Aktenzeichen W 10 S 18.50532
Leitsatz
Das italienische Asylsystem weist, auch in Anbetracht des sog. Salvini-Dekrets, keine systemischen Mängel auf. (Rn. 27 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit seiner von der Antragsgegnerin angeordneten Abschiebung nach Italien.
Der Antragsteller gibt an, am … … 1996 in Edo State geboren worden und nigerianischer Staatsangehöriger mit der Volkszugehörigkeit der Issa sowie christlicher Religion zu sein. Er habe im August 2015 sein Herkunftsland verlassen und in der Folgezeit bis zu seiner Weiterreise nach Deutschland in Italien gelebt. Dort habe er im September 2016 und im Oktober 2018 Asyl beantragt.
Am 21. Oktober 2018 wurde der Antragsteller beim Grenzübertritt in das Bundesgebiet polizeilich aufgegriffen und erkennungsdienstlich behandelt. Am 31. Oktober 2018 stellte er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
In der Anhörung zur Zulässigkeit des gestellten Asylantrags am 6. November 2018 gab der Antragsteller an, seine in Italien gestellten Asylanträge seien jeweils abgelehnt worden, zuletzt am 1. Oktober 2018. Er habe bis zur Ablehnung seiner Anträge in einer Aufnahmeeinrichtung, danach in einem Geräteschuppen einer Farm gewohnt. Der Eigentümer habe dann den Schuppen angezündet, während sich der Antragsteller darin aufgehalten habe, er habe jedoch das brennende Gebäude noch rechtzeitig verlassen können. Er habe nach einem Unfall im Camp in Italien Probleme mit dem rechten Auge. Sie hätten ihm in der Aufnahmeeinrichtung Medikamente gegeben, nach der Ablehnung des Asylantrages habe er die Einrichtung jedoch verlassen müssen. In Deutschland erhalte er nun wieder Medikamente.
Da Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (im Folgenden: Dublin III-VO) vorlagen, ersuchte die Antragsgegnerin die italienischen Behörden am 8. November 2018 um Wiederaufnahme des Antragstellers. Diese stimmten der Wiederaufnahme des Antragstellers mit Schreiben vom 12. November 2018 auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO zu.
Mit Bescheid vom 13. November 2018 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1 des Bescheides), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2), ordnete die Abschiebung der Antragstellerin nach Italien an (Ziffer 3) und befristete das gesetzliche Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbot auf sechs Monate ab dem Datum der Abschiebung (Ziffer 4). Auf die Gründe des Bescheides wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Am 21. November 2018 erhob der Antragsteller zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Klage, über die noch nicht entschieden ist (Az. W 10 K 18.50531). Zugleich beantragte er im vorliegenden Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung verwies der Antragsteller auf die Anhörungen beim Bundesamt und gab darüber hinaus an, er sei wegen seiner Augenprobleme in Deutschland in ärztlicher Behandlung. Es seien ihm Augentropfen und eine Augensalbe verschrieben worden. Der Arzt habe ihm mitgeteilt, dass er in ein Krankenhaus müsse, falls sich keine Besserung einstelle. Bislang habe er nur Probleme mit dem rechten Auge gehabt, es greife nun aber auch auf das linke Auge über. Neben diesen gesundheitlichen Problemen könne er auch deswegen nicht nach Italien zurückkehren, weil er dort kein Obdach, keine finanzielle Unterstützung und keinen Zugang zu ärztlicher Behandlung habe.
Für die Antragsgegnerin beantragt das Bundesamt, den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtssowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die auf § 34a Abs. 1 AsylG gestützte Abschiebungsanordnung ist zulässig (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 1, § 75 Abs. 1 AsylG), aber nicht begründet.
Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Anordnung bzw. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung aufgrund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylG darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei das Aussetzungsinteresse des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn. 152; Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 89). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben wird; ergibt eine vorläufige Überprüfung des Rechtsbehelfs in der Hauptsache dagegen, dass diese offensichtlich erfolgreich sein wird, so überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten hingegen offen, so ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 90 ff.).
Gemessen an diesen Grundsätzen fällt die vom Gericht anzustellende Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung erweist sich die Abschiebungsordnung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids als rechtmäßig. Bei der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt daher das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung.
Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheides der Antragsgegnerin verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Das Vorbringen des Antragstellers führt zu keiner anderen Bewertung.
a) Die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung beruht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 2. Alt. AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO sieht vor, dass Anträge auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft werden, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Lässt sich anhand dieser Kriterien der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Der Antragsteller hat bereits in Italien einen Asylantrag gestellt, sodass grundsätzlich die italienischen Behörden für die Prüfung desselben zuständig sind.
Da das Wiederaufnahmegesuch innerhalb der Frist des Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO an Italien gerichtet wurde, ist die Zuständigkeit auch nicht auf die Antragsgegnerin übergegangen. Auch auf der Grundlage von Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO ergibt sich keine Zuständigkeit der Antragsgegnerin, weil die dort geregelte Überstellungsfrist offensichtlich nicht abgelaufen ist.
b) Die Überstellung des Antragstellers nach Italien ist auch nicht rechtlich unmöglich. Nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO besteht ein Überstellungshindernis, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in dem Mitgliedstaat, in den diese überstellt werden sollen, systemische Schwachstellen aufweisen, welche die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta i.V.m. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) mit sich bringen. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO beruht auf der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass das in Art. 4 der EU-Grundrechtecharta enthaltene Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung von fundamentaler Bedeutung ist und aufgrund der engen Verbindung zur Achtung der Würde des Menschen (Art. 1 der EU-Grundrechtecharta) und seines daraus resultierenden absoluten Charakters auch bei Überstellungen nach der Dublin-Verordnung voll umfänglich beachtet werden muss (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417; U.v. 5.4.2016 – C-404/15, C 659/15 – NJW 2016, 1709 Rn. 85, 86; U.v. 16.2.2017 – C-578/16 – NVwZ 2017, 691 Rn. 59).
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) beruht auf dem „Prinzip gegenseitigen Vertrauens“, dass alle daran beteiligten Mitgliedstaaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), dem Protokoll vom 1967 und in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417 Rn. 79). Dies begründet die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechtecharta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O., Rn. 80). Hierbei handelt es sich zwar um eine widerlegbare Vermutung. Die Anforderungen an die Feststellung systemischer Mängel und eine daraus resultierende Widerlegung der Sicherheitsvermutung sind allerdings hoch. Im Hinblick auf das Ziel der Dublin III-VO, zügig und effektiv den für das Asylverfahren zuständigen Staat zu bestimmen, können geringfügige Verstöße hierfür nicht ausreichen. Um das Prinzip gegenseitigen Vertrauens entkräften zu können, muss vielmehr ernsthaft zu befürchten sein, dass dem Asylbewerber aufgrund genereller defizitärer Mängel im Asylsystem des eigentlich zuständigen Mitgliedstaates mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-Grundrechtecharta droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – Rn. 6; EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O., Rn. 80; VGH Baden-Württemberg, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris Rn. 41). Erforderlich ist insoweit die real bestehende Gefahr, dass in dem Mitgliedstaat, in den überstellt werden soll, die grundlegende Ausstattung mit den notwendigen, zur Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse elementaren Mitteln so defizitär ist, dass der materielle Mindeststandard nicht erreicht wird und der betreffende Mitgliedstaat dieser Situation nicht mit geeigneten Maßnahmen, sondern mit Gleichgültigkeit begegnet (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 29.1.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 34 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kann allerdings die bloße schlechtere wirtschaftliche oder soziale Stellung der Person in dem Mitgliedstaat, in welchen sie überstellt werden soll, nicht für die Annahme einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausreichen (vgl. EGMR, B.v. 2.4.2013 – 27725/10 – ZAR 2013, 336, Rn. 70 f.). Der EGMR führt in seiner Entscheidung aus, dass Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung der Vertragsparteien enthalte, jede Person innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs mit Obdach zu versorgen oder finanzielle Leistungen zu gewähren, um ihr dadurch einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Einer Überstellung nach der Dublin-Verordnung stünden daher nur außergewöhnliche zwingende humanitäre Gründe entgegen.
Gemessen an diesen Grundsätzen geht das Gericht aufgrund einer Gesamtwürdigung der aktuellen Erkenntnisse im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) nicht davon aus, dass das Asylverfahren in Italien unionsrechtlichen Maßstäben widerspricht bzw. dort unzureichende Aufnahmebedingungen herrschen, die zu einer Verletzung der durch Art. 4 der EU-Grundrechtecharta gewährleisteten Rechte führen. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Italien ist als Mitgliedstaat der Europäischen Union ein sicherer Drittstaat im Sinne der Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylG. Es ist davon auszugehen, dass das Asylrecht in Italien zumindest dem internationalen und europäischen Mindeststandard entspricht und jedenfalls elementare Bedürfnisse der Asylbewerber gedeckt werden können.
Asylbewerber haben in Italien entsprechend dem Grundrecht auf Asyl Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Über den Ablauf des Asylverfahrens wird über Informationsbroschüren in unterschiedlichen sprachlichen Fassungen sowie über Betreuungsdienste Auskunft gegeben. Bei Dublin-Rückkehrern ist im Regelfall gewährleistet, dass sie nach ihrer Rückkehr nach Italien ihren ursprünglichen Antrag auf internationalen Schutz weiterverfolgen oder erstmals einen Asylantrag stellen können. Das Asylverfahren soll zwar grundsätzlich nicht länger als sechs Monate dauern (vgl. amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.2.2016). Der Umstand, dass diese Verfahrensdauer aufgrund der aktuellen Belastungssituation nicht immer eingehalten werden kann, rechtfertigt jedoch nicht die Annahme eines unzureichenden Asylverfahrens, zumal diesbezügliche Schwierigkeiten wegen des enormen Zustroms an Schutzsuchenden nicht nur in Italien, sondern in vielen europäischen Ländern bestehen.
Weiterhin erhalten Asylsuchende während des Asylverfahrens in Italien Leistungen für die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse, insbesondere Nahrungsmittel, Hygieneartikel und Kleidung (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Italien, Stand: 27.9.2018 m.w.N.). Auch wenn Italien diesbezüglich hinter den Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland zurückbleibt und insbesondere kein umfassendes Sozialsystem kennt, so begründet dies entsprechend der obigen Ausführungen keine generellen systemischen Mängel.
Asylbewerber haben darüber hinaus in gleicher Weise wie italienische Bürger einen Anspruch auf medizinische Versorgung, der mit der Registrierung eines Asylantrags entsteht. Bis zum Zeitpunkt der Registrierung werden gleichwohl medizinische Basisleistungen, wie beispielsweise kostenfreie Notfallversorgung, gewährleistet (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt, a.a.O., S. 17).
Während des Asylverfahrens haben Asylbewerber einen Anspruch auf Unterbringung. Grundsätzlich werden zahlreiche Plätze für Asylsuchende und Dublin-Rückkehrer in verschiedenen staatlichen Unterkünften zur Verfügung gestellt, die über ganz Italien verteilt sind. Sowohl das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als auch Asylum Information Database (im Folgenden: AIDA) gehen von einer Gesamtkapazität von über 175.000 Plätzen aus (vgl. BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, S. 2; AIDA, Country Report: Italy, Stand: März 2018, S. 80 ff.), sodass angesichts der hohen Zahl von Asylbewerbern nach wie vor eine Überbelegung anzunehmen ist. Neben den staatlichen Einrichtungen existieren verschiedene caritative und kommunale Einrichtungen, die zusätzliche Unterkunftsmöglichkeiten bieten, um Asylbewerber vor Obdachlosigkeit zu schützen. In Einzelfällen ist es gleichwohl möglich, dass Dublin-Rückkehrer keine Unterbringung erhalten und vorübergehend obdachlos sind. Insbesondere kann es zu Problemen kommen, wenn Dublin-Rückkehrer in Italien bereits offiziell untergebracht waren, da der Anspruch auf Unterbringung in staatlichen Einrichtungen untergeht, wenn der Ausländer seine Unterkunft ohne vorherige Bewilligung verlässt oder eine ihm zugewiesene Unterkunft gar nicht erst in Anspruch genommen hat (vgl. BAMF, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Italien, Stand: 27.9.2018, S. 16). Der Anspruch kann zwar wieder aufleben. Insoweit ist allerdings ein vorheriger Antrag bei der Questura erforderlich, die ursprünglich für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig war. Eine Unterbringung in einer staatlichen Einrichtung kann erst dann wieder erfolgen, wenn die Wiederaufnahme genehmigt wurde (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 28). In dieser Übergangsphase sind Dublin-Rückkehrer auf die Hilfe von Freunden oder caritativer Einrichtungen, über deren Aufnahmekapazität es jedoch keine gesicherten und aussagekräftigen Unterlagen gibt, angewiesen, um der Obdachlosigkeit entgehen zu können. Im Ergebnis ist die Unterkunftssituation in ihrer Gesamtschau damit weiterhin problematisch.
Gleichwohl sind diese defizitären Umstände noch nicht als generelle systemische Mängel in Italien zu qualifizieren, zumal die Annahme von Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO entsprechend den oben genannten Maßgaben an hohe Anforderungen geknüpft ist. Der maßgebliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit muss sich auf Basis einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände ergeben und sich nicht nur auf einzelne Mängel des Systems beziehen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der italienische Staat mit Unterstützung von European Asylum Support Office der Europäischen Union (EASO) geeignete Maßnahmen ergriffen hat, um die Aufnahmekapazitäten stetig zu erhöhen und aktiv darum bemüht ist, diese auch weiterhin zu verbessern (vgl. EASO, Special Support Plan to Italy, 11.3.2015). Dies gilt umso mehr als die Anzahl der in Italien ankommenden Asylbewerber seit Beginn des Jahres 2018 stark rückläufig ist.
Auch unter Auswertung neuerer Erkenntnismittel und auf der Basis vorstehender Ausführungen schließt sich das Gericht in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung der Einschätzung zahlreicher anderer Verwaltungsgerichte an, dass Italien grundsätzlich über ausreichende Unterbringungskapazitäten sowie ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes und richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, das trotz bestehender Mängel noch als funktionsfähig betrachtet werden kann (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 18.1.2017 – 12 L 3754/16.A – juris; VG Augsburg, B.v. 1.3.2018 – Au 5 S 18.50329 – juris; VG München, B.v. 6.6.2018 – M 11 S 18.51151 – BeckRS 2018, 15962; B.v. 9.8.2018 – M 26 S 18.52225, BeckRS 2018, 19472; VG Ansbach, U.v. 1.8.2018 – AN 14 K 17.50567 – juris; VG Karlsruhe, U.v. 22.3.2018 – A 5 K 15921/17 – BeckRS 2018, 7260; OVG Lüneburg, B.v. 13.6.2018 – 10 LB 204/18, BeckRS 2018, 22826; B.v. 2.7.2018 – 10 LB 249/18, BeckRS 2018, 24922; BayVGH, U.v. 18.2.2014 – 13 aB 13.30295 – juris; OVG Nordrhein-Westfalen, U.v. 22.9.2016 – 13 A 2448/15.A – juris).
Diese Einschätzung bedarf auch in Anbetracht des am 24. September 2018 erlassenen Dekrets der italienischen Regierung (sog. Salvini-Dekret) keiner Modifizierung. Soweit ersichtlich, betrifft die Regelung Änderungen in den Bereichen des Aufenthaltsrechtes aus humanitären Gründen sowie des Verlustes eines zuerkannten Schutzstatus (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Italien, Stand 27.9.2018, S. 6). Unmittelbare Auswirkungen auf die Behandlung von Asylbewerbern, deren Anerkennungsverfahren in Italien noch nicht abgeschlossen wurde, sind damit derzeit nicht zu erwarten. Soweit Ausländern nach einem unanfechtbar gewordenen negativen Abschluss des Asylverfahrens weder ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen gewährt noch deren Abschiebung ausgesetzt wird, liegt darin in den von der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG, insbesondere deren Artikeln 6 Abs. 4 und 9 gezogenen Grenzen kein Verstoß gegen europäisches Unionsrecht oder gegen völkerrechtliche Mindeststandards. Grundsätzlich liegt es, wie Art. 6 Abs. 4 der Rückführungsrichtlinie bestätigt, im Ermessen des jeweiligen Mitgliedstaates, den Aufenthalt von unanfechtbar abgelehnten Asylbewerbern in seinem Hoheitsgebiet zu beenden, zu dulden oder durch Gewährung eines zumindest befristeten Aufenthaltsrechtes zu legalisieren.
Auch der EGMR führt in seiner Tarakhel-Entscheidung vom 4. November 2014 aus, dass die allgemeine Situation der Asylbewerber in Italien nicht mit der Griechenlands vergleichbar sei und keine systemischen Mängel vorlägen (EGMR, Tarakhel gegen Schweiz, Nr. 29217/12 – NVwZ 2015, 127, Rn. 114 ff.). Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass eine erhebliche Anzahl von Asylbewerbern keine Unterkunft finde oder in überbelegten Einrichtungen auf engstem Raum oder in gesundheitsschädlichen oder gewalttätigen Verhältnissen untergebracht sei. Um sicherstellen zu können, dass die Aufnahmebedingungen an die besonderen Bedürfnisse von besonders schutzbedürftigen Personen angepasst seien, müssten vor deren Abschiebung individuelle Garantien von den italienischen Behörden eingeholt werden, dass diese Personen in Einrichtungen und unter Bedingungen aufgenommen würden, die ihrer Schutzbedürftigkeit angemessen seien (Rn. 120, 122 der zitierten Entscheidung).
Der Antragsteller gehört als alleinstehender junger Mann auch nicht zu einem besonders schutzbedürftigen Personenkreis im Sinne des Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (sog. Aufnahmerichtlinie), dessen Belangen im Einzelfall besonders Rechnung getragen werden müsste und für den unter Umständen eine individuelle Garantie von den italienischen Behörden eingeholt werden müsste, dass eine Unterbringung in Einrichtungen und unter Bedingungen erfolgt, die der Schutzbedürftigkeit angemessen sind (vgl. Rn. 120, 122 der zitierten EGMR-Entscheidung). Vielmehr hat der EGMR in späteren Entscheidungen für den Fall eines alleinstehenden Mannes gerade keine Grundlage für einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK gesehen (vgl. OVG NRW, U.v. 7.7.2016 – 13 A 2132/15.A – BeckRS 2016, 51044, Rn. 79 mit Verweis auf EGMR, U.v. 13.1.2015 – 51428/20, A.M.E. ./. Niederlande; U.v. 30.6.2015 – 39350/13, A.S. ./. Schweiz).
Weiterhin liegen auch keine außergewöhnlichen Umstände vor, welche die Antragsgegnerin veranlassen würden bzw. müssten, von ihrem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen. Insbesondere führen die vom Antragsteller geltend gemachten, aber nicht durch ärztliche Atteste belegten Augenprobleme nicht zu einer Pflicht der Antragsgegnerin zum Selbsteintritt (vgl. EuGH, U.v. 16.2.2017 – C-578/16 PPU, C.K. u.a. ./. Slowenien – NVwZ 2017, 691). Eine tatsächliche und erwiesene Gefahr einer wesentlichen und unumkehrbaren Verschlechterung seines Gesundheitszustandes im Sinne der genannten Rechtsprechung, welche zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK im Einzelfall führte, wäre mit einer Überstellung des Antragstellers nach Italien nicht verbunden. Denn er hätte, wie ausgeführt, in Italien Zugang zu medizinischer Notfallversorgung sowie im Falle der Stellung eines (weiteren) Asylantrages auch Zugang zur medizinischen Basisversorgung als Asylbewerber.
Das Gericht geht des Weiteren davon aus, dass die Antragsgegnerin die zuständige italienische Behörde, wie im Schreiben des Ministero dell´Interno vom 12. November 2018 erbeten, gegebenenfalls vorab über gesundheitliche Beeinträchtigungen des Antragstellers informieren wird.
c) Die Feststellung der Antragsgegnerin, dass im Falle des Antragstellers keine zielstaats- oder inlandsbezogenen Abschiebungsverbote bestehen, ist nach den vorstehenden Gründen ebenfalls nicht zu beanstanden. Insbesondere droht unter den oben genannten Voraussetzungen auch keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Antragstellers im Sinne des Art. 3 EMRK, welche zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG führen würde. Anhaltspunkte für inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG ersichtlich.
Die Abschiebung des Antragstellers nach Italien ist somit sowohl tatsächlich möglich als auch rechtlich zulässig, weshalb das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung überwiegt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.