenen und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn. 16, BayVGH, B.v. 15.1.2015 – 21 ZB 14.50051 – juris) im Einzelfall sicherzustellen, dass diese im Falle einer Rückführung nach Italien angemessen untergebracht und versorgt werden. Die genannten Entscheidungen beinhalten keine Aussage zu eventuellen systemischen Mängeln in Italien, sondern lediglich eine Einschränkung für die Abschiebung von Familien nach Italien. Als Erwachsene gehören die Kläger nicht zu dieser Gruppe besonders schutzbedürftiger Personen. Zudem hat der EGMR in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2015 im Verfahren A.M.E. gegen Niederlande (Az. 51428/10) entschieden, dass die Struktur und die Gesamtsituation des italienischen Flüchtlings- und Asylbewerberaufnahmesystems kein genereller Grund sind, eine Überstellung im Zuge des sog. Dublin-Verfahrens zu verbieten. Der Umstand, dass sich die Situation der Kläger in Italien u.U. deutlich schlechter als im Bundesgebiet darstellt, begründet keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens (vgl. EGMR, B.v. 02.04.2013 – a.a.O.).
Auch im Hinblick auf medizinische Betreuung und Versorgung ergibt sich keine Verpflichtung der Beklagte, das Asylverfahren durchzuführen (vgl. EGMR, U.v. 30.6.2015 – 39350/13 – A.S. gegen Schweiz), da Italien über eine umfassende Gesundheitsfürsorge verfügt, die italienischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitären Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. Nach der bestehenden Auskunftslage funktioniert die notfallmedizinische Versorgung und der Zugang zu Hausärzten grundsätzlich ebenso wie das Angebot von psychologischer und psychiatrischer Behandlung (vgl. VG Ansbach, U.v. 11.12.2015 – AN 14 K 15.50316 – juris Rn. 26 m.w.N.). Auch der bereits erwähnte Bericht von AIDA bestätigt die Gleichstellung von Asylsuchenden und international Schutzberechtigten mit italienischen Staatsangehörigen hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung (vgl. dort S. 84). Eine Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert dabei die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten (VG Augsburg, B.v. 19. 9.2015 – Au 7 S 15.50412 – juris). Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (VG München, B.v. 5.11.2014 – M 18 S 14.50356 – juris). Auch bei Überstellung von kranken Personen, deren Asylverfahren in Italien negativ abgeschlossen ist, besteht damit die Möglichkeit der Behandlung. Es ist daher davon auszugehen, dass die Kläger in Italien Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung haben.
Denn auch bei der Gesundheitsversorgung werden Flüchtlinge und Personen mit humanitärem Aufenthaltsrecht in Italien wie italienische Bürger behandelt. Der kostenlose Zugang zur Notfallversorgung steht ihnen immer zur Verfügung, die Versorgung sonstiger ernsthafter, auch chronischer Erkrankungen mit den erforderlichen Medikamenten und der notwendigen ärztlichen Behandlung ist gesichert (vgl. SFH, Auskunft an OVG NW, 18.5.2016, S. 4).
Schließlich begründet auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, keine systemischen Mängel. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares, landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris).
3. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die ein Selbsteintrittsrecht der Beklagten nach Art. 17 Abs. 1 VO 604/2013/EU begründen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zwar besteht vorläufig ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot, das aber behebbar ist, und akzessorisch ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis (dazu sogleich).
a) Soweit die Kläger Rückführungshindernisse hinsichtlich Armeniens geltend machen, ist dies vom Bundesamt nicht zu prüfen, das lediglich die Rückführung nach Italien angeordnet hat, welches als Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention hinsichtlich seines Asylrechtsvollzugs auch mit Blick auf Armenien keinen schwächeren Rechtsstandards unterliegt als Deutschland. Rückführungshindernisse hinsichtlich Armeniens zu prüfen, ist Sache Italiens. Dies gilt auch für das Refoulement-Verbot.
b) Die Abschiebung des Klägers zu 1 nach Italien kann unter der tenorierten Maßgabe (sowie der Klägerin zu 2 ohne Maßgabe) durchgeführt werden; sie ist dann rechtlich bzw. tatsächlich möglich. Bis dahin stehen ihr aber ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot und akzessorisch ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis entgegen.
Solche Abschiebungshindernisse sind im Rahmen einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylG ausnahmsweise von der sonst allein auf die Prüfung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote beschränkten Beklagte auch noch nach Erlass der Abschiebungsanordnung zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – AuAS 2014, 244), da die Abschiebung nur durchgeführt werden darf, wenn sie rechtlich und tatsächlich möglich ist. Dies ist hier gegenwärtig noch nicht der Fall.
Nach derzeitiger Sachlage besteht für den Kläger zu 1 ein rechtliches Abschiebungsverbot hinsichtlich Italiens nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG und für die Klägerin zu 2 deswegen ein tatsächliches Abschiebungshindernis nach § 60a Abs. 1 AufenthG. Zwar sind beide reisefähig. Aber der Kläger zu 1 läuft im Falle des Abbruchs seiner alle drei Tage erforderlichen Dialyse ausweislich der zitierten Atteste Gefahr, in einen lebensbedrohlichen Zustand zu geraten. Würde seine Rücküberstellung durchgeführt, ohne dass eine unverzügliche Fortsetzung der Dialyse als Anschlussbehandlung gesichert ist, hätte das den Tod des Klägers zu 1 zur Folge (Frau, … Krankenhaus, Attest vom 1.12.2017, VG-Akte Bl. 36 f.).
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung und die mit einer Erkrankung verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Abschiebezielstaat verschlimmern, ist in der Regel als am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfende individuelle Gefahr einzustufen (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – juris Rn. 15). Die Gesundheitsgefahr muss erheblich sein; die Verhältnisse im Abschiebezielstaat müssen also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität, etwa eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes, erwarten lassen. Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390) mit Wirkung vom 17. März 2016 geänderten Fassung nachgezeichnet (vgl. NdsOVG, B.v. 19.8.2016 – 8 ME 87.16 – juris Rn. 4). Nach dieser Bestimmung liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden.
Erforderlich für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, dass also eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (vgl. BVerwG, a.a.O.).
Dabei sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, in die Beurteilung der Gefahrenlage mit einzubeziehen. Solche Umstände können darin liegen, dass eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Zielstaat wegen des geringeren Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, U. v. 29.10.2002 – 1 C 1.02 – juris Rn. 9).
Es ist davon auszugehen, dass die medizinische Versorgung in Italien grundsätzlich ein hohes Niveau hat und auch für Dublin-Rückkehrer grundsätzlich – wenn auch ggf. nach einer Registrierung – zugänglich ist, so dass die Erkrankungen des Klägers zu 1 dem Grunde nach ausreichend behandelbar sind.
Eine Lebensgefahr für den Kläger zu 1 kann sich im Falle seiner Rückführung daher nur ergeben, soweit die Registrierung mehr Zeit in Anspruch nimmt, als bis zur nächst fälligen Dialyse, spätestens nach drei Tagen, zur Verfügung steht. Soweit ein Arztbesuch wegen fehlender Registrierung beim nationalen Gesundheitsdienst und bei der öffentlichen lokalen Institution ASL nicht möglich sein sollte, wäre es dem Kläger zuzumuten, diese Registrierung bei den genannten Stellen durchzuführen. Hierbei kann er auf die Unterstützung durch Hilfsorganisationen zurückgreifen (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das OVG NW, 23.2.2016, S. 5). Dabei wird davon ausgegangen, dass der Kläger auch unter Berücksichtigung seiner Erkrankung den hierfür erforderlichen Organisationsaufwand leisten kann. Die tenorierte Maßgabe dient lediglich dazu, die Gefahr von lebensbedrohlichen Verzögerungen im Ablauf soweit zu mindern, dass der Kläger zu 1 unverzüglich die erforderliche Anschlussbehandlung erhält.
Für die Klägerin zu 2 besteht auf Grund der von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten tatsächlich gelebten Familieneinheit und des Beistandsbedarfs des Klägers zu 1 auf Grund seiner Erkrankung solange ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis, als für den Kläger zu 1 ein Abschiebungsverbot anzunehmen ist; darüber hinaus aber nicht.
4. Auch ist die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 und Abs. 2 VO 604/2013/EU noch nicht abgelaufen, worauf sich ein Kläger berufen könnte (vgl. EuGH, U.v. 25.10.2017 – C-201/16 – DVBl 2017, 1486/1487 f. Rn. 30, 40, 44 ff.). Die Rückübernahmefrist hat mit Ablauf des 12. Februar 2018 (2 Monate nach Stellung des Rückübernahmegesuchs nach Art. 25 Abs. 1 und Abs. 7 VO 604/2013/EU am 11. Dezember 2017) zu laufen begonnen und läuft erst am 12. August 2018 ab (Art. 29 Abs. 1 UAbs. 1, Abs. 2 Dublin III-VO), kann derzeit also noch gewahrt werden. Ob die Frist durch das Eilrechtsgesuch zur Überprüfung der Überstellungsentscheidung mit aufschiebender Wirkung nach Art. 27 Abs. 3 Buchst. a) und b) VO 604/2013/EU i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG sogar neu angelaufen ist (Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO, dazu EuGH, U.v. 25.10.2017 – C-201/16 – DVBl 2017, 1486 Rn. 27), kann daher dahinstehen.
5. Aus diesen Gründen erweist sich auch die akzessorische Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG als rechtswidrig.
6. Nach allem erweist sich der angefochtene Bescheid des Bundesamtes teilweise als rechtswidrig und war die Klage demnach mit der Kostenfolge aus § 155 Abs. 1, § 159 VwGO teilweise stattzugeben. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.