Europarecht

Erfolgloser Eilantrag gegen Dublin-Bescheid (Italien)

Aktenzeichen  W 10 S 18.50536

Datum:
28.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 38792
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a Abs. 1 S. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7, § 60a Abs. 2
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 UAbs. 1, UAbs. 2, Art. 17 Abs. 1, Art. 23 Abs. 2, Art. 29 Abs. 2 S. 1
RückführungsRL Art. 6 Abs. 4, Art. 9
AufnahmeRL Art. 21
GG Art. 16a Abs. 2 S. 1
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

Das italienische Asylsystem weist auch in Anbetracht des sog. Salvini-Dekrets keine systemischen Mängel auf.  (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit seiner von der Antragsgegnerin angeordneten Abschiebung nach Italien.
Der Antragsteller gibt an, am … 1995 in B.-City geboren und nigerianischer Staatsangehöriger mit der Volkszugehörigkeit der Edo zu sein. Er habe sein Herkunftsland am 5. April 2015 in Richtung Deutschland verlassen und sei nach einem sechsmonatigen Aufenthalt in Libyen am 20. September 2015 in Italien angekommen. Dort habe er zwei Jahre und sieben Monate lang in einem Camp gelebt. Nachdem sein Asylantrag in Italien zweimal abgelehnt worden sei und er dort auf der Straße habe leben müssen, sei er in die Schweiz ausgereist, wo er auch Asyl beantragt habe. Am 22. Oktober 2018 sei er schließlich in das Bundesgebiet eingereist.
Am 6. November 2018 beantragte der Antragsteller beim Bundesamt für … (im Folgenden: Bundesamt) Asyl.
Da sich aufgrund von Eurodac-Treffern Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin III-Verordnung – Dublin III-VO) ergaben, ersuchte das Bundesamt die italienischen Behörden mit Schreiben vom 13. November 2018 um Wiederaufnahme des Antragstellers.
Mit Schreiben vom 14. November 2018 stimmten die italienischen Behörden der Wiederaufnahme des Antragstellers unter Verweis auf Art. 18 Abs. 1 d) Dublin III-VO zu.
Mit Bescheid vom 14. November 2018 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1 des Bescheides), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 2), ordnete die Abschiebung des Antragstellers nach Italien an (Ziffer 3) und befristete das gesetzliche Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbot auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). Auf die Gründe des Bescheides wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Am 21. November 2018 erhob der Antragsteller zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Klage, über die noch nicht entschieden ist (Az. W 10 K 18.50535).
Zugleich beantragte er im vorliegenden Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung führt der Antragsteller im Wesentlichen aus, er habe nach der zweiten Ablehnung seines Asylantrages in Italien seine Unterkunft verlassen und auf der Straße leben müssen. Deshalb sei er schließlich nach Deutschland weiter gereist. Im Falle der Rückkehr nach Italien müsste er wieder auf der Straße leben und es würde ihm dort keinerlei Unterstützung zuteil.
Für die Antragsgegnerin beantragt das Bundesamt, den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung unter Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft, weil die Klage gegen die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützte Abschiebungsanordnung von Gesetzes wegen nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Der Antrag wurde auch innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG und damit fristgerecht bei Gericht gestellt.
2. Der Antrag ist allerdings unbegründet. Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Anordnung bzw. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung auf Grund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei das Aussetzungsinteresse des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 80 Rn. 152; Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 89). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Ergibt eine vorläufige Überprüfung der Klage in der Hauptsache dagegen, dass diese offensichtlich erfolgreich sein wird, so überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten hingegen offen, so ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 90 ff.).
Gemessen an diesen Grundsätzen fällt die vom Gericht anzustellende Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung bestehen an der Rechtmäßigkeit der Ziffer 3 des angegriffenen Bescheids keine Zweifel. Bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Abwägung überwiegt daher das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung.
Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheids verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Das Vorbringen des Antragstellers in der Antragsbegründung führt zu keiner anderen Bewertung.
a) Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens nach § 29 Absatz 1 Nr. 1 AsylG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO sieht vor, dass Anträge auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft werden, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Lässt sich anhand dieser Kriterien der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Der Antragsteller hat ausweislich des in der Behördenakte befindlichen Eurodac-Treffers bereits in Italien einen Asylantrag gestellt, so dass die italienischen Behörden für die Prüfung des Antrags zuständig sind.
Da das Wiederaufnahmegesuch innerhalb der Frist des Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO an Italien gerichtet wurde, ist die Zuständigkeit auch nicht auf die Antragsgegnerin übergegangen. Auch auf der Grundlage von Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO ergibt sich keine Zuständigkeit der Antragsgegnerin, weil die dort geregelte Überstellungsfrist offensichtlich nicht abgelaufen ist.
b) Ein Zuständigkeitsübergang auf die Antragsgegnerin ergibt sich auch nicht aus der rechtlichen Unmöglichkeit der Überstellung nach Italien. Nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO besteht ein Überstellungshindernis, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, welche die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU – Grundrechtecharta mit sich bringen. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO beruht auf der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach das in Art. 4 der EU – Grundrechtecharta enthaltene Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung von fundamentaler Bedeutung ist und aufgrund der engen Verbindung zur Achtung der Würde des Menschen (Art. 1 der EU – Grundrechtecharta) und seines daraus folgenden absoluten Charakters auch bei Überstellungen von Asylbewerbern nach den Dublin – Verordnungen vollumfänglich beachtet werden muss (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417; U.v. 5.4.2016 – C-404/15, C-659/15 – NJW 2016, 1709 Rn. 85, 86; U.v. 16.2.2017 – C-578/16 – NVwZ 2017, 691 Rn. 59).
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem beruht auf dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Mitgliedstaaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), dem Protokoll von 1967 und in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417 Rn. 79). Dies begründet die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der EU – Grundrechtecharta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O., Rn. 80). Hierbei handelt es sich zwar um eine widerlegliche Vermutung. Die Anforderungen an die Feststellung systemischer Mängel und eine daraus folgende Widerlegung der Sicherheitsvermutung sind allerdings hoch. Im Hinblick auf das Ziel der Dublin III-VO, zügig und effektiv den für das Asylverfahren zuständigen Staat zu bestimmen, können geringfügige Verstöße hierfür nicht ausreichen. Um das Prinzip gegenseitigen Vertrauens entkräften zu können, muss vielmehr ernsthaft zu befürchten sein, dass Asylbewerbern bzw. bestimmten Gruppen von Asylbewerbern aufgrund genereller defizitärer Mängel im Asylsystem des eigentlich zuständigen Mitgliedstaats mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 der EU – Grundrechtecharta droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 6; EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O., Rn. 80; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris Rn. 41). Erforderlich ist insoweit die real bestehende Gefahr, dass in dem Mitgliedstaat, in den überstellt werden soll, die grundlegende Ausstattung mit den notwendigen, zur Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse elementaren Mitteln so defizitär ist, dass der materielle Mindeststandard nicht erreicht wird und der betreffende Mitgliedstaat dieser Situation nicht mit geeigneten Maßnahmen, sondern mit Gleichgültigkeit begegnet (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 29.1.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 34 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kann allerdings die bloße schlechtere wirtschaftliche oder soziale Stellung der Person in dem zu überstellenden Mitgliedstaat nicht für die Annahme einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausreichen (vgl. EGMR, B.v. 2.4.2013 – 27725/10 – ZAR 2013, 336, 70 f.). Der EGMR führt in seiner Entscheidung aus, dass Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung der Vertragsparteien enthalte, jede Person innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs mit Obdach zu versorgen oder ihr finanzielle Leistungen zu gewähren, um ihr dadurch einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Einer Überstellung im Dublin-Verfahren stünden nur außergewöhnliche zwingende humanitäre Gründe entgegen.
Entsprechend vorstehender Ausführungen geht das Gericht auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung nach dem aktuellen Erkenntnisstand und im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) nicht davon aus, dass das Asylverfahren in Italien unionsrechtlichen Maßstäben widerspricht bzw. dort unzureichende Aufnahmebedingungen herrschen, die zu einer Verletzung der durch Art. 4 der EU – Grundrechtecharta gewährleisteten Rechte führen. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Italien ist als Mitgliedstaat der Europäischen Union ein sicherer Drittstaat im Sinne der Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylG. Es ist davon auszugehen, dass das Asylrecht in Italien zumindest den internationalen und europäischen Mindeststandards entspricht und jedenfalls elementare Bedürfnisse der Asylbewerber gedeckt werden können.
Asylbewerber haben in Italien entsprechend dem Grundrecht auf Asyl Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Über den Ablauf des Asylverfahrens wird über Informationsbroschüren in unterschiedlichen sprachlichen Fassungen sowie über Betreuungsdienste Auskunft gegeben. Bei Dublin-Rückkehrern ist im Regelfall gewährleistet, dass sie nach ihrer Rückkehr nach Italien ihren ursprünglichen Antrag auf internationalen Schutz weiterverfolgen oder erstmals einen Asylantrag stellen können. Im Falle einer negativen Verbescheidung kann ein Wiederaufnahmeantrag gestellt werden oder Beschwerde gegen den ablehnenden Bescheid eingelegt werden. Das Asylverfahren soll zwar grundsätzlich nicht länger als sechs Monate dauern (vgl. Amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NRW vom 23.2.2016). Der Umstand, dass diese Verfahrensdauer aufgrund der aktuellen Belastungssituation nicht immer eingehalten werden kann, rechtfertigt jedoch nicht die Annahme eines unzureichenden Asylverfahrens, zumal diesbezügliche Schwierigkeiten wegen des enormen Zustroms an Schutzsuchenden nicht nur in Italien, sondern in vielen europäischen Ländern bestehen.
Weiterhin erhalten Asylsuchende während des Asylverfahrens in Italien Leistungen für die Befriedigung von Grundbedürfnissen, insbesondere Nahrungsmittel, Hygieneartikel und Kleidung (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Italien, Stand: 27.9.2018 m.w.N.). Auch wenn Italien diesbezüglich hinter den Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland zurückbleibt und insbesondere kein umfassendes Sozialsystem kennt, so begründet dies entsprechend den obigen Ausführungen keine generellen systemischen Mängel.
Italien verfügt über ein umfassendes Gesundheitssystem, das medizinische Behandlungsmöglichkeiten auf hohem Niveau bereitstellt. Asylbewerber haben in gleicher Weise wie italienische Bürger einen Anspruch auf medizinische Versorgung, der mit der Registrierung eines Asylantrags entsteht. Bis zum Zeitpunkt der Registrierung werden gleichwohl medizinische Basisleistungen, wie beispielsweise kostenfreie Notfallversorgung, gewährleistet (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Italien, Stand: 27.9.2018, S. 17).
Während des Asylverfahrens haben Asylbewerber einen Anspruch auf Unterbringung. Grundsätzlich werden zahlreiche Plätze für Asylsuchende und Dublin – Rückkehrer in verschiedenen staatlichen Unterkünften zur Verfügung gestellt, die über ganz Italien verteilt sind. Sowohl das BAMF als auch Asylum Information Database (im Folgenden: AIDA) gehen von einer Gesamtkapazität von über 175.000 Plätzen aus (vgl. BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, S. 2; AIDA, Country Report: Italy, Stand: März 2018, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_ 2017update.pdf, S. 80 ff.), so dass angesichts der hohen Zahl von Asylbewerbern nach wie vor eine Überbelegung anzunehmen ist. Nach italienischem Recht sind bei der Unterbringung die besonderen Bedürfnisse von Asylbewerbern, insbesondere vulnerabler Personen, zu berücksichtigen. Geeignete Einrichtungen für vulnerable Personen stehen hauptsächlich in den sogenannten SPRAR-Unterkünften zur Verfügung, in denen entsprechende Unterstützungsleistungen gewährt werden. Es handelt sich hierbei um ein Unterbringungssystem auf kommunaler Ebene, das vom italienischen Staat zentral verwaltet wird und eine Unterbringung bei privaten oder kommunalen Trägern vorsieht (vgl. Amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NRW vom 23.2.2016). Diese machen jedoch einen eher geringeren Prozentsatz der staatlichen Unterbringungsmöglichkeiten aus, so dass nicht jeder Asylsuchende einen Platz erhalten kann und die Zuteilung häufig mit langen Wartezeiten verbunden ist (vgl. AIDA, Country Report: Italy, Stand: März 2018, S. 51, 76; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 41). Neben den staatlichen Einrichtungen existieren verschiedene karitative und kommunale Einrichtungen, die zusätzliche Unterkunftsmöglichkeiten bieten, um Asylbewerber vor Obdachlosigkeit zu schützen. In Einzelfällen ist es gleichwohl möglich, dass Dublin-Rückkehrer keine Unterbringung erhalten und vorübergehend obdachlos sind. Insbesondere kann es zu Problemen kommen, wenn Dublin-Rückkehrer in Italien bereits offiziell untergebracht waren, da der Anspruch auf Unterbringung in staatlichen Einrichtungen untergeht, wenn der Ausländer seine Unterkunft ohne vorherige Bewilligung verlässt oder eine ihm zugewiesene Unterkunft gar nicht erst in Anspruch genommen hat (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Italien, Stand: 27.9.2018, S. 16). Der Anspruch kann zwar wieder aufleben. Insoweit ist allerdings ein vorheriger Antrag bei der Questura erforderlich, die ursprünglich für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig war. Eine Unterbringung in einer staatlichen Einrichtung kann erst dann wieder erfolgen, wenn die Wiederaufnahme genehmigt wurde (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 28). In dieser Übergangsphase sind Dublin-Rückkehrer auf die Hilfe von Freunden oder karitative Einrichtungen, über deren Aufnahmekapazität es keine gesicherten und aussagekräftigen Unterlagen gibt, angewiesen, um der Obdachlosigkeit entgehen zu können. Im Ergebnis ist die Unterkunftssituation in ihrer Gesamtschau weiterhin problematisch.
Gleichwohl sind diese defizitären Umstände noch nicht als generelle systemische Mängel in Italien zu qualifizieren, zumal die Annahme von Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO entsprechend den oben genannten Maßgaben an hohe Anforderungen geknüpft ist. Der maßgebliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit muss sich auf der Basis einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände ergeben und darf sich nicht nur auf einzelne Mängel des Systems beziehen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der italienische Staat mit Unterstützung des European Asylum Support Office der Europäischen Union (EASO) geeignete Maßnahmen ergriffen hat, um die Aufnahmekapazitäten stetig zu erhöhen und aktiv darum bemüht ist, diese auch weiterhin zu verbessern (vgl. EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015). Dies gilt umso mehr, als die Anzahl der in Italien ankommenden Asylbewerber seit Beginn des Jahres 2018 stark rückläufig ist.
Auch unter Auswertung neuerer Erkenntnismittel und auf Basis vorstehender Ausführungen schließt sich das Gericht in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung der Einschätzung zahlreicher anderer Verwaltungsgerichte an, dass Italien grundsätzlich über ausreichende Unterbringungskapazitäten sowie ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes und richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, das trotz bestehender Mängel noch als funktionsfähig betrachtet werden kann (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 18.1.2017 – 12 L 3754/16.A – juris; VG Augsburg, B.v. 1.3.2018 – Au 5 S 18.50329 – juris; VG München, B.v. 6.6.2018 – M 11 S 18.51151 – BeckRS 2018, 15962; B.v. 9.8.2018 – M 26 S 18.52225, BeckRS 2018, 19472; VG Ansbach, U.v. 1.8.2018 – AN 14 K 17.50567 – juris; VG Karlsruhe, U.v. 22.3.2018 – A 5 K 15921/17 – BeckRS 2018, 7260; OVG Lüneburg, B.v. 13.6.2018 – 10 LB 204/18, BeckRS 2018, 22826; B.v. 2.7.2018 – 10 LB 249/18, BeckRS 2018, 24922; BayVGH, U.v. 18.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris; OVG Münster, U.v. 22.9.2016 – 13 A 2448/15.A – juris).
Diese Auffassung vertritt auch der EGMR, der in seiner Tarakhel-Entscheidung vom 4. November 2014 ausgeführt hat, dass zwar nicht ausgeschlossen werden könne, dass ein Asylbewerber im Einzelfall keine Unterkunft finde oder in überbelegten Einrichtungen auf engstem Raum oder in gesundheitsschädlichen oder gewalttätigen Verhältnissen untergebracht sei, die allgemeine Situation der Asylbewerber in Italien aber nicht mit der Griechenlands vergleichbar sei und keine systemischen Mängel vorlägen (EGMR, Tarakhel ./. Schweiz, Nr. 29217/12 – NVwZ 2015, 127, Rn. 114 ff.).
Die Einschätzung, dass Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes und richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, bedarf auch in Anbetracht des am 24. September 2018 erlassenen Dekrets der italienischen Regierung (sog. Salvini-Dekret) keiner Modifizierung. Soweit ersichtlich, betrifft die Regelung Änderungen im Bereich des Aufenthaltsrechtes aus humanitären Gründen sowie zum Verlust eines zuerkannten Schutzstatus (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Italien, Stand: 27.9.2018, S. 6). Unmittelbare Auswirkungen auf die Behandlung von Asylbewerbern, deren Anerkennungsverfahren in Italien noch nicht abgeschlossen wurde, sind damit derzeit nicht zu erwarten. Soweit Ausländern nach einem unanfechtbar gewordenen negativen Abschluss des Asylverfahrens weder ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen noch eine Duldung gewährt wird, liegt darin in den von Art. 6 Abs. 4 und Art. 9 der Richtlinie 2008/115/EG (sog. Rückführungsrichtlinie) gesetzten Grenzen kein Verstoß gegen europäisches Unionsrecht oder gegen völkerrechtliche Mindeststandards. Grundsätzlich liegt es, wie auch aus Art. 6 Abs. 4 der Rückführungsrichtlinie folgt, im Ermessen des jeweiligen Mitgliedstaates, den Aufenthalt von Ausländern in seinem Staatsgebiet zu beenden, denen nach einer unanfechtbar gewordenen Entscheidung der zuständigen Behörde kein Schutzanspruch zusteht.
Der Antragsteller gehört als alleinstehender junger Mann auch nicht zu einem besonders schutzbedürftigen Personenkreis im Sinne des Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (sog. Aufnahmerichtlinie), dessen Belangen im Einzelfall besonders Rechnung getragen werden müsste und für den unter Umständen eine individuelle Garantie von den italienischen Behörden eingeholt werden müsste, dass eine Unterbringung in Einrichtungen und unter Bedingungen erfolgte, die der Schutzbedürftigkeit angemessen ist (Rn. 120, 122). Vielmehr hat der EGMR in späteren Entscheidungen für den Fall eines alleinstehenden Mannes gerade keine Grundlage für einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK gesehen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U.v. 7.7.2016 – 13 A 2132/15.A – BeckRS 2016, 51044, Rn. 79 mit Verweis auf EGMR, U.v. 13.1.2015 – 51428/20, A.M.E. ./. Niederlande; U.v. 30.6.2015 – 39350/13, A.S. ./. Schweiz).
Weiterhin liegen auch keine außergewöhnlichen Umstände vor, die möglicherweise für eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen könnten.
c) Die Feststellung der Antragsgegnerin, dass im Fall des Antragstellers keine zielstaats- oder inlandsbezogenen Abschiebungsverbote bestehen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Insoweit hat der Antragsteller schon nichts vorgetragen. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte für zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG oder inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG ersichtlich.
Die Abschiebung des Antragstellers nach Italien ist somit sowohl tatsächlich möglich als auch rechtlich zulässig.
3. Da die Klage in der Hauptsache voraussichtlich erfolglos bleiben wird, überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Der Antrag war daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.

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