Europarecht

Dublin-Verfahren, Zielstaat Rumänien, Systemische Mängel (verneint), Prozesskostenhilfe (abgelehnt)

Aktenzeichen  M 30 S 21.50060

Datum:
26.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 25818
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Dublin III-VO
EMRK Art. 3
GRCh Art. 4
AsylG § 29
AsylG § 34a
VwGO § 166
ZPO § 114

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (M 30 S 21.50060) und des Hauptsacheverfahrens (M 30 K 21.50059) wird abgelehnt.
II. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage in dem Verfahren M 30 K 21.50059 wird abgelehnt.
III. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Abschiebung nach Rumänien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.
Der am … 1996 geborene syrische Antragsteller reiste am 20. Dezember 2020 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 4. Januar 2020 beim Bundesamt für Migration und Flüchtling (fortan Bundesamt) einen förmlichen Asylantrag.
Eine EURODAC-Recherche vom … Dezember 2020 ergab, dass der Kläger am … Dezember 2020 einen Asylantrag in Rumänien gestellt hat.
Das Bundesamt stellte ausweislich der Zugangsbestätigung vom 23. Dezember 2020 ein Wiederaufnahmeersuchen an Rumänien, welches dieses mit Mitteilung vom 28. Dezember 2020, dem Bundesamt am gleichen Tage zugegangen, annahm.
Im Verwaltungsverfahren ließ der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten mitteilen, dass er in Rumänien keinen Asylantrag gestellt, sondern nur Fingerabdrücke abgegeben habe. Auch würden in Rumänien systematische Mängel vorliegen; hierfür verweise er auf das Urteil des VG Aachen vom 3. Juli 2020 mit dem Az. 1 K 378/18.A sowie einen Bericht des österreichischen ACCORD vom 16. März 2020. Ferner habe das VG Darmstadt mit Beschluss vom 26. November 2018 unter dem Az. 1 L 635/18 DA.A festgestellt, dass in Rumänien aufgrund der nicht vorhandenen Möglichkeit, einen Folgeantrag zu stellen, systemische Mängel vorlägen. Im Übrigen drohe den rückkehrenden Asylantragstellern zumindest kurzzeitig eine Festnahme; hinsichtlich der Haftbedingungen werde auf den Beschluss des OLG Celle vom 2. März 2017 unter dem Az. 1 Ar 99/16 hingewiesen. Weder spreche der Antragsteller rumänisch, noch verfüge er über familiäre Bindungen oder sonstige Kontakte. Ihm drohe daher die Verelendung und existentielle Not, da es ausgeschlossen sei, dass dieser in der derzeitigen Situation in der Lage sei, eine Erwerbstätigkeit zu finden.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am … Januar 2021 erklärte der Antragsteller, dass er in Rumänien keinen Asylantrag habe stellen wollen. Er sei ahnungslos gewesen. Gesundheitliche Probleme habe er keine. Er habe sein Heimatland Ende August 2020 verlassen und sei unter anderem über Griechenland und Rumänien, wo er sich zehn bis 13 Tage aufgehalten habe, nach Deutschland eingereist. In Deutschland lebe noch eine Tante.
Mit Bescheid vom … Januar 2021 – Gesch.-Z.: … lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellt fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 2). Es ordnete die Abschiebung nach Rumänien an (Nr. 3) und setzte ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von neun Monaten ab dem Tag der Abschiebung nach § 11 Abs. 1 AufenthG fest (Nr. 4). Zur Begründung führte es insbesondere aus, dass Rumänien aufgrund des dort gestellten Asylantrags für dessen Behandlung zuständig sei. Gründe zur Annahme systemischer Mängel im Rumänien Asylverfahren und der dortigen Aufnahmebedingungen lägen nicht vor.
Der Antragsteller ließ durch seinen Prozessbevollmächtigten am 21. Januar 2021 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München (M 30 K 21.50059) erheben und trägt zu ihrer Begründung im Wesentlichen die bereits im Verwaltungsverfahren mit Schriftsatz vorgetragenen Gründe hinsichtlich der systemischen Mängel Rumäniens vor. Zugleich beantragt der Antragsteller die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das Eil- und Hauptsacheverfahren.
Er beantragt gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung (Ziffer 3) der Beklagten vom 13.01.2021 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin stellt keinen Antrag und erklärt, dass sie an ihrer Rechtsauffassung festhalte. Hierzu verweise sie auf die Begründung des angefochtenen Bescheids.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Verfahren sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
I. Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist zwar zulässig, da wegen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG der Klage keine aufschiebende Wirkung zukommt und er innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG gestellt wurde, er ist aber unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Bei dieser Entscheidung sind einerseits das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts und andererseits das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hierbei der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG).
Die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung in Nummer 3 des Bescheids vom 13. Januar 2021 begegnet bei summarischer Prüfung keinen durchgreifenden Bedenken.
Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung unter anderem in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass diese durchgeführt werden kann. Die Antragsgegnerin ist voraussichtlich zutreffend davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen vorliegen und Rumänien der zuständige Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers ist. Der Asylantrag war daher als unzulässig abzulehnen. Da auch die Abschiebung weder tatsächlich unmöglich noch rechtlich unzulässig ist, war auch die Abschiebung nach Rumänien anzuordnen.
1. Die Antragsgegnerin ist voraussichtlich zutreffend davon ausgegangen, dass Rumänien der zuständige Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers ist.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 v. 29.6.2013, S. 31) – im Folgenden: Dublin III-VO – für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
1.1 Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist Rumänien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
Gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO ist ein Mitgliedstaat verpflichtet einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wiederaufzunehmen. Insoweit ist Rumänien nach Art. 23 Abs. 1 Dublin III-VO zuständig. Denn ausweislich des EURODAC-Treffers für den 21. Dezember 2020 mit der Kennzeichnung “…” hat der Antragsteller in Rumänien einen Asylantrag gestellt. Die Ziffer “1” in der Kennzeichnung “…” steht für einen Antrag auf internationalen Schutz (Art. 24 Abs. 4 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 vom 26.6.2013 – EURODAC-VO).
1.2 Die Zuständigkeit ist nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 3 der Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen, weil eine Überstellung an Rumänien als den zuständigen Mitgliedsstaat an Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Dublin III-VO scheitern würde.
Dies würde voraussetzen, dass es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Rumänien systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) mit sich bringen. Dies ist nicht der Fall.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris Rn. 181 ff.) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – “Jawo” – juris Rn. 80 f.; U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a. – “Ibrahim u.a.” – juris Rn. 84; U.v. 21.12.2011 – C-411/10, C-493/10 – juris Rn. 79 ff.) ist davon auszugehen, dass Rumänien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches prinzipiell funktionsfähig ist und insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. Diese nicht unwiderlegliche Vermutung ist auch nicht erschüttert. Von systemischen Mängeln ist nur auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10, C-493/10 – juris Rn. 86 ff.; BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Ls. und Rn. 6). Systemische Schwachstellen sind dabei nur dann als Verstoß gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK zu werten, wenn eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht wird, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt. Diese Schwelle ist nach der Rechtsprechung des EuGH aber selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren sich diese Person in einer solch schwerwiegenden Lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann. Die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats muss nach Ansicht des EuGH zur Folge haben, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befinden wird, die es ihr nicht erlauben wird, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 92 f.). Der in diesem Rahmen maßgebliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit muss sich dabei auf der Basis einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände ergeben und darf sich nicht nur auf einzelne Mängel des Systems beziehen (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 6; EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417, Rn. 80; VGH BaWü, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris Rn. 41).
Zunächst wird hinsichtlich des antragstellerischen Vortrags, in Rumänien lägen systemische Mängel vor, gemäß § 77 Abs. 2 AsylG vollumfänglich auf die Bescheidsbegründung Bezug genommen.
Darüber hinaus kann nach Auffassung des Gerichts auch in Übereinstimmung mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung von systemischen Mängeln für Rumänien nicht ausgegangen werden (vgl. VG München, B.v. 14.1.2021 – M 5 S 20.50626 – n.V.; B.v. 12.1.2021 – M 11 S 20.50670 – n.V.; B.v. 11.1.2021 – M 11 S 20.50676 – n.V.; B.v. 27.11.2020 – M 1 S 20.50531 – juris Rn. 24 ff.; B.v. 9.9.2020 – M 19 S 20.50456 – n.V.; B.v. 24.4.2020 – M 10 S 20.50245 – n.V.; VG Würzburg, B.v. 11.3.2020 – W 4 S 20.50079 – juris Rn. 19 ff.; B.v. 7.10.2019 – W 8 S 19.50715 – juris Rn. 14; VG Ansbach, U.v. 17.4.2019 – AN 17 K 18.50614 -BeckRS 2019, 7267 Rn. 28 ff.; B.v. 28.11.2019 – AN 17 S 19.51025 – juris Rn. 23; VG Regensburg, U.v. 17.4.2019 – RO 6 K 17.52358 – BeckRS 2019, 12099 Rn. 28 ff.; VG Düsseldorf, U.v. 26.5.2020 – 22 K 17460/17.A – juris Rn. 38, 61; VG Lüneburg, U.v. 13.3.2019 – 8 B 51/19 – juris – Rn. 17 ff.; vgl. ferner BayVGH, B.v. 25.6.2018 – 20 ZB 18.50032 – BeckRS 2018, 16830 Rn. 6 ff.). Insoweit folgt das Gericht nicht den antragstellerseits vorgelegten Urteilsgründen des VG Aachen vom 3. Juli 2020 – 1 K 373/18.A. Ebenso wenig reicht der pauschale Verweis auf den Bericht von ACCORD vom 16. März 2020 zu Rumänien.
Generelle systemische Mängel hinsichtlich des Zugangs zum rumänischen Asylverfahren oder der Aufnahmebedingungen sind im Einklang mit der vorgenannten Rechtsprechung nicht feststellbar; so existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (vgl. hierzu etwa BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Rumänien, Gesamtaktualisierung vom 14.6.2019; VG München, B.v. 27.11.2020 – M 1 S 20.50531 – juris Rn. 26; B.v. 14.1.2021 – M 5 S 20.50626 – n.V.; B.v. 12.1.2021 – 11 S 20.50670 – n.V.). Das rumänische Asylsystem sieht vor, dass eine Entscheidung über das Asylbegehren dreißig Tage nach dem Zeitpunkt zu treffen ist, zu dem die Erstbefragung und die persönliche Anhörung zu den Asylgründen stattgefunden hat und der Fall dem zuständigen Sachbearbeiter (“case officer”) übergeben worden ist (vgl. AIDA, von The Asylum Information Database, Analysebericht, update 2019, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2020/04/report-download_aida_ro_2019update.pdf – abgerufen am 26.1.2021, – AIDA Country Report: Romania – S. 16f). Hiergegen und gegen das Setzen von Fristen – auch in Zeiten der Corona-Pandemie – ist nichts einzuwenden. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass das rumänische System von Gesetzes wegen die Möglichkeit eines Folgeantrags (sowie weiterer) vorsieht (AIDA, a.a.O. S. 76 ff.). Auch wenn die wirtschaftliche Lage von Schutzsuchenden und schutzberechtigten Personen in Rumänien insgesamt schwierig ist, ist ihre Lage nicht so defizitär, dass von einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK ausgegangen werden kann (vgl. VG München, B.v. 27.11.2020 – M 1 S 20.50531 – juris Rn. 25). Antragsteller müssen sich insoweit auf den in Rumänien für alle dortigen Staatsangehörigen geltenden Versorgungsstandard verweisen lassen, auch wenn dieser nicht dem Niveau in Deutschland entsprechen sollte. Die Regierung kooperiert mit UNHCR und anderen Organisationen, um Flüchtlingen, Asylwerbern, Staatenlosen u.a. Schutz und Unterstützung zukommen zu lassen (vgl. BFA, Länderinformationsblatt v. 14.6.2019, a.a.O., S. 6). Schließlich besteht für Asylbewerber der gleiche Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem wie für die rumänische Bevölkerung (vgl. ACCORD, Rumänien, Bericht vom 16.03.2020, abgerufen unter https://www.ecoi.net/de/dokument/2026995.html – Stand 25.01.2021). Das gilt auch unter Berücksichtigung der durch die aktuelle Corona-Krise bestehenden Situation. Der Antragsteller gehört nicht zu einer besonders vulnerablen Personengruppe.
Darüber hinaus erhalten Asylbewerber, die über kein eigenes Auskommen verfügen, ab dem Zeitpunkt ihrer Absichtserklärung, Asyl zu beantragen, bis zum Abschluss des Verfahrens und ggf. bis zum Ende ihres Aufenthaltsrechts in Rumänien Anspruch auf Aufnahmeleistungen, wie die Unterbringung in einem Aufnahmezentrum, finanzielle Beihilfe für Nahrung und Kleidung sowie Taschengeld (ACCORD, a.a.O.). Dass die Unterbringung in einem Aufnahmezentrum erst mit Registrierung des Asylantrags erfolgt, ist nicht zu beanstanden, zumal Rumänien trotz der Corona-Pandemie selbst während des ausgerufenen und bis zum 15. Mai 2020 andauernden Ausnahmezustandes die Registrierung neuer Asylanträge weiterbetrieben hat (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation; Ausgewählte Dublin-Länder, Balkan und Ukraine aktuelle Lage im Zusammenhang mit COVID-19 (Corona-Pandemie) vom 18.05.2020, S. 4 sowie vom 17.07.2020, S. 4). Rumänien bringt Asylbewerber in einem seiner “Regionalen Unterbringungszentren” unter, welche eine Gesamtkapazität von 900 Plätzen umfassen und Ende des Jahres 2018 mit 350 Plätzen, davon 229 Asylbewerbern und 121 Personen mit internationalem Schutz, belegt waren; hinzu kommen zwei weitere Unterbringungszentren der NGO “Ökumenische Vereinigung der Kirchen Rumäniens” (ACCORD, a.a.O.). Anzeichen für Kapazitätsengpässe gibt es keine, zumal die problematische Personalknappheit aus dem Jahr 2018 auf Grund des starken Rückgangs an Asylbewerberzahlen sich ebenfalls entschärft hat (ACCORD, a.a.O.). Darüber hinaus werden Asylbewerber mit psychischen Problemen und Leiden, sofern notwendig, an spezialisierte Einrichtungen weitergeleitet; auch haben Asylbewerber mit besonderen Bedürfnissen ein Recht auf adaptierte Unterkünfte und Unterstützungsleistungen in den Regionalen Unterbringungszentren (ACCORD, a.a.O). Es ist daher auch nicht davon auszugehen, dass dem Antragsteller für die Dauer seines Asylverfahrens in Rumänien eine – hinreichend lange – Unterbringung in einem Gefängnis droht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Antragsteller nach erfolgter erneuter Registrierung umgehend in eines der Regionalen Unterbringungszentren verbracht wird.
Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers sich darauf beruft, dass im Falle einer Weiterführung des Asylverfahrens in Rumänien zugunsten des Antragstellers unterstellt werden müsse, dass dieses mit einer positiven Entscheidung ende und der Antragsteller damit arbeits- und sozialrechtlich völlig auf sich alleine gestellt wäre, führt dies zu keiner abweichenden Beurteilung. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Überstellung eines Antragstellers in einen Mitgliedstaat zwar in all jenen Situationen ausgeschlossen, in denen ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Antragsteller bei seiner Überstellung oder infolge seiner Überstellung einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 87 f.). Hiernach kann die Möglichkeit der Anerkennung eines Asylsuchenden durch den anderen Mitgliedstaat einer Überstellung im Rahmen des Dublin-Verfahrens entgegenstehen, wenn aufgrund der in dem betreffenden Mitgliedstaat bestehenden Aufnahmebedingungen für anerkannt Schutzberechtigte sich die Lebensumstände, mit denen sich Schutzberechtigte konfrontiert sähe, mangels gebotener staatlicher Unterstützungs- bzw. Integrationsleistungen als mit den Anforderungen des Art. 4 GRCh nicht vereinbar darstellen. Dabei kann die Frage offenbleiben, ob mit hinreichend beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer Anerkennung des Antragstellers als Schutzsuchenden auszugehen ist, da im konkret zu beurteilenden Fall der Antragsteller auch bei einer Anerkennung nicht dem ernsthaften Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre.
Für die Anwendung von Art. 4 GRCh ist es gleichgültig, ob es zum Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss dazu kommt, dass die betreffende Person aufgrund ihrer Überstellung an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin-III-Verordnung einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 87). Die Beurteilungsmaßstäbe zur Feststellung etwaiger Verstöße etwa aufgrund systemischer Mängel in einem Mitgliedstaat entsprechen damit für anerkannt Schutzberechtigte den dargestellten Maßstäben für die Beurteilung während eines laufenden Asylverfahrens.
Ausgehend von den dargestellten Maßstäben und im Einklang mit der hierzu ergangenen und zuvor zitierten Rechtsprechung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller in Rumänien aufgrund systemischer Schwachstellen im Falle einer Anerkennung tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. hierzu VG München, B.v. 12.1.2021 – M 11 S 20.50670 – n.V.). Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Antragsteller als gesunder, alleinstehender und arbeitsfähiger Mann im Falle seiner Anerkennung durchaus eine realistische Chance hätte, sich in Rumänien eine Existenz aufzubauen. Dabei können von ihm auch eine besondere Eigeninitiative und besondere Anstrengungen erwartet werden. Dass gleichwohl nicht auszuschließende Risiko, dass er für den Fall einer Rückkehr nach Rumänien und des Verbleibs im Land künftig in eine Situation geraten könnte, die für die Prüfung des Art. 4 GRCh relevant wäre, stellt sich jedenfalls nicht in einem Maße als wahrscheinlich dar, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Rahmen des Dublin-Verfahrens hieraus folgend ein entsprechendes Verbot einer Überstellung angenommen werden könnte. Der Hinweis des Bevollmächtigten auf eine Entscheidung des VG Aachen vom 3. Juli 2020 führt zu keiner anderen Beurteilung; ebenso wenig, dass sich der Arbeitsmarkt für Tagelöhner und Asylbewerber bzw. Flüchtlinge aufgrund der Corona-Pandemie massiv verschlechtert habe und die Zahl der mit dem Sars-CoV-2-Virus Neuinfizierten explodiert sei. Dies gilt bereits vor dem Hintergrund, dass dieser Entscheidung ein abweichender Sachverhalt zugrunde liegt. Tragender Teil der Begründung des Urteils ist der Umstand, dass im dortigen Sachverhalt der bereits anerkannte Asylsuchende im Falle einer Rückkehr aufgrund einer abgelaufenen Frist keine besonderen staatlichen Hilfen für anerkannt Schutzberechtigte mehr beantragen konnte (so auch VG München, B.v. 12.1.2021 – M 11 S 20.50670 – n.V.). Dem Antragsteller wäre es im Falle eine Anerkennung in Rumänien vorliegend dagegen ohne Weiteres möglich rechtzeitig solche staatlichen Hilfen zu beantragen.
1.3 Die demnach bestehende Zuständigkeit Rumäniens ändert sich schließlich auch nicht deshalb, weil individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO notwendig machen würden. Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich.
1.4 Auch trat kein Zuständigkeitsübergang auf die Antragsgegnerin nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO ein, weil das Wiederaufnahmegesuch vom 23. Dezember 2020 fristgerecht innerhalb von zwei Monaten nach der EURODAC-Treffermeldung vom 21. Dezember 2020 erfolgte.
1.5 Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin wurde bislang auch nicht durch Fristablauf begründet, da die sechsmonatige Überstellungsfrist (fristauslösendes Ereignis ist das Wiederaufnahmegesuch) im Zeitpunkt des vorliegenden Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes noch nicht abgelaufen war. Der Antrag unterbricht daher nun den Lauf der Frist (Art. 29 Abs. 1 i.V.m. Art. 27 Abs. 3 Buchst. c) Dublin III-VO i.V.m. § 34 a Abs. 2 Satz 2 AsylG).
1.6 Eine Überstellung des Antragstellers nach Rumänien ist auch nicht mit einer tatsächlichen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 Grundrechtecharta verbunden (vgl. zu diesem Prüfungspunkt EuGH, U.v. 16.2.2017 – C-578/16 PPU – NVwZ 2017, 691 Rn. 90 ff.), so dass eine Aussetzung der Durchführung der Überstellung nicht geboten ist. Auf obige Ausführungen wird insoweit Bezug genommen.
2. Die Überstellung an Rumänien ist auch tatsächlich möglich und rechtlich zulässig, die Abschiebung kann daher im Sinne des § 34a AsylG durchgeführt werden.
3.1 Die rumänischen Behörden haben auf das Wiederaufnahmegesuch positiv geantwortet. Insoweit ist die Abschiebung tatsächlich möglich.
3.2 Inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die im Rahmen einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG angesichts des Wortlauts der Norm (“feststeht”) von der sonst allein auf die Prüfung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote beschränkten Antragsgegnerin zu prüfen sind (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn. 11; NdsOVG, B.v. 30.1.2019 – 10 LA 21/19 – juris Rn. 10; OVG NW, U.v. 18.7.2016 – 13 A 1859/14.A – juris Rn. 125), sind nicht ersichtlich.
3.3 Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote sind ebenfalls nicht ersichtlich. Dies gilt auch im Hinblick auf die SARS-CoV-2-Pandemie. Das Gericht geht nicht davon aus, dass einer Abschiebungsanordnung die Verhältnisse in Rumänien mit Blick hierauf entgegenstehen (vgl. obige Ausführungen sowie VG München, B.v. 27.11.2020 – M 1 S 20.50531 – juris Rn. 25 ff.).
4. Im Übrigen wird auf die Bescheidsbegründung gemäß § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen.
5. Da die Klage in der Hauptsache hinsichtlich der streitgegenständlichen Nummer 3 des Bescheids vom 13. Januar 2021 voraussichtlich erfolglos bleiben wird, überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheides des Bundesamtes.
II. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
III. Ist nach dem Vorstehenden der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung erfolglos, so gilt dies auch für den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts sowohl für das Antragsverfahren M 30 S 21.50060 wie auch das Hauptsacheverfahren M 30 K 21.50049. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO. Dabei verkennt das Gericht nicht den maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife und insbesondere den Umstand, dass Prozesskostenhilfe auch dann zu gewähren ist, wenn die Klage lediglich in einer ex-ante-Perspektive hinreichende Erfolgsaussichten hat (vgl. BVerfG, B.v. 5.12.2018 – 2 BvR 2257/17 – juris Rn. 18 ff). Insoweit war es vorliegend aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz sowie der Tatsache, dass mit Einreichung des Klage- und Antragsschriftsatzes vom 20. Januar 2021 und den sodann vorgelegten Behördenakten der maßgebliche Zeitpunkt der Bewilligungsreife im Entscheidungszeitpunkt erreicht worden ist, geboten über den Prozesskostenhilfeantrag zusammen mit der Entscheidung über den einstweiligen Rechtsschutz zu entscheiden.
IV. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG), dies gilt auch in Hinblick auf die Versagung von Prozesskostenhilfe (vgl. BayVGH, B.v. 25.09.1992 – 24 C 92.32498 – juris Rn. 2).

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