Europarecht

Erfolgloser Eilantrag eines nigerianischen Asylbewerbers gegen Aufrechterhaltung der Abschiebungsandrohung nach Italien

Aktenzeichen  W 10 S 19.50732

Datum:
13.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 31631
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 88, § 122 Abs. 1, § 123, § 154 Abs. 1
VwVfG § 48, § 51 Abs. 1, Abs. 5
GG Art. 6
EMRK Art. 8
Dublin III-VO Art. 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1, Art. 25 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
AsylG § 14a, § 29 Abs. 1, § 34a Abs. 2, § 71 Abs. 1, § 74 Abs. 1, § 77 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Eine Abschiebungsanordnung kann sich im Fall der illegalen Wiedereinreise nach ihrem Vollzug erledigen, weil dies (nach einem Teil der Rechtsprechung) die Durchführung eines erneuten Wiederaufnahmeverfahrens nach Art. 23, 24 ff. Dublin III-VO erforderlich macht (vgl. VG Trier, BeckRS 2019, 8373). (Rn. 27) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Hinsichtlich der Ablehnung eines Asylantrags versperrt § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG das sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne als gegenüber § 51 VwVfG speziellere Regelung (vgl. BVerwG BeckRS 9998, 169776). Dies gilt ohne Weiteres auch hinsichtlich des Wiederaufgreifens der Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig nach § 29 Abs. 1 AsylG. (Rn. 29) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Systemische Schwachstellen sind nur dann als Verstoß gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK zu werten, wenn eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht wird. Dies erfordert die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats gegenüber einem Asylbewerber mit der Folge, dass er sich als eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person unabhängig von seinem Willen und seiner persönlichen Entscheidung in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihm nicht erlaubt, seine elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die seine physische und psychische Gesundheit beeinträchtigt oder ihn in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar ist (EuGH BeckRS 2019, 3600 – Jawo). (Rn. 40) (red. LS Clemens Kurzidem)
4. Nach neueren Erkenntnismitteln verfügt Italien grundsätzlich über ausreichende Unterbringungskapazitäten sowie ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes und richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren, das trotz bestehender Mängel noch als funktionsfähig betrachtet werden kann (vgl. OVG Lüneburg BeckRS 2018, 24922). (Rn. 42 – 52) (red. LS Clemens Kurzidem)
5. Eine chronische Hepatitis-B-Infektion ist in Italien behandelbar, sodass die Annahme eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1, 2 AufenthG nicht in Betracht kommt. (Rn. 58) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen den Vollzug einer Abschiebungsanordnung nach Italien.
1. Der Antragsteller, nach eigenen Angaben am … … 1989 geboren und nigerianischer Staatsangehöriger, hatte sich bereits am 16. März 2018 in Karlsruhe als asylsuchend gemeldet. Ein Abgleich von Fingerabdrucken des Antragstellers in der Eurodac-Datenbank am gleichen Tag ergab, dass dieser bereits am 2. Februar 2016 in Foggia, Italien, Asyl beantragt hatte.
Am 3. Mai 2018 stellte der Antragsteller beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag. Am 4. Mai 2018 wurde ein Wiederaufnahmeersuchen an Italien gestellt.
Mit Bescheid vom 23. Mai 2018 (Gz.: …*) lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, ordnete die Abschiebung des Antragstellers nach Italien an und befristete das Wiedereinreiseverbot auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung. Auf die Gründe des Bescheides wird Bezug genommen.
Dieser Bescheid wurde bestandskräftig, nachdem das dagegen beim Verwaltungsgericht München anhängige Klageverfahren mit Beschluss vom 14. März 2019 eingestellt worden war (Az.: M 3 K 18.51674).
Am 23. Juli 2018 erkannte der Antragsteller vor dem Stadtjugendamt München die Vaterschaft für ein am 18. November 2018 erwartetes Kind seiner (angeblichen) Ehefrau, der nigerianischen Staatsangehörigen D.G., an. Des Weiteren erklärten der Antragsteller und seine Ehefrau mit Urkunde vom 23. Juli 2018, die gemeinsame elterliche Sorge für das Kind ausüben zu wollen (Bl. 64 der Akte des Asylverfahrens …*).
Im Zuge einer serologischen Untersuchung wurde beim Antragsteller eine chronische Hepatitis B-Infektion festgestellt.
Am 24. Januar 2019 erfolgte die Abschiebung des Antragstellers nach Italien.
2. Am 3. März und 17. April 2019 wurde der Antragsteller erneut im Bundesgebiet polizeilich aufgegriffen und erkennungsdienstlich behandelt. Dabei äußerte er erneut ein Asylgesuch.
Aus einem Schreiben eines Sozialdienstes an die Regierung von Oberbayern vom 20. März 2019 (Bl. 33 der Akte des Asylverfahrens …*) geht hervor, dass die Ehefrau des Antragstellers, Frau D.G., seine Verlegung zu ihr und ihrem Kind in die Gemeinschaftsunterkunft … in M. betrieben hat, da sie dringend auf seine Unterstützung angewiesen sei.
Mit Bescheid vom 18. Juni 2019 (Gz.: …) wurde der Asylantrag erneut als unzulässig abgelehnt, festgestellt, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen und die Abschiebung nach Italien angeordnet. Die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig war auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Buchst. b, 25 Abs. 2 Dublin III-VO gestützt, weil die Zuständigkeit wegen der nicht fristgerecht erfolgten Beantwortung des Wiederaufnahmegesuchs vom 3. Mai 2019 am 17. Mai 2019 auf Italien übergegangen sei. Aus den Bescheidsgründen geht u.a. hervor, dass sich die Ehefrau des Antragstellers und ihr Kind im nationalen Asylverfahren befinden.
Dieser Bescheid wurde dem Antragsteller am 26. Juni 2019 unter der Anschrift der o.g. Gemeinschaftsunterkunft durch Niederlegung in einer Postfiliale zugestellt (Bl. 158/159 der Akte des Verfahrens …).
3. Am 22. August 2019 wurde der Antragsteller erneut im Bundesgebiet erkennungsdienstlich behandelt und stellte einen weiteren Asylantrag.
In der Anhörung zur Zulässigkeit seines Asylantrags am 22. August 2019 sowie zur Begründung seines Folgeantrages gab der Antragsteller an, sein Geburtsdatum sei der … … 1998. Er sei verheiratet. Er sei nach seiner Überstellung nach Italien am 23. Januar 2019 erneut am 24. März 2019 nach Deutschland gekommen. Er wolle mit seiner Familie zusammenleben. Seine Frau und seine Tochter hielten sich in Deutschland auf. In Italien habe er keine Unterkunft gehabt und auf der Straße gelebt. Er sei allein ohne seine Familie abgeschoben worden, er hätte jedoch keine Probleme damit gehabt, wenn sie alle zusammen abgeschoben worden wären.
Auf das Wiederaufnahmeersuchen des Bundesamtes vom 3. September 2019 teilte das italienische Innenministerium mit Schreiben vom 17. September 2019 (Bl. 63 der Bundesamtsakte) mit, für den Antragsteller sei bereits am 3. Mai 2019 ein Wiederaufnahmeersuchen gestellt worden, dem jedoch kein Eurodac-Treffer beigefügt gewesen sei. Gleichwohl sei dem Wiederaufnahmeersuchen am 17. Mai 2019 zugestimmt worden. Aufgrund dessen könne der Antragsteller nach Italien überstellt werden, weshalb das erneute Wiederaufnahmeersuchen vom 3. September 2019 zurückgewiesen werde.
Mit Bescheid vom 23. September 2019 (Gz.: …), dem Antragsteller am 7. Oktober 2019 zugestellt, entschied das Bundesamt, den Bescheid vom 18. Juni 2019 aufrecht zu erhalten. Aufgrund des dort gestellten Antrages sei Italien gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO zuständig. Gründe für eine Rücknahme des Bescheides vom 18. Juni 2019 lägen nicht vor. Sollte sich herausstellen, dass dem Antragsteller bereits in einem anderen Mitgliedstaat ein Schutzstatus zuerkannt worden sei, bleibe es gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG bei der Unzulässigkeit des Asylantrages. Die weitere Unzulässigkeit könne auch gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG auf dem erfolglosen Abschluss eines früheren Asylverfahrens beruhen, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht vorlägen. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor, insbesondere wiesen das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Italien keine systemischen Mängel auf. Gründe für eine Ausübung des Selbsteintrittsrechtes gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO lägen ebenfalls nicht vor. Auf die Gründe des Bescheides im Einzelnen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
4. Am 9. Oktober 2019 erhob der Antragsteller zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg Klage (Az.: W 10 K 19.50731), über die noch nicht entschieden ist.
Zugleich beantragte er im vorliegenden Verfahren,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung von Klage und Antrag führte der Antragsteller im Wesentlichen aus, er habe in Italien zusammen mit seiner Frau vier Jahre lang auf der Straße gelebt. Im März 2018 sei er mit seiner schwangeren Frau nach Deutschland gekommen, wo sie Asyl beantragt und zusammen in der gleichen Aufnahmeeinrichtung gelebt hätten. Nach der Ablehnung seines Asylantrages habe er im November 2018 nach Italien überstellt werden sollen. Da seine schwangere Frau nicht habe mitkommen dürfen, habe er sich geweigert, Deutschland zu verlassen. Nach Rückkehr in die Aufnahmeeinrichtung habe er erneut einen Asylantrag gestellt und seine Frau habe im November 2018 die gemeinsame Tochter zur Welt gebracht. Im Dezember hätten sie die Aufnahmeeinrichtung verlassen und zusammen ein Appartement bezogen. Im Januar 2019 sei er erneut von der Polizei abgeholt worden, um ohne seine Familie nach Italien abgeschoben zu werden. In Italien sei er obdachlos und völlig auf sich alleine gestellt gewesen. Im März 2019 sei er über die Schweiz nach Deutschland zurückgekommen, um wieder bei seiner Familie zu sein. Im Mai 2019 seien sie wieder zusammen gewesen. Im Juni 2019 sei er von seiner Familie geflohen, weil ihn die Polizei erneut habe abschieben wollen. Im Juli 2019 sei er beim Einkaufen von der Polizei aufgegriffen worden. Er könne nicht nach Italien zurückkehren, weil er mit seiner Familie in Deutschland leben wolle.
5. Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde auf den angefochtenen Bescheid verwiesen.
6. Am 6. September 2019 beantragte die Ehefrau des Antragstellers die Umverteilung des Antragstellers zu ihr und dem gemeinsamen Kind im Wege der Familienzusammenführung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtssowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
1. Mit dem Antrag begehrt der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz gegen den Vollzug der im Bescheid vom 18. Juni 2019 enthaltenen Abschiebungsanordnung nach Italien. Diesem erkennbaren Rechtsschutzziel entsprechend ist der Antrag des anwaltlich nicht vertretenen Antragstellers sachgerecht auszulegen (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO).
a) Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des Bescheides vom 18. Juni 2019 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG ist unstatthaft und damit unzulässig, da diese bereits bestandskräftig geworden ist. Der Bescheid vom 18. Juni 2019 wurde dem Antragsteller am 26. Juni 2019 im Wege der Ersatzzustellung gemäß §§ 3 Abs. 2 Satz 1, 2 VwZG i.V.m. §§ 178 Abs. 1 Nr. 3, 181 Abs. 1 ZPO durch Niederlegung in einer Postfiliale zugestellt, weil die Übergabe in der Gemeinschaftsunterkunft nicht möglich war (Bl. 159 der Bundesamtsakte im Verfahren …*). Laut Aktenvermerk vom 21. Juni 2019 (Bl. 154 der Akte des Asylverfahrens …*) handelte es sich bei der Anschrift, unter der zugestellt wurde, um die aktuellste in der Datenbank MARiS gemeldete Anschrift (Meldung vom 28. Mai 2019 durch die Ausländerbehörde).
b) Diese Abschiebungsanordnung hat sich nicht zwischenzeitlich durch Vollzug oder in anderer Weise erledigt, weil sie weiterhin Rechtswirkungen entfaltet (BVerwG, U.v. 27.3.2018 – 1 A 4.17 – juris Rn. 15; U.v. 22.8.2017 – 1 A 3.17 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 30.7.2018 – 10 CE 18.769, 10 CS 18.773 – juris Rn. 19; OVG NRW, U.v. 22.9.2016 – 13 A 2448/15.A – juris Rn. 21 ff.; VG Augsburg, U.v. 15.5.2018 – Au 5 K 17.50557 – juris Rn. 23). Der Fall einer illegalen Wiedereinreise nach Vollzug der Abschiebungsanordnung, für den in der Rechtsprechung teilweise wegen der Erforderlichkeit eines erneuten Wiederaufnahmeverfahrens nach Art. 23, 24 ff. Dublin III-VO eine Erledigung der Abschiebungsanordnung angenommen wird (z.B. VG Trier, U.v. 3.4.2019 – 7 K 5601/18.TR – juris Rn. 66), liegt nicht vor, da der Antragsteller nach dem Eintritt der Vollziehbarkeit bzw. Bestandskraft der Abschiebungsanordnung im Bescheid vom 18. Juni 2019 weder abgeschoben wurde, noch Anhaltspunkte für eine zwischenzeitlich erfolgte freiwillige Ausreise (und illegale Wiedereinreise) vorliegen.
c) Statthaft ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit dem Ziel, der Antragsgegnerin die Abschiebung zu untersagen. Denn in der Hauptsache müsste der Antragsteller sein Begehren mit einer Verpflichtungsklage auf Wiederaufgreifen des Verfahrens und Aufhebung der bestandskräftigen Abschiebungsanordnung verfolgen (§ 123 Abs. 5 VwGO).
Mit dem Bescheid vom 23. September 2019 hat die Antragsgegnerin keine neue Sachentscheidung getroffen und damit keinen sog. Zweitbescheid zum Bescheid vom 18. Juni 2019 erlassen, hinsichtlich dessen die Rechtsbehelfsfristen der §§ 34a Abs. 2 Satz 1, 74 Abs. 1 AsylG neu zu laufen begonnen hätten. Vielmehr hat die Antragsgegnerin das Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG bzw. gemäß § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG abgelehnt. Dies wird daraus deutlich, dass in den Gründen des Bescheides vom 23. September 2019 das Vorliegen von Wiederaufgreifensgründen, auch in Bezug auf § 48 VwVfG, verneint wurde. Bei dem streitgegenständlichen Bescheid vom 23. September 2019 handelt es sich somit um eine sog. wiederholende Verfügung, welcher lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung als Ablehnung des Wiederaufgreifens zukommt (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 51 Rn. 57; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 51 Rn. 17; Falkenbach in: Bader/Ronellenfitsch, Beck´scher Onlinekommentar VwVfG, Stand 1.10.2018, § 51 Rn. 18.1). Das gilt auch, soweit der Antragsgegnerin hinsichtlich der Entscheidung, das Verfahren zur Feststellung von Abschiebungsverboten, zur Abschiebungsanordnung und zur Wiedereinreisesperre nicht wieder aufzugreifen, nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG ein Ermessen eingeräumt ist, weil der Antragsteller insoweit grundsätzlich nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hat (Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 51 Rn. 58; Falkenbach in: Bader/Ronellenfitsch a.a.O., § 51 Rn. 17.1). Hinsichtlich der Ablehnung des Asylantrages in Ziffer 1 des Bescheides vom 18. Juni 2019 ist der Antragsgegnerin dieser Weg versperrt, weil § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG das sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne ausschließt und insoweit als Spezialregelung eine Sperrwirkung entfaltet (Bergmann in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, AsylG § 71 Rn. 35; im Ergebnis hier ebenso BVerwG, U.v. 15.12.1987 – 9 C 285/86 – NVwZ 1988, 737/739, wonach das Bundesamt zwar bei Fehlen einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung befugt sein soll, das Verfahren von Amts wegen wiederaufzugreifen, der Antragsteller insoweit aber keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung haben soll). Dies gilt ohne Weiteres auch hinsichtlich des Wiederaufgreifens zur Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 AsylG wie im vorliegenden Bescheid (Bergmann in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, AsylG § 71 Rn. 7; Dickten in: Kluth/Heusch, Beck´scher Onlinekommentar Ausländerrecht, Stand 1.8.2019, AsylG, § 71 Rn. 5), weil das Asylgesetz insoweit weder in § 71 noch in anderen Vorschriften zwischen der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig oder unbegründet differenziert.
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet, weil dem Antragsteller der erforderliche Anordnungsanspruch nicht zur Seite steht.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Im Hinblick auf die durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist der Antrag begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und es dem Antragsteller schlechthin unzumutbar ist, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
Gemessen daran fehlt es hier an einem Anordnungsanspruch, weil dem Antragsteller kein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens mit dem Ziel der Aufhebung der Abschiebungsanordnung beziehungsweise auf erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber zusteht. Denn die Abschiebungsanordnung ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
a) Die Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. Die Zuständigkeit Italiens steht aufgrund des bestandskräftigen Bescheides vom 18. Juni 2019 fest. Des Weiteren geht aus dem Schreiben des italienischen Innenministeriums vom 17. September 2019 hervor, dass Italien nach wie vor bereit ist, den Antragsteller wiederaufzunehmen.
Die Zuständigkeit ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch noch nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen, weil die dort geregelte Überstellungsfrist von sechs Monaten noch nicht abgelaufen ist.
b) Ein Zuständigkeitsübergang auf die Antragsgegnerin ergibt sich auch nicht aus der rechtlichen Unmöglichkeit der Überstellung nach Italien.
Das auf der Grundlage des Art. 78 Abs. 2 AEUV eingerichtete Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) beruht auf dem „Prinzip gegenseitigen Vertrauens“, dass alle daran beteiligten Mitgliedstaaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), dem Protokoll von 1967 und in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – ECLI:N:S., C-411/10 – NVwZ 2012, 417 Rn. 79; U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 80). Dies begründet die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechtecharta (EU-GR-Charta) sowie mit der GFK und der EMRK steht (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O., Rn. 80). Das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens begründet jedoch nur eine widerlegliche Vermutung, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das GEAS in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass ein ernsthaftes Risiko besteht, dass Personen, die internationalen Schutz beantragen, bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 83 f.). Denn nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist das in Art. 4 EU-GR-Charta enthaltene Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung von fundamentaler Bedeutung und muss aufgrund der engen Verbindung zur Achtung der Würde des Menschen (Art. 1 EU-GR-Charta) und seines daraus resultierenden absoluten Charakters auch bei Überstellungen von Asylbewerbern nach den Dublin-Verordnungen vollumfänglich beachtet werden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – N.S., C-411/10 – NVwZ 2012, 417; U.v. 14.11.2013 – Puid, C-4/11 – NVwZ 2014, 129; U.v. 16.2.2017 – C-578/16 – NVwZ 2017, 691 Rn. 59; U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 78).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kann die Vermutung, wonach der Aufnahmestaat seinen Pflichten aus Art. 3 EMRK nachkommt, widerlegt werden, wenn schwerwiegende Gründe für die Annahme vorgebracht werden, dass die Person, deren Rückführung angeordnet wird, einer tatsächlichen Gefahr („real risk“) entgegensehen würde, im Zielstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden (EGMR, U.v. 4.11.2014 – Tarakhel, Nr. 29217/12 – NVwZ 2014, 127, Rn. 104; U.v. 21.1.2011 – M.S.S., Nr. 30696/09 – NVwZ 2011, 413 Rn. 342). Die Ursache der Gefahr hat keine Auswirkungen auf das Schutzniveau der EMRK und befreit den überstellenden Staat nicht davon, eine gründliche und individuelle Prüfung der Situation der betroffenen Person vorzunehmen und im Falle der Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung die Durchsetzung der Abschiebung auszusetzen (EGMR, U.v. 4.11.2014 – Tarakhel, a.a.O.). Staatliches Handeln in Erfüllung der Verpflichtungen im Rahmen einer zwischen- oder überstaatlichen Organisationen – wie der EU – ist nach der EMRK nur solange gerechtfertigt, wie auf dieser Ebene ein ausreichender Grundrechtsschutz gewährleistet ist. Dies ist im Rahmen des unionsrechtlichen Grundrechtsschutzes grundsätzlich der Fall (EGMR, U.v. 30.6.2005 – Bosphorus, Nr. 45036/98 – NJW 2006, 197), zumal die in der EMRK garantierten Rechte nach Art. 6 Abs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 3 EU-GR-Charta in die unionsrechtlichen Grundrechtsgewährleistungen als Mindeststandard inkorporiert sind (Borowsky in Meyer-Ladewig, Charta der Grundrechte, vor Art. 51 Rn. 1a; Jarass, Charta der Grundrechte, Art. 52 Rn. 60 ff.). Soweit ein Mitgliedstaat aber entscheiden kann, in eigener Zuständigkeit tätig zu werden – wie im entschiedenen Fall gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO a.F., vgl. nunmehr Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO -, handelt er nach der Auffassung des EGMR nicht in Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen und kann sich somit seiner Verantwortlichkeit nicht entziehen, wenn er von dieser Möglichkeit trotz der ernsthaften Gefahr einer Grundrechtsverletzung keinen Gebrauch macht (EGMR, U.v. 21.1.2011 – M.S.S., 30696/09, NVwZ 2011, 413 Rn. 340 m.V.a. U.v. 30.6.2005 – Bosphorus, Nr. 45036/98 – NJW 2006, 197).
Diesen Vorgaben des höherrangigen Unionsrechts sowie des internationalen Rechts trägt Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO Rechnung. Danach besteht ein Überstellungshindernis, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, welche die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-GR-Charta mit sich bringen. Unter diesen Umständen hat die Antragsgegnerin zunächst gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO die Prüfung der Zuständigkeitskriterien in Kapitel III (Art. 7 – 15 Dublin III-VO) fortzusetzen, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann danach keine Überstellung an einen anderen zuständigen Mitgliedstaat erfolgen, so geht nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO die Zuständigkeit auf die Antragsgegnerin über.
Die Anforderungen an die Feststellung systemischer Mängel und eine daraus resultierende Widerlegung der Sicherheitsvermutung sind allerdings hoch. Im Hinblick auf das Ziel der Dublin III-VO, zügig und effektiv den für das Asylverfahren zuständigen Staat zu bestimmen, können geringfügige Verstöße hierfür nicht ausreichen. Um das Prinzip gegenseitigen Vertrauens entkräften zu können, muss vielmehr ernsthaft zu befürchten sein, dass dem Asylbewerber aufgrund genereller Mängel im Asylsystem des eigentlich zuständigen Mitgliedstaats mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-GR-Charta droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 6; EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O., Rn. 80; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris Rn. 41). Erforderlich ist insoweit die real bestehende Gefahr, dass in dem Mitgliedstaat, in den überstellt werden soll, die grundlegende Ausstattung mit den notwendigen, zur Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse elementaren Mitteln so defizitär ist, dass der materielle Mindeststandard nicht erreicht wird und der betreffende Mitgliedstaat dieser Situation nicht mit geeigneten Maßnahmen, sondern mit Gleichgültigkeit begegnet (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 29.1.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 34 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des EGMR kann allerdings die bloße schlechtere wirtschaftliche oder soziale Stellung der Person in dem Mitgliedstaat, in den überstellt werden soll, nicht für die Annahme einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausreichen (vgl. EGMR, B.v. 2.4.2013 – 27725/10 – ZAR 2013, 336, 70 f.). Der EGMR führt in seiner Entscheidung aus, dass Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung der Vertragsparteien enthalte, jede Person innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs mit Obdach zu versorgen oder finanzielle Leistungen zu gewähren, um ihnen dadurch einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Einer Dublin-Überstellung stünden nur außergewöhnliche zwingende humanitäre Gründe entgegen.
Diese Grundsätze konkretisierend hat der EuGH in seinem Urteil vom 19. März 2019, Az.: C-163/17 (juris Rn. 91) ausgeführt, dass systemische Schwachstellen nur dann als Verstoß gegen Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK zu werten seien, wenn eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht werde, die von sämtlichen Umständen des Falles abhänge. Diese Schwelle sei aber selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden seien, aufgrund deren sich diese Person in einer solch schwerwiegenden Lage befinde, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden könne. Die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats müsse zur Folge haben, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befinde, die es ihr nicht erlaube, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 92 f.).
Entsprechend vorstehender Ausführungen geht das Gericht auf der Basis einer Gesamtwürdigung nach dem aktuellen Erkenntnisstand und im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) nicht davon aus, dass das Asylverfahren in Italien unionsrechtlichen Maßstäben widerspricht bzw. dort unzureichende Aufnahmebedingungen herrschen, die zu einer Verletzung der durch Art. 4 EU-GR-Charta gewährleisteten Rechte führen.
Die Republik Italien ist als Mitgliedstaat der Europäischen Union an die europäischen Grundrechte (Art. 51 Abs. 1 EU-GR-Charta) sowie an die EMRK gebunden. Deshalb spricht zunächst die durch das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens begründete Vermutung für die Zulässigkeit der Abschiebung in einen solchen Staat. Diese Vermutung ist nicht durch die Annahme systemischer Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen entkräftet, weil eine Zusammenschau der einschlägigen Erkenntnismittel ergibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien zumindest den internationalen und europäischen Mindeststandards entsprechen und jedenfalls elementare Bedürfnisse der Asylbewerber gedeckt werden können.
Asylbewerber haben in Italien entsprechend dem Grundrecht auf Asyl Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Über den Ablauf des Asylverfahrens wird über Informationsbroschüren in unterschiedlichen sprachlichen Fassungen sowie über Betreuungsdienste Auskunft gegeben. Bei Dublin-Rückkehrern ist im Regelfall gewährleistet, dass sie nach ihrer Rückkehr nach Italien ihren ursprünglichen Antrag auf internationalen Schutz weiterverfolgen oder erstmals einen Asylantrag stellen können. Im Falle einer Ablehnung kann ein Wiederaufnahmeantrag gestellt werden oder Beschwerde gegen den Ablehnungsbescheid erhoben werden. Das Asylverfahren soll zwar grundsätzlich nicht länger als sechs Monate dauern (vgl. Amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NW vom 23.2.2016). Der Umstand, dass diese Verfahrensdauer aufgrund der aktuellen Belastungssituation nicht immer eingehalten werden kann, rechtfertigt jedoch nicht die Annahme eines unzureichenden Asylverfahrens, zumal diesbezügliche Schwierigkeiten wegen des enormen Zustroms an Schutzsuchenden nicht nur in Italien, sondern in vielen europäischen Ländern bestehen.
Durch das am 5. Oktober 2018 erlassene und am 7. November durch den Senat sowie am 28. November durch das Parlament bestätigte Dekret No. 113/2018 über Sicherheit und Migration (sog. Salvini-Dekret) wird der bisherige humanitäre Schutz stark eingeschränkt. Wurde dieser bislang für die Dauer von zwei Jahren gewährt, wenn „besondere Gründe“, insbesondere „humanitären Charakters“ vorlagen, ist er nunmehr an eine restriktive und vor allem abschließende Liste von Gründen gebunden, aus denen eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann (teilweise auch mit einer Dauer von weniger als zwei Jahren). Eine solche Aufenthaltserlaubnis ist etwa möglich für medizinische Behandlungen, für Opfer von Gewalt, bei außergewöhnlichen Katastrophen im Herkunftsland sowie bei Fällen des Nonrefoulement. Es kommt zwar zu keiner Aberkennung bestehender humanitärer Titel, diese werden allerdings nicht mehr erneuert oder verlängert. Sie können aber bei rechtzeitiger Antragstellung und Erfüllung der Voraussetzungen in einen anderen Titel umgewandelt werden (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Italien, Stand: 26.2.2019, S. 5 f.).
Zudem liegt die Gewährung eines humanitären Aufenthaltsrechts nach unanfechtbarem negativem Abschluss des Asylverfahrens gemäß Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger vom 16. Dezember 2008 (ABl. L 348/98, sog. Rückführungsrichtlinie) im Ermessen der Mitgliedstaaten. Demgegenüber regelt Art. 9 der Rückführungsrichtlinie die Fälle, in denen kraft Unionsrechtes die Rückführung in das Herkunftsland trotz unanfechtbarer Ablehnung des Asylantrags nicht zulässig ist. Im Übrigen ist der jeweilige Mitgliedstaat somit kraft seiner Gebietshoheit befugt, den Aufenthalt von unanfechtbar abgelehnten Asylbewerbern in seinem Hoheitsgebiet zu beenden, zu dulden oder durch Gewährung eines zumindest befristeten Aufenthaltsrechts (vorübergehend) zu legalisieren. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die genannten Vorschriften der Rückführungsrichtlinie gegen primäres Unionsrecht, insbesondere Grundrechte der betroffenen Asylbewerber verstoßen würden, oder dass in der italienischen behördlichen Praxis rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber unter Verstoß gegen diese Vorschriften in ihr Herkunftsland zurückgeführt würden, liegen nicht vor.
Weiterhin erhalten Asylsuchende während des Asylverfahrens in Italien Leistungen für die Befriedigung von Grundbedürfnissen, insbesondere Nahrungsmittel, Hygieneartikel und Kleidung (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, a.a.O., m.w.N.). Auch durch das Salvini-Dekret soll es zu keiner Kürzung oder Streichung kommen (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, a.a.O., S. 7). Auch wenn Italien diesbezüglich möglicherweise hinter den Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland zurückbleibt und insbesondere kein umfassendes Sozialsystem bereitstellt, so begründet dies entsprechend den obigen Ausführungen keine generellen systemischen Mängel.
Italien verfügt über ein umfassendes Gesundheitssystem, das medizinische Behandlungsmöglichkeiten auf hohem Niveau bereitstellt. Asylbewerber haben in gleicher Weise wie italienische Bürger einen Anspruch auf medizinische Versorgung, der mit der Registrierung eines Asylantrags entsteht. Bis zum Zeitpunkt der Registrierung werden gleichwohl medizinische Basisleistungen, wie beispielsweise kostenfreie Notfallversorgung, gewährleistet (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, a.a.O., S. 23 f.). Auch diesbezüglich kommt es durch das Salvini-Dekret zu keinen Abstrichen. Insbesondere ist nach wie vor die Einschreibung beim Nationalen Gesundheitsdienst garantiert, welcher üblicherweise im Aufnahmezentrum liegt. Zusätzlich sind in den Erstaufnahmeeinrichtungen Ärzte beschäftigt, die medizinische Erstuntersuchungen und Notfallmaßnahmen vornehmen und die nationalen Gesundheitsdienste entlasten sollen. Der Zugang zu medizinischer Notversorgung in öffentlichen Spitälern bleibt weiterhin bestehen, auch für illegale Migranten (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, a.a.O., S. 8 f.).
Während des Asylverfahrens haben Asylbewerber einen Anspruch auf Unterbringung. Grundsätzlich werden zahlreiche Plätze für Asylsuchende und Dublin-Rückkehrer in verschiedenen staatlichen Unterkünften zur Verfügung gestellt, die über ganz Italien verteilt sind. Sowohl das Bundesamt als auch Asylum Information Database (im Folgenden: AIDA) gehen von einer Gesamtkapazität von über 175.000 Plätzen aus (vgl. BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, S. 2; AIDA, Country Report: Italy, Stand: März 2018, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_ 2017update.pdf, S. 80 ff.), so dass angesichts der hohen Zahl von Asylbewerbern nach wie vor eine Überbelegung anzunehmen ist.
Durch das Salvini-Dekret soll die bisherige Unterbringung völlig neu organisiert und ein differenziertes Aufnahmesystem geschaffen werden. Künftig wird zwischen einer Erstaufnahme und einer sekundären Versorgungsschiene, dem sog. SIPROIMI („Sistema di protezione per titolari di protezione internazionale e per minori stranieri non accompagnati“) unterschieden. Während die Erstaufnahmeeinrichtungen die bisherigen CAS- und CARA-Unterkünfte ersetzen, treten die SIPROIMI an die Stelle der früheren SPRAR-Unterkünfte („Sistema di protezione per richiedenti asilo e refugiati“), wobei letztere bisher vor allem für vulnerable Personen unabhängig von ihrem Schutzstatus vorgesehen waren. Künftig werden Asylbewerber und Dublin-Rückkehrer in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht, während Personen mit Schutzstatus bzw. einer der neuen Formen des humanitären Schutzes sowie allein reisende Minderjährige Zugang zu den sekundären Aufnahmeeinrichtungen erhalten, in denen zusätzlich integrative Leistungen angeboten werden. Durch die neuen Ausschreibungsspezifikationen für die Unterkünfte wurde auf den Vorwurf reagiert, die Aufnahmeeinrichtungen außerhalb des SPRAR seien inhomogen und würden keine einheitlichen Standards sicherstellen. Zudem kann durch die nunmehrige Staffelung der Strukturen nach Unterbringungsplätzen mit entsprechend angepasstem Personalstand und Serviceleistungen auf den Bedarf und die Gegebenheiten vor Ort im jeweiligen Fall eingegangen werden. Die Bedürfnisse von Familien sowie vulnerablen Personen sollen auch künftig Berücksichtigung finden. So sind etwa Plätze für Familien sowie allein reisende Frauen (mit Kindern) vorgesehen, für die es spezielle Ausschreibungsspezifikationen gibt (z.B. bzgl. Personalschlüssel, Reinigungsintervallen oder Melde- und Aufzeichnungsverpflichtungen des Betreibers in Bezug auf Leistungen an die Bewohner). Personen mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich im Stichtag 5. Oktober 2018 noch in einem SPRAR/SIPROIMI befanden, können dort für den vorgesehenen Zeitraum bzw. bis zum Ende des Projektzeitraums weiterhin bleiben. Sofern sie sich dagegen noch in einer Erstaufnahmeeinrichtung befinden, verbleiben sie dort so lange, bis ihnen von der Questura der Aufenthaltstitel übergeben wurde. Danach werden sie aus dem Aufnahmesystem entlassen (vgl. zum Ganzen Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, a.a.O., S. 5 ff.).
Neben den staatlichen Einrichtungen existieren bisher verschiedene karitative und kommunale Einrichtungen, die zusätzliche Unterkunftsmöglichkeiten bieten, um Asylbewerber vor Obdachlosigkeit zu schützen. In Einzelfällen ist es jedenfalls bislang gleichwohl möglich, dass Dublin-Rückkehrer keine Unterbringung erhalten und vorübergehend obdachlos sind. Insbesondere kann es zu Problemen kommen, wenn Dublin-Rückkehrer in Italien bereits offiziell untergebracht waren, da der Anspruch auf Unterbringung in staatlichen Einrichtungen untergeht, wenn der Ausländer seine Unterkunft ohne vorherige Bewilligung verlässt oder eine ihm zugewiesene Unterkunft gar nicht erst in Anspruch genommen hat (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, a.a.O., S. 22). Der Anspruch kann zwar wieder aufleben. Insoweit ist allerdings ein vorheriger Antrag bei der Questura erforderlich, die ursprünglich für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig war. Eine Unterbringung in einer staatlichen Einrichtung kann erst dann wieder erfolgen, wenn die Wiederaufnahme genehmigt wurde (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 28). In dieser Übergangsphase sind Dublin-Rückkehrer auf die Hilfe von Freunden oder karitativen Einrichtungen, über deren Aufnahmekapazität es keine gesicherten und aussagekräftigen Unterlagen gibt, angewiesen, um der Obdachlosigkeit entgehen zu können. Im Ergebnis ist die Unterkunftssituation in ihrer Gesamtschau zum aktuellen Stand weiterhin problematisch.
Gleichwohl sind diese defizitären Umstände noch nicht als generelle systemische Mängel in Italien zu qualifizieren, zumal die Annahme von Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO entsprechend den oben genannten Maßgaben an hohe Anforderungen geknüpft ist. Der maßgebliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit muss sich auf Basis einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände ergeben und sich nicht nur auf einzelne Mängel des Systems beziehen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der italienische Staat mit Unterstützung von European Asylum Support Office der Europäischen Union (EASO) geeignete Maßnahmen ergriffen hat, um die Aufnahmekapazitäten stetig zu erhöhen und aktiv darum bemüht ist, diese auch weiterhin zu verbessern (vgl. EASO Special Support Plan to Italy, 11.3.2015). Dies gilt umso mehr als die Anzahl der in Italien ankommenden Asylbewerber seit Beginn des Jahres 2018 stark rückläufig ist sowie im Hinblick auf die Neustrukturierung der Unterbringung durch das Salvini-Dekret.
Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen schließt sich das Gericht unter Auswertung neuerer Erkenntnismittel und unter Berücksichtigung des Vortrags des Antragstellers in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung der Einschätzung zahlreicher anderer Verwaltungsgerichte an, dass Italien grundsätzlich über ausreichende Unterbringungskapazitäten sowie ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes und richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, das trotz bestehender Mängel noch als funktionsfähig betrachtet werden kann (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 18.1.2017 – 12 L 3754/16.A – juris; VG Augsburg, B.v. 1.3.2018 – Au 5 S 18.50329 – juris; VG München, B.v. 6.6.2018 – M 11 S 18.51151 – Beck RS 2018, 15962; B.v. 9.8.2018 – M 26 S 18.52225, BeckRS 2018, 19472; VG Ansbach, U.v. 1.8.2018 – AN 14 K 17.50567 – juris; VG Karlsruhe, U.v. 22.3.2018 – A 5 K 15921/17 – BeckRS 2018, 7260; OVG Lüneburg, B.v. 13.6.2018 – 10 LB 204/18, BeckRS 2018, 22826; B.v. 2.7.2018 – 10 LB 249/18, BeckRS 2018, 24922; BayVGH, U.v. 18.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris; OVG Münster, U.v. 22.9.2016 – 13 A 2448/15.A – juris).
Diese Auffassung vertritt auch der EGMR, der in seiner Tarakhel-Entscheidung vom 4. November 2014 ausgeführt hat, dass zwar nicht ausgeschlossen werden könne, dass ein Asylbewerber im Einzelfall keine Unterkunft finde oder in überbelegten Einrichtungen auf engstem Raum oder in gesundheitsschädlichen oder gewalttätigen Verhältnissen untergebracht sei, die allgemeine Situation der Asylbewerber in Italien aber nicht mit der Griechenlands vergleichbar sei und keine systemischen Mängel vorlägen (EGMR, Tarakhel ./.Schweiz, Nr. 29217/12 – NVwZ 2015, 127, Rn. 114 ff.).
Der Antragsteller gehört als alleinstehender junger Mann ohne gravierende gesundheitliche Beeinträchtigungen auch nicht zu einem besonders schutzbedürftigen Personenkreis im Sinne des Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 26. Juni 2013 (sog. Aufnahmerichtlinie), dessen Belangen im Einzelfall besonders Rechnung getragen werden müsste und für den unter Umständen eine individuelle Garantie von den italienischen Behörden eingeholt werden müsste, dass eine Unterbringung in Einrichtungen und unter Bedingungen erfolgt, die der Schutzbedürftigkeit angemessen sind (vgl. Rn. 120, 122 der zitierten EGMR-Entscheidung). Vielmehr hat der EGMR in späteren Entscheidungen für den Fall eines alleinstehenden Manns gerade keine Grundlage für einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK gesehen (vgl. OVG NRW, U.v. 7.7.2016 – 13 A 2132/15.A – BeckRS 2016, 51044, Rn. 79 mit Verweis auf EGMR, U.v. 13.1.2015 – 51428/20, A.M.E. ./. Niederlande; U.v. 30.6.2015 – 39350/13, A.S. ./. Schweiz).
c) Des Weiteren fehlt es auch an Anhaltspunkten für das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche möglicherweise eine Pflicht der Antragsgegnerin zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO begründen könnten beziehungsweise die Entscheidung über die Nichtausübung des Selbsteintrittsrechts als ermessensfehlerhaft erscheinen ließen (vgl. EuGH, U.v. 16.2.2017 – C.K., C-578/16 PPU – juris Rn. 88; U.v. 30.5.2013 – Halaf, C-528/11 – juris Rn. 35 ff.).
d) Die Feststellung der Antragsgegnerin, dass im Falle des Antragstellers keine zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestehen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
aa) Dem Antragsteller droht unter den oben genannten Voraussetzungen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK, welche zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG führen würde. Zudem begründet ein Unterschied des Niveaus der Sozialleistungen in einem Mitgliedstaat im Vergleich zu einem anderen Mitgliedstaat kein solches Überstellungshindernis. Ausschlaggebend ist, ob die Gleichgültigkeit der Behörden des zuständigen Mitgliedstaats zufolge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person wie der Antragsteller sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubten, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einem Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Eine große Armut oder starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse erreichen diese Schwelle nicht, wenn sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren diese Person sich in einer solche schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann. Eine derartige Situation erwartet den Antragsteller nach den obigen Ausführungen in Italien nicht, sodass im Falle seiner Überstellung nach Italien auch im konkreten Einzelfall nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Verstoß gegen das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung nach Art. 3 EMRK droht, welcher zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG führen müsste.
bb) Ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1, 2 AufenthG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die chronische Hepatitis B-Infektion des Antragstellers ist in Italien behandelbar (vgl. VG Würzburg, U.v. 17.6.2019 – W 10 K 19.50430; B.v. 31.5.2019 – W 10 S 19.50471; B.v. 27.5.2019 – W 10 S 19.50443). Die Antragsgegnerin ist gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 1 und 2 Dublin III-VO verpflichtet, bei der Überstellung nach Italien diesem Staat eine Gesundheitsbescheinigung mit allen erforderlichen Daten zu übermitteln. Alle Asylbewerber haben in Italien kostenfreien Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem.
e) Inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG, die im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ebenfalls zum Prüfprogramm des Bundesamts gehören und damit auch von den Verwaltungsgerichten im Rahmen von Rechtsbehelfen gegen die Abschiebungsanordnung zu prüfen sind (BayVGH, B.v. 28.10.2013 – 10 CE 13.2257 – juris m.w.N.), liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht vor.
Soweit der Antragsteller auf die bereits am 18. November 2018 erfolgte Anerkennung der Vaterschaft und die Erklärung der gemeinsamen elterlichen Sorge für das Kind seiner (rituellen) Ehefrau verweist, handelt es sich zum einen nicht um einen neuen Umstand, welcher die Antragsgegnerin zum Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG verpflichten würde. Denn der Antragsteller konnte diesen Umstand bereits innerhalb der Frist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG mit einem Rechtsbehelf gegen den bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 18. Juni 2019 geltend machen. Zum anderen ist das der Antragsgegnerin insoweit im Rahmen des § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 VwVfG eröffnete Rücknahmeermessen nicht auf Null reduziert und die Ablehnung des Wiederaufgreifens insoweit auch nicht ermessensfehlerhaft (§ 114 Satz 1 VwGO).
Die Verbindung des Antragstellers mit seiner (rituellen) Ehefrau ist vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG nicht erfasst, weil es sich nicht um eine nach deutschem Recht beachtliche Ehe handelt. Das Recht auf Achtung des Familienlebens gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK, welches nichteheliche bzw. eheähnliche Lebensgemeinschaften sowie die Beziehungen zu gemeinsamen Kindern umfasst (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, EU-GR-Charta, Art. 7 Rn. 1; Hofmann in Kluth/Heusch, Beck´scher Onlinekommentar Ausländerrecht, Stand 1.8.2019, EMRK, Art. 8 Rn. 16 ff.), gewährt grundsätzlich kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Mitgliedstaat. Je nach der konkreten Verwurzelung des betroffenen Ausländers im Aufenthaltsstaat, welche sich unter anderem aus der tatsächlichen persönlichen Bindung an sich dort rechtmäßig aufhaltende Familienmitglieder ergeben kann, kann jedoch eine Aufenthaltsbeendigung aus einwanderungspolitischen Gründen unverhältnismäßig und damit nicht nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt sein (Bergmann a.a.O., Rn. 2; Hofmann a.a.O., Rn. 28 f.). Hinsichtlich der grundsätzlich vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG erfassten Beziehung des Antragstellers zu seinem Kind kommt es ebenfalls auf die tatsächliche Verbundenheit der Familienmitglieder untereinander an (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 10.5.2007 – 2 BvR 304/07 – NVwZ 2007, 946/947). Hierzu fehlt es jedoch an belastbaren Anhaltspunkten. Dem Akteninhalt sowie dem Vorbringen des Antragstellers ist lediglich zu entnehmen, dass derzeit keine Lebensgemeinschaft mit seinen Familienangehörigen besteht. Der (erneute) Antrag der Ehefrau auf Umverteilung des Antragstellers und Familienzusammenführung vom 6. September 2019 führt zu keiner anderen Betrachtung, weil er für sich genommen zwar deren Absicht belegen mag, eine rechtlich geschützte familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Antragsteller zu führen, jedoch keine Aussage über seine derzeitige tatsächliche Beziehung zu seiner rituellen Ehefrau und seinem Kind ermöglicht. Dem gegenüber wird aus dem Vorbringen des Antragstellers nicht klar, weshalb er derzeit nicht mehr bei seinen Familienangehörigen lebt. Der Umstand, dass er seine Familienmitglieder im Juni 2019 aus Angst vor der (erneuten) Abschiebung verlassen haben will, mag nachvollziehbar sein, kann aber keinen derzeit bestehenden Mangel an tatsächlicher Verbundenheit mit den Familienmitgliedern beheben. Des Weiteren ist wurde der Asylantrag der rituellen Ehefrau des Antragstellers abgelehnt und ihre die Abschiebung nach Nigeria angedroht, ob ein für das Kind gegebenenfalls gemäß § 14a AsylG als gestellt geltender Asylantrag bereits verbeschieden wurde, ist nicht bekannt, sodass auch nicht feststeht, dass die familiäre Lebensgemeinschaft zumutbar nur im Bundesgebiet geführt werden könnte, etwa weil die Familienangehörigen des Antragstellers über ein Aufenthaltsrecht verfügten. Zudem ist der Asylantrag des Antragstellers in Italien, wie in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte aus der auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO gestützten Wiederaufnahmeerklärung des italienischen Innenministeriums hervorgeht, abgelehnt worden, sodass es ihm als nigerianischem Staatsangehörigen auch tatsächlich und rechtlich möglich sowie zumutbar wäre, die familiäre Lebensgemeinschaft mit seinen Angehörigen in Italien zu führen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.

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