Europarecht

Dublin-Verfahren (Slowenien)

Aktenzeichen  Au 6 K 18.50815

Datum:
30.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 28071
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a Abs. 1
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2, Art. 18 Abs. 1 lit. b, Art. 23 Abs. 2, Art. 25 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Slowenien systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh mit sich bringen. Es ist davon auszugehen, dass Slowenien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches prinzipiell funktionsfähig ist und insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylsuchende im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss.  (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
II. Auf die Klage hin wird Ziffer 4 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 29. August 2018 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen neu zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Kläger hat von den Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens vier Fünftel zu tragen; die Beklagte ein Fünftel.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger abwenden, wenn dieser nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Soweit der Kläger seine Klage auf Zuerkennung internationalen Schutzes zurückgenommen hat, ist das Verfahren nach § 92 Abs. 3 VwGO analog einzustellen (vgl. BVerwG, B.v. 7.8.1999 – 4 B 75/98 – NVwZ-RR 1999, 407).
Die zulässige Klage ist nur hinsichtlich Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids begründet. Im Übrigen ist der angegriffene Bescheid des Bundesamtes rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wird insoweit Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
I.
Der streitgegenständliche Bescheid wurde dem Kläger wirksam zugestellt.
Dem einer Erstaufnahmeeinrichtung zugewiesenen Kläger ist der streitgegenständliche Bescheid vom 29. August 2018 nebst ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung:, die auf die Wochenfrist und den maßgeblichen Eingang beim Verwaltungsgericht hinwies, am 30. August 2018 ausgehändigt worden (Bl. 129 f. der Behördenakte). Damit ist die Zustellung bewirkt (§ 10 Abs. 4 Satz 4 AsylG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 3 und Satz 6 AsylG). Mit der Zustellung an den Kläger selbst genügt die Beklagte dabei der gesetzlichen Bestimmung in § 31 Abs. 1 Satz 5 AsylG, wonach im Falle einer – wie hier vorliegenden – Asylantragsablehnung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG die Entscheidung zusammen mit der Abschiebungsanordnung dem Ausländer selbst zuzustellen ist. Für die wirksame Zustellung ist demgegenüber unerheblich, ob auch der Bevollmächtigte einen Abdruck nach der Soll-Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 7 AsylG erhalten hat. Ein etwaiger Verfahrensfehler ist schon dadurch geheilt, dass der Klägerbevollmächtigte – wie Klageerhebung und Klagebegründung durch ihn belegen – offensichtlich rechtzeitig Kenntnis vom streitgegenständlichen Bescheid erlangte und daher eine wirksame Interessenwahrnehmung und fristgerechte Klageerhebung durch den Bevollmächtigten möglich war.
II.
Der in der Bundesrepublik gestellte Asylantrag des Klägers ist unzulässig, weil die Republik Slowenien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG). Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist damit rechtmäßig.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG ist ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. Nr. L 180 S. 31 – Dublin III-VO).
1. Vorliegend ist davon auszugehen, dass Slowenien im auch für die Anwendung der Dublin III-VO maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG, vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2016 – 1 C 24.15 – juris Rn. 8) nach Art. 3 Abs. 2 Uabs. 1 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylgesuchs des Klägers zuständig ist.
Der Kläger hat ausweislich des Eurodac-Treffers der Kategorie 1 in Bezug auf Slowenien und seines eigenen Vortrags am 29. November 2017 einen Asylantrag in Slowenien gestellt. Eurodac-Treffer oder sonstige Beweise oder Indizien für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates ergeben sich nicht. Slowenien ist damit für den Asylantrag des Klägers nach Art. 3 Abs. 2 Uabs. 1 Dublin III-VO zuständig und nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO verpflichtet, den Kläger wieder aufzunehmen.
2. Da das Wiederaufnahmegesuch vom 27. August 2018 innerhalb von zwei Monaten seit dem Eurodac-Treffer der Kategorie 1 vom 1. August 2018 gestellt wurde, ist auch die Frist des Art. 23 Abs. 2 Uabs. 1 Dublin III-VO gewahrt und kein Zuständigkeitswechsel nach Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO eingetreten. Dementsprechend hat Slowenien mit Schreiben vom 29. August 2018 und damit innerhalb von zwei Wochen seine Zustimmung zur Aufnahme des Klägers erklärt (Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO).
3. Auch ist die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin III-VO noch nicht abgelaufen, worauf sich der Kläger berufen könnte (vgl. EuGH, U.v. 25.10.2017 – C-201/16 – DVBl 2017, 1486/1487 f. Rn. 30, 40, 44 ff.). Die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO von sechs Monaten lief erst mit der ausdrücklichen Annahme des Überstellungsgesuchs durch Slowenien am 29. August 2018 an und ist noch nicht abgelaufen.
4. Gründe, von einer Überstellung nach Slowenien nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO abzusehen, sind nicht ersichtlich.
Diese Vorschrift setzt voraus, dass es sich als unmöglich erweist, einen Kläger an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Kläger in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GrCH mit sich bringen. In diesem Fall setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der Zuständigkeitskriterien nach Kapitel III der Dublin III-VO fort, um ggf. die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festzustellen. Kann keine Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festgestellt werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
Dieser Regelung liegt das Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10, C-493/10 – juris) zugrunde. Danach gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der EU-Grundrechtecharta entspricht. Allerdings ist diese Vermutung widerleglich. Den nationalen Gerichten obliegt die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Kläger führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GrCH ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH v. 21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist jedoch nicht bereits bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen in dem jeweils zuständigen Mitgliedstaat widerlegt. An die Feststellung systemischer Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von derartigen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im betreffenden Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 9).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe und im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung ist nach Überzeugung des Gerichts nicht davon auszugehen, dass der Kläger in Slowenien aufgrund systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. VG Augsburg, U.v. 20.6.2018 – Au 6 K 18.50565 – juris Rn. 29 ff.; VG Frankfurt, B.v. 23.4.2018 – 6 L 1029/18.F.A – juris Rn. 8 ff.; VG Karlsruhe, B.v. 12.4.2018 – A 1 K 2045/18 – juris Rn. 5; VG München, B.v. 16.10.2017 – M 3 K 17.52638 – juris Rn. 23 ff.; VG Bayreuth, B.v. 15.03.2017 – B 3 S 17.50104 – juris Rn. 32; VG Magdeburg, B.v.19.02.2015 – 9 B 67/15 – juris Rn. 20 ff. m.w.N.; VG Regensburg, B.v. 15.01.2015 – RO 4 K 14.50301 – juris Rn 27 ff.). Auf die angeführten Entscheidungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen; Gegenteiliges hat auch der Kläger nicht substantiiert vorgebracht.
Systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen in Slowenien, die einer Abschiebung des Klägers entgegenstehen würden, wurden weder glaubhaft vorgetragen noch sind diese ersichtlich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Slowenien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches prinzipiell funktionsfähig ist und insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. Auch liegen dem Gericht keine Kenntnisse darüber vor, dass namhafte sachverständige Institutionen, Nicht-Regierungsorganisationen oder insbesondere der UNHCR eine Empfehlung dahingehend ausgesprochen hätten, Asylbewerber nicht nach Slowenien zu überstellen.
Slowenien ist außerdem als Mitgliedstaat der Europäischen Union ein sicherer Drittstaat im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylG. Hinderungsgründe für eine Abschiebung in einen derartigen sicheren Drittstaat ergeben sich nur ausnahmsweise dann, wenn der Asylsuchende individuelle konkrete Gefährdungstatbestände geltend macht, die ihren Eigenarten nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts der normativen Vergewisserung von Verfassungs- und Gesetzes wegen berücksichtigt werden können und damit von vornherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich herausgesetzt sind. Dies ist – bezogen auf die Verhältnisse im Abschiebezielstaat – etwa dann der Fall, wenn sich die für die Qualifizierung des Drittstaats als sicher maßgebenden Verhältnisse schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung darauf noch aussteht oder wenn der Aufnahmestaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung zu greifen droht und hierdurch zum Verfolgerstaat wird. An die Darlegung eines solchen Sonderfalles sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – BVerfGE 94,49). Die Sonderfälle in diesem Sinne entsprechen inhaltlich den systemischen Mängeln, die zu einer Gefahr für unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Asylsuchenden führen. Solche Sonderfälle liegen bezogen auf den Abschiebezielstaat Slowenien wie dargelegt nicht vor.
Nach der Schließung der Westbalkanroute wurden zwar Personen, die nach Slowenien einreisten und keinen Asylantrag stellten, inhaftiert (Amnesty International, Slowenien 2017, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2017 /slowenien). Da der Kläger jedoch in Slowenien einen Asylantrag gestellt hat, droht ihm insoweit keine Inhaftierung. In Slowenien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Slowenien 1.12.2016, S. 7). Wurde in Slowenien – wie hier – vor der Ausreise ein Asylverfahren eröffnet, das noch läuft, wird dieses bei Dublin-Rückkehrern fortgesetzt. Dublin-Rückkehrer haben Zugang zu materieller Unterstützung wie Unterkunft, Verpflegung, medizinischer Versorgung und Kleidung (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Slowenien, v. 1.12.2016, S. 7). Fremde werden nicht in ein Land abgeschoben, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre, oder in ein Land, in dem ihnen Folter, unmenschliche und entwürdigende Behandlung oder Bestrafung droht (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Slowenien, v. 1.12.2016, S. 9). Die relevante EU-Gesetzgebung wurde von Slowenien umgesetzt. Asylbewerber werden entweder in einem Asylheim untergebracht oder erhalten finanzielle Unterstützung im Falle einer privaten Unterbringung. In der Unterkunft hat der Asylbewerber das Recht auf Verpflegung, medizinische Notversorgung, kostenlose Rechtsberatung, Bildungsprogramme, humanitäre Hilfe und ein Taschengeld von 18 EUR monatlich. Nach neun Monaten kann eine Beschäftigung ausgeübt werden. Die Unterbringung in Slowenien ermöglicht ein würdiges Leben; die Asylunterkünfte waren am 1. Dezember 2016 unter ihrer Kapazität belegt (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Slowenien, v. 1.12.2016, S. 10).
5. Soweit der Kläger auch Rückführungshindernisse hinsichtlich der Türkei geltend machte, ist dies vom Bundesamt nicht zu prüfen, das lediglich die Rückführung nach Slowenien angeordnet hat, welches als Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention hinsichtlich seines Asylrechtsvollzugs auch mit Blick auf die Türkei keinen schwächeren Rechtsstandards unterliegt als Deutschland. Rückführungshindernisse hinsichtlich der Türkei zu prüfen, ist Sache Sloweniens.
6. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die ein Selbsteintrittsrecht der Beklagten nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO begründen könnten, liegen nicht vor.
a) Soweit der Kläger geltend macht, in der Bundesrepublik lebe seine Ehefrau, ist dies im Dublin-System im vorliegenden Fall unerheblich. Da die Ehe im Herkunftsstaat (Türkei) noch nicht bestand, handelt es sich bei seiner Ehefrau nicht um eine Familienangehörige i.S.d. Art. 2 Buchst. g Dublin III-VO. Bei seiner Ehefrau handelt es sich um eine deutsche Staatsangehörige und damit des Weiteren auch nicht um eine Begünstigte internationalen Schutzes i.S.d. Art. 9 Dublin III-VO oder um eine Asylbewerberin i.S.d. Art. 10 f. Dublin III-VO. Art. 16 Abs. 1 Dublin III-VO ist ebenfalls nicht anwendbar, da der Ehegatte anders als die Verwandten des Asylantragstellers in der Norm nicht genannt wird. Im Übrigen fehlt es auch insoweit an einer familiären Bindung bereits im Herkunftsstaat. Somit liegt zwischen der Eheschließung des Klägers und seinem Asylverfahren kein Sachzusammenhang vor, der eine asylrechtliche Familienzusammenführung geböte. Die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO setzt demgegenüber außergewöhnliche humanitäre Gründe voraus, da es nicht dazu dienen soll, das Zuständigkeitssystem der Dublin III-VO – insbesondere auch im Hinblick auf die darin enthaltenen Regelungen zu den Voraussetzungen der Familienzusammenführung – auszuhöhlen. Eine Eheschließung in der Bundesrepublik führt daher nicht zu einer Ermessensreduzierung auf null (so auch VG Berlin, B.v. 15.12.2017 – 33 L 1020.17 A – juris Rn. 13).
b) Soweit der volljährige Kläger geltend macht, in der Bundesrepublik habe er Verwandte (Onkel und Cousin) und sein Onkel könne ihm einen Arbeitsplatz beschaffen, ist dies unionsrechtlich im Dublin-System ebenfalls irrelevant. Besondere persönliche Umstände, die befürchten ließen, dass der Kläger bei der Durchführung seines Asylverfahren in Slowenien erhebliche Gefahren für Leib und Leben drohen würden, die einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK befürchten ließen, sind nicht ersichtlich. Der bloße Wunsch eines volljährigen Asylbewerbers, seine verwandtschaftlichen Kontakte in die Bundesrepublik zu vertiefen und eine Beschäftigung aufzunehmen, ist im Hinblick auf die Zuständigkeitsbestimmung bzgl. eines Asylantrags unerheblich. Bei seinem Onkel und seinem Cousin handelt es sich insbesondere nicht um Familienangehörige i.S.d. Art. 2 Buchst. g Dublin III-VO.
III.
Der Abschiebung des Klägers nach Slowenien stehen keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG entgegen. Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids ist damit ebenfalls rechtmäßig.
Im Hinblick auf die vorgetragene Bedrohung durch Asylbewerber arabischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit liegt keine Gefahr für Leib oder Leben des Klägers in Slowenien und damit kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
Der Kläger ist insoweit gehalten, sich an die slowenischen Sicherheitsbehörden zu wenden. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der slowenische Staat nicht schutzwillig und schutzfähig ist. Der Kläger hat sich bisher nicht um Schutz durch slowenische Behörden bemüht, obwohl ihm dies zumutbar ist. Insbesondere bestehen an der Schutzfähigkeit des slowenischen Staates keine Zweifel. Etwaigen Bedrohungen des Klägers durch andere Asylbewerber kann zum einen durch die Umverlegung des Klägers oder der Täter wirkungsvoll begegnet werden, zum anderen auch durch eine abschreckende Strafverfolgung. Ein durchgängiger Polizeischutz – wie vom Kläger gefordert – ist demgegenüber nicht angezeigt. Ferner hat sich der Kläger den Bedrohungen durch Umzug zu seinen Freunden selbst entzogen, was ebenfalls eine landesweite Bedrohung des Klägers widerlegt. Im Übrigen kann einem alevitischen Kurden auch in der Bundesrepublik kein vollständiger Schutz vor etwaigen Diskriminierungen und Bedrohungen durch Privatpersonen geboten werden.
IV.
Auch die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AufenthG in Ziffer 3 des Bescheids erweist sich als rechtmäßig.
Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald – wie hier – feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Daher hat das Bundesamt – ggf. sogar nachträglich nach Erlass einer Abschiebungsanordnung – zu prüfen, ob tatsächliche oder rechtliche inlandsbezogene Vollzugshindernisse bestehen (BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – AuAS 2014, 2449). Einer vorherigen Fristsetzung zur freiwilligen Ausreise bedarf es nicht (§ 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG).
Die Eheschließung des Klägers mit einer deutschen Staatsangehörigen am 25. Oktober 2018 begründet kein rechtliches inlandsbezogenes Abschiebungshindernis nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Der Kläger ist vielmehr auf eine freiwillige Ausreise und die Nachholung des Visumsverfahrens zum Familiennachzug nach § 28 AufentG zu verweisen.
Art. 6 GG gewährt keinen grundrechtlichen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde – hier das Bundesamt – bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinem im Bundesgebiet lebenden Ehepartner ständigen Aufenthalt zu nehmen. Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit sind nur dann und insoweit zulässig, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind (BVerfG, B.v. 17.5.2011 – 2 BvR 2625/10 – juris Rn. 13 m.w.N.). Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen. Das Visumverfahren bietet Gelegenheit, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis zu überprüfen. Dabei wird dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen, indem es unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Einzelfall erlaubt ist, von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Einreise mit dem erforderlichen Visum (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) abzusehen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen (BVerfG, B.v. 17.5.2011 a.a.O. Rn. 14 m.w.N.). Erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft, weil ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist, und kann dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen Deutschlands nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück (BVerfG, B.v. 17.5.2011 a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Andernfalls sind dem im Bundesgebiet lebenden Familienmitglied grundsätzlich Anstrengungen zumutbar, die familiäre Lebensgemeinschaft durch Besuche oder nötigenfalls zur Gänze im Ausland herzustellen (BayVGH, B.v. 21.2.2013 – 10 CS 12.2679 – juris Rn. 33). Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die vorherige Durchführung eines Visumverfahrens wichtigen öffentlichen Interessen dient. In Fällen wie dem vorliegenden soll die vorherige Durchführung des Visumverfahrens gewährleisten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug vor der Einreise geprüft werden können, um die Zuwanderung von Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von vornherein zu verhindern (vgl. BayVGH, B.v. 21.2.2013 a.a.O. Rn. 35).
Dem Kläger ist es unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe zumutbar, im Rahmen seines Asylverfahrens nach Slowenien zurückzukehren und von dort aus sein Visumverfahren zum Familiennachzug zu betreiben (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 20.3.2018 – 22 L 79/18.A – juris Rn. 32 ff.).
Eine besondere Betreuungs- oder Hilfsbedürftigkeit des Klägers oder seiner Ehefrau sind weder vorgetragen noch ersichtlich, weswegen Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK einer Abschiebungsanordnung nach Slowenien nicht entgegenstehen.
Im vorliegenden Fall kommt ergänzend noch hinzu, dass der Kläger mit seiner Ehefrau noch nie in einer Beistandsgemeinschaft lebte. Er selbst ist einer Erstaufnahmeeinrichtung in * (Bayern) zugewiesen (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1 AsylG), seine Ehefrau lebt in *. Dass der Kläger und seine Ehefrau die alltäglichen Dinge des Lebens miteinander in organisatorischer, emotionaler und geistiger Verbundenheit bewältigen, hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht. Die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Meldebestätigung, nach der der Kläger seinen Wohnsitz in * habe, ist nach dem Vortrag des Klägers inhaltlich unwahr. Der Kläger gab insoweit an, die Meldebestätigung habe seine Ehefrau organisiert, er habe aber weder einen Umverteilungsantrag gestellt noch sei er umverteilt worden; er wohne weiterhin in *.
Zudem wurde die Ehe erst vor fünf Tagen, nämlich am 25. Oktober 2018 geschlossen und ist damit nur von sehr kurzer Dauer.
Da sich der Kläger zum Zeitpunkt der Eheschließung lediglich gestattet in der Bundesrepublik aufhielt, wurde die Ehe auch in Kenntnis der unsicheren Bleibeperspektive und der Möglichkeit einer Ausreisepflicht des Klägers geschlossen. Damit konnte kein schutzwürdiges Vertrauen entstehen, die Ehe in der Bundesrepublik führen zu können.
Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass ein Visumverfahren bei freiwilliger Ausreise des Klägers bzw. nach Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots offensichtlich erfolglos verliefe. Eine dauerhafte Trennung der Ehegatten ist daher derzeit nicht ersichtlich.
Mithin besteht für den Kläger kein rechtliches Abschiebungshindernis und damit auch kein Duldungsanspruch.
V.
Allerdings ist die Entscheidung in Ziffer 4 des Bescheids des Bundesamts hinsichtlich der Befristung von Einreise- und Aufenthaltsverboten nach § 11 Abs. 1 AufenthG rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, da das Bundesamt ausweislich seines Bescheids und der zeitlichen Abläufe die Beziehung zu seiner im Bundesgebiet lebenden deutschen Ehefrau nicht hinreichend berücksichtigt hat bzw. berücksichtigen konnte.
Der Kläger hat durch Vorlage der Kopie eines Auszugs aus dem Heiratseintrag der Standesamtsbehörde * seine Eheschließung glaubhaft dargelegt. Insoweit liegt zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt ein Ermessensfehlgebrauch vor, wenn das Bundesamt ausführt, dass der Kläger nicht über Kernfamilie im Bundesgebiet verfüge. Unter Berücksichtigung der nunmehr erfolgten Eheschließung und der Schutzwirkung des Art. 6 GG und des Art. 8 EMRK hat die Beklagte ihr Ermessen hinsichtlich der Länge des Einreise- und Aufenthaltsverbots erneut auszuüben.
VI.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).

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