Europarecht

Einstweiliger Rechtsschutz gegen Sperrvermerk auf ausländischem Führerschein

Aktenzeichen  W 6 E 17.228

Datum:
10.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV FeV § 7, § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 88, § 123
StVG StVG § 21
RL 91/439/EWG RL 91/439/EWG Art. 9 Abs. 1
RL 2006/126/EG RL 2006/126/EG Art. 12

 

Leitsatz

1 Dem Ziel, einen bereits angebrachten Sperrvermerk auf einem ausländischen Führerschein vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache wieder entfernen zu lassen, kann grundsätzlich durch eine Regelung gemäß § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO Rechnung getragen werden, wonach das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen kann, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen ist. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die nach § 28 Abs. 4 S. 2 FeV getroffene Feststellung der fehlenden Fahrberechtigung und die auf § 47 Abs. 2 S. 1 FeV gestützte Folgeregelung haben die Funktion, eine verbindliche Klarstellung herbeizuführen. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage könnte nichts daran ändern, dass der Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis bereits unmittelbar kraft Gesetzes nach § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV nicht berechtigt wäre, von seiner ausländischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen. (redaktioneller Leitsatz)
3 Einen ordentlichen Wohnsitz iSd § 7 FeV hat nur derjenige, der sich an einem Ort wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen dem Führerscheininhaber und dem Wohnort erkennen lassen, an mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr gewöhnlich tatsächlich wohnt. Allein die Absicht des Wohnens genügt nicht. (redaktioneller Leitsatz)
4 Bei demjenigen, der den Aufforderungen zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht nachkommt und stattdessen eine neu im EU-Ausland erworbene Fahrerlaubnis vorlegt, ohne tragfähige Gründe dafür vorzutragen, weshalb er die Fahrerlaubnis im EU-Ausland erworben hat, drängt sich der Verdacht auf, dass er durch ein Ausweichen in das Ausland offensichtlich Eignungszweifel hat verbergen wollen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung der Inlandsungültigkeit seiner polnischen Fahrerlaubnis und den auf dem Führerschein angebrachten Sperrvermerk.
1. Anträge des Antragstellers (geb. …) auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B waren bereits mit Bescheiden des Landratsamtes Main-Spessart vom 20. Oktober 2006 und vom 29. Januar 2013 abgelehnt worden, da der Antragsteller die vom Landratsamt jeweils geforderten medizinisch-psychologischen Gutachten nicht beigebracht hatte. Hintergrund der Gutachtensanforderungen waren Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers, da er am 30. November 2003 gegen 2:45 Uhr in Karlstadt ein Kraftfahrzeug geführt hatte, obwohl er nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis und wegen vorausgegangenen Alkoholkonsums fahruntüchtig gewesen war. Eine um 3:09 Uhr entnommene Blutprobe hatte beim Antragsteller eine Blutalkoholkonzentration von 1,66 Promille ergeben. Der Antragsteller war deswegen mit Urteil des Amtsgerichts Gemünden (Az.: 1 Cs 952 Js 1898/04), rechtskräftig seit 17. April 2004, wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Gleichzeitig war gegen den Antragsteller eine (isolierte) Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis von 12 Monaten (bis zum 19.4.2005) festgesetzt worden.
Mit E-Mail vom 27. September 2016 teilte das Polizeirevier Wangen im Allgäu mit, dass der Antragsteller am 26. September 2016 gegen 23:05 Uhr im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle als Führer eines Pkw einen polnischen Führerschein vorgewiesen habe. Der polnische Führerschein war am 13. November 2013 für die Fahrerlaubnisklasse B von der polnischen Fahrerlaubnisbehörde Prezydent Miasta Szczecin ausgestellt worden. Im Führerschein ist ein polnischer Wohnsitz („…“) angegeben.
Nach Ermittlung der Meldedaten des Antragstellers (durchgängige Wohnsitzmeldung im Landkreis Main-Spessart von 1991 bis 6.10.2010 unter verschiedenen Adressen) teilte das Landratsamt dem Kraftfahrtbundesamt mit Schreiben vom 12. Oktober 2016 mit, dass aus seiner Sicht die polnische Fahrerlaubnis ungültig sei und bat um Überprüfung durch die zuständige polnische Behörde. Mit Schreiben vom 18. Januar 2017 übermittelte das Kraftfahrtbundesamt dem Landratsamt Unterlagen in polnischer Sprache, in denen die zuständige polnische Behörde (Urzad Masta Scczecin) die Ausstellung des polnischen Führerscheins bestätigte, Fragen zu den Kriterien des erforderlichen Wohnsitzes auf einem hierfür vorgesehenen Formular jedoch mit „unknown“ beantwortete. Des Weiteren lag in polnischer Sprache eine Meldebestätigung („…“) vom 30. Oktober 2013 bei, in der eine befristete Aufenthaltsdauer vom 30. Oktober 2013 bis 31. Juli 2014 dargestellt ist.
Mit Schreiben vom 18. Januar 2017 teilte das Landratsamt dem Antragsteller mit, dass die polnische Fahrerlaubnis nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtige. Die polnische Behörde habe keine Auskunft darüber geben können, wo der gewöhnliche Aufenthalt des Antragstellers, wie die berufliche Situation (Arbeitsplatz) sei noch seien Angaben über die Familienverhältnisse oder über den Lebensmittelpunkt gegeben worden. Zudem sei der Antragsteller durchgehend seit 6. Oktober 2010 mit Hauptwohnsitz in … und seit 1. Mai 1991 durchgehend im Landkreis Main-Spessart mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen. Der Antragsteller wurde deshalb aufgefordert den polnischen Führerschein bis 3. Februar 2017 zum Eintrag eines Vermerks über die Ungültigkeit in Deutschland vorzulegen. Das Schreiben wurde dem Antragsteller am 19. Januar 2017 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 3. Februar 2017, eingegangen beim Landratsamt am 6. Februar 2017, ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten der angekündigten Ordnungsverfügung und bzw. der Aufbringung eines Sperrvermerks unter Hinweis auf Rechtsprechung des EuGH widersprechen. Auf das Schreiben wird verwiesen.
Mit Bescheid vom 6. Februar 2017 stellte das Landratsamt fest, dass die am 13. November 2013 von der polnischen Fahrerlaubnisbehörde Prezydent Miasta Sczcecin erteilte Fahrerlaubnis der Klasse B den Antragsteller nicht berechtige, fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu führen (Nr. 1). Der Antragsteller wurde aufgefordert, den Führerschein (…) unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheides zum Eintrag eines Vermerks über die Ungültigkeit in Deutschland vorzulegen (Nr. 2), andernfalls ein Zwangsgeld von 500,00 EUR zur Zahlung fällig werde (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 und 2 des Bescheides wurde angeordnet und darauf hingewiesen, dass Nr. 3 des Bescheides kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist (Nr. 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 FeV gelte die Berechtigung von einer in einem anderen EU-Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis für einen Erlaubnisinhaber mit ordentlichem Wohnsitz in Deutschland nicht, wenn dieser ausweislich des Führerscheins zum Zeitpunkt der Erteilung seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland (also in der Bundesrepublik Deutschland) gehabt habe. Die Fahrerlaubnisbehörde könne nach § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV einen feststellenden Verwaltungsakt über die fehlende Berechtigung erlassen. Der Antragsteller habe seinen ordentlichen Wohnsitz seit dem 1. Mai 1991 durchgehend im Landkreis Main-Spessart gehabt und ihm sei bereits im Jahre 2013 die Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis versagt worden. Die Erteilung einer Fahrerlaubnis sei bis heute nicht erfolgt. Dass der Antragsteller durchgehend seinen Wohnsitz im Landkreis Main-Spessart gehabt habe, stehe zweifelsfrei fest. Die in Polen erteilte Fahrerlaubnis verleihe deshalb keine Fahrberechtigung auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Der Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts stehe gemäß § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV im Ermessen der Behörde. Dies komme insbesondere in Betracht, wenn keine Einigkeit über die Fahrberechtigung bestehe. Der Antragsteller habe auf das Schreiben des Landratsamtes vom 18. Januar 2017 hin seinen Führerschein nicht zum Eintrag eines Sperrvermerks vorgelegt. Die förmliche Feststellung des Rechtsverhältnisses liege deshalb im pflichtgemäßen Ermessen und entspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Gemeinschaftsrechtliche Grundsätze der Europäischen Union stünden nicht entgegen. Für den am 13. November 2013 erteilten Führerschein gelte die Richtlinie 91/439/EWG vom 29. Juli 1991 (sogenannte „2. Führerscheinrichtlinie“). Diese stelle in Art. 7 selbst das sogenannte Wohnsitzprinzip auf. Dies habe der EuGH in seinen Entscheidungen (vom 26.6.2008 und 19.5.2011) bestätigt. Wegen Verstoßes gegen das Wohnsitzprinzip müsse die Fahrberechtigung im Inland nicht anerkannt werden. Die Verpflichtung zur Vorlage des polnischen Führerscheins zum Eintrag eines Vermerks über die Ungültigkeit in Deutschland ergebe sich aus § 47 Abs. 2 FeV. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nr. 1 und 2 liege gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im überwiegenden öffentlichen Interesse. Der Antragsteller habe bisher noch nicht den Nachweis der Fahreignung erbracht. Eine Teilnahme am Straßenverkehr ohne Nachweis der Fahreignung liege nicht im Interesse eines möglichst gefahrlosen Ablaufs des Straßenverkehrs. Verzögerungen durch die Einlegung von Rechtsmitteln seien nicht hinnehmbar. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Der Bescheid wurde dem Kläger am 7. Februar 2017 zugestellt.
Am 20. Februar 2017 legte der Antragsteller seinem polnischen Führerschein beim Landratsamt vor und es wurde ein Sperrvermerk für das Inland angebracht.
2. Am 2. März 2017 ließ der Antragsteller Klage erheben (W 6 K 17.227) mit dem Ziel der Verpflichtung zur Anerkennung des polnischen Führerscheins auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Hierüber ist noch nicht entschieden. Im zugrunde liegenden Verfahren ließ der Antragsteller am gleichen Tag im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO beantragen,
dem Antragsgegner zu untersagen, auf dem Führerschein des Antragstellers, ausgestellt am 13. November 2013 von der polnischen Behörde Prezydent Miasta Sczcecin, einen Aberkennungsvermerk für Deutschland aufzubringen und zu verpflichten, einem bereits aufgebrachten Aberkennungsvermerk zu entfernen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen unter Hinweis auf Rechtsprechung des EuGH ausgeführt, die Nichtanerkennung der Fahrberechtigung im Inland sowie die Aufbringung eines Sperrvermerks verstoße gegen die Rechtsprechung des EuGH, wonach ein Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis nur anhand des Führerscheins selbst oder vom Ausstellerstaat herrührender unbestreitbarer Informationen geprüft werden dürfe. Vorliegend sei im Führerschein des Antragstellers jedoch der polnische Wohnsitz aufgedruckt. Der Führerschein sei deshalb ohne weitere Formalitäten anzuerkennen. Inlandsbehörden hätten kein Ermessen, den auf dem Führerschein befindlichen Aufdruck des Wohnsitzes zu überprüfen. Der ausländische Wohnsitz im Führerscheindokument sei Beweis genug, um die Voraussetzungen der Erteilung nach dem Recht des Mitgliedstaates zu belegen. Die Untersagung des Inlandsgebrauchs außerhalb der Sperrfrist führe dazu, dass der Führerscheininhaber gegebenenfalls auf Lebenszeit keine Fahrerlaubnis für Deutschland mehr erhalte. Dies sei mit europäischem Recht nicht vereinbar. Insoweit sei schon die vorliegende anlasslose Ermittlungstätigkeit dahingehend, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Erteilung keinen ordentlichen Wohnsitz im Ausstellerstaat gehabt habe, rechtswidrig. Dass die polnische Behörde keine näheren Angaben über die näheren Umstände des Aufenthalts des Klägers machen könne, sei keine unbestreitbare aus dem Ausland stammende Information, dass der Kläger dort nicht seinen Aufenthalt gehabt habe. Sie sei deshalb nicht unbestreitbar, weil die Tatsache grundsätzlich bestritten werden könne. Auch Menschen, die in Deutschland gemeldet seien, hielten sich nicht immer an der Meldeadresse auf. Dies gelte auch umgekehrt. Jemand, der nicht an einem Ort gemeldet sei, könne sich durchaus dort aufhalten. Mit dem Aufdruck des polnischen Wohnsitzes auf dem Führerscheindokument sei der tatsächliche Aufenthalt bewiesen. Nur wenn sich aus dem Führerschein nicht ergeben sollte, dass das Wohnsitzerfordernis beachtet sei, könne der Aufnahmestaat eine Prüfung vornehmen. Die Tatsache, dass der Kläger (auch) im Inland gemeldet gewesen sei, stehe nicht entgegen. Der Kläger nehme seit langer Zeit ohne Beanstandung am Straßenverkehr teil. Eine „Drogenproblematik“ bestehe nicht mehr. Der Kläger sei beruflich als Bau- und Projektleiter für Montagetätigkeiten eines auf Solartechnik spezialisierten Unternehmens auf seinen Führerschein angewiesen. Da der Antragsgegner einen Aberkennungsvermerk aufgebracht habe, erleide der Antragsteller schwerwiegende Nachteile. Er müsse zur Betreuung, Beratung, Montage und sonstige Serviceleistungen von Anlagen zwingend mit dem PKW vor Ort zu Kunden fahren. Ohne Fahrerlaubnis könne er den Beruf nicht mehr ausüben.
Auf die im Hauptsacheverfahren (W 6 K 17.227) vorgelegten Bestätigungen der Firma S GmbH, K (vom 16.5.2016 und 8.2.2017) sowie die Bestätigungen der TÜV … GmbH … (vom 29.2.2012 – Abstinenznachweis für 3 Monate; vom 29.1.2014 – erfolgreicher Alkohol-Abstinenzcheck im Zeitraum 7.8.2013 bis 7.2.2014; vom 11.2.2015 -erfolgreiches Alkohol-Abstinenz-Kontroll-Programm vom 17.2.2014 bis 17.2.2015; vom 22.2.2016 – Abschlussbericht über ein Alkohol-Abstinenz-Kontroll-Programm im Zeitraum 18.2.2015 bis 18.2.2016; vom 17.5.2016 – Abbruch eines Screening-Programms wegen unentschuldigten Fehlens am 12.5.2016; sowie vom 8.2.2017 – Bestätigung über die erfolgreiche Teilnahme an dem Abstinenz-Kontroll-Programm seit dem 18.5.2016) wird verwiesen.
3. Das Landratsamt Main Spessart beantragte für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, für das Landratsamt stehe aufgrund der Ermittlungen des Kraftfahrt-Bundesamtes, der Auskunft der polnischen Fahrerlaubnisbehörden und der Auskünfte aus dem Melderegister zweifelsfrei fest, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Erteilung der polnischen Fahrerlaubnis keinen ordentlichen Wohnsitz in der polnischen Republik gehabt habe. Der Antragsteller habe vielmehr durchgehend seit dem Jahr 1991 sein ordentlichen Wohnsitz im Landkreis Main-Spessart gehabt. Die dem Landratsamt mitgeteilten Erkenntnisse über den – vermeintlichen – Wohnsitz des Antragstellers (Aufenthalt „unknown“ laut polnischem Register) in Polen seien glaubwürdig und nachvollziehbar. Ein unbekannter Wohnort könne als unbestreitbare Tatsache gewertet werden. Die Ausführungen des anwaltlichen Vertreters enthielten keine Aussage über die Umstände (zum Beispiel Dauer und Zweck) des vermeintlichen Aufenthalts und stünden im Gegensatz zu der eindeutigen Feststellung der Meldeadresse des Antragstellers durchgehend im Landkreis Main-Spessart. Der Bescheid sei deshalb rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die Verfahrensakte W 6 K 17.227 und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der sachgerecht als Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auszulegende Antrag (§ 88 VwGO) hat keinen Erfolg.
1. Nach § 123 Abs. 5 VwGO gelten die Regelungen über den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a, somit bei Vorliegen der Situation einer Anfechtungsklage bzw. auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten (§ 80 Abs. 1 VwGO). Diese Situation liegt hier vor. Dem vom Antragsteller verfolgte Ziel, den bereits angebrachten Sperrvermerk auf seinem polnischen Führerschein vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache wieder zu entfernen zu lassen, kann grundsätzlich durch eine Regelung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO Rechnung getragen werden, wonach das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen kann, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen ist.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist unzulässig, soweit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen Nr. 3 des Bescheides (Zwangsgeldandrohung) begehrt wird, da sich diese Regelung durch die rechtzeitige Vorlage des Führerscheins zur Eintragung des Sperrvermerks erledigt hat.
Im Übrigen ist der Antrag zulässig, denn die aufschiebende Wirkung einer Klage ist auch bei feststellenden Verwaltungsakten ausdrücklich bestimmt (§ 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Der feststellende Verwaltungsakt (Nr. 1 des Bescheides) nach § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV hat zwar lediglich deklaratorischen Charakter, dokumentiert aber auch zum Zwecke der Rechtssicherheit nach außen, dass keine Fahrberechtigung besteht (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 28 FeV Rn. 9, 56). Die nach § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV getroffene Feststellung der fehlenden Fahrberechtigung und die auf § 47 Abs. 2 Satz 1 FeV gestützte Folgeregelung hat lediglich die Funktion, eine verbindliche Klarstellung herbeizuführen. Angemerkt wird aber, dass selbst eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers nichts daran ändern könnte, dass er – soweit im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erkennbar – bereits unmittelbar kraft Gesetzes nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV nicht berechtigt wäre, von seiner polnischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen. Selbst im Fall der Gewährung des begehrten vorläufigen Rechtsschutzes besäße der Antragsteller nicht einstweilen die objektive Fahrberechtigung. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hätte allenfalls Auswirkungen auf die Strafbarkeit nach § 21 StVG (vgl. NdsOVG, B.v. 29.3.2016 – 12 ME 32/16 – NJW 2016, 2132). Für eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO gälte im Ergebnis nichts anderes. Bezüglich Nr. 2 des Bescheides (Verpflichtung zur Vorlage des Führerscheins zum Eintrag eines Sperrvermerks) liegt die Situation einer Anfechtungsklage vor.
2. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er jedoch unbegründet.
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Nichtberechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 1 des Bescheides) entfällt im vorliegenden Fall, weil die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Das Gleiche gilt hinsichtlich der Verpflichtung zur Vorlage des polnischen Führerscheins zur Eintragung des Sperrvermerks (Nr. 2 des Bescheides), weil die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auch insoweit die sofortige Vollziehung angeordnet hat (vgl. BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – ZfSch 2015, 717 unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung). Die (bereits erledigte) Zwangsmittelandrohung (Nr. 3 des Bescheides) ist gemäß Art. 21a VwZVG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO kraft Gesetzes sofort vollziehbar.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Es prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind, und trifft im Übrigen eine Ermessensentscheidung. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Dabei hat das Gericht auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs mit zu berücksichtigen, soweit sich diese bereits übersehen lassen.
Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung im ausreichenden Maße schriftlich begründet (§ 80 Abs. 3 VwGO).
Eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt, dass die erhobene Klage des Antragstellers voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Unabhängig davon ist ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung zu erkennen.
2.1 Nach summarischer Prüfung ist der Bescheid des Antragsgegners vom 6. Februar 2017 mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, weil der Antragsteller mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht berechtigt ist mit seiner polnischen Fahrerlaubnis am öffentlichen Straßenverkehr in Deutschland teilzunehmen. Dies hat der Antragsgegner in seinem Bescheid zutreffend dargelegt. Auf die zutreffenden Gründe wird Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Ergänzend ist auf folgendes hinzuweisen:
Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV gilt das Recht, im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland zu führen, nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellermitgliedsstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zu dem Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten. Diese Bestimmungen entsprechen EU-Recht.
Im vorliegenden Fall sprechen die Gesamtumstände mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Antragsteller im maßgeblichen Zeitraum der Fahrerlaubniserteilung am 13. November 2013 seinen ordentlichen Wohnsitz nicht in der Republik Polen hatte, obwohl im polnischen Führerschein ein polnischer Wohnort eingetragen ist. Ein ordentlicher Wohnsitz im Ausstellermitgliedsstaat setzt voraus, dass der Inhaber der Fahrerlaubnis wegen persönlicher oder beruflicher Bindungen mindestens 185 Tage im Jahr dort gewohnt hat (§ 7 Abs. 1 Satz 2 FeV). Damit der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der vom Mitgliedsstaat erteilten Fahrerlaubnis durchbrochen werden darf, müssen entweder Angaben aus dem zugehörigen Führerschein oder andere vom Ausstellermitgliedsstaat herrührende unbestreitbare Informationen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass die im Führerschein enthaltene Wohnsitzangabe nicht zutrifft. Der Antragsgegner ist dabei nicht auf die Angaben beschränkt, die sich aus dem Führerschein ergeben. Die zulässigerweise eingeholten Informationen sind daraufhin zu bewerten, ob diese unbestreitbar sind und ob sie belegen, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedsstaates hatte. Die Prüfung, ob solche Informationen als vom Ausstellungsmitgliedsstaat herrührend und als unbestreitbar eingestuft werden können, obliegt den Behörden und den Gerichten des Aufnahmemitgliedsstaats. Dabei muss die Begründung eines Scheinwohnsitzes aufgrund der vom Ausstellungsmitgliedsstaat stammenden Informationen nicht bereits abschließend erwiesen sein. Vielmehr reicht es aus, wenn diese Informationen darauf „hinweisen“, dass sich der Inhaber des Führerscheins im Gebiet des Ausstellungsmitgliedsstaats nur für kurze Zeit aufgehalten und im Gebiet des Ausstellungsmitgliedsstaats einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck begründet hat, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedsstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen. Es genügt schon die bloße Möglichkeit einer solchen Sachverhaltsgestaltung, ohne dass die Begründung eines reinen Scheinwohnsitzes bereits abschließend erwiesen sein muss. Soweit unbestreitbare Informationen des Ausstellungsmitgliedsstaats vorliegen, aus denen sich die Möglichkeit ergibt oder die darauf hinweisen, dass die Wohnsitzvoraussetzung nicht gegeben war, sind zur endgültigen Beurteilung dieser Fragen die gesamten Umstände des Einzelfalles heranzuziehen, also ergänzend auch die inländischen Umstände (vgl. zum Ganzen auch mit Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des EuGH etwa zuletzt BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 11 ZB 16.2004 – juris; B.v. 7.2.2017 – 11 CS 16.2562 – juris, B. v 30.1.2017 – 11 C 16.2607 – juris; B.v. 22.8.2016 – 11 CS 16.1230 – juris; B.v. 11.7.2016 – 11 CS 16.1084 – juris; B.v. 9.6.2016 – 11 CS 16.689 – juris; B.v. 11.5.2016 – 11 CS 16.658 – SVR 2016, 358; B.v. 15.9.2015 – 11 ZB 15.1077 – KommunalPraxis BY 2015, 418; B.v. 20.10.2014 – 11 CS 14.1688 – KommunalPraxis BY 2015, 26; BVerwG, B.v. 21.4.2016 – 3 B 45/15 – juris OVG NRW, U. v. 25.10.2016 – 16 A 1638/15 – juris; U.v. 9.12.2014 – 16 A 2608/10 – NWVBl 2015, 229; OVG LSA, B.v. 28.9.2016 – 3 L 130/15 – juris; OVG Rh-Pf, B.v. 15.1.2016 – 10 B 11099/15 – NJW 2016, 2052;).
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen zur Überzeugung des Gerichts unbestreitbare Informationen aus dem Ausstellermitgliedsstaat (Polen) vor, die darauf hinweisen, dass das Wohnsitzerfordernis nicht eingehalten wurde. Nach der vorgelegten Bescheinigung („Responce from Authority Addressed“) der polnischen Behörde (Urzad Miasta Sczcecin) vom 10. Januar 2017 wurde die Frage nach dem ordentlichen Wohnsitz des Antragstellers (mindestens 185 Tage pro Kalenderjahr) sowie die weiteren Fragen nach persönlichen oder beruflichen Bindungen jeweils mit „unknown“ beantwortet. Zwar beweist dies für sich noch nicht, dass der Antragsteller seinen Wohnsitz nicht im Gebiet des Ausstellermitgliedstaates hatte, sofern damit zum Ausdruck gebracht wird, dass der Ausstellermitgliedstaat keine Kenntnis über die Wohnsitzvoraussetzungen hatte. In diesem Fall wäre keine Sachinformation mitgeteilt (BayVGH, B. v. 8.9.2015 – 11 CS 15.16. 34 – Rn. 14). Allerdings wurde in Übereinstimmung mit der beigelegten Anmeldebescheinigung für einen befristeten Aufenthalt (vom 30.10.2013) handschriftlich hinzugefügt, dass der Antragsteller in Polen im Zeitraum 30. Oktober 2013 bis 31. Juli 2014 Aufenthalt hatte („Residence in Poland in Period 30.10.2013 – 31.10.2014“). Zwar wäre dies ein ausreichender Zeitraum gemäß § 7 FeV i. V. m. Art. 7 Abs. 1 Buchst. b i. V. m. Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG („2. Führerscheinrichtlinie“), ebenso wie nach Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG („3. Führerscheinlinie“, gültig ab 19.1.2009, Art. 18 Abs. 2). Da der polnische Führerschein jedoch bereits am 13. November 2013 ausgestellt wurde, würde dies bedeuten, dass der Antragsteller bereits nach 13 Tagen den Führerschein erhalten hätte. Einen ordentlichen Wohnsitz im Sinne der genannten Bestimmungen hat jedoch nur derjenige, der sich an einem Ort wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – im Falle eines Führerscheininhabers ohne berufliche Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen dem Führerscheininhaber und dem Wohnort erkennen lassen, an mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr gewöhnlich (tatsächlich) wohnt. Allein die Absicht des Wohnens genügt nicht (BVerwG, B. v. 21.9.2011 – 3 B 28/11 – juris). Hinzu kommt, dass es sich nach dem vorgelegten polnischen Aufenthaltsdokument offensichtlich um einen von vornherein befristeten Aufenthalt handelte. Denn nach der obergerichtlichen Rechtsprechung spricht ein nur vorübergehender Aufenthalt im Ausstellermitgliedsstaat indiziell gegen die Begründung eines dortigen Lebensmittelpunktes, da eine solche Begründung in der Regel auf Dauer angelegt ist. Es ist dabei Sache der Gerichte, die Informationen aus dem Ausstellungsmitgliedsstaat zu prüfen und zu bewerten (BayVGH, B.v. 13.6.2016 – 11 CS 16.557 – juris; vgl. auch B.v. 20.5.2015 – 11 CS 15.685 – juris).
Demnach ergeben sich nach der hier vorzunehmenden freien Beweiswürdigung gemäß § 108 VwGO aus den vorgelegten polnischen Unterlagen Zweifel und damit Hinweise auf die fehlende Begründung eines tatsächlichen ordentlichen Wohnsitzes des Antragstellers im Ausstellermitgliedsstaat. Denn hinsichtlich des Beweiswertes der vom Ausstellermitgliedsstaat herrührenden Informationen für das Nichtbestehen eines dortigen ordentlichen Wohnsitzes im Zeitpunkt der Fahrerlaubniserteilung genügt – wie bereits ausgeführt – die bloße Möglichkeit einer entsprechenden Sachverhaltsgestaltung. Es ist ausreichend, wenn diese Informationen eine Missachtung des unionsrechtlichen Wohnsitzerfordernisses als möglich erscheinen lassen. Die alleinige melderechtliche Information ohne Kenntnis der tatsächlichen Umstände des polnischen Wohnsitzes ist bei gleichzeitig beibehaltenem dauerhaften Aufenthalt in Deutschland ein ausreichender Hinweis darauf, dass sich der Antragsteller nur vorübergehend in Polen aufgehalten und dort einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck errichtet hat, die Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins in Deutschland zu umgehen (so ausdrücklich NdsOVG, B.v. 29.3.2016 – 12 ME 32/16 – NJW 2016, 2132; B.v. 10.3.2016 – 12 ME 22/16 – ZfSch 2016, 356; OVG Rh-Pf, B.v. 15.1.2016 – 10 B 11099/15 – NJW 2016, 2052; vgl. auch BayVGH, B. v. 7.2.2017 – 11 CS 16.2562 – juris; B.v. 15.9.2015 – 11 ZB 15.1077 – KommunalPraxis BY 2015, 418; BayVGH, B.v. 20.2.2014 – 11 BV 13.1189 – juris; kritischer wohl noch OVG NRW, U.v. 9.12.2014 – 16 A 2608/10 – NWVBl 2015, 229 sowie BayVGH, B.v. 20.10.2014 – 11 CS 14.1688 – KommunalPraxis BY 2015, 26).
Liegen danach hinreichende Informationen für einen Wohnsitzverstoß vor, dürfen die nationalen Gerichte ergänzend zu diesen aus Polen herrührende Informationen auch alle weiteren Umstände des anhängigen Verfahrens berücksichtigen.
Der Antragsgegner hat zu Recht auf die weiteren inländischen Umstände verwiesen, konkret die Angaben der Einwohnermeldeämter, die bestätigen, dass der Antragsteller durchgängig seit dem Jahr 1991 seinen Hauptwohnsitz im Landkreis Main-Spessart hatte. Zuletzt hat der Antragsteller am 6. Oktober 2010 Wohnsitz (einzige Wohnung) in, begründet. Eine Abmeldung nach Polen enthält das Melderegister nicht. Hinzu kommt, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren diverse Unterlagen vorgelegt hat über Abstinenz-Kontroll-Programme beim TÜV … GmbH in W, die auch den Zeitraum betreffen, in dem sich der Antragsteller mit gewöhnlichem Wohnsitz in Polen aufgehalten haben will. So bestätigt die Teilnahmebescheinigung über einen Alkohol-Abstinenzcheck des TÜV Süd vom 29. Januar 2014, dass der Antragsteller im Zeitraum 7. August 2013 bis 7. Februar 2014 an einem solchen Abstinenzprogramm teilgenommen hat. Als konkrete Abnahmetage sind dort der 10.9., 5.11., 4.12. 2013 sowie der 23.1.2014 benannt, somit Tage, an denen der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Polen gehabt haben will.
2.2 Bestehen somit unter Einbeziehung sowohl ausländischer als auch inländischer Umstände erhebliche Zweifel am Vorliegen eines polnischen Wohnsitzes, liegt es auf der Hand, dass die durch den Führerschein des Ausstellermitgliedsstaats begründete Annahme, das Wohnsitzerfordernis sei zum Ausstellungsdatum erfüllt, erschüttert ist, so dass es dem Fahrerlaubnisinhaber obliegt, substanziierte und verifizierbare Angaben zu seiner angeblichen Wohnsitzbegründung in Polen und zu seinen dortigen persönlichen und beruflichen Bindungen durch Vorlage geeigneter Unterlagen zu machen. Der Antragsteller hat jedoch bisher weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren derartige Angaben gemacht. Zwar besteht insofern keine Behauptungs- und keine Beweisführungslast, da die Behörden und die Verwaltungsgerichte den entscheidungserheblichen Sachverhalt vom Amts wegen zu ermitteln haben (vgl. Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG bzw. § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO), jedoch sollen die Beteiligten bei der Sachaufklärung gemäß Art. 26 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BayVwVfG mitwirken und sind hierzu nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO heranzuziehen. Unterlässt es – wie hier – der Antragsteller ohne Nennung eines zureichenden Grundes, seinen Teil zur Sachaufklärung beizutragen, obwohl ihm das ohne weiteres möglich und zumutbar ist und er sich der Erheblichkeit der in Rede stehenden Umstände bewusst sein muss, kann dieses Verhalten je nach den Gegebenheiten des Falles bei der Beweiswürdigung zu seinen Lasten berücksichtigt werden. Grundsätzlich hat ein Prozessbeteiligter den Prozessstoff umfassend vorzutragen und bei der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Denn gerade dann, wenn ein Beteiligter sich nicht klar und eindeutig zu den Gegebenheiten äußert, die seine eigene Lebenssphäre betreffen und über die er deshalb besser als der Verfahrensgegner Bescheid wissen muss, darf ein Gericht im Rahmen der sich aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergebenden Befugnis zur freien Beweiswürdigung das prozessuale Erklärungsverhalten eines Beteiligten berücksichtigen (vgl. BayVGH, B. v. 7.2.2017 – 11 CS 16.2562 – juris; B.v. 22.8.2016 – 11 CS 16.1230 – juris; B.v. 11.7.2016 – 11 CS 16.1084 – juris; U.v. 7.5.2015 – 11 B 14.654 – SVR 2015, 469; BVerwG, B.v. 21.4.2016 – 3 B 45/15 – juris).
Vorliegend hat der Antragsteller weder nähere Angaben zu seinem Aufenthalt in Polen gemacht, noch hat er erklärt, weshalb er gleichzeitig im Bundesgebiet zum fraglichen Zeitraum eine Wohnung im Landkreis Main-Spessart innehatte, wo er mit Hauptwohnsitz gemeldet war und wo sich sein beruflicher und privater Schwerpunkt befand. Erst recht fehlen aussagekräftige Belege dazu.
Gesamtbetrachtet steht nach den vom Ausstellermitgliedsstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen und ergänzender weiterer inländischen Umstände betreffend der vom Antragsteller angegebenen polnischen Adresse sowie angesichts des fehlenden substanziierten Vorbringens des Antragstellers zu seinem Aufenthalt in Polen mit hoher Wahrscheinlichkeit fest, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Erteilung der polnischen Fahrerlaubnis seinen gewöhnlichen Wohnsitz im Sinne des Fahrerlaubnisrechts nicht in der Republik Polen hatte, sondern in der Bundesrepublik Deutschland. Die Klage hat deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Aussicht auf Erfolg.
3. Nach alledem bestehen auch keine Bedenken hinsichtlich der auf § 47 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 FeV gestützten Folgeregelung betreffend die Verpflichtung des Antragstellers, seinen Führerschein zum Eintrag eines entsprechenden Sperrvermerks vorzulegen.
4. Unabhängig davon spricht auch eine Abwägung der gegenseitigen Interessen gegen eine Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Gravierend ins Gewicht fällt die aktenkundige Vorgeschichte des Antragstellers (Fahren eines Pkw ohne Fahrerlaubnis und unter Alkoholeinfluss, 1,66 Promille, am 30.11.2003). Für die Erteilung der Fahrerlaubnis in Deutschland wäre die Vorlage einer medizinisch-psychologischen Untersuchung erforderlich gewesen (§ 13 Satz 1 Nr. 2c FeV). Auch wenn die Alkoholfahrt bereits längere Zeit zurückliegt und seitdem keine weiteren Erkenntnisse bezüglich der Fahreignung des Antragstellers vorliegen, so ist diese dennoch geeignet, weiterhin Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers zu begründen, da diese noch im Fahreignungsregister eingetragen ist und die Tilgungsfrist noch nicht abgelaufen ist (§ 29 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 StVG in der bis 30.4.2014 anwendbaren Fassung, § 65 Abs. 3 Nr. 3 StVG). Der Antragsteller hat seine Fahreignung bisher nicht nachgewiesen. Zweimaligen Aufforderungen des Landratsamts zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (vom 8.5.2006 und 11.9.2012) ist der Antragsteller ohne Begründung bisher nicht nachgekommen, weshalb seine Anträge auf Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse B abgelehnt wurden (bestandskräftige Bescheide vom 26.10.2006 und 29.1.2013). Eine solche Eignungsüberprüfung hat offenkundig vor der Erteilung der polnischen Fahrerlaubnis nicht stattgefunden. Auch wenn die mit der strafrechtlichen Verurteilung durch das Amtsgericht Gemünden (Az.: 1 Cs 952 Js 1898/04) verhängte isolierte Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von 12 Monaten (bis 19.4.2005) bereits seit längerem abgelaufen ist, bestehen die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers weiterhin fort und können auch nicht allein durch die im Hauptsacheverfahren vorgelegten Bestätigungen des TÜV Süd über erfolgreiche Teilnahme an Abstinenz-Kontroll-Programmen ausgeräumt werden, da die Fahreignung nur dann als wiedererlangt angesehen werden kann, wenn zu einem kontrollierten Alkoholkonsum ein stabiler Einstellungswandel hinzutritt, der es für die Zukunft ausschließt, dass der Antragsteller erneut ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird (siehe entsprechend Nr. 9.5 der Anlage 4 zu §§ 11,13 und 14 FeV). Dies ist im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung festzustellen. Da der Antragsteller bisher keine tragfähigen Gründe dafür vorgetragen hat, weshalb er die Fahrerlaubnis im EU-Ausland erworben hat, drängt sich der Verdacht auf, dass er durch ein Ausweichen in die Republik Polen offensichtlich Eignungszweifel hat verbergen wollen (vgl. auch BayVGH, B.v. 20.10.2014 – 11 CS 14.1688 – KommunalPraxis BY 2015, 26). Auch die Interessenabwägung muss deshalb zu Ungunsten des Antragstellers ausfallen. Das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbare Auftrag zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben gebieten es, hohe Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu stellen. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen gegen die sofort vollziehbar erklärte Feststellung einer fehlenden Fahrberechtigung im Bundesgebiet bzw. gegen die Verpflichtung zur Vorlage eines Führerscheins zur Eintragung eines Inlandsungültigkeitsvermerks wird nur dann in Betracht kommen, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass das vom Betroffenen ausgehende Gefahrenpotenzial nicht nennenswert über dem des Durchschnitts anderer motorisierter Verkehrsteilnehmer liegt. Aufgrund der Vorgeschichte des Antragstellers kann nicht davon ausgegangen werden, dass im Fall einer Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr in der Bundesrepublik Deutschland mit einem motorisierten Fahrzeug von diesem keine erhöhte Gefahr ausginge. Zwar nimmt der Antragsteller offenbar seit Ausstellung des polnischen Führerscheins im Jahr 2013 am Straßenverkehr teil, ohne dass Auffälligkeiten bekannt wurden. Dem kann angesichts der erheblichen Dunkelziffer bei der Begehung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten im Straßenverkehr jedoch kein durchgreifendes Gewicht zugemessen werden. Die privaten und beruflichen Interessen des Antragstellers müssen wegen der Gefährlichkeit der Teilnahme ungeeigneter Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr zurücktreten.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
6. Die Streitwertfestsetzung resultiert aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Bei der Höhe des Streitwerts folgt das Gericht den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Nach Nr. 46.3 ist für die Fahrerlaubnis der hier allein relevanten Klasse B der Auffangstreitwert von 5.000,00 EUR anzusetzen, der nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren ist.

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