Europarecht

Erfolgloser Eilantrag gegen Dublin-Bescheid bezüglich Slowenien

Aktenzeichen  M 25 S 16.51042

Datum:
26.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a Abs. 1
Dublin III-VO Art. Art. 3 Abs. 2, Art. 18 Abs. 1 lit. b, Art. 23 Abs. 2, Art. 25 Abs. 1

 

Leitsatz

Systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen sind hinsichtlich Slowenien nicht ersichtlich. Slowenien ist bislang im Dublin-III-Verfahren nicht auffällig in Erscheinung getreten. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anordnung der Abschiebung in die Republik Slowenien (im Folgenden: Slowenien) im Rahmen eines Dublin-III-Verfahrens.
Der Antragsteller, ein syrischer Staatsbürger, reiste nach eigenen Angaben am 23. März 2016 in das Bundesgebiet ein (Behördenakte, Bl. 106)
Am 16. Juni 2016 stellte er Asylantrag (Behördenakte, Bl. 11).
Ermittlungen ergaben daraufhin – unter anderem – einen Eurodac-Treffer der Kategorie 1 für Slowenien, der Antragsteller hatte mithin bereits in Slowenien Asyl beantragt (Behördenakte, Bl. 49).
Bei seiner persönlichen Anhörung am 23. Juni 2016 teilte der Antragsteller unter anderem mit, dass ihm in Slowenien die Fingerabdrücke abgenommen worden seien, dass er im Gefängnis gewesen sei, dass ein Bruder von ihm auch in München einen Asylantrag gestellt habe und dass ein weiterer Bruder von ihm in Schweden sei (Behördenakte, Bl. 68, 70).
Am 16. August 2016 richtete die Antragsgegnerin ein Übernahmeersuchen an die slowenischen Behörden unter Berufung auf das Eurodac-Ergebnis gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl EU Nr. L 180 S. 31; Dublin-III-Verordnung) (Behördenakte, Bl. 64).
In der Folge antworteten die slowenischen Behörden nicht (Behördenakte, Bl. 101).
Mit angegriffenem Bescheid vom … Oktober 2016 ordnete die Antragsgegnerin Folgendes an (Behördenakte, 101 ff.):
„1. Der Antrag wird als unzulässig abgelehnt.
2. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes liegen nicht vor.
3. Die Abschiebung nach Slowenien wird angeordnet.
4. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wird auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.“
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, dass der Asylantrag gemäß § 29 AsylG unzulässig sei, da Slowenien auf Grund des bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Die weitere Unzulässigkeit des Asylantrags könne auch auf dem erfolglosen Abschluss des früheren Asylverfahrens beruhen, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht vorlägen. Der Asylantrag würde in der Bundesrepublik Deutschland daher nicht materiell geprüft. Die Anordnung der Abschiebung nach Slowenien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Es lägen keine Abschiebungshindernisse oder Gründe für ein etwaiges Selbsteintrittsrecht der Bundesrepublik Deutschland und auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor (wird ausgeführt: Behördenakte, Bl. 102 ff.). Der Antragsteller habe im Rahmen der Zweitbefragung vorgetragen, dass sein Ziel von Anfang an Deutschland gewesen sei (Behördenakte, Bl. 104). Er habe einen Bruder in Schweden, er habe nicht einmal zu ihm gewollt. Des Weiteren hat der Antragsteller vorgetragen, dass es in Slowenien unmenschlich behandelt worden sei, die Unterbringung und das Essen seien schlecht gewesen. Alles sei schmutzig gewesen. Dieses Vorbringen sei nicht geeignet, um zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Gründe, die einer Überstellung nach Slowenien entgegenstehen könnten, seien weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Das Begleitschreiben des Bescheides datiert vom 27. Oktober 2016 (Behördenakte, Bl. 113).
Mit Fax vom 14. November 2016 ließ der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten Asylklage erheben.
Gleichzeitig ließ er beantragen,
„die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.“
Die Begründung betraf im Wesentlichen die Situation in Syrien (Gerichtsakte, Bl. 2).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Die gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessensabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Es bestehen keine erheblichen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
1. Die Antragsgegnerin hat nach den vorliegenden Unterlagen die Abschiebung nach Slowenien zutreffend nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG in Verbindung mit § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG angeordnet.
a) Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG verweist auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG und verpflichtet das Bundesamt, in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anzuordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Für die Prüfung des auch in Deutschland gestellten Asylantrags ist Slowenien gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung zuständig. Die Antragsgegnerin hat Slowenien, gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin-III-Verordnung, innerhalb der Frist von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung, gemäß Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung um Wiederaufnahme ersucht. Slowenien hat innerhalb der zweiwöchigen Frist gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung auf das Wiederaufnahmegesuch nicht geantwortet. Art. 25 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung ist auf Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b), c) oder d) Dublin-III-Verordnung anwendbar.
Die Antragsgegnerin ist damit grundsätzlich nicht verpflichtet, trotz der Zuständigkeit Sloweniens den Asylantrag des Antragstellers selbst inhaltlich zu prüfen.
b) Grundsätzlich gilt die auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründende Vermutung, dass die Behandlung der Asylsuchenden in jedem Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK in Einklang steht.
Nur wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU– Grundrechte-Charta mit sich bringen, setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-Verordnung die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bedarf es ernsthafter und durch Tatsachen bestätigter Gründe für die Annahme, dass der betreffende Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechte-Charta ausgesetzt zu werden (vgl. zu der Vorgängerverordnung: EuGH, U.v. 4.11.2013 – C-4/11 – Puid, juris, Rn. 36). Entscheidend ist insofern nicht, ob einzelne Verstöße gegen einzelne Bestimmungen in einem Mitgliedsstaat auftreten (vgl. ebenfalls zu der Vorgängerverordnung: EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – N.S., juris Rn. 85).
In Konkretisierung dieser Vorgaben bedeutet dies, dass sich der Tatrichter zur Widerlegung der Vermutung die Überzeugungsgewissheit zu verschaffen hat, dass der Asylsuchende wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein wird. Maßgeblich ist, ob diese Behandlungen im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris, Rn. 9).
bb) Verfassungsrechtlich hat die für die Abschiebung zuständige Behörde angemessen zu berücksichtigen, dass aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen oder des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren Drittstaat bestehen (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris, Rn. 15). Bei Vorliegen einer solchen Auskunftslage hat das zuständige Bundesamt angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen nach dem Dublin-III-System vorrangig zu berücksichtigenden Gesichtspunkte der uneingeschränkten Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit neugeborenen (vgl. Art. 16 Abs. 1 der Dublin III-Verordnung) und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren in dem genannten Sinne für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris, Rn. 15).
cc) Wendet man diese Maßstäbe auf den vorliegenden Fall an, so steht der Überstellung des Antragstellers nach Slowenien nicht das Hindernis systemischer Mängel entgegen. Die erforderliche Überzeugungsgewissheit liegt nicht vor.
Der Antragsteller hat in diesem Zusammenhang nichts vorgebracht. Die Situation in Syrien spielt für die Frage der Rückführung im Rahmen eines Dublin-III-Verfahrens keine Rolle. Systemische Mängel sind derzeit auch nicht anderweitig ersichtlich. Slowenien ist bislang im Dublin-III-Verfahren nicht auffällig in Erscheinung getreten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Antragsteller um einen gesunden jungen Mann handelt, der nicht zu dem besonders vulnerablen und damit besonders schützenswerten Personenkreis gehört.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.
3. Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

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