Europarecht

Dublin-Verfahren, Abschiebung nach Italien, Mutter mit zwölfjährigem Sohn, Analphabetin, Vortrag Depression, Erfordernis einer konkretindividuellen Zusicherung

Aktenzeichen  M 3 S 21.50164

Datum:
17.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44697
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29
AsylG § 34a
Dublin III-VO
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt mit der Maßgabe, dass dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vor Überstellung nach Italien eine Zusicherung der italienischen Behörden vorliegt, dass die Antragsteller zusammen unverzüglich nach der Ankunft in Italien einen sicheren Platz in einer Einrichtung erhalten, die für Familien eine spezielle Versorgung und Betreuung gewährleistet und deren individuelle Bedürfnisse abdeckt, insbesondere die medizinische Versorgung der Antragstellerin zu 1) gewährleistet.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Februar 2021 angeordnete Abschiebung nach Italien.
Die Antragstellerin zu 1), eine afghanische Staatsangehörige, und ihr Sohn, der am … … 2008 geborene Antragsteller zu 2), reisten nach ihren Angaben am 24. September 2020 in das Bundesgebiet ein, wo sie am selben Tag ein Asylgesuch äußerten. Am 30. Oktober 2020 stellten sie einen förmlichen Asylantrag.
Eine Eurodac-Abfrage am 24. September 2020 ergab für die Antragstellerin zu 1) einen Eurodac-Treffer der „Kategorie 2“, wonach die Antragstellerin bei ihrer Einreise in Italien am 4. September 2020 registriert wurde.
Bei ihrer Anhörung durch die Regierung von Oberbayern (Zentrale Ausländerbehörde) am 11. November 2020 gab die Antragstellerin zu 1) an, dass sie zusammen mit ihrem Ehemann und zwei weiteren Söhnen ihr Heimatland etwa sechs Monate zuvor verlassen habe und dann über den Iran und in die Türkei gereist sei. Nach ca. drei Monaten sei sie in einem Boot nach Italien gefahren. In Italien sei sie von ihrem Ehemann und ihrem anderen Sohn getrennt worden; diese seien in die Türkei zurückgeschickt worden. Sie sei mit dem Antragsteller zu 2) für ca. 25 bis 30 Tage in Italien geblieben. Sie seien auf Corona getestet worden und hätten warten müssen. Dann sei sie mit dem Zug nach Deutschland gereist. Ein weiterer Sohn sei mit seiner Ehefrau in Griechenland.
Das Bundesamt richtete am 12. November 2020 ein Aufnahmegesuch für die Antragsteller unter Bezugnahme auf Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO an Italien. Eine Reaktion der italienischen Behörden erfolgte nicht.
Bei ihrer Befragung und Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 16. Februar 2021 erklärte die Antragstellerin zu 1), sie habe vor über einem Jahr ihr Heimatland zusammen mit ihrem Mann und ihren drei Kindern verlassen und sei über den Iran in die Türkei gelangt. In der Türkei sei sie vor ihrem Mann weggelaufen. Von der Türkei sei sie mit dem Antragsteller zu 2) mit einem Boot nach Italien gefahren; kurz vor der italienischen Küste habe das Boot Schiffbruch erlitten, sie seien von der Polizei gerettet worden. In Italien hätten sie sich in einer Art Wald aufgehalten. Es sei kein Camp gewesen. Es sei wie das Leben eines Tieres gewesen, sie hätten alle geweint. Afrikanische Menschen hätten ihnen dreimal täglich Essen gebracht. Sie hätten keine staatliche Unterstützung bekommen. Sie hätten sich im Freien aufgehalten und nachts in einem noch nicht fertig gestellten Gebäude geschlafen. Andere afghanische Staatsangehörige, die etwas englisch gekonnt hätten, hätten ihr geholfen, ein Ticket für den Zug nach Deutschland zu bekommen. Sie wolle nicht nach Italien überstellt werden, da Italien nicht ihr Ziel gewesen sei. Sie hätten nach Deutschland gewollt, weil es hier Menschenrechte gebe. Diese Gründe mache sie auch für ihren Sohn, den Antragsteller zu 2), geltend.
Die Antragstellerin zu 1) legte ein ärztliches Attest von Dr. M., Facharzt für Psychiatrische Medizin vom Medizinischer Dienst der Erstaufnahmeeinrichtung …, vom 15. Februar 2021 vor. Danach sei sie in der Psychiatrischen Sprechstunde mehrfach untersucht worden. Bei ihr bestehe eine schwerwiegende Depression mit Lebensüberdrussgedanken. Sie lebe hier mit dem zwölfjährigen Sohn. Ein anderer Sohn (15 Jahre) sei in der Türkei; vom Mann, der auch in der Türkei lebe, sei sie getrennt, er habe sie geschlagen. Sie fühle sich in der derzeitigen Unterkunft nicht wohl, könne nicht schlafen. Außerdem sei sie dringend in der gegenwärtigen depressiven Krise auf psychotherapeutische Behandlung im Sinne der Krisenintervention angewiesen. Vorgelegt wurde weiter eine ärztliche Verschreibung von Escitalopram, 10 mg und Zolpidem 10 mg. Die Antragstellerin zu 1) führte aus, sie habe jeden Monat einen Termin beim Arzt, sie sei aber zweimal nicht dort gewesen, da kein Dolmetscher zur Verfügung gestanden habe.
Mit Bescheid vom 19. Februar 2021, übersandt mit Schreiben vom 22. Februar 2021, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz auf 15 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 4). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
Am *. März 2021 haben die Antragsteller durch ihren Bevollmächtigten beim Verwaltungsgericht München Klage gegen den Bescheid erhoben (M 3 K 21.50163) und zugleich beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in Nr. 3 des Bescheids enthaltenen Abschiebungsanordnung nach Italien anzuordnen.
Zur Begründung wird geltend gemacht, die Antragstellerin zu 1) habe eine schwere depressive Episode. Beide Antragsteller seien mit insgesamt 25 Personen von der italienischen Polizei aus dem Meer gerettet worden. Da ein Mädchen aus der Gruppe Corona gehabt habe, sei die Gruppe für drei Wochen in einem Waldstück isoliert und praktisch sich selbst überlassen worden. Sie hätten mangels Unterkunft in einem Rohbau campiert. Afrikaner hätten ihnen tagsüber etwas zum Essen gebracht. Gegen Ende der drei Wochen seien die Antragsteller zusammen mit ca. 20 anderen Personen aus dem Waldstück geflohen.
Mit Schriftsatz vom 4. März 2021 beantragt das Bundesamt unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid,
den Antrag abzulehnen.
Mit Schriftsatz vom *. März 2021 legt der Bevollmächtigte der Antragsteller ein weiteres ärztliches Attest von Dr. M. vom 1. März 2021 betreffend die Antragstellerin zu 1) vor. Danach befinde sich die Antragstellerin zu 1) in psychiatrischer Behandlung der Erstaufnahmeeinrichtung wegen starker Depressionen und Ängsten in Verbindung mit starken Schlafstörungen und psychischer Erschöpfung. Medikamentös habe sie bislang Escitalopram 10 mg morgens als Antidepressivum und Trazodon 100 mg zum Schlafen 1/2 bis 1 ganze Tablette erhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, auf die Gerichtsakte im Verfahren M 3 K 21.50163 sowie die vom Bundesamt übermittelte Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Der nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässige, im Hinblick auf die Datierung des Zuleitungsschreibens des Bescheids ersichtlich innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 S. 1 AsylG eingelegte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird mit der tenorierten Maßgabe abgelehnt.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage (§ 75 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem sich aus § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfes. Ein gewichtiges Indiz ist dabei die Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, hat das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurückzutreten. Erweist sich dagegen der Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen zu beurteilen, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung, bei der jedoch die gesetzgeberische Entscheidung, die aufschiebende Wirkung einer Klage auszuschließen, zu berücksichtigen ist.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe geht die Interessenabwägung hier im Ergebnis zu Lasten der Antragsteller aus. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zum gegenwärtigen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) sind die Erfolgsaussichten ihrer Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamts vom 19. Februar 2021 als gering anzusehen. Auf den vorgenannten Bescheid wird im Sinne von § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen. Die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung erweist sich mit hoher Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig.
Aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit der Antragstellerin zu 1) als allein reisende Frau, die unter den in den vorgelegten fachärztlichen Attesten beschriebenen gesundheitlichen Einschränkungen leidet, sowie des Antragstellers zu 2) als Minderjähriger, sowie unter Berücksichtigung, dass eine Rückführung nur im Familienverbund durchgeführt werden darf, erfolgt die Antragsabweisung allerdings mit der Maßgabe, dass dem Bundesamt vor der Überstellung der Antragsteller eine individuelle Zusicherung der italienischen Behörden vorliegen muss, der zufolge die Antragstellerin zu 1) zusammen mit dem Antragsteller zu 2) unverzüglich nach der Ankunft in Italien einen sicheren Platz in einer Einrichtung erhalten, die für Familien eine spezielle Versorgung und Betreuung gewährleistet und deren individuelle Bedürfnisse abdeckt, insbesondere eine medizinische Versorgung der Antragstellerin zu 1) gewährleistet.
a) Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung unter anderem in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass diese durchgeführt werden kann.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 v. 29.6.2013, S. 31) – im Folgenden: Dublin III-VO – für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedsstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kap. III der Dublin III-VO als zuständiger Mitgliedsstaat bestimmt wird. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedsstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Dem Vortrag der Antragsteller und dem Eurodac-Treffer mit der Kennzeichnung „IT2“ zufolge, war dies Italien. Dass die Antragsteller in Italien keine Asylanträge gestellt haben, ist für die Zuständigkeitsbegründung unerheblich. Ihre Finderabdruckdaten wurden gemäß Art. 24 Abs. 4 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 (Eurodac-VO) beim illegalen Überschreiten der Grenze erfasst und an das Eurodac-Zentralsystem übermittelt.
Des Weiteren hat das Bundesamt vor Erlass der Abschiebungsanordnung das Aufnahmeverfahren fristgerecht innerhalb von zwei Monaten nach Antragstellung (Art. 21 Abs. 1 Unterabsatz 2 Dublin III-VO) durchgeführt. Da Italien innerhalb der 2- monatigen Antwortfrist des Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO keine Antwort erteilte, trat die Stattgabefiktion des Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO am 12. Januar 2021 ein. Ab diesem Zeitpunkt waren die italienischen Behörden daher gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a Dublin III-VO innerhalb der offenen sechsmonatigen Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO verpflichtet, die Antragsteller wiederaufzunehmen.
b) Gründe i.S.d. Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO, die der Überstellung der Antragsteller nach Italien entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. Diese Vorschrift setzt voraus, dass es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta – EU-GR-Charta – mit sich bringen. Derartige systemische Mängel, sind nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen weder bei der Durchführung von Asylverfahren, noch hinsichtlich des Aufnahmesystems in Italien festzustellen.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris Rn. 181 ff.) bzw. dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – Rs. „Jawo“, juris Rn. 80 f.; U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a. – Rs. „Ibrahim u.a.“, juris Rn. 84.; U.v. 21.12.2011 – C- 411/10, C-493/10 – juris Rn. 79 ff.) gilt die Vermutung, dass in den Mitgliedstaaten die Behandlung von Asylbewerbern mit den Erfordernissen der GRC und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) in Einklang steht. Demzufolge ist davon auszugehen, dass Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches prinzipiell funktionsfähig ist und insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. Das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens begründet jedoch nur eine widerlegliche Vermutung, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass ein ernsthaftes Risiko besteht, dass Personen, die internationalen Schutz beantragen, bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 83 f.).
Um diese Vermutung zu widerlegen, müssten Umstände substantiiert vorgetragen und ggf. belegt werden, die eine besondere Schwelle der Erheblichkeit erreichen. Die Anforderungen hieran sind allerdings hoch. Im Hinblick auf das Ziel der Dublin III-VO, zügig und effektiv den für das Asylverfahren zuständigen Staat zu bestimmen, können geringfügige Verstöße hierfür nicht ausreichen. Um das Prinzip gegenseitigen Vertrauens entkräften zu können, muss vielmehr ernsthaft zu befürchten sein, dass dem Asylbewerber aufgrund genereller Mängel im Asylsystem des eigentlich zuständigen Mitgliedstaats mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 6; EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417, Rn. 80; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 5. 1721/13 – juris Rn. 41).
Diese Grundsätze konkretisierend hat der EuGH ausgeführt, dass Schwachstellen im Asylsystem nur dann als Verstoß gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK zu werten sind, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 91). Diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit ist erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hat, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. in diesem Sinne EGMR, U.v. 21.1.2011 – 30696/09 – M.S.S., Nr. 30696/09 – NVwZ 2011, 413 Rn. 342).
Diese Schwelle ist selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren sich diese Person in einer solch schwerwiegenden Lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 93). Der maßgebliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit muss sich auf der Basis einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände ergeben und darf sich nicht nur auf einzelne Mängel des Systems beziehen.
Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, wird nach Auffassung des Gerichts die hohe Schwelle des Art. 4 GRC, bei deren Überschreitung eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG (unions-)rechtswidrig ist, nicht überschritten (nachfolgend unter aa). Daran vermag auch die nicht zweifelsfrei sichergestellte Unterbringung vulnerabler Personen in Italien nichts zu verändern. Den verbleibenden Zweifeln hinsichtlich einer unverzüglichen Sicherstellung der Unterbringung vulnerabler Personen in einer ihren Bedürfnissen entsprechenden Weise kann durch die Einforderung einer Zusicherung der italienischen Behörden begegnet werden (nachfolgend unter bb).
aa) Bezüglich nicht vulnerabler Personen ist auf die umfassende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu verweisen, die auch vor dem Hintergrund der am 4. Dezember 2018 in Kraft getretenen gesetzlichen Änderungen bezüglich Aufnahmebedingungen und Unterbringung durch das „Decreto Legge No. 113 vom 4. Oktober 2018“ über Sicherheit und Migration, dem sog. „Salvini-Dekret“, nicht vom Vorliegen systemischer Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO ausgeht (vgl. insbesondere VGH Bad.-Würt., U.v. 29.7.2019 – A 4 S 749/19 – juris Rn. 112 ff.; OVG Lüneburg, B.v. 21.12.2018 – 10 LB 201/18 – juris Rn. 40; VG Karlsruhe, U.v. 14.9.2020 – A 9 K 3639/18 – juris Rn. 36 m.w.N.; NdsOVG, B.v. 6.6.2018 – 10 LB 167/18 – juris Rn. 32, bestätigt von BVerwG, B.v. 12.9.2018 – 1 B 50/18, 1 PKH 39/18 – juris; VG Würzburg, U.v. 3.4.2020 – W 10 K 19.30677 – juris Rn. 36ff.; VG Augsburg, U.v. 9.7.2020 – Au 9 K 20.30303 – juris Rn. 44; VG Cottbus, U.v. 26.8.2020 – 5 K 1123/19.A – juris Rn. 17 ff.; VG Freiburg, U.v.19.8.2020 – A 10 K 3159/18 – juris Rn. 42 ff.).
Das Gericht schließt sich diesen Einschätzungen auch unter Berücksichtigung der im hier maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) neu hinzugekommenen Erkenntnismittel an. Diese führen nicht zu einer anderen Bewertung der für Rückkehrer maßgeblichen Verhältnisse in Italien.
Die mit dem Salvini-Dekret einhergehende Umstrukturierung führt nicht per se zu einem Mangel an Unterbringungsplätzen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass Dublin-Rückkehrer in der Lage sein werden, sich den – zwar im Vergleich zu Deutschland schwierigeren – Bedingungen zu stellen und durch ein gewisses Maß an Eigeninitiative diese auch zu bewältigen. So wurden Ende 2018 zwar in gewissen Bereichen (Streichung der Integrationsmaßnahmen; psychologische Betreuung nur noch in Hotspots und Schubhaftzentren) Einsparungen vorgenommen. Doch auch nach dem Salvini-Dekret erhalten Flüchtlinge während des Asylverfahrens weiterhin Leistungen für die Befriedigung von Grundbedürfnissen, insbesondere Nahrungsmittel, Hygieneartikel und Kleidung. Streichungen oder Kürzungen sind insoweit nicht vorgesehen (Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Italien, Gesamtaktualisierung 9.10.2019, S. 13). Abstriche sind durch das Dekret auch nicht bezüglich medizinischer Basisleistungen und insbesondere der kostenfreien Notfallversorgung angeordnet. In den Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben Ärzte beschäftigt, die medizinische Erstuntersuchungen und Notfallmaßnahmen vornehmen, auch um die nationalen Gesundheitsdienste zu entlasten. Zudem bleibt der Zugang zu öffentlichen Krankenhäusern gewährleistet (BFA, Italien, 9.10.2019, a.a.O., S. 19, 20; AIDA – Asylum Information Database: Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, Update 2019, Stand: 27.5.2020, S. 113 ff.). Auf die noch 2018 bestehenden Defizite, wonach unangemessene und überfüllte Einrichtungen in Rom und anderen Hauptstädten und limitierter Zugang zu Gesundheitsvorsorge, Rechtsberatung, Grundbildung und anderen öffentlichen Diensten zu verzeichnen waren (US Departement of State, Country Report on Human Rights Practices 2017 – Italy v. 20.4.2018, https://www.ecoi.net/en/document/1430262.html), wirken sich zumindest die seitdem stetig abnehmenden Anlandungszahlen positiv aus. Die Neuankünfte 2018 betrugen nur ca. ein Viertel der Neueinkünfte des Zeitraums im Vorjahr (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien, 8.5.2019, S. 12). Hinsichtlich der insgesamt von Italien untergebrachten Migranten sind sinkende Zahlen zu verzeichnen, waren es 2018 noch 182.537, waren es 2019 nur noch 131.067 und 2020 sank die Zahl auf 90.198 (BAMF, Bericht zur Aufnahmesituation von Familien mit minderjährigen Kindern nach einer DublinÜberstellung in Italien, 2.4.2020, S. 7; VG Karlsruhe, U.v. 14.9.2020 – A 9 K 3639/18 – Rn. 57). Angesichts fortbestehender Rücküberstellungen, einem Rückstau anhängiger Verfahren und der Schließung von Aufnahmezentren bleibt der Druck auf das italienische Asylsystem dennoch bestehen (SFH, Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien, 8.5.2019, S. 12). Das im aktuellsten Bericht vom österreichischen Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in seiner Länderinformation vom 11. November 2020 beschriebene Verfahren, wonach ein nicht vulnerabler Antragsteller nach Rücküberstellung in eigener Initiative die für ihn zuständige Quästur aufsuchen muss (BFA v. 11.11.2020, S. 7f.), kann aus Sicht des Gerichts keine systemischen Mängel begründen.
Die defizitären Umstände sind nicht so gravierend, dass sie den obergerichtlich auf gestellten Kriterien folgend zu einer existentiellen Not der Dublin-Rückkehrer in Italien führen würden. Weder kann aus den dargelegten Mängeln eine Gleichgültigkeit der italienischen Behörden entnommen werden, noch eine zu befürchtende Verelendung der Dublin-Rückkehrer.
bb) An die Behandlung vulnerabler Personen sind allerdings – speziell hinsichtlich ihrer Unterbringung – besondere Anforderungen zu stellen, von deren zweifelsfreien Einhaltung durch Italien nach den derzeit verfügbaren Erkenntnismitteln nur bei Vorliegen einer individuellen Zusicherung Italiens ausgegangen werden kann (VG München, U.v. 28.10.2020 – M 19 K 19.51141 – juris Rn. 42; VG Regensburg, U.v. 29.5.2020 – RN 7 K 17.51851 – n.v. S. 7, 12, bestätigt von BayVGH, B.v. 9.9.2020 – 9 ZB 20.50011 – juris, Rn. 6 ff.; BayVGH, B.v. 19.10.2020 – 13a ZB 18.30891 – juris Rn. 4f.).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am 4. November 2014 im Fall einer Familie mit minderjährigen Kindern entschieden, dass die Schweizer Behörden die Abschiebung der Familie nach Italien nicht vornehmen dürfen, ohne vorher individuelle Garantien von den italienischen Behörden erhalten zu haben, dass die Antragsteller in Italien in einer dem Alter der Kinder adäquaten Art und Weise behandelt werden und die Familie zusammenbleiben darf (EGMR, U.v. 4.11.2014 – Tarakhel ./. Schweiz, Nr. 29217/12 – NVwZ 2015, 127, Rn. 114 ff.). Die allgemeine Situation der Asylbewerber in Italien war zwar nicht mit der Griechenlands vergleichbar und hatte nicht jegliches Überstellen von Asylbewerbern nach Italien verhindert (vgl. EGMR, U.v. 4.11.2014, a.a.O. Rn. 114 ff.). Es konnte aber nicht ausgeschlossen werden, dass eine erhebliche Anzahl von Asylbewerbern keine Unterkunft findet oder in überbelegten Einrichtungen auf engstem Raum oder in gesundheitsschädlichen oder gewalttätigen Verhältnissen untergebracht war. Um sicherstellen zu können, dass die Aufnahmebedingungen an die Bedürfnisse von besonders schutzbedürftigen Personen angepasst sind, mussten vor deren Abschiebung die vorgenannten individuellen Garantien eingeholt werden, (vgl. EGMR, U.v. 4.11.2014, a.a.O. Rn. 120, 122).
Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH), der mit seinen Urteilen vom März 2019 (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a. – Rs. „Ibrahim u.a.“, juris Rn. 90 f.; U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – Rs. „Jawo“, juris Rn. 92 ff.) die Maßstäbe für Rückführungen im Dublinraum präzisierte und tendenziell eher verschärfte (vgl. Rn. 34, 35), erkennt das Erfordernis einer Differenzierung zwischen gesunden und arbeitsfähigen Flüchtlingen einerseits und Antragstellern mit besonderer Verletzbarkeit andererseits an (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a – Rs. „Ibrahim u.a.“, juris Rn. 93).
In gleicher Weise forderte auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, B.v. 31.7.2018 – 2 BvR 714/18 – juris Rn. 19 f.; B.v. 8.5.2017 – 2 BvR 157/17 – juris Rn. 16; B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 939/14 – juris Rn. 16), dass jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit Neugeborenen (vgl. Art. 16 Abs. 1 der Dublin-III-VO) und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen ist, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren in dem genannten Sinne für die in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen.
Die italienischen Behörden reagierten auf die „Tarakhel“ Rechtsprechung des EGMR mit Erklärungen vom 2. Februar 2015, 15. April 2015 und 8. Juni 2015, in denen sie allgemein zusicherten, dass Familien mit (Klein-) Kindern zukünftig ausschließlich in den für Familien geeigneten SPRAR-Unterkünften untergebracht werden. Daraufhin relativierte der EGMR im Jahr 2016 sein Urteil insofern, als von dem Erfordernis der konkretindividuellen Zusicherung wieder abgesehen wurde (EGMR, E.v. 4.10.2016, Ali v. Switzerland and Italy, Nr. 30474/14, https://dejure.org, Rn. 34). Zu diesem Zeitpunkt sicherten die allgemeinen Zusicherungen Italiens jedoch noch eine grundsätzliche Unterbringung von Familien mit (Klein-) Kindern in SPRAR-Unterkünften zu.
Dies änderte sich jedoch seit den Umstrukturierungen durch das Salvini-Dekret vom Oktober 2018 in entscheidungserheblicher Weise, die die vorliegend getroffene Maßgabe-Entscheidung erforderlich macht. Das neue Unterbringungssystem Italiens differenziert nun zwischen einer Erstaufnahme („prima accoglienza“) und einer sekundären Versorgungsschiene („Sistema di protezione per titolari di protezione internazionale e per minori stranieri non accompagnati“ – SIPROIMI). Asylsuchende – auch Dublin-Rückkehrer und vulnerable Personen – werden in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht und verbleiben während des Asylverfahrens dort. In den SIPROIMI (bis Ende 2018 SPRAR), den Aufnahmeeinrichtungen der zweiten Ebene, werden ausschließlich unbegleitete Minderjährige sowie international Schutzberechtigte untergebracht. Unstreitig ist damit, dass die vom EGMR in Bezug genommenen besser ausgestatteten SPRAR-Unterkünfte, die jetzigen SIPROIMI, den DublinRückkehrern und somit auch Familien nicht mehr zur Verfügung stehen. Ob auf besondere Bedürfnisse vulnerabler Personen Rücksicht genommen wird, hängt davon ab, ob diese vom Gesundheitsdienst im Rahmen der Erstuntersuchung erkannt werden; hiervon kann bei nicht offensichtlichen Bedürfnissen, insbesondere auch bei psychischen Erkrankungen, nicht ohne weiteres ausgegangen werden (SFH Januar 2020, a.a.O., S. 91)
Im Hinblick darauf, dass auch unter Berücksichtigung der allgemeinen Zusicherung der italienischen Behörden vom 8. Januar 2019 nach Erlass des Salvini-Dekrets nicht mehr hinreichend ersichtlich ist, wo und wie die italienischen Behörden eine dem Alter und der Situation von Familien angemessene Unterbringung tatsächlich ermöglichen können (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2019 – 2 BvR 1380/19 – juris Rn. 23), hat die Antragsgegnerin Recherchen in der Zeit vom 16. Dezember 2019 bis 29. Januar 2020 durchgeführt und den im Bescheid zitierten Bericht vom 20. April 2020 verfasst.
Allerdings kann nach zuletzt verfügbaren Erkenntnismittel nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden könne, dass vulnerable Personen sofort nach ihrer Ankunft in Italien Zugang zu einer angemessenen Unterkunft haben werden (SFH Januar 2020, a.a.O. S. 16, 102; AIDA Italy, Update 2019, Stand: 27.5.2020, S. 61).
Der Aussage der Antragstellerin zu 1), man habe sie nach ihrer Ankunft in Italien zusammen mit einer Gruppe anderer Personen in einem Wald warten lassen, ohne dass für eine angemessene Unterkunft gesorgt war, mag aufgrund der vorgetragenen Quarantäne zwar nicht unbedingt verallgemeinerungsfähig sein, ist allerdings dennoch ein gewisses Indiz für das Erfordernis einer gesonderten Zusicherung. Insbesondere kann den Antragstellern nicht ohne weiteres entgegen gehalten werden, sie hätten durch Unterlassen einer Antragstellung in Italien aus freien Stücken auf die damit verbundenen Leistungen des italienischen Staates verzichtet. Denn nach dem Vortrag der Antragstellerin zu 1), sie seien auf Corona getestet worden und hätten dann im Wald warten müssen, kann weder sicher davon ausgegangen werden, dass den Antragstellern überhaupt eine Antragstellung möglich war noch dass eine Antragstellung an dem behördlichen Vorgehen etwas geändert hätte.
Vor allem aber kommt vorliegend hinzu, dass die Antragsteller in mehrfacher Hinsicht zum Personenkreis der vulnerablen Personen zählen dürften (allein reisende Mutter mit einem zwölfjährigen Kind, Analphabetin, Hinweise auf Depressionen). Auch wenn die vorgelegten fachärztlichen Atteste von Dr. M. vom 15. Februar und 1. März 2021 nicht die Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung (§ 60a Abs. 2 c AufenthG) erfüllen, ergeben sich daraus in Zusammenschau mit den verschriebenen Medikamenten zumindest deutliche Hinweise auf eine erhebliche depressive Erkrankung der Antragstellerin zu 1). Zwar sind psychische Erkrankungen mit in Italien zur Verfügung stehenden Möglichkeiten behandelbar; Italien verfügt über eine umfassende Gesundheitsvorsorge, die italienischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitären Schutz stehende Personen gleichermaßen zugänglich ist. Wie oben bereits ausgeführt, kann allerdings nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die sich hieraus ergebenden Bedürfnisse der Antragstellerin zu 1) bei ihrer Ankunft in Italien erkannt werden. Weiter dürfte eine derartige Erkrankung Auswirkungen auf die Fähigkeiten der Antragstellerin zu 1) haben, in Italien für ihre eigenen Bedürfnisse und die des Antragstellers zu 2) zu sorgen; dies gilt umso mehr, als die Antragstellerin zu 1) als Analphabetin ohnehin bereits in besonderem Maß auf die Unterstützung anderer angewiesen sein dürfte.
Vor diesem Hintergrund geht das Gericht derzeit davon aus, dass für die Antragsteller als besonders schutzbedürftige Personen eine Verletzung von Art. 3 EMRK bei der Rückführung nach Italien nur dann ausgeschlossen ist, wenn zuvor eine hinreichend belastbare individuelle Versorgungszusicherung eingeholt wird, dass eine angemessene gemeinsame Unterbringung und Versorgung sowie Gesundheitsversorgung sichergestellt sind.
c) Die Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 3 des Bescheids bleibt auch ohne Erfolg, soweit Abschiebungshindernisse zu prüfen sind. Persönliche Abschiebungshindernisse, die über die allgemeinen Verhältnisse für besonders schutzbedürftige Asylbewerber in Italien hinausgehen, haben die Antragsteller nicht geltend gemacht. Aus den vorgelegten ärztlichen Attesten ergibt sich keine Reiseunfähigkeit.
Schließlich sind auch individuelle außergewöhnliche Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO notwendig machen, weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
2. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen; Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Der Beschluss ist unanfechtbar.

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