Aktenzeichen Au 6 K 18.50409
Dublin III-VO Art. 12 Abs. 2, Abs. 4, Art. 18 Abs. 1, Art. 29 Abs. 1
Leitsatz
1 Bei der Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens ist allein die Visumserteilung maßgeblich. Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger sich in dem das Visum ausstellenden Staat je aufgehalten hat. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 In Finnland bestehen keine systemischen Schwachstellen des Asyl- und Aufnahmeverfahrens. Im Empfangszentrum, bei der Anhörung und Entscheidung wird Sorge für eine Übersetzung getragen; es besteht das Recht, sich einen Rechtsbeistand zu nehmen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3 Das Verfahren nach der Dublin III-Verordnung sieht ein von der materiellen Prüfung des Asylantrags gesondertes behördliches Verfahren für die Bestimmung des zuständigen Staates vor, das einer auf Anerkennung als Asylberechtigter gerichteten Verpflichtungsklage entgegensteht. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) auch keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzes oder auf Feststellung, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegt. Es wird Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
1. Vorliegend ist davon auszugehen, dass Finnland für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig ist. Die Anfechtungsklage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids ist daher unbegründet.
a) Der Bescheid ist formell rechtmäßig.
Der Kläger wurde ausweislich der auch vom Kläger unterschriebenen Niederschrift vom 26. Februar 2018 zur Zulässigkeit des Asylantrags angehört (BAMF-Akte Bl. 110 ff.).
b) Der in der Bundesrepublik gestellte Asylantrag des Klägers ist unzulässig, weil die Republik Finnland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG). Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist damit rechtmäßig.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG ist ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. Nr. L 180 S. 31 – Dublin III-VO).
(1) Vorliegend ist davon auszugehen, dass Finnland im auch für die Anwendung der Dublin III-VO maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG, vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2016 – 1 C 24.15 – juris Rn. 8) gemäß Art. 12 Abs. 2 und Abs. 4 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylgesuchs des Klägers zuständig ist.
Der Kläger ist im Besitz eines von der finnischen Botschaft in Ankara ausgestellten Visums für die Republik Finnland (Gültigkeitsdauer 15.9.2017 bis 15.10.2017). Besitzt ein Antragsteller ein gültiges Visum, so ist nach Art. 12 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung erteilt wurde. Besitzt ein Antragsteller ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten nicht verlassen hat (Art. 12 Abs. 4 Satz 1 Dublin III-VO). Dies ist beim Kläger der Fall.
Die vom Bundesamt durchgeführte Abfrage in der VIS-Datenbank ergab, dass der Kläger ein von Finnland ausgestelltes Visum für den Zeitraum vom 15. September 2017 bis zum 15. Oktober 2017 erhalten hat. Dieses Visum ist seit weniger als sechs Monaten abgelaufen. Nach Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO kommt es für die Bestimmung des nach Kapitel III der Dublin III-VO zuständigen Mitgliedstaates auf den Zeitpunkt der ersten Stellung eines Gesuchs auf internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat an, nicht hingegen auf die förmliche Asylantragstellung (vgl. EuGH, U.v. 26.7.2017 – C-670/16 – juris Rn. 75 ff.), mithin hier auf den 23. November 2017. Zu diesem Zeitpunkt war das Visum erst etwas über einen Monat abgelaufen, so dass Art. 12 Abs. 4 Satz 1 Dublin III-VO vorliegend Anwendung findet. Finnland ist somit nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a) Dublin III-VO gehalten, den Kläger wieder aufzunehmen.
Soweit der Kläger geltend macht, über die Visumserteilung und über seinen Reiseweg nichts zu wissen, da er in einem Bus gesessen und der Schleuser die Grenzübertritte geregelt habe, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Denn maßgeblich ist, dass der Kläger am 17. September 2017 mit einem bis zum 15. Oktober 2017 gültigen und von der finnischen Botschaft ausgestellten Visum nach Deutschland eingereist ist und sich seither hier aufhält; was vom Kläger auch nicht bestritten wurde. Allein der Vortrag des Klägers, sein Ziel sei wegen seines hier lebenden Bruders Deutschland gewesen und er habe nicht gewusst, dass der Schleuser ein finnisches Visum organisiert habe, hindert nicht die Anwendung des Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO. Es gibt in der Dublin III-Verordnung keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Begriff des Visums, der in Art. 2 Buchst. m Dublin III-VO allgemein definiert wird, deshalb anders auszulegen wäre (vgl. EuGH, U.v. 26.7.2017 – C-646/16 – NVwZ 2017, 1357, juris Rn. 55 zur Situation der Ankunft einer außergewöhnlich hohen Zahl internationalen Schutz begehrender Drittstaatsangehöriger). Zumal Art. 12 Abs. 5 Satz 1 Dublin III-VO regelt, dass (selbst) der Umstand, dass das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, nicht daran hindert, dem Mitgliedstaat, der das Visum ausgestellt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Da allein die Visumserteilung maßgeblich ist, kommt es auch nicht darauf an, ob sich der Kläger in dem das Visum ausstellenden Staat (hier: Finnland) je aufgehalten hat.
(2) Da das Aufnahmegesuch vom 15. Februar 2018 binnen drei Monaten nach dem Asylgesuch des Klägers (23.11.2017) gestellt wurde, ist auch die Frist nach Art. 21 Abs. 1 Uabs. 1 Dublin III-VO gewahrt und kein Zuständigkeitswechsel nach Art. 21 Abs. 1 Uabs. 3 Dublin III-VO eingetreten. Dementsprechend erklärte Finnland mit Schreiben vom 15. Februar 2018 seine Zustimmung zur Aufnahme des Klägers nach Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO (Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO). Das entsprechende Schreiben der finnischen Migrationsbehörde ist mit der Formulierung „Your request dated 15.02.2018 for taking charge of Mr. Idris Sen is accepted under the terms of article 12.4 of the Regulation (EU) No 604/2013 (…)“ eindeutig und befindet sich in den Verfahrensakten der Beklagten (BAMF-Akte Bl. 101).
(3) Einer Fristsetzung durch das Bundesamt nach Art. 21 Abs. 2 Dublin III-VO bedurfte es im Rahmen des Aufnahmegesuchs nicht.
Zum einen liegen schon die Voraussetzungen für eine Anforderung einer dringenden Antwort nicht vor, da der Kläger sein Asylgesuch nicht erst stellte, nachdem ihm die Einreise oder der Verbleib in der Bundesrepublik verweigert oder er festgenommen oder eine Abschiebungsanordnung zugestellt oder vollstreckt wurde. Des Weiteren steht die Anforderung einer dringenden Antwort im Ermessen des ersuchenden Mitgliedstaates („kann“); eine Ermessensreduzierung auf Null ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
(4) Auch ist die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin III-VO noch nicht abgelaufen, worauf sich der Kläger berufen könnte (vgl. EuGH, U.v. 25.10.2017 – C-201/16 – DVBl 2017, 1486/1487 f. Rn. 30, 40, 44 ff.). Vielmehr begann die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO von sechs Monaten erst mit der ausdrücklichen Annahme des Überstellungsgesuchs durch Finnland am 15. Februar 2018 und ist daher noch nicht abgelaufen.
(5) Gründe, von einer Überstellung nach Finnland gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO abzusehen, sind nicht ersichtlich.
Diese Vorschrift setzt voraus, dass es sich als unmöglich erweist, einen Kläger an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Kläger in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GrCH mit sich bringen. In diesem Fall setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der Zuständigkeitskriterien nach Kapitel III der Dublin-III-VO fort, um ggf. die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festzustellen. Kann keine Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festgestellt werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
Dieser Regelung liegt das Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10, C-493/10 – juris) zugrunde. Danach gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der EU-Grundrechtecharta entspricht. Allerdings ist diese Vermutung widerleglich. Den nationalen Gerichten obliegt die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Kläger führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GrCH ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH v. 21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist jedoch nicht bereits bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen in dem jeweils zuständigen Mitgliedstaat widerlegt. An die Feststellung systemischer Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von derartigen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im betreffenden Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 9).
Der Kläger läuft im Falle seiner Überstellung nach Finnland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr, wegen systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GrCh ausgesetzt zu werden.
Hiervon kann nach Auffassung des Gerichts in Übereinstimmung mit der insoweit einhelligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht ausgegangen werden (vgl. VG Bayreuth, U.v. 8.8.2017 B 3 K 17.50070 – juris Rn. 31; B.v. 13.3.2017 – B 3 S 17.50118 – juris Rn. 27 m.w.N.; VG Ansbach, U.v. 10.3.2017 – AN 14 K 17.50004 – juris; VG München, B.v. 3.1.2017 – M 8 S 16.51182 – juris). Gegenteiliges hat auch der Kläger nicht substantiiert vorgebracht. Daher steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger im Falle einer Überstellung nach Finnland keiner solchen Gefahr ausgesetzt wird. Seine Behauptung, in der Bundesrepublik würden die Menschenrechte besser gewahrt als in Finnland, ist unsubstantiiert und entbehrt jeglicher Tatsachengrundlage.
(6) Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die ein Selbsteintrittsrecht der Beklagten nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO begründen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, insbesondere bestehen keine zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote (dazu sogleich).
Soweit der Kläger geltend macht, in Finnland sei er nie gewesen und in Deutschland lebten sein Bruder, ein deutscher Staatsangehöriger, sowie seine Lebensgefährtin, die ihn regelmäßig in seiner Aufnahmeeinrichtung besuche, ist dies unionsrechtlich im Dublin-System irrelevant. Besondere persönliche Umstände, die befürchten ließen, dass dem Kläger bei der Durchführung seines Asylverfahren in Finnland erhebliche Gefahren für Leib und Leben drohen würden, die einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK befürchten ließen, sind nicht ersichtlich. Soweit der volljährige Kläger insoweit auf verwandtschaftliche und soziale Kontakte im Bundesgebiet verweist, ist dies für die hier allein streitgegenständliche Rückführung nach Finnland irrelevant; eine besondere Hilfebedürftigkeit des Klägers ist weder dargelegt noch ersichtlich. Dass er seinen Schriftverkehr mit Behörden nicht selbst führen könne und nicht in der Lage sei, sich einen Rechtsbeistand zu organisieren, ist eine Schutzbehauptung. Der 31-jährige Kläger verfügt über einen türkischen Schulabschluss sowie langjährige Berufserfahrung. Im finnischen Asylverfahren hat das Empfangszentrum Sorge für eine Sprachmittlung bzw. Übersetzung zu tragen (vgl. VG Bayreuth, B.v. 13.3.2017 – B 3 S 17.50118 – juris Rn. 29); bei der Anhörung vor den Immigrationsbehörden ist ein Dolmetscher anwesend (Finnish Immigration Service, http://migri.fi/en/interpreting-at-the-asylum-interview, Stand 24.4.2018). Die Entscheidung über den Asylantrag wird in einer für den Asylbewerber verständlichen Sprache, falls erforderlich mit Hilfe eines Dolmetschers, mitgeteilt (Finnish Immigration Service, http://migri.fi/en/asylum-in-finland/positive-decision, Stand 24.4.2018). Es besteht das Recht, sich einen Rechtsbeistand zu nehmen, insoweit können geeignete Rechtsanwälte auch über Rechtsberatungsstellen gefunden werden (Finnish Immigration Service, http://migri.fi/en/legal-advice, Stand 24.4.2018). Warum der Kläger angesichts dessen nicht in der Lage sein sollte, sich mit den finnischen Behörden zu verständigen und einen Rechtsbeistand zu mandatieren, hat er nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Soweit er sich gegen eine Rücküberstellung in die Türkei wendet, ist dies vom Bundesamt nicht zu prüfen, das lediglich die Rückführung nach Finnland angeordnet hat, welches als Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention hinsichtlich seines Asylrechtsvollzugs auch mit Blick auf die Türkei keinen schwächeren Rechtsstandards unterliegt als Deutschland. Rückführungshindernisse hinsichtlich der Türkei zu prüfen, ist Sache Finnlands (vgl. oben). Dies gilt auch für das Refoulement-Verbot.
c) Auch Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids ist rechtmäßig.
Die Abschiebung des Klägers nach Finnland kann auch durchgeführt werden; sie ist rechtlich bzw. tatsächlich möglich. Ihr stehen weder zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote noch inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse entgegen.
Solche Abschiebungshindernisse sind ausnahmsweise von der sonst allein auf die Prüfung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote beschränkten Beklagte auch noch nach Erlass der Abschiebungsanordnung zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – AuAS 2014, 244), da die Abschiebung nur durchgeführt werden darf, wenn sie rechtlich und tatsächlich möglich ist. Dies ist hier der Fall; Gegenteiliges ist weder ersichtlich noch vorgetragen.
Nach derzeitiger Sachlage besteht für den Kläger kein tatsächliches Abschiebungshindernis; insbesondere ist er reisefähig und die Rückübernahme durch Finnland zugesichert, so dass keine inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisse entgegenstehen. Dass er nur nach Deutschland wollte und hier sein Bruder lebt, ist rechtlich unerheblich, da die Brüder weder zusammen im Asylverfahren noch auf konkrete Lebenshilfe füreinander angewiesen sind (vgl. oben). Selbiges gilt in Hinblick auf seine Lebensgefährtin. Gegenteiliges ist weder dargelegt (§ 60a Abs. 2c und Abs. 2d AufenthG) noch sonst ersichtlich.
d) Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald – wie hier – feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids ist damit ebenfalls rechtmäßig.
e) Einwände gegen das in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot ab dem Tag der Abschiebung, gestützt auf § 11 AufenthG, sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger keine schützenswerten besonders engen Bindungen an das Bundesgebiet geltend gemacht, die für seine kürzere Fernhaltung sprächen; solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Auf die obigen Ausführungen zu seinem Bruder und seiner Lebensgefährtin wird verwiesen (vgl. oben).
2. Der weitere (Verpflichtungs-)Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzes ist unzulässig.
Das Verfahren nach der Dublin-III-VO sieht ein von der materiellen Prüfung eines Asylantrags gesondertes behördliches Verfahren für die Bestimmung des hierfür zuständigen Staats vor, das einer auf die Anerkennung als Asylberechtigter, hilfsweise auf die Zuerkennung des internationalen Schutzes gerichteten Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO entgegensteht. Die Trennung der Verfahren zur Zuständigkeitsbestimmung und zur materiellen Prüfung des Asylbegehrens darf nicht dadurch umgangen werden, dass das Verwaltungsgericht im Fall der Aufhebung der Zuständigkeitsentscheidung sogleich über die Begründetheit des Asylantrags entscheidet. In diesem Fall besteht für das Bundesamt die Möglichkeit, einen anderen Mitglied- oder Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist, um die Aufnahme oder Wiederaufnahme des Asylantragstellers zu ersuchen (vgl. BVerwG, U.v. 27.10.2015 – 1 C 32.14 – juris Rn. 14). Ein „Durchentscheiden“ durch das Gericht kommt daher nicht in Betracht. Ausgehend davon kommt auch ein eingeschränkter, auf die Durchführung eines (gegebenenfalls weiteren) Asylverfahrens gerichteter Verpflichtungsantrag nicht in Betracht, weil das Bundesamt hierzu nach Aufhebung der Entscheidung über die Unzulässigkeit automatisch verpflichtet ist (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Rn. 19).
3. Nach allem erweist sich der angefochtene Bescheid des Bundesamtes als rechtmäßig und war die Klage demnach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).