Europarecht

Erfolgloser Eilantrag gegen Abschiebungsanordnung nach Italien

Aktenzeichen  M 9 S 18.50547

Datum:
26.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 2643
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1a, § 34a Abs. 1 S. 1
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2, Art. 18 Abs. 1a, Abs. 1d
GRCh Art. 4
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Die Unzulässigkeitsentscheidung gemäß Art. 18 Abs. 1 a Dublin-III-VO ist auf Basis von Art. 18 Abs. 1d, Art. 23ff. Dublin III-VO ebenso haltbar, selbst wenn man unterstellt, dass ein etwaiger in Italien gestellter Asylantrag dort abgelehnt wurde. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Italien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh ausgesetzt wäre. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen einen sog. Dublin-Bescheid.
Er wurde nach eigenen Angaben am 1. Januar 1980 in Afghanistan geboren (Bl. 30 d. Behördenakts – i. F.: BA -); eine im Verwaltungsvorgang befindliche Passkopie weist dagegen den 12. August 1981 als Geburtsdatum aus (Bl. 94 d. BA). Der Antragsteller reiste nach eigenen Angaben am 24. November 2017 u.a. über Italien in das Bundesgebiet ein (Bl. 23 d. BA). Er beantragte am 1. Dezember 2017 förmlich Asyl (Bl. 30 d. BA).
Aufgrund eines Eurodac-Treffers der Kategorie 2 für Italien – „IT2…“ – vom 1. Dezember 2017 (Bl. 83 d. BA) wurde am 6. Dezember 2017 ein Aufnahmegesuch an Italien gerichtet (Bl. 84ff. d. BA); eine Zugangsbestätigung liegt vor (Bl. 112ff. des BA). Die italienischen Behörden haben bis dato nicht geantwortet. Der Verwaltungsvorgang enthält zwei ungestempelte Bescheinigungen über die Meldung als Asylsuchender (i. F.: BÜMA) vom 25. bzw. 27. November 2017 (Bl. 62 bzw. Bl. 64 d. BA).
Mit Bescheid vom 12. Februar 2018, Gz. 7292659-423, bekanntgegeben am 19. Februar 2018 (Bl. 220 d. BA), lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Ziff. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Ziff. 3) und befristete das Verbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 4). Wegen der Begründung wird auf den Bescheid Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Der Antragsteller persönlich hat am 19. Februar 2018 Klage gegen den Bescheid erhoben und Eilantrag gestellt. Vorliegend beantragt er, hinsichtlich der Abschiebungsanordnung nach Italien die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung werde auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug genommen. Darüber hinaus wird vorgetragen: In Italien habe der Antragsteller ein Schreiben bekommen, wonach er das Land verlassen müsse. Sein Zielland sei Deutschland gewesen.
Die Antragsgegnerin hat sich nicht eingelassen.
Zum Gerichtsakt wurde in der Folge ein in italienischer Sprache abgefasstes Schreiben gereicht, das laut beigegebener handschriftlicher Notiz – deren Urheber unbekannt ist – ein „ablehnender Bescheid mit Zahlungsandrohung aus Italien“ sein soll.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichts- sowie die beigezogene Behördenakte.
II.
Der Eilantrag hat keinen Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts einerseits und das private Aussetzungsinteresse, also das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu.
An der Rechtmäßigkeit der vom Bundesamt zutreffend auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützten Abschiebungsanordnung bestehen bei summarischer Prüfung keine Zweifel. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Italien ist hier für die Prüfung zuständig. Dies ergibt sich aus Art. 13 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 lit. a, Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2, Art. 22 Abs. 1 und 7 Dublin III-VO i.V.m. Art. 24 Abs. 4, Art. 14 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 603/2013. Die italienischen Behörden haben auf das Aufnahmegesuch, das am 6. Dezember 2017 (Bl. 88 d. BA) und damit rechtzeitig innerhalb der 2-Monats-Frist des Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 2 Dublin III-VO gestellt wurde, nicht reagiert. Auch die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 26.7.2017 – C-670/16 – juris) parallel einzuhaltende 3-Monats-Frist des Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO wurde gewahrt, selbst wenn man antragstellergünstig auf das Einreise- oder Ausstellungsdatum der BÜMA abstellen würde, wobei beide Zeitpunkte eigentlich nicht fristauslösend sind, vgl. Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1, Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO (weiter auch VG München, B.v. 14.8.2018 – M 9 S 18.50047 – juris).
Das zum Gerichtsakt gereichte, in italienischer Sprache abgefasste Schreiben, das laut beigegebener handschriftlicher Notiz – deren Urheber unbekannt ist – ein „ablehnender Bescheid mit Zahlungsandrohung aus Italien“ sein soll, steht dem nicht entgegen: Der Antragsteller selbst hat ausgeführt, in Italien keinen Asylantrag gestellt zu haben (Bl. 24 d. BA), was mit dem Eurodac-Ergebnis übereinstimmt (Treffer der Kategorie 2). Selbst wenn man unterstellen wollte, dass ein etwaiger in Italien gestellter Asylantrag dort abgelehnt wurde, so wäre die streitgegenständliche Unzulässigkeitsentscheidung doch auf Basis von Art. 18 Abs. 1 lit. d, Art. 23ff. Dublin III-VO ebenso haltbar. Die Antwortfristen des Art. 22 Dublin III-VO sind länger als die des Art. 25 Dublin III-VO, weswegen eine „Umdeutung“ hier ohne Weiteres möglich ist, unabhängig davon, ob sich der Antragsteller auf eine Fristverkürzung überhaupt berufen könnte – kommen die Antwortfristen doch nur dem Aufnahmestaat zugute (vgl. auch Hruschka, ZAR 2018, 281, 283f.). Das eingegangene Dokument ist daher nicht „wesentlich“ im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 15.10.2015 – Gavril Covaci, C-216/14 – NJW 2016, 303) und musste selbst nach dieser Ansicht nicht übersetzt werden – unabhängig von § 184 Satz 1 GVG i. V. m. § 173 Satz 1 VwGO. Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass im Fall des EuGH, a. a. O., der Rechtsbehelf selbst in fremder Sprache abgefasst war. Das Gericht lässt offen, ob ein sonstiges Dokument – wie hier vorgelegt – überhaupt „wesentlich“ in diesem Sinne sein kann.
Die Überstellung an Italien ist auch nicht rechtlich unmöglich im Sinn des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Italien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GRCharta) ausgesetzt wäre. Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GRCharta) entspricht. Diese Vermutung ist zwar nicht unwiderleglich, vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für den Betroffenen führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 EU-GRCharta ausgesetzt zu werden. Eine Widerlegung der Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten anzunehmen, an die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris).
Das Gericht geht nach den vorliegenden aktuellen Erkenntnissen davon aus, dass in Italien keine generellen systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen im oben genannten Sinne gegeben sind. Dazu wird Bezug genommen auf die einhellige Rechtsprechung, die keine systemischen Mängel hinsichtlich Italiens (an-)erkennt (NdsOVG, B.v. 6.6.2018 – 10 LB 167/18 – juris, bestätigt von BVerwG, B.v. 12.9.2018 – 1 B 50/18, 1 PKH 39/18 – juris; NdsOVG, U.v. 4.4.2018 – 10 LB 96/17 – juris, bestätigt von BVerwG, B.v. 3.9.2018 – 1 B 41/18 – juris; VG Cottbus, B.v. 4.1.2019 – VG 5 L 535/18.A – juris; B.v. 12.7.2017 – 5 L 442/17.A – juris; VG München, B.v. 6.7.2017 – M 9 S 16.51285 – juris; B.v. 20.2.2017 – M 9 S 17.50105 – juris; B.v. 29.12.2016 – M 1 S 16.50997 – juris; VG Hamburg, B.v. 8.2.2017 – 9 AE 5887/16 – juris; VG Düsseldorf, B.v. 18.1.2017 – 12 L 3754/16.A – juris; BayVGH, U.v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris; OVG NW, U.v. 21.6.2016 – 13 A 1896/14.A – juris; NdsOVG, U.v. 25.6.2015 – 11 LB 248/14 – juris; zumeist mit Bezug u.a. auf die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NW vom 23. Februar 2016 und auf den Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom August 2016: „Aufnahmebedingungen in Italien – Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien“, einsehbar z.B. über MILO oder Asylfact bzw. in der Gerichtsbibliothek – Dublin-Sammlung: Italien – bzw. teils frei zugänglich im Internet abrufbar). Nach dieser Erkenntnislage erhalten Asylsuchende (Neuankömmlinge und Rückkehrer gleichermaßen) zuverlässig eine Unterkunft – u.a. über die CAS- bzw. über die SPRAR-Einrichtungen – und sonstige Versorgung (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23. Februar 2016, a.a.O., S. 4ff.; Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom August 2016, a.a.O., S. 18ff., insb. S. 28ff.). Es werden stetig zusätzliche Aufnahmezentren geschaffen; das Aufnahmesystem in Italien ist innerhalb von vier Jahren von ca. 5.000 Plätzen auf ca. 120.000 Plätze angewachsen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom August 2016, a.a.O., S. 15). Es ist mithin nichts dafür ersichtlich, dass die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung überschritten wäre; dies wäre erst dann der Fall, wenn absehbar wäre, dass auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung des Problems ergriffen würden (z.B. VG Schwerin, U.v. 26.9.2016 – 16 A 1757/15 As SN – juris; VG Hamburg, B.v. 8.2.2017 – 9 AE 5887/16 – juris; OVG NW, U.v. 18.7.2016 – 13 A 1859/14.A – juris). Probleme bei der Unterbringung in der zweiten Jahreshälfte 2015 rechtfertigen keine andere Einschätzung, da diesbezügliche Schwierigkeiten nicht nur in Italien, sondern in weiten Teilen Europas bestanden. Auch der insgesamt eher kritische Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom August 2016, a.a.O., sieht diesbezüglich in erster Linie nur die Aufnahmesituation von „Personen mit Schutzstatus“ in Italien als problematisch an, nicht aber die Bedingungen für Asylsuchende und Dublin-Rückkehrer (vgl. S. 18ff. einerseits und S. 33ff. andererseits). Für Erstere wird, ohne dass es vorliegend tragend darauf ankommt, darauf hingewiesen, dass die Gruppe der „Personen mit Schutzstatus“ hinsichtlich der Versorgungssituation schlicht den Einheimischen gleichgestellt ist (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23. Februar 2016, a.a.O., S. 5; Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom August 2016, a.a.O., S. 35 und 50); unabhängig davon ist klarzustellen, dass die Frage „systemischer Mängel“ nur die Durchführung des Asylverfahrens betrifft und dass eine Anwendung dieser Rechtsfigur auf bereits anerkannte Flüchtlinge deshalb ausscheiden muss (ebenso z.B. VG Hamburg, U.v. 9.1.2017 – 16 A 5546/14 – juris in Auseinandersetzung mit anderen Ansichten). Weiter ist festzuhalten, dass die Dublin III-VO gerade nicht zu einem „forum shopping“ dergestalt verhelfen soll, dass der Betroffene ein Recht darauf habe, sich einen Mitgliedstaat für die Prüfung seines Asylantrags auszusuchen, der beispielsweise ein besseres soziales Sicherungssystem oder bessere Unterbringungsmöglichkeiten bietet (statt aller OVG NW, U.v. 10.3.2016 – 13 A 1657/15.A – juris). Auch der Umstand, dass sich die Situation des Antragstellers in Italien eventuell schlechter darstellt als im Bundesgebiet, begründet keinen systemischen Mangel des dortigen Asylverfahrens (vgl. EGMR, E.v. 2.4.2013 – Nr. 27725/10 – juris; VG München, B.v. 9.11.2016 – M 6 S 16.50638 – juris). Alle Asylbewerber haben in Italien kostenfreien Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem (OVG NW, U.v. 22.9.2016 – 13 A 2448/15.A – juris; Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23. Februar 2016, a.a.O., S. 6). Alle, auch irregulär anwesende Personen und Rückkehrer, haben ein Recht auf medizinische Grund- und Notfallversorgung bei Krankheit oder Unfall, auch ohne Selbstbehalt (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom August 2016, a.a.O., S. 54f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23. Februar 2016, a.a.O., S. 6). Das sog. ticket – der Selbstbehalt – muss darüber hinaus auch langfristig nicht bezahlt werden, solange eine nicht erwerbstätige Person bspw. in einer SPRAR-Einrichtung untergebracht ist oder eine sog. STP-Karte besitzt (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom August 2016, a.a.O., S. 56f.). Zugang zu einem Hausarzt und zu weiteren medizinischen Leistungen erhält man über eine Gesundheitskarte, die man ohne weiteres über eine Registrierung bei den lokalen Institutionen erlangt (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom August 2016, a.a.O., S. 55).
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 AufenthG oder ein inlandsbezogenes Vollzugshindernis (BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 10 CE 14.427 – juris) wurden nicht behauptet und/oder nach § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG glaubhaft gemacht (zur Heranziehung des § 60a Abs. 2c AufenthG auch i.R.v. zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen vgl. nur BayVGH, B.v. 26.4.2018 – 9 ZB 18.30178 – juris). Im Rahmen seiner Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags verwies der nach Beschwerden, Erkrankungen, Gebrechen und nach Behinderungen befragte Antragsteller auf die Anhörung gemäß § 25 AsylG (Bl. 79f. d. BA). Die dort genannten körperlichen (vom Regelwert abweichende Blutproteine) bzw. „seelischen“ Beschwerden (Kopfschmerzen, Vergesslichkeit) seien teils bereits medikamentös eingestellt gewesen – er nehme aber nur nach Bedarf Medikamente ein – bzw. noch nicht näher diagnostiziert (Bl. 76f. d. BA). Der mitwirkungspflichtige – vgl. u. a. § 15 AsylG – Antragsteller legte dem Bundesamt trotz entsprechender Aufforderung in der Folge keine Atteste oder ähnliche Belege vor, auch dem Gericht gingen keine Nachweise zu. Damit sind die Beschwerden jedenfalls nicht im Sinne des § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG glaubhaft gemacht.
Auch die allgemeinen Verhältnisse in Italien begründen kein Abschiebungsverbot. Unabhängig davon, dass die dortige Versorgungslage nach Obenstehendem unproblematisch ist, handelte es sich bei etwaigen schlechten humanitären Verhältnissen um eine Situation, der die gesamte Bevölkerungsgruppe „Asylbewerber“ (EGMR, U.v. 4.11.2014 – 29217/12, Tarakhel /Schweiz – NVwZ 2015, 127) ausgesetzt wäre, weshalb Abschiebeschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausschließlich durch eine generelle Regelung nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt würde. Eine extreme Gefährdungslage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausnahmsweise nicht greift (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9/95 – juris; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris), bei der ein Einzelner – hier: der Antragsteller – mithin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (vgl. 60.7.3.1 AufenthGAVwV; BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25/18 – juris; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris; Göbel-Zimmermann u.a., Asyl- und Flüchtlingsrecht, Stand: 1. Auflage 2017, Rn. 324), liegt in Italien nicht vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

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