Europarecht

Dublin-Verfahren (Italien)

Aktenzeichen  M 3 S 18.50628

Datum:
9.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 43926
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2, Art. 18 Abs. 1 lit. b, Art. 23 Abs. 2, Art. 25 Abs. 2

 

Leitsatz

Ein alleinstehender Mann läuft im Falle seiner Rückkehr nach Italien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr, wegen systemischer Mängel im dortigen Asylverfahren und/oder der Aufnahmebedingungen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden, weil er die elementaren Grundbedürfnisse (Unterkunft, Nahrungsaufnahme, Hygienebedürfnis, medizinische Grundversorgung) in noch zumutbarer Weise befriedigen kann. Anhaltspunkte für eine Überforderung des italienischen Asylsystems liegen – wenn auch in Teilbereichen der tatsächlichen Aufnahme- und Unterbringungsverhältnisse Mängel und Defizite festzustellen sind – nicht vor.  (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.
Der am … 1991 in B. City geborene Antragsteller ist nach seinen Angaben nigerianischer Staatsangehöriger und reiste nach seinen eigenen Angaben am 5. Dezember 2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 2. Februar 2018 Asylantrag stellte.
Bei seiner ersten Befragung durch das Bundesamt zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am 2. Februar 2018 gab der Antragsteller an, dass er sein Heimatland am 7. Januar 2016 verlassen habe und dann über Niger (3-4 Tage), Libyen (6 Monate), nach Italien gereist sei. Dort habe er sich knappe 2 Jahre aufgehalten. Dann sei er am 5. Dezember 2017 über die Schweiz in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist.
Bei seiner weiteren Anhörung am 20. Februar 2018 gab der Antragsteller an, er habe seine Frau traditionell in Nigeria geheiratet. Die Familien hätten die Eheschließung ohne ihn und seine Frau vollzogen. Sie hätten sich getroffen und der Brautpreis sei von seinem Vater bezahlt worden. Seine Frau sei auch hier und hochschwanger.
Die eingeleitete Eurodac-Recherche des Bundesamts hatte einen Treffer der Kategorie I für Italien (…) ergeben. Aufgrund des Eurodac-Treffers der Kategorie I richtete das Bundesamt am 30. Januar 2018 ein Wiederaufnahmeersuchen an Italien.
Eine Reaktion von Italien erfolgte hierauf nach Aktenlage nicht.
Mit Bescheid vom 22. Februar 2018, zugestellt am 26. Februar 2018, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen und ordnete die Abschiebung nach Italien an. Weiter wurde eine Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots ausgesprochen. Auf die Bescheidsbegründung wird Bezug genommen.
Der Antragsteller erhob zur Niederschrift am 27. Februar 2018 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München gegen den Bescheid (M 3 K 18.50627) und beantragte weiter,
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 22. Februar 2018 anzuordnen.
Zur Begründung nahm der Kläger Bezug auf seine Angaben gegenüber dem Bundesamt.
Außerdem wies er darauf hin, dass sich seine Frau ebenfalls hier aufhalte und sich derzeit wegen Problemen während der bestehenden Schwangerschaft im Krankenhaus F. befinde. In Italien hätte sich trotz der Schwangerschaft seiner Frau niemand um sie gekümmert. Sie seien sogar aus dem Lager, in dem sie untergebracht gewesen seien, verwiesen worden, ohne dass ihnen eine andere Unterkunft zur Verfügung gestellt worden sei. Eine Rückkehr nach Italien sei deshalb nicht zumutbar.
Das Bundesamt legte mit Schreiben vom 13. März 2018 die Behördenakten vor und äußert sich nicht weiter.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bleibt ohne Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es eine Abwägung trifft zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des ablehnenden Bescheids, wie es der Regelung des § 75 Abs. 1 AsylG zu Grunde liegt, und dem Interesse des jeweiligen Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, hat das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurückzutreten. Erweist sich der Bescheid bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen zu beurteilen, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung, bei der jedoch die gesetzgeberische Entscheidung, die aufschiebende Wirkung einer Klage auszuschließen, zu berücksichtigen ist.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe geht die Interessenabwägung hier im Ergebnis zu Lasten des Antragstellers aus. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage sind die Erfolgsaussichten seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts als gering anzusehen. Es überwiegt somit das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids.
Die Abschiebungsanordnung erweist sich als rechtmäßig.
Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier nach summarischer Prüfung vor; danach ist davon auszugehen, dass Italien der für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers originär zuständige Mitgliedstaat ist.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 v. 29.06.2013, S. 31 – im Folgenden: Dublin III-Verordnung) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
Gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO prüft der Mitgliedstaat den Asylantrag, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-Verordnung dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig (Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO). Zuständiger Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers ist aufgrund der Daten aus der Eurodac-Datei (vgl. Art. 8 Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates über die Errichtung von „Eurodac“, ABl. L 316) und des eigenen Vortrags des Antragstellers im Rahmen seiner Befragung vor dem Bundesamt, Italien. Nach den eigenen Angaben des Antragstellers zu seinem Reiseweg war Italien der erste Dublin-Mitgliedstaat, in den er eingereist ist.
Da auf das Wiederaufnahmegesuch keine Reaktion erfolgte, ist gemäß Art. 25 Abs. 2, Art. 25 Abs. 1 Dublin III-VO davon auszugehen, dass Italien seine Zuständigkeit anerkennt und den Antragsteller wieder aufnimmt (vgl. Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO).
Die Abschiebung nach Italien kann auch durchgeführt werden. Gründe, von einer Überstellung nach Italien gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO abzusehen, sind nicht ersichtlich. Diese Vorschrift setzt voraus, dass es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta – EU-GR-Charta – mit sich bringen. In diesem Fall setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der Zuständigkeitskriterien nach Kapitel III der Dublin III-VO fort, um ggf. die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festzustellen. Kann keine Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festgestellt werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention – EMRK – finden (EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f.). Daraus hat der EuGH die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht (EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O. Rn. 80). Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der EU-Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O. Rn. 104).
Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O. Rn. 86 und 94). Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der (damals maßgeblichen) Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O. Rn. 106 und LS 2).
Der erkennende Richter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 27.4. 2010 – 10 C 5.09 – BVerwGE 136, 377 Rn. 22) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein wird, wobei derartige Defizite deshalb vorhersehbar sein müssen, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Dann treffen die Mängel den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern waren von deutschen Behörden und Gerichten verlässlich vorhersehbar. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
Das Gericht konnte sich in diesem Sinne nicht die erforderliche Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass der Antragsteller in Italien grundsätzlich wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen mit beachtlicher, also überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt würde.
Nach dem aktuellen Erkenntnisstand verfügt Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren, welches trotz nach wie vor bestehender Mängel auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass ein rücküberstellter Asylbewerber nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. Obwohl in Teilbereichen der tatsächlichen Aufnahme- und Unterbringungsverhältnisse Mängel und Defizite festzustellen sind, sind diese jedoch nicht so gravierend, dass ein grundlegendes, systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, mit der Folge einer zu prognostizierenden, systembedingt unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK.
Das Gericht schließt sich insoweit der Auswertung des aktuellen Erkenntnismaterials in der ganz überwiegenden verwaltungsgerichtlichen, auch obergerichtlichen, Rechtsprechung an (vgl. aktuell VG Cottbus, B.v. 12.7.2017. 5 L 442/17.A – juris Rn. 15 ff. unter Hinweis auf die Entscheidung des EGMR zu Italien vom 4.10.2016 Nr. 304/74/14; VG Greifswald, B.v. 10.7.2017 – 5 B 1225/17 As HGW – juris Rn. 23; VG Düsseldorf, B.v. 7.72017 – 8 L 872/17.A – juris Rn. 22 ff.; VG München, B.v. 6.7.2017 – M 9 S 16.51285; VG Würzburg, B.v. 26.6.2017 – W 8 S 17.50340; VG Düsseldorf, B.v. 29.3.2017 – 12 L 393/17.A m.w.N.; OVG NRW, B.v. 12.10.2016 – 13 A 1624/16.A – juris Rn. 4 f, unter Hinweis auf die grundsätzliche Klärung in OVG NRW, U.v. 18.07.2016 – 13 A 1859/14.A – juris; OVG Lüneburg, U. v. 25.06.2015 – 11 LB 248/14 – juris; VG München, B.v. 26.4.2017 – M 8 S 17.50710 – juris; VG Düsseldorf, B.v. 29.3.2017 – 12 L 393/17.A – juris; VG München, B.v. 22.3.2017 – M 9 S 17.50325 – juris; VG Hamburg, B.v. 8.2.2017 – 9 AE 5887/16 – juris; VG Magdeburg, B.v. 23.1.2017 – 8 B 15/17 – juris; VG Düsseldorf, B.v. 18.1.2017 – 12 L 3754/16.A – juris VG München, B.v. 11.1.2017 – M 8 16.51193 – juris; VG München; VG München, U.v. 9.12.2016 – M 9 K16.50798).
Danach werden „Dublin-Rückkehrer“ grundsätzlich untergebracht, versorgt und haben Zugang zu medizinischer Behandlung. Zwar mag es immer wieder vorkommen, dass Asylsuchende während der Bearbeitung ihres Asylantrags in Italien auf sich alleine gestellt und zum Teil auch obdachlos sind. Dies und auch die zum Teil lange Dauer der Asylverfahren sind darauf zurückzuführen, dass das italienische Asylsystem aufgrund der hohen Asylbewerberzahlen stark ausgelastet und an der Kapazitätsgrenze angelangt ist. Zum einen haben die italienischen Behörden hierauf jedoch reagiert und u.a. zusätzliche Aufnahmezentren geschaffen. Zum anderen sind diese Defizite weder für sich genommen noch insgesamt als so gravierend zu bewerten, dass ein grundlegendes systemisches Versagen des Mitgliedstaats anzunehmen wäre (vgl. VG München, B. v. 07.07.2016 – M 1 S 16.50387 – juris Rn. 17 m. w. N.). Insbesondere wird die Versorgung der Grundbedürfnisse auch durch Einrichtungen in kommunaler, kirchlicher oder privater Trägerschaft sichergestellt.
Das Gericht hat daher nicht die Überzeugung gewinnen können, dass in Bezug auf Italien systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen bestehen, die eine beachtliche Gefahr dafür begründen, der Antragsteller würde im Fall seiner Rückkehr oder Überstellung nach Italien einer unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 4 GrCH, Art. 3 EMRK, ausgesetzt sein.
Zu keinem anderen Ergebnis kommt auch der Länderbericht des Europäischen Flüchtlingsrats (ECRE) für das Projekt AIDA – Asylum Information Database – zu Italien, Update Februar 2017, abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/reports/country/italy.
Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO verpflichten würden, sind nicht ersichtlich.
Die Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 3 des Bescheids bleibt voraussichtlich auch ohne Erfolg, soweit in der Person des Antragstellers liegende Abschiebungshindernisse zu prüfen sind. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis, § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG, oder ein inlandsbezogenes Vollzugshindernis (BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 10 CE 14.427 – juris) sind nicht dargetan.
Eine Reiseunfähigkeit im engeren Sinne besteht nicht. Weder hat der Antragsteller behauptet, er sei aufgrund einer Erkrankung nicht in der Lage nach Italien zu reisen noch ergeben sich ansonsten Anhaltspunkte dafür.
Der Antragsteller hat selbst vorgetragen, nur traditionell mit seiner Frau verheiratet zu sein. Zudem hat er in keiner Weise seine Vaterschaft des noch ungeborenen Kindes dieser Frau nachgewiesen. Auch hat die angebliche Frau des Antragstellers keinen Aufenthaltsstatus in Deutschland, der dazu führen könnte, dass der Antragsteller nicht nach Italien abgeschoben werden könnte.
Nach alledem besteht derzeit kein Abschiebeverbot. Damit fällt die Interessenabwägung von Suspensiv- und Vollzugsinteresse zuungunsten des Antragstellers aus.
Ergänzend wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die ausführliche Begründung des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen, der das Gericht folgt.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.

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