Aktenzeichen Au 6 K 17.50223
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2, Art. 18 Abs. 1 lit. b, Art. 23 Abs. 2, Art. 25 Abs. 2
Leitsatz
1 Auch in Ansehung des Umstands, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und dort im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches – in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges – Leistungsniveau besteht, begründet die Lage der Personen, denen in Italien ein internationaler Schutzstatus zuerkannt wurde, noch keine systemischen Mängel. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Flüchtlingen und Personen mit humanitärem Aufenthaltsrecht steht gleichermaßen wie italienischen Bürgern kostenloser Zugang zur Notfallversorgung, die Versorgung sonstiger ernsthafter, auch chronischer Erkrankungen mit den erforderlichen Medikamenten und der notwendigen ärztlichen Behandlung offen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Klage, über die wegen des übereinstimmenden Verzichts der Beteiligten nach § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Bescheid des Bundesamtes vom 5. September 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Anfechtungsklage vorliegend die allein statthafte Klageart (vgl. BVerwG, U.v. 27.10.2015 – 1 C 32.14 – BVerwGE 153, 162; BayVGH, U.v. 23.3.2017 – 13a B 17.50003 – juris).
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Asylantrag des Klägers ist unzulässig, weil Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 des Asylgesetzes – AsylG). Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl L 180 vom 29.6.2013, S. 31; sog. Dublin III-VO), für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die Reihenfolge der Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats richtet sich nach Kapitel III der Verordnung (vgl. Art. 7 Abs. 1 Dublin III-VO). Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet die Beklagte die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
a) Vorliegend ist davon auszugehen, dass Italien im auch für die Anwendung der Dublin III-VO maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG, vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2016 – 1 C 24.15 – juris Rn. 8) für die Behandlung des Asylgesuchs des Klägers zuständig.
Gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO prüft der Mitgliedstaat den Asylantrag, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin-III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig (Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO). Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts (Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO). Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 2 Dublin III-VO betrifft Fälle, in denen eine Zuständigkeit nicht oder nach Absatz 1 nicht mehr besteht. Danach ist derjenige Mitgliedstaat im Falle der illegalen oder nicht aufklärbaren Einreise zuständig, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller zuvor während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten aufgehalten hat (vgl. Günther in BeckOK AuslR, Stand 1.8.2017, § 29 AsylG Rn. 57). Dies ist aufgrund des Aufenthalts in Italien und der vorliegenden Beweise und Indizien (Art. 22 Abs. 3 VO 604/2013/EU i.V.m. Anhang II Verzeichnis A I Nr. 7, B I Nr. 7 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. L 39 vom 8.2.2014, S. 1), hier der Daten aus der Eurodac-Datei (vgl. Art. 8 Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11.12.2000 über die Errichtung von „Eurodac“ für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens, ABl. L 316 vom 15.12.2000, S. 1, i.V.m. Art. 2 Abs. 3 Satz 5 Verordnung (EG) Nr. 407/2002 des Rates vom 28.2.2002 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 über die Errichtung von „Eurodac“ für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens, ABl. L 62 vom 5.3.2002, S. 1), der Fall.
Der Kläger hat sich vor der gegenständlichen Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in Italien aufgehalten und dort erfolglos um internationalen Schutz nachgesucht, jedoch eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erhalten. Bestätigt wird dies durch den dem Bundesamt vorliegenden Eurodac-Treffer und die vom Kläger vorgelegten Dokumente italienischer Behörden. Die in Italien erfolgte Erteilung eines (befristeten) Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen führt nicht zur Unanwendbarkeit der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (vgl. VGH BW, B.v. 15.3.2017 – A 11 S 2151/16 – juris Rn. 18); allein deshalb greift vorliegend auch nicht Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Dublin III-VO. Fragen der Sekundärmigration von anerkannten Flüchtlingen stellen sich demnach vorliegend nicht (vgl. BVerwG, B.v. 27.6.2017 – 1 C 26/16 – juris). Italien ist demnach gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO gehalten, den Kläger wieder aufzunehmen; Italien ließ das Wiederaufnahmegesuch unbeantwortet und ist daher durch Ablauf der Antwortfrist von zwei Wochen nach Versand des Rückübernahmegesuchs am 12. Juni 2017 seit dem 27. Juni 2017 zuständig (Art. 25 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin III-VO).
b) Gründe, von einer Überstellung nach Italien gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO abzusehen, sind nicht ersichtlich.
Diese Vorschrift setzt voraus, dass es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen. In diesem Fall setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der Zuständigkeitskriterien nach Kapitel III der Dublin-III-VO fort, um ggf. die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festzustellen. Kann keine Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festgestellt werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(1) Der Regelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO liegt das Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10, C-493/10 – juris) zugrunde. Danach gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der EU-Grundrechtecharta entspricht. Allerdings ist diese Vermutung widerleglich. Den nationalen Gerichten obliegt die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH v. 21.12.2011, a.a.O.). Die Vermutung ist jedoch nicht bereits bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen in dem jeweils zuständigen Mitgliedstaat widerlegt. An die Feststellung systemischer Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von derartigen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im betreffenden Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 9).
(2) Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass ein außerhalb des Konzepts normativer Vergewisserung liegender Ausnahmefall vorliegt, oder dass der Kläger in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. NdsOVG, U.v. 25.6.2015 – 11 LB 248/14 – AuAS 2015, 180, juris; BayVGH, U.v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295; OVG NRW, U.v. 24.4.2015 – 14 A 2356/12A; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13; OVG RhPf, U.v. 21.2.2014 – 10 A 10656/13 – jeweils juris). Dublin-Rückkehrer erhalten in der Regel einen ungehinderten Zugang zum Asylverfahren und in der ersten Zeit nach der Überstellung ein geordnetes Aufnahmeverfahren mit den zugehörigen Leistungen zur Sicherung der Grundbedürfnisse. Sie werden im Allgemeinen in den früheren Stand ihres Asylverfahrens eingesetzt (BayVGH, U.v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris Rn. 42). Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und dort im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches – in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges – Leistungsniveau besteht (BayVGH, U.v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris Rn. 44; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris Rn. 56).
Auch neueren Erkenntnismitteln können keine Hinweise auf systemische Mängel entnommen werden. In dem vom Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE) für das Projekt AIDA – Asylum Information Database erstellten Länderbericht zu Italien vom Januar 2015 (abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/reports/country/italy) wird zwar ausgeführt (vgl. S. 51 ff. des Berichts), dass dort zumindest in der Vergangenheit nicht für alle Asylbewerber adäquate Aufnahmeeinrichtungen zur Verfügung gestanden haben; die Zahl von Unterbringungsplätzen war unzureichend. Bei Dublin-Rückkehrern, wie dem Kläger, kann es längere Zeit dauern, bis sie einer Aufnahmeeinrichtung zugewiesen werden. Zum einen jedoch werden die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen dem vorgenannten Bericht zufolge (vgl. dort S. 53 f.) seit 2013 deutlich erhöht. UNHCR und Nichtregierungsorganisationen beraten die staatlichen Stellen bei der Verbesserung der Aufnahmebedingungen. Speziell für Dublin-Rückkehrer wurden zum anderen Zentren zur übergangsweisen Unterbringung eingerichtet. Ein systemischer Mangel der Aufnahmebedingungen kann deshalb auch für die Personengruppe, welcher der Kläger angehört, nicht angenommen werden.
Auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR (GK), U.v. 4.11.2014 – Tarakhel/Schweiz, Nr. 29217/12 – NVwZ 2015, 127) werden keine systemischen Mängel der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien festgestellt. Vielmehr ist bei besonders schutzbedürftigen Asylbewerbern wie z.B. Familien mit Neugeborenen und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn. 16, BayVGH, B.v. 15.1.2015 – 21 ZB 14.50051 – juris) im Einzelfall sicherzustellen, dass diese im Falle einer Rückführung nach Italien angemessen untergebracht und versorgt werden. Die genannten Entscheidungen beinhalten keine Aussage zu eventuellen systemischen Mängeln in Italien, sondern lediglich eine Einschränkung für die Abschiebung von Familien nach Italien. Zudem hat der EGMR in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2015 im Verfahren A.M.E. gegen Niederlande (Az. 51428/10) entschieden, dass die Struktur und die Gesamtsituation des italienischen Flüchtlings- und Asylbewerberaufnahmesystems kein genereller Grund sind, eine Überstellung im Zuge des sog. Dublin-Verfahrens zu verbieten. Der Umstand, dass sich die Situation für den Kläger in Italien u.U. deutlich schlechter als im Bundesgebiet darstellt, begründet keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens).
(3) Im Hinblick auf medizinische Betreuung und Versorgung ergibt sich keine Verpflichtung der Beklagten, das Asylverfahren durchzuführen (vgl. EGMR, U.v. 30.6.2015 – 39350/13 – A.S. gegen Schweiz), da Italien über eine umfassende Gesundheitsfürsorge verfügt, die italienischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitärem Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. Nach der bestehenden Auskunftslage funktioniert die notfallmedizinische Versorgung und der Zugang zu Hausärzten grundsätzlich ebenso wie das Angebot von psychologischer und psychiatrischer Behandlung (vgl. VG Ansbach, U.v. 11.12.2015 – AN 14 K 15.50316 – juris Rn. 26 m.w.N.). Auch der bereits erwähnte Bericht von AIDA bestätigt die Gleichstellung von Asylsuchenden und international Schutzberechtigten mit italienischen Staatsangehörigen hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung (vgl. dort S. 84). Eine Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert dabei die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten (VG Augsburg, B.v. 19. 9.2015 – Au 7 S. 15.50412 – juris). Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (VG München, B.v. 5.11.2014 – M 18 S. 14.50356 – juris). Auch bei Überstellung von kranken Personen, deren Asylverfahren in Italien negativ abgeschlossen ist, besteht damit die Möglichkeit der Behandlung. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger in Italien Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung hat.
c) Aus den genannten Gründen kann der Kläger auch keine Verpflichtung der Beklagten zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO beanspruchen. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Bei Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO handelt es sich um eine restriktiv zu handhabende Ausnahmebestimmung, die eine Zuständigkeitsübernahme in Fällen ermöglicht, in denen außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach Maßgabe der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern. Vor diesem unionsrechtlichen Hintergrund ist die im weiten Ermessen der Beklagten stehende Entscheidung, von ihrem Selbsteintrittsrecht im Fall des Klägers keinen Gebrauch zu machen, hier rechtlich nicht zu beanstanden.
Soweit der Kläger vorbringt, dass er in Italien nicht leben könne, obdachlos und ohne Arbeit gewesen sei und in Deutschland ein neues Leben suche, führt dies noch nicht zur Verpflichtung der Beklagten zum Selbsteintritt. Die im Vergleich zu Deutschland schlechtere wirtschaftliche Lage in Italien bzw. der Umstand, dass der Kläger in Italien auf keine gesetzlich garantierten Sozialleistungen zurückgreifen kann und sich ggf. an Hilfsorganisationen wenden muss, ist rechtlich ebenso wenig relevant, wie der Wunsch des Klägers, in Deutschland bleiben zu wollen (vgl. zum Ganzen: VG Osnabrück, B.v. 8.8.2017 – 5 B 212/17 – juris; VG Augsburg, B.v. 28.3.2017 – Au 7 S. 17.30519 – juris Rn. 28; vgl. auch VG München, B.v. 4.4.2017 – M 9 S. 17.50860 – juris Rn. 27-36). Dass dem Kläger Zugang zu einer psychiatrischen Behandlung seiner Erkrankung grundsätzlich verwehrt geblieben wäre, hat er selbst nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Denn auch bei der Gesundheitsversorgung werden Flüchtlinge und Personen mit humanitärem Aufenthaltsrecht in Italien wie italienische Bürger behandelt. Der kostenlose Zugang zur Notfallversorgung steht ihnen immer zur Verfügung, die Versorgung sonstiger ernsthafter, auch chronischer Erkrankungen mit den erforderlichen Medikamenten und der notwendigen ärztlichen Behandlung ist gesichert (vgl. SFH, Auskunft an OVG NRW, 18.5.2016, S. 4). Soweit ein Arztbesuch wegen fehlender Registrierung beim nationalen Gesundheitsdienst und bei der öffentlichen lokalen Institution ASL nicht möglichsein sollte, wäre es ihm zuzumuten, diese Registrierung bei den genannten Stellen durchzuführen. Hierbei kann von ihm auch auf die Unterstützung durch Hilfsorganisationen zurückgegriffen werden (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das OVG NRW, 23.2.2016, S. 5). Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger auch unter Berücksichtigung seiner Erkrankung den hierfür erforderlichen Organisationsaufwand leisten kann. Zudem sind gemäß Epikrise vom 22. Mai 2017 des Bezirksklinikums … Krankheitseinsicht und Behandlungsbereitschaft vorhanden. Ferner ist davon auszugehen, dass die zuständigen italienischen Behörden im Rahmen des Abschiebevorgangs über den Gesundheitszustand des Klägers in Kenntnis gesetzt werden (die Zustimmung des Klägers hierzu liegt vor, Seite 36 der Bundesamtsakte) und gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen treffen.
d) Auch ist die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO noch nicht abgelaufen.
Die Rückübernahmefrist hat mit Ablauf des 26. Juni 2017 (2 Wochen nach Stellung des Rückübernahmegesuchs nach Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO) zu laufen begonnen und läuft erst am 26. Dezember 2017 ab (Art. 29 Abs. 1 UAbs. 1, Abs. 2 Dublin III-VO), kann derzeit also noch gewahrt werden. Ob die Frist durch das Eilrechtsgesuch sogar neu angelaufen ist (Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO, dazu BVerwG, U.v. 26.5.2016 – 1 C 15.15 – juris Rn. 11), kann daher dahinstehen.
3. Auch die Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ist rechtmäßig. Es wird insoweit auf die Ausführungen im strittigen Bescheid Bezug genommen
4. Nach allem erweist sich der angefochtene Bescheid des Bundesamtes als rechtmäßig und war die Klage demnach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.