Europarecht

Erfolglose Klage gegen Dublin-Bescheid (Rumänien)

Aktenzeichen  AN 17 K 18.50003

Datum:
26.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 16831
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, § 34a
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Rumänien weisen keine systemischen Mängel auf.  (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die zulässige Klage, über die trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung aufgrund eines entsprechenden Hinweises in der ordnungsgemäßen Ladung entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid vom 15. Januar 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Anfechtungsklage die statthafte Klageart gegen den Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2017. Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Zuge der Änderung des Asylverfahrensgesetzes infolge des Inkrafttretens des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I Nr. 39 v. 5.8.2016). Danach ist die Anfechtungsklage gegen Bescheide, die die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 AsylG feststellen, die alleinige statthafte Klageart. Hintergrund hierfür ist der Umstand, dass die Asylanträge in diesen Fällen ohne Prüfung der materiell-rechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen, also ohne weitere Sachprüfung, abgelehnt werden. Insoweit kommt auch kein eingeschränkter, auf die Durchführung eines Asylverfahrens beschränkter Verpflichtungsantrag in Betracht (vgl. BVerwG U.v. 1.7.2017 – 1 C 9.17 – NVwZ 2017, 1625; BayVGH U.v. 13.10.2016 – 20 B 14.30212 – juris). Bei einer erfolgreichen Klage führt die isolierte Aufhebung der angefochtenen Regelung zur weiteren Prüfung der Anträge durch die Beklagte und damit zum erstrebten Rechtsschutzziel.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 18. Dezember 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Das Bundesamt hat den Antrag des Klägers zu Recht als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1a) AsylG abgelehnt. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung Nr. 604/2013 (EU) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
aa) Rumänien ist für die Behandlung des Asylgesuchs des Klägers zuständig. Die Zuständigkeit Rumäniens ergibt sich vorliegend aus Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO, da der Kläger aus einem Drittstaat kommend die Landgrenzen von Rumänien illegal überschritten hat und seit dem Tag des illegalen Grenzübertritts noch keine 12 Monate verstrichen sind. Dies ergibt sich aufgrund des EURODAC-Treffers, wonach dem Kläger am 16. September 2017 und 23. Oktober 2017 in Rumänien Fingerabdrücke genommen wurden.
Nach Art. 18 Abs. 1d) Dublin III-VO ist ein Mitgliedstaat verpflichtet, einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag dort abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat erneut einen Antrag gestellt hat oder sich in einem anderen Mitgliedstaat ohne Aufenthaltstitel aufhält, wieder aufzunehmen. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 1. Dezember 2017 ein Wiederaufnahmegesuch innerhalb der Zwei-Monatsfrist des Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO an Rumänien gestellt. Rumänien hat mit Schreiben vom 15. Dezember 2017 im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens seine Zustimmung zur Rückübernahme des Klägers fristgerecht nach Art. 25 Abs. 1 Dublin III-VO erklärt.
bb) Es liegen auch keine Umstände vor, die ausnahmsweise die Zuständigkeit der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO begründen oder zur Verpflichtung hinsichtlich der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO führen würden.
(1) Nach dem System der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996, 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 31.12.2011, C-411/10 und C-433/10 – NVwZ 2012, 417) gilt die Vermutung, dass die Behandlung von Asylbewerbern in jedem Mitgliedsland der Europäischen Union (EU) den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der EU (ChGR) entspricht. Diese Vermutung ist jedoch widerlegt, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem Mitgliedsland systemische Mängel aufweisen, die zu der Gefahr für den Asylbewerber führen, bei Rückführung in den Mitgliedsstaat einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung i.S.v. Art. 4 ChGR bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein.
Derartige systemische Mängel, mit dem der Asylbewerber der Überstellung alleine entgegentreten kann (EuGH Gr. Kammer, U.v. 10.12.2013, C-394/12 – juris), erkennt das Gericht für Rumänien nicht. An die Annahme des Ausnahmefalls des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Es müsste die ernsthafte Gefahr grundlegender Verfahrensmängel oder erheblich defizitäre Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem Mitgliedsland erkennbar und für den Rechtschutzsuchenden im zu entscheidenden Einzelfall zu befürchten sein (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014, 10 B 6/14 – juris).
Dies ist nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel, insbesondere den regelmäßigen Berichten der Kommission der EU zur Bewertung des Dublin-Systems und des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort sowie der Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Ansbach vom 5. Dezember 2017 nicht der Fall und wird nach der zu Rumänien ergangenen Rechtsprechung überwiegend nicht angenommen (vgl. VG Augsburg, B.v. 10.11.2017, Au 5 S 17.50352; VG Düsseldorf, B.v. 10.4.2017, 22 L 668/17.A; VG Bayreuth, B.v. 18.4. 2016, B 3 S 16.50026; VG Ansbach, B.v. 30.9.2015, AN 3 S 15.50375; VG Aachen, B.v. 17.8.2015, 8 L 607/15.A; VG Regensburg, U.v. 17.6.2015, RO 4 K 15.50311 – jeweils juris).
Der Kläger hat auch in der mündlichen Verhandlung insoweit keinen substantiierten Vortrag gemacht oder bei der Anhörung vor dem Bundesamt Tatsachen glaubhaft gemacht, die systemische Schwachstellen im rumänischen Asylverfahren belegen würden. Der Vortrag des Klägers, dass er in Rumänien geschlagen worden sei, ist nach Überzeugung des Gerichts nicht glaubhaft. Die Angaben, die er im Zusammenhang mit seiner behaupteten Inhaftierung und den damit zusammenhängenden Geschehnissen, wiedergibt, sind unpräzise und ohne die konkrete Angabe von Einzelheiten, mit der Folge, dass für das Gericht kein in sich stimmiger und nachvollziehbarer Sachverhalt vorliegt. In diesem Zusammenhang sieht das Gericht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 77 Abs. 2 AsylG ab und folgt insoweit den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes.
Für den Kläger sind auch keine besonderen Umstände erkennbar, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung befürchten ließen. Insbesondere gehört er als gesunder junger erwachsener Mann nicht einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe an.
(2) Eine Veranlassung bzw. Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO bestand ebenfalls nicht. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Es handelt sich hierbei um eine restriktiv anzuwendende Ausnahmebestimmung, in denen außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen müssen, die nach Maßgabe der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern. Derartige Umstände wurden weder vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich, weshalb das Gericht keine Ermessensfehler (§ 114 VwGO) anzunehmen vermag.
b) Die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG ist nicht gegeben. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK – ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
Hiervon kann vorliegend jedoch, insbesondere unter Zugrundelegung obiger Ausführungen, nicht ausgegangen werden.
bb) Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Feststellung eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG zur Seite, da eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit den Kläger bei einer Rückkehr nach Rumänien nicht besteht. Für ein Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen wurde weder substantiiert vorgetragen, noch ist deren Vorliegen sonst erkennbar.
c) Des Weiteren begegnet auch die nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ergangene Abschiebungsanordnung keinen rechtlichen Bedenken. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG stellt insoweit ausdrücklich klar, dass es einer vorherigen Androhung und Fristsetzung nicht bedarf.
Hinsichtlich der Zuständigkeit Rumäniens ist auf die Ausführungen unter a) zu verweisen. Daneben ist eine Abschiebung vorliegend sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht möglich, womit feststeht, dass diese durchgeführt werden kann.
Insbesondere hat Rumänien der Rückübernahme des Klägers mit Schreiben vom 15. Dezember 2017 zugestimmt und auch die Überstellungsfrist von 6 Monaten (Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO) ist noch nicht abgelaufen.
Der Kläger kann sich weiterhin nicht auf inlandsbezogene Abschiebungsverbote berufen, die in Bezug auf die Abschiebungsanordnung gegenüber der Beklagten an dieser Stelle zusätzlich geltend gemacht werden können (vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2015 – 11 ZB 15.50050 – juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 31.5.2011 – A 11 S 1523/11 – juris; OVG Hamburg, B.v. 3.12.2010 – 4 Bs 223/10 – juris). Er hat insofern weder etwas vorgebracht noch gibt es sonstige Anhaltspunkte hierfür.
d) Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gem. §§ 11 Abs. 1, Abs. 2, 75 Nr. 12 AufenthG begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Befristung steht dabei im Ermessen der Behörde, vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, womit das Gericht die Festsetzung in zeitlicher Hinsicht nur auf – im vorliegenden nicht ersichtliche – Ermessensfehler hin überprüft (§ 114 Satz 1 VwGO).
e) Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
II.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen, wobei Gerichtskosten gemäß § 83b AsylG nicht erhoben werden.

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