Aktenzeichen M 9 K 17.51567
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2, Art. 9, Art. 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 lit. b, Art. 23 Abs. 2, Art. 25 Abs. 2
Leitsatz
Das Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft begründet kein Abschiebungsverbot auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 GG, noch verleiht es einen Anspruch auf Selbsteintritt gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO. Auch die bei der Anwendung der Dublin III-VO zu berücksichtigenden Auslegungsgrundsätze der Familieneinheit und Humanität (vgl. die Erwägungen Nr. 14, 15 und 17 sowie Art. 16, 17 Dublin-III-VO) vermögen aus einer gerade nicht bestehenden Ehe nicht die Wirkungen einer solchen hervorzubringen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen, weil sich die Beteiligten damit individuell einverstanden erklärt haben (der Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom 20. Juli 2017) bzw. ein entsprechendes generelles Einverständnis vorliegt (auf Beklagtenseite sowie von der Vertretung des öffentlichen Interesses), § 101 Abs. 2 VwGO.
Für das Gericht ist hinsichtlich der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG). Insbesondere kommen das AsylG und das AufenthG in den aktuellen Fassungen (AsylG: zuletzt geändert durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017, BGBl I, 872 bzw. durch Art. 2 des Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20.7.2017, BGBl I, 2780; AufenthG: zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises vom 7.7.2017, BGBl I, 2310 bzw. durch Art. 1 des Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20.7.2017, BGBl I, 2780) zur Anwendung.
Die Klage ist nur teilweise zulässig. Zwar ist sie fristgerecht erhoben worden, § 74 Abs. 1 Hs. 2 AsylG. Allerdings ist nur die Anfechtung des Bescheids vom 20. Juni 2017 statthaft; im Übrigen, nämlich soweit die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten auf Asylanerkennung und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie hilfsweise die Gewährung subsidiären Schutzes und die Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungsverboten begehrt, ist die Klage bereits unzulässig. Statthafte Klageart in der vorliegenden Konstellation ist allein die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 20. Juni 2017 mit dem Ziel der Aufhebung der darin der Sache nach getroffenen Entscheidung über die Unzuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags und die Abschiebungsanordnung. Der darüber hinausgehende Verpflichtungsantrag ist unzulässig, weil er sich auf die materielle Prüfung der Asylanträge bezieht, die von dem behördlichen Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zu unterscheiden ist (vgl. BVerwG, U.v.27.10.2015 – 1 C 32/14 -, juris Rn. 13f. zu § 27a AsylG). Ein Durchentscheiden ist nicht möglich, weil die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten ist. Diesem ist zunächst Gelegenheit zu geben, eine den Streitstoff erschöpfende Sachentscheidung zu treffen. Auch steht die besondere Ausgestaltung des Asylverfahrens im Falle versäumter Sachentscheidung einem Durchentscheiden durch das Gericht entgegen (vgl. BVerwG, U.v.07.03.1995 – 9 C 264/94 -, juris Rn. 12 ff., 15; U. v.05.09.2013 – 10 C 1/13 -, juris Rn. 14 zu §§ 32, 33 AsylVfG). Darauf, ob die Klage auch hinsichtlich des zweiten Hilfsantrags auf Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach nationalem Recht wie die übrigen Verpflichtungsanträge, bei denen das unstreitig der Fall ist, unzulässig ist oder auf Grund der Regelung in § 31 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 AsylG anderes zu gelten hat, kommt es hier nicht an. Denn unabhängig davon, dass das in prozessualer Hinsicht voraussetzen würde, dass der Antrag auf Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG sich auf den „Dublin-Zielstaat“ Italien beziehen müsste, was dem Antrag auch im Wege der Auslegung nicht zu entnehmen ist, kommt es jedenfalls in der Sache mangels Vorliegen der Voraussetzungen nicht in Betracht, hinsichtlich Italien eine entsprechende Verpflichtung auszusprechen; insofern wird auf die Darlegungen unten, wo u.a. auch ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Italien geprüft und verneint wird, Bezug genommen.
Die Klage ist, soweit sie zulässig ist, unbegründet, denn der Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2017, auf den im Sinne von § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen wird, ist rechtmäßig, so dass die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt wird, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Beides ist vorliegend der Fall.
1. Italien ist als Mitgliedstaat, über dessen Grenze die Klägerin aus einem Drittstaat illegal eingereist ist, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Die Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die – wie hier – nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung.
Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist ohne weiteres Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Das ist auch nach dem eigenen Vortrag der Klägerin Italien; es wird zudem belegt durch den für die Klägerin erzielten Eurodac-Treffer mit der Kennzeichnung „IT2“. Die Ziffer „2“ steht für Drittstaatsangehörige, die beim illegalen Überschreiten einer Außengrenze aufgegriffen wurden (Art. 24 Abs. 4 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 vom 26.6.2013 (Neufassung) (EURODAC-VO)). Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO erloschen. Damit ist vorliegend Italien der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat. Warum Italien nicht zuständig sein sollte, wie der Bevollmächtigte der Klägerin meint, ist nicht nachvollziehbar. Dass die Klägerin ausweislich des entsprechenden weiteren für die Klägerin erzielten Eurodac-Treffers mit der Kennzeichnung „NL1“ – die Ziffer „1“ steht für einen Antrag auf internationalen Schutz (Art. 24 Abs. 4 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 vom 26.6.2013 (Neufassung) (EURODAC-VO)) – in den Niederlanden einen Asylantrag gestellt hat, ändert an der Zuständigkeit Italiens ebenfalls nichts, da die illegale Einreise nach Italien vor der Asylantragstellung in den Niederlanden war, weshalb die Ablehnung des Überstellungsgesuchs durch die niederländischen Behörden (Bl. 59f. der Bundesamtsakten) korrekt war.
Da die italienischen Behörden auf das Wiederaufnahmeersuchen der Beklagten nicht reagiert haben, ist gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen (Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO).
2. Die Abschiebung nach Italien kann gemäß § 34a Abs. 1 AsylG auch durchgeführt werden.
Die Zuständigkeit ist nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO auf die Beklagte übergegangen, weil eine Überstellung an Italien als den zuständigen Mitgliedstaat an Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO scheitern würde. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin im Falle einer Abschiebung nach Italien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt wäre.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v.14.05.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 –, juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v.21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitglied-staat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für den jeweiligen Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v.21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v.19.03.2014 – 10 B 6.14 –, juris).
Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass die Klägerin in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. BayVGH, U.v.28.02.2014 – 13a B 13.30295 –, juris; OVG NRW, B.v. 16.2.2017 – 13 A 316/17.A – juris Rn. 3 – 5; U.v.22.09.2016 – 13 A 2248/15.A –, juris Rn. 72ff.; U.v.18.07.2016 – 13 A 1859/14.A –, juris Rn. 54ff.; U.v.24.04.2015 – 14 A 2356/12.A –, juris; U.v. 07.03.2014 – 1 A 21/12.A –, juris; VGH BW, U.v.16.04.2014 – A 11 S 1721/13 –, juris; OVG Rh-Pf, U.v.21.02.2014 – 10 A 10656/13.OVG –, juris; OVG LSA, U.v.02.10.2013 – 3 L 645/12 –, juris; OVG Berlin-Bbg, B.v.17.06.2013 – OVG 7 S. 33.13 –, juris; NdsOVG, B.v.30.01.2014 – 4 LA 167/13 –, juris; U.v.25.06.2015 – 11 LB 248/14 –, juris; VG Osnabrück, B.v. 8.8.2017 – 5 B 212/17 – juris; vgl. auch BVerfG, Kammerb.v.17.09.2014 – 2 BvR 732/14 –, juris). Danach verfügt Italien unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren, welches trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. Obwohl sich in Teilbereichen der tatsächlichen Aufnahmebedingungen durchaus erhebliche Mängel und Defizite feststellen lassen, werden diese, weder für sich genommen noch insgesamt, als so gravierend bewertet, dass ein grundlegendes, systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, welches für einen Dublin-Rückkehrer nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 EUGRCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad impliziert (vgl. OVG NRW, U.v.07.03.2014, a.a.O, Rn 132; OVG Rh-Pf, U.v. 21.02.2014, a.a.O, Rn 45 f.).
Das Gericht schließt sich damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an (vgl. EGMR, B.v.02.04.2013 – Hussein u.a. ./.Niederlande und Italien, Nr. 27725/10 –, ZAR 2013, 336; B.v.18.06.2013 – Halimi ./.Österreich und Italien, Nr. 53852/11 –, ZAR 2013, 338). Unter Berücksichtigung der Berichte von Regierungs- und Nichtregierungsinstitutionen und -organisationen über die Aufnahmeprogramme für Asylbewerber in Italien kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber zwar einige Mängel aufweisen mögen, dass die vorliegenden Materialien jedoch kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen würden. Berichte des UNHCR und des Menschenrechtskommissars wiesen auf jüngste Verbesserungen der Situation hin mit dem Ziel der Mängelbeseitigung; alle Berichte zeigten übereinstimmend und ausführlich die Existenz ausgearbeiteter Strukturen von Einrichtungen und Hilfsmaßnahmen, die auf die Bedürfnisse der Asylbewerber zugeschnitten seien. Diese Rechtsauffassung hat der EGMR, dessen Rechtsprechung für die Auslegung der EMRK auch über den jeweilig entschiedenen Fall hinaus eine Orientierungs- und Leitfunktion hat (BVerfG, U.v.04.05.2011 – 2 BvR 2333/08 –, juris), durch seine Entscheidung vom 10. September 2013 (Nr. 2314/10 – HUDOC) ausdrücklich bestätigt.
Auch aus den vom Bevollmächtigten der Klägerin in der Begründung zitierten Gerichtsentscheidungen folgt kein anderes Ergebnis. In einem Rechtssystem mit der Regelung, dass die Richter unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen sind, Art. 97 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), ist das Gericht nicht an die Entscheidungen anderer Gerichte gebunden, weder an Entscheidungen von im Instanzenzug übergeordneten Gerichten noch an Entscheidungen von Gerichten derselben Instanz. Im Übrigen vermag die (mittlerweile vollkommen) vereinzelte Auffassung einzelner Verwaltungsgerichte, dass das italienische Asylsystem an systemischen Mängeln leide, nicht die Richtigkeit des gegenteiligen Ergebnisses, das von einer Vielzahl von Gerichten aller Instanzen vertreten wird (vgl. oben S. 10, wo ein kleiner Ausschnitt aus der insoweit unübersehbaren Rechtsprechung nachgewiesen ist) in Frage zu stellen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des EGMR vom 4. November 2014 im Verfahren Tarakhel ./. Schweiz (Az. 29217/12, NVwZ 2015, 127 ff.). Der EGMR hat hier lediglich entschieden, dass die Schweizer Behörden die Abschie-bung einer Familie nach Italien nicht vornehmen dürfen, ohne vorher individuelle Garantien von den italienischen Behörden erhalten zu haben, dass die Antragsteller in Italien in einer dem Alter der Kinder adäquaten Art und Weise behandelt werden und die Familie zusammenbleiben darf. Das Urteil beinhaltet damit keine Aussage zu eventuellen systemischen Mängeln in Italien, sondern lediglich eine Einschränkung für die Abschiebung von Familien nach Italien. Zudem hat der EGMR in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2015 im Verfahren A.M.E. ./. Niederlande (Az. 51428/10) entschieden, dass die Struktur und die Gesamtsituation des italienischen Flüchtlings- und Asylbewerberaufnahmesystems kein genereller Grund sind, eine Überstellung im Zuge des sog. Dublin-Verfahrens zu verbieten. Unabhängig davon sind die Umstände des streitgegenständlichen Falles der Klägerin mit denjenigen in der Entscheidung des EGMR nicht vergleichbar.
Auch aus neueren Erkenntnismitteln können keine Hinweise auf systemische Mängel entnommen werden. In dem vom Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE) für das Projekt AIDA – Asylum Information Database erstellten Länderbericht zu Italien vom Dezember 2015 (abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/reports/country/italy) wird zwar ausgeführt (vgl. S. 62 ff. des Berichts), dass dort zumindest in der Vergangenheit nicht für alle Asyl-bewerber adäquate Aufnahmeeinrichtungen zur Verfügung gestanden haben und die Zahl von Unterbringungsplätzen nur unzureichend war. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der italienische Staat hiergegen erfolgsversprechende Gegenmaßnahmen ergreift. Zum einen werden die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen dem vorgenannten Bericht zufolge seit 2013 deutlich erhöht. UNHCR und Nichtregierungsorganisationen beraten die staatlichen Stellen bei der Verbesserung der Aufnahmebedingungen. Speziell für Dublin-Rückkehrer wurden zum anderen Zentren zur übergangsweisen Unterbringung eingerichtet (vgl. S. 63f. des Berichts). Ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen lässt sich dem AIDA-Bericht nicht entnehmen. Ein systemischer Mangel der Aufnahmebedingungen kann daher auch für die Personengruppe, der die Klägerin angehört, nicht angenommen werden.
Auch aus dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe von August 2016 (vgl. Schweizerischen Flüchtlingshilfe (https://www.fluechtlingshilfe.ch/…/160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen) ergibt sich nichts Anderes. Denn erstens handelt es sich hierbei nicht um das einzig richtige bzw. einzig maßgebliche Erkenntnismittel, vielmehr ergibt eine Berücksichtigung dieses Erkenntnismittels in der Zusammenschau mit den zahlreichen anderen vorhandenen Erkenntnismitteln eben im Ergebnis, dass systemische Mängel im italienischen Asylverfahren nicht vorliegen. Zweitens wäre die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien erst dann überschritten, wenn absehbar wäre, dass auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung des Problems ergriffen würden. Dafür gibt es auch nach dem aktuellen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aus dem August 2016 keine Hinweise (vgl. VG Schwerin, U.v.26.09.2016 – 16 A 1757/15 As SN –, juris Rn. 122), auch ansonsten ist das nicht der Fall (vgl. z.B. OVG NRW, U.v.18.07.2016 – 13 A 1859/14.A –, juris Rn. 103ff.).
Die gegenwärtig hohe Zahl von Einwanderern nach Italien stellt keinen Umstand dar, der eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern hin keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung der damit verbundenen Probleme ergriffen würden. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden (vgl. OVG NRW, U.v.24.04.2015 a.a.O., U.v. 18.7.2016 – 13 A 1859/14.A – juris Rn. 105).
Auch der Umstand, dass sich die Situation der Klägerin in Italien u.U. deutlich schlechter als im Bundesgebiet darstellt, begründet keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens (vgl. EGMR, B.v.02.04.2013 – a.a.O.).
Auch im Hinblick auf medizinische Betreuung und Versorgung ergibt sich keine Verpflichtung der Beklagte, das Asylverfahren durchzuführen (vgl. EGMR, U.v.30.6.2015 – 39350/13 – A.S. gegen Schweiz), da Italien über eine umfassende Gesundheitsfürsorge verfügt, die italienischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitären Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. Nach der bestehenden Auskunftslage funktioniert die notfallmedizinische Versorgung und der Zugang zu Hausärzten grundsätzlich ebenso wie das Angebot von psychologischer und psychiatrischer Behandlung (vgl. VG Ansbach, U.v.11.12.2015 – AN 14 K 15.50316 –, juris Rn. 26 m.w.N.). Auch der bereits erwähnte Bericht von AIDA bestätigt die Gleichstellung von Asylsuchenden und international Schutzberechtigten mit italienischen Staatsangehörigen hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung (vgl. dort S. 84). Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. Januar 2013 an das OVG Sachsen-Anhalt steht eine kostenfreie medizinische Versorgung auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert dabei die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten (VG Augsburg, B.v.19.09.2015 – Au 7 S. 15.50412 –, juris). Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (VG München, B.v.05.11.2014 – M 18 S. 14.50356 – juris m.w.N.). Auch bei Überstellung von kranken Personen, deren Asylverfahren in Italien negativ abgeschlossen ist, besteht damit die Möglichkeit der Behandlung. Es ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin, die noch dazu weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren Belege für die behauptete Atemnot vorgelegt hat, in Italien Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung hat.
Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen, liegen nicht vor. Ebenso wenig liegen inlandsbezogene oder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse vor. Auch unter Berücksichtigung des Vortrags im Verwaltungssowie im Verwaltungsstreitverfahren ergibt sich kein anderes Ergebnis.
Der Vortrag in den Dublin-Anhörungen bezogen auf die Verhältnisse in Italien begründet keine – nach dem oben Gesagten nicht vorliegenden – systemischen Schwachstellen des italienischen Asylverfahrens; im Übrigen unterliegt es gerade nicht der Disposition der Klägerin, wo sie ihr Asylverfahren zu durchlaufen hat.
Auch der Verweis auf den sich hier aufhaltenden Lebensgefährten vermag weder ein Abschiebungsverbot noch einen Anspruch auf den sog. humanitären Selbsteintritt gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III VO zu begründen. Das bzw. richtigerweise eine Zuständigkeit der Beklagten gemäß Art. 9 Dublin-III VO käme nur in Betracht, wenn die Klägerin mit ihrem Lebensgefährten, dem ausweislich von dessen beigezogener Bundesamtsakte tatsächlich der internationale Schutz zuerkannt wurde, nach deutschem Recht gültig verheiratet wäre. Das ist aber bereits nach dem eigenen Vortrag im Verwaltungsstreitverfahren nicht der Fall. Abgesehen davon, dass eine Verheiratung nicht nachgewiesen wurde, trägt der Bevollmächtigte der Klägerin selbst vor, dass es sich nicht um den Ehemann handele, sondern um den Lebensgefährten, mit dem die Klägerin liiert sei. Die Vernehmung der angebotenen Zeugen ist in diesem Zusammenhang nicht erforderlich, weil es für das Gericht nicht darauf ankommt, ob die Klägerin und Bereket Y. eine nichteheliche Lebensgemeinschaft führen. Denn selbst das Bestehen einer solchen würde für ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 GG oder wahlweise für einen Anspruch auf den Selbsteintritt gemäß § 17 Abs. 1 Dublin-III VO nicht ausreichen. Denn die Klägerin wäre auch als Lebensgefährtin von Bereket Y. nicht dessen Familienangehörige im Sinne von Art. 2 Buchst. g, 2. Spiegelstrich Var. 1 oder Var. 2 Dublin-III-VO, weil Personen, die eine dauerhafte Beziehung führen, aber nicht verheiratet sind, nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland ausländer- und asylrechtlich nicht gleich wie verheiratete Paare behandelt werden. Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG greift nur bei rechtsgültig geschlossenen, staatlich anerkannten Ehen, nicht hingegen bei eheähnlichen Lebensgemeinschaften (so ausdrücklich OVG NRW, B.v. 18.7.2016 – 13 A 1859/14.A – juris m.w.N. aus der Rechtsprechung). Der Hinweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 16. August 2016 (Az.: M 2 K 15.50215, insbesondere juris Rn. 21f.) ändert an diesem Ergebnis nichts. Denn unabhängig davon, ob dieser Entscheidung zu folgen ist, ist bereits der diesem Urteil zu Grunde liegende Sachverhalt mit dem hiesigen nicht vergleichbar. Anders als dort, wo es um sog. staatenlose Pälestinenser ging, die jahrelang in einem Drittstaat lebten und für die es so gut wie keine Möglichkeit gibt, eine formell gültige Eheschließung im Herkunftsland oder im Land des gewöhnlichen Aufenthalts zu vollziehen, wäre es im Fall der Klägerin und des geltend gemachten Lebensgefährten, bei denen es sich um eritreische Staatsangehörige handelt, sehr wohl möglich, eine auch nach deutschem Recht gültige Ehe zu schließen. Dazu sind sie natürlich nicht verpflichtet, vielmehr obliegt es ihrer Entscheidung, wie sie ihr persönliches (Zusammen-)Leben rechtlich gestalten, jedoch führt das Zusammenleben der Klägerin und ihres Lebensgefährten, immer unterstellt, eine sog. nichteheliche Lebensgemeinschaft liegt vor, gerade nicht dazu, dass die rechtlichen Wirkungen einer gültigen Eheschließung vorliegen. Auch die bei der Anwendung der Dublin-III VO zu berücksichtigenden Auslegungsgrundsätze der Familieneinheit und Humanität (vgl. die Erwägungen Nr. 14, 15 und 17 sowie Art. 16, 17 Dublin-III-VO) vermögen aus einer gerade nicht bestehenden Ehe nicht die Wirkungen einer solchen hervorzubringen. Aus diesem Grund steht entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Klägerin gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.
Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen in den Nummern 2 und 4 des streitgegenständlichen Bescheids bestehen keine Bedenken.
3. Die Klage wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abgewiesen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
4. Einer Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe bedarf es nicht, weil weder ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt ist noch eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt wurde. Die Nachfrage nach Mitteilung, ob Prozesskostenhilfe gewährt wird, im Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 2. Oktober 2017, ist nicht nachvollziehbar.