Aktenzeichen 20 B 16.203
VO (EG) Nr. 607/2009 Art. 67 Abs. 1
WeinV WeinV § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
WeinG WeinG § 24 Abs 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 5
Leitsatz
1. Die Angabe allein des Namens der Lage auf dem Vorderetikett ist zulässig, wenn auf einem Etikett auf der Flaschenrückseite dem Namen der Lage der Gemeindename oder der Name des Ortsteils hinzugefügt ist. Hierin liegt keine Irreführung des Verbrauchers. (Rn. 59)
2. Ausgangspunkt der Auslegung ist zwar der Wortlaut der Vorschrift. Er gibt allerdings nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt daneben den Gesetzesmaterialien und der Systematik des Gesetzes eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Auslegung des § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WeinV geben die zugrundeliegenden Gesetzesmaterialien entscheidende Hinweise für eine den Wortlaut einschränkende Auslegung, die eine Nennung nur des Lagenamens erlaubt, soweit an anderer Stelle dem Lagenamen die Ortsbezeichnung hinzugefügt worden ist. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
W 3 K 13.534 2015-04-30 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 30. April 2015 wird geändert. Es wird festgestellt, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, dem Kläger zu untersagen, zur Kennzeichnung der auf seinen Rebflächen erzeugten und in den Verkehr zu bringenden bzw. gebrachten Qualitätsweine b.A. der Lage „J…“, die Ortsbezeichnung „I… bzw. „I…r“ als Name der Gemeinde oder des Ortsteils i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WeinV nicht zusammen mit dem Lagenamen auf dem Frontetikett, sondern auf dem Rückenetikett aufzuführen.
II. Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Beklagte.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung ist begründet.
Die von dem Kläger erhobene Feststellungsklage ist zulässig und begründet. Deswegen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die begehrte Feststellung getroffen.
Die Klage ist zulässig. Die Feststellungsklage ist nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Nach § 43 Abs. 1 kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.
Der Kläger begehrt die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Unter einem solchen Rechtsverhältnis ist die rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache zu verstehen (W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 43 Rn. 11 m.w.N.). Der Kläger will festgestellt wissen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, ihm zu untersagen, dass er seinen Wein nur mit dem Lagenamen auf dem Frontetikett und den Lagenamen mit der Ortsbezeichnung lediglich auf dem Rückenetikett im Geschäftsverkehr verwendet. Damit zielt er auf das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses.
Ihm steht auch das Rechtsschutzinteresse zu, weil der Beklagte der Auffassung ist, dass die vom Kläger etikettierten Weinflaschen unter das Verkehrsverbot des § 27 WeinG fallen. Zudem kommt bei einer gesetzeswidrigen Bezeichnung eine Ahndung nach Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht nach §§ 48f. WeinG in Betracht (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 7.12.2016 – 8 A 10482/16 – juris Rn 25).
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger ist gegenüber dem Beklagten nicht verpflichtet, die Ortsbezeichnung dem Lagenamen auf dem Frontetikett hinzuzufügen. Das Verwaltungsgericht hat die vom Kläger beantragte Feststellung zu Unrecht nicht getroffen. Der Kläger ist nicht verpflichtet, auf dem Frontetikett dem Lagenamen die Ortsbezeichnung hinzuzufügen, wenn er dies auf dem Rückenetikett vornimmt.
Rechtsgrundlage für die Kennzeichnung und Aufmachung im Weinsektor ist die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 (ABl. L 347, S. 671) – Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 -, geändert durch Verordnung (EU) Nr. 1310/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 (ABl. L 347, S. 865 berichtigt in ABl. L 189, S. 261).
Nach Art. 117 Halbsatz a) der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 bezeichnet der Ausdruck „Kennzeichnung“ u.a. die Angaben, Bezeichnungen, Hersteller- oder Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen auf Etiketten, wobei die Etikettierung gemäß Art. 118 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 3a der Richtlinie 2000/13/EG alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller- oder Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen umfasst, die sich auf ein Lebensmittel beziehen und auf jeglicher Art von Verpackung, Schriftstück, Tafel, Etikett, Ring oder Verschluss angebracht sind und dieses Lebensmittel begleiten oder sich auf dieses Lebensmittel beziehen, so dass auf die gesamte Etikettierung des Weins, also sowohl auf das so genannte Schauetikett als auch auf das Rückenetikett abzustellen ist (vgl. insoweit auch EuGH, Urteil vom 4.6.2015 – C-195/14 -, juris Rn. 41 und BGH, Urteil vom 10.12.2015 – I ZR 222/13 -, juris Rn. 44).
Nach Art. 119 Abs. 1e der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 gehört bei der Kennzeichnung von Wein, der gemäß Anhang VII Nr. 1 der Verordnung zu den von dieser Norm erfassten Erzeugnissen gehört, die Angabe der Herkunft und des Abfüllers zu den obligatorischen Angaben bei der Kennzeichnung, wobei sich die Herkunft des Weines im Sinne dieser Bestimmung danach richtet, wo die Trauben gewachsen sind, nicht aber danach, wo der Wein erzeugt und abgefüllt wurde.
Nach Art. 120 Abs. 1 Buchst. g) Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 kann die Kennzeichnung und Aufmachung von Wein neben anderen Angaben insbesondere für Weine mit einer geschützten Ursprungsbezeichnung den Namen einer anderen geografischen Einheit, die kleiner oder größer ist als das Gebiet, das der Ursprungsbezeichnung zugrunde liegt, als fakultative Angabe umfassen.
Diese Vorschrift wird durch Art. 67 der Verordnung (EG) Nr. 607/2009 der Kommission vom 14. Juli 2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 479/2008 des Rates hinsichtlich der geschützten Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben, der traditionellen Begriffe sowie der Kennzeichnung und Aufmachung bestimmter Weinbauerzeugnisse (ABl. L 193, S. 60), zuletzt geändert durch Durchführungsverordnung (EU) Nr. 753/2013 der Kommission vom 2. August 2013 (ABl. L 210, S. 21) – Verordnung (EG) Nr. 607/2009 – ergänzt. Diese Verordnung ist im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 anwendbar. Dies ergibt sich aus den Bezugnahmen in Art. 49 ff. Verordnung (EG) Nr. 607/2009 auf die Verordnung (EG) Nr. 479/2008. Gemäß Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 491/2009 wird die Verordnung (EG) Nr. 479/2008 aufgehoben, Verweise auf die aufgehobene Verordnung gelten als Verweise auf die Verordnung (EG) Nr. 1234/2007. Gemäß Art. 230 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 gelten Verweise auf die Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 als Verweise auf die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013.
Nach Art. 67 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 607/2009 dürfen der Name einer geografischen Einheit und Bezugnahmen auf geografische Gebiete nur auf dem Etikett von Weinen mit geschützter Ursprungsbezeichnung stehen. Gemäß Art. 67 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung muss für die Verwendung des Namens einer geografischen Einheit, die kleiner ist als das Gebiet, das der Ursprungsbezeichnung zugrunde liegt, das Gebiet der betreffenden geografischen Einheit genau definiert sein. Gemäß Art. 67 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EG) Nr. 607/2009 können die Mitgliedstaaten Vorschriften für die Verwendung dieser geografischen Einheiten erlassen. Art. 67 Abs. 3 der Verordnung legt fest, dass der Name einer geografischen Einheit, die kleiner oder größer ist als das Gebiet, das der Ursprungsbezeichnung zugrunde liegt, aus dem Namen einer Lage oder einer Einheit, die mehrere Lagen umfasst (Buchst. a)), einer Gemeinde oder eines Ortsteils (Buchst. b)), eines Untergebiets oder des Teils eines Untergebiets (Buchst. c)), einer Verwaltungseinheit (Buchst. d)) bestehen muss. Art. 70 Abs. 1 der Verordnung legt fest, dass von den Mitgliedstaaten für in ihrem Hoheitsgebiet hergestellte Weine mit geschützter Ursprungsbezeichnung die Angaben gemäß Art. 67 zwingend vorgeschrieben, verboten oder hinsichtlich ihrer Verwendung eingeschränkt werden können.
Auf der Grundlage von Art. 67 Abs. 2 Satz 2, Art. 70 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 607/2009 hat der nationale Gesetzgeber weitere Regelungen geschaffen. Nach § 3 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 des Weingesetzes (WeinG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2011 (BGBl. I S. 66), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. Oktober 2014 (BGBl. I S. 1586), werden u.a. für Qualitätsweine bestimmte Anbaugebiete festgelegt, darunter auch das Anbaugebiet Franken. Soweit diese Bezeichnungen der bestimmten Anbaugebiete nach europäischem Recht geschützt sind, gelten u.a. für die Qualitätsweine dieser Anbaugebiete die Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union über Weine mit geschützter Ursprungsbezeichnung, sofern dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
Nach § 23 Abs. 1 WeinG dürfen u.a. bei Qualitätsweinen, die mit dem Namen eines bestimmten Anbaugebietes i.S.d. § 3 Abs. 1 WeinG benannt sind, zusätzlich nur angegeben werden (1.) die Namen von in die Weinbergsrolle eingetragenen Lagen und Bereichen (2.) die Namen kleinerer geographischer Einheiten, die in der Liegenschaftskarte abgegrenzt sind, soweit diese Namen in die Weinbergsrolle eingetragen sind, (3.) die Namen von Gemeinden und Ortsteilen.
Nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 5 WeinG wird der Verordnungsgeber ermächtigt, Vorschriften über geografische Bezeichnungen zu erlassen und zu regeln, in welcher Weise vorgeschriebene Bezeichnungen und sonstige Angaben auf Behältnissen angebracht sein müssen.
Auf dieser Grundlage enthält § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Weinverordnung (WeinV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. April 2009 (BGBl. I S. 827), zuletzt geändert durch Verordnung vom 21. April 2015 (BGBl. I S. 614), diejenige Regelung, auf die sich der Beklagte im vorliegenden Verfahren beruft. Wird hiernach zur Bezeichnung eines Qualitätsweines der Name einer Lage oder einer kleineren geografischen Einheit gem. § 23 Abs. 1 WeinG verwendet, ist diesem der Name der Gemeinde oder des Ortsteils hinzuzufügen.
Nach dem Wortlaut der Rechtsverordnung besteht, wie vom Beklagten vertreten, die Auslegungsmöglichkeit, dass immer dann, wenn, wie hier, die Lage zur Bezeichnung eines Qualitätsweines verwendet wird, stets die Ortsbezeichnung dem Lagenamen hinzuzufügen ist. Auf der anderen Seite schließt aber der Wortlaut des Gesetzes nicht aus, dass die Verwendung ausschließlich des Lagenamens gestattet ist, soweit an anderer Stelle der Lagenamen mit der entsprechenden Ortsbezeichnung vorhanden ist. Insoweit ist es entscheidend, ob man § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WeinV als Handlungsgebot oder als umfassendes Handlungsverbot versteht.
Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (BVerfG, U.v. 19.3.2013 – 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11 – BVerfGE 133, 168 – 241 Rn. 66). Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen (BVerfG, U.v. 20.3.2002 – 2 BvR 794/95 – BVerfGE 105, 135 – 185, Rn. 79; BVerfG, B.v. 17.5.1960 – 2 BvL 11/59, 2 BvL 11/60 – BVerfGE 11, 126 – 136, Rn. 18). Ausgangspunkt der Auslegung ist zwar der Wortlaut der Vorschrift. Er gibt allerdings nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt daneben den Gesetzesmaterialien und der Systematik des Gesetzes eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu (BVerfG, U.v. 19.3.2013 – 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11 – BVerfGE 133, 168 – 241, Rn. 66).
Bei der Auslegung des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WeinV geben die zugrundeliegenden Gesetzesmaterialien entscheidende Hinweise für eine den Wortlaut einschränkende Auslegung, die eine Nennung nur des Lagenamens erlaubt, soweit an anderer Stelle dem Lagenamen die Ortsbezeichnung hinzugefügt worden ist. § 39 WeinV ist am 1. September 1995 in Kraft getreten. Aufgrund des Weingesetzes vom 8. Juli 1994 wurde die Weinverordnung 1995 völlig neu gefasst. Teilweise wurden Vorschriften der Weinverordnung 1971 übernommen, geändert und ergänzt. Außerdem wurden in der Neufassung der Weinverordnung Regelungen aus dem Weingesetz 1982 übernommen, um eine schnellere Anpassung an Änderungen der Weinmarktordnung sowie an veränderte Markterfordernisse zu ermöglichen (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 401 Rn. 4).
Im Verordnungsentwurf des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 17. Februar 1995 (BR-Drs. 112/95 S. 30) hatte § 39 Abs. 1 Satz 1 WeinV noch folgende Fassung:
(1) Wird zur Bezeichnung eines Qualitätsweines b.A. der Name
1. eines Bereichs verwendet, ist diesem, soweit er mit einer sonstigen geographischen Bezeichnung identisch oder verwechselbar ist, die Angabe „Bereich“,
2. einer Lage verwendet, ist diesem der Name der Gemeinde oder des Ortsteils
in Schriftzeichen gleicher Art, Größe und Farbe voranzustellen…
Im ursprünglichen Verordnungsentwurf war also festgelegt, dass sowohl dem Bereich als auch der Lage der Name der Gemeinde oder des Ortsteils in gleicher Art, Größe und Farbe vorangestellt werden musste. Zwar ging der Verordnungsentwurf davon aus, dass § 39 Abs. 1 Satz 1 WeinV dem § 10 Abs. 4 Satz 2 erster Halbsatz und Abs. 11 Satz 1 des Weingesetzes (1982) entsprach. Der Bundesrat hat in seinem Beschluss vom 31. März 2015 (BR-Drs. 112/95 Beschluss S.13) aber darauf hingewiesen, dass die vorgeschlagene Fassung, bei Verwendung des Namens einer Lage diesem der Name der Gemeinde oder des Ortsteils in Schriftzeichen gleicher Art, Größe und Farbe voranzustellen sei, gegenüber bisher geltendem Recht eine nicht gerechtfertigte Verschärfung bedeute. Hierdurch würden die den Wein vermarktenden Betriebe in unnötiger Weise belastet. Es sollte daher bei der bisherigen Rechtslage bleiben. Mit diesem Hinweis wurde die noch heute geltende Fassung des § 39 Abs. 1 Nr. 2 WeinV beschlossen. In § 10 Abs. 11 Satz 2 WeinG (1982) war nämlich lediglich geregelt, dass bei der Wahl eines Lagenamens außerdem die Gemeinde oder der Ortsteil anzugeben ist. Damit zeigt sich, dass der Gesetzgeber eine immerwährende, stete Verbindung von Lagenamen und Namen der Gemeinde oder des Ortsteils nicht gewollt hat. Deswegen ist der vom Kläger gewählte Weg, auf dem Frontetikett nur den Lagenamen zu verwenden und auf dem Rückenetikett, den Lagenamen unter Hinzufügung des Namens der Gemeinde im Hinblick auf die gesetzliche Regelung des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WeinV nicht zu beanstanden.
Zu prüfen bleibt aber, ob die Gefahr besteht, dass der Verbraucher irregeführt wird. Hierbei hat das Verwaltungsgericht die Anforderungen, die durch das Irreführungsverbot an die Kennzeichnung für das Produkt des Klägers gestellt werden, überspannt. Für den Begriff der Irreführung kommt es auf dessen unionsrechtliche Bedeutung an; § 25 WeinG ist demgegenüber nicht anwendbar. Die unionsrechtliche Regelung ist durch europäisches Verordnungsrecht getroffen, das unmittelbar gilt; sie ist abschließend und lässt damit keinen Raum für nationale Regelungen (vgl. § 1 Abs. 1 WeinG). Nach dem Unions- bzw. Gemeinschaftsrecht aber ist für die Frage der Irreführung darauf abzustellen, wie ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher die fragliche Angabe wahrscheinlich auffassen wird (EuGH, Urteile v. 16.7.1998 – Rs. C-210/96, Gut Springenheide und Tusky – Slg. I-4657, 4681 Rn. 31 und vom 28.1.1999 – Rs. C-303/97, Sektkellerei Kessler – Slg. I-513, 532 Rn. 38; vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 25.10.2007 Rn. 57). Es kommt also darauf an, wie ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher die fragliche Angabe wahrscheinlich auffassen wird. Damit ist weder auf den flüchtigen Verbraucher noch umgekehrt auf den Weinkenner oder den mit weinrechtlichen Fragen befassten Beamten einer Behörde abzustellen (BVerwG, U.v. 18.6.2008 – 3 C 5.08 -, GewArch 2008, 501 und juris Rn. 32; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 22.10.2008 – 8 A 10809/08.OVG – DVBl. 2009, 1587 und juris Rn. 23). Entscheidend ist vielmehr der gelegentliche Weinkäufer, der gewisse Elementarkenntnisse über Weinsorten und Weinlagen wie überhaupt über den Weinbau hat (Zipfel, Lebensmittelrecht, § 25 WeinG Rn. 16). Maßgeblich für die Irreführungsgefahr ist damit die Verkehrsauffassung. Diese kann vom Gericht in eigener Sachkunde beurteilt werden, wenn es sich um einen Begriff handelt, dessen Verständnis in einem bestimmten Sinn einfach und naheliegend ist, die Richter selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören und sich die Angabe auf Gegenstände des allgemeinen Bedarfs bezieht (BGH, U.v. 10.8.2000 – I ZR 126/98 – NJW-RR 2000, 1640 und juris, Rn. 29; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 11.9.2013 – 8 A 10219/13.OVG – LKRZ 2013, 524 sowie DÖV 2014, 45). Diese Voraussetzungen sind im Falle des erkennenden Senats erfüllt.
Bei der Beantwortung der Frage der Irreführung des Verbrauchers muss hinsichtlich der Etikettierung die gesamte Etikettierung, also Vorderseiten- und Rückseitenetikett in den Blick genommen werden. Die gesamte Etikettierung soll nämlich vor allem der Unterrichtung und dem Schutz der Verbraucher dienen, sie soll Auskunft über die genaue Art und die Merkmale der Erzeugnisse geben und es so dem Verbraucher ermöglichen, sachkundig seine Wahl zu treffen. Der Käufer soll über korrekte, neutrale und objektive Informationen verfügen, durch die er nicht irregeführt wird. Von ihm kann erwartet werden, dass er das Schauetikett nicht isoliert betrachtet, sondern auch das Rückenetikett in Augenschein nimmt (VG Trier, U.v. 9.3.2016 – 5 K 3540/15.TR – juris). Ein durchschnittlich informierter Verbraucher, der an zusätzlichen Informationen interessiert ist, weiß, dass er auf dem Rückenetikett zusätzliche Informationen findet (BGH, U. v. 19.9.2001 – I ZR 54/96 – juris Rn. 38; OLG Nürnberg, U.v. 7.2.2017 – 3 U 1537/16 – juris Rn. 24). Macht er hiervon Gebrauch, findet er bei der vom Kläger gewünschten Etikettierung ohne weiteres die nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WeinV gebotene Weinbezeichnung. Gerade bei geographischen Herkunftsangaben kann der Verkehr einen Lagenamen auch ohne Ortsangabe als eine ihm geläufige Lagebezeichnung identifizieren oder aus anderen Gründen ohne unmittelbaren örtlichen Bezug als geographischen Herkunftshinweis auffassen (BGH, U.v. 10.8.2000 – I ZR 126/98 – juris Rn. 38). Es mag zwar auch sein, dass im Einzelfall durch die Nennung der Lage unter dem Hinweglassen der Ortsbezeichnung auf dem Vorderetikett eine Täuschung des Verbrauchers hinsichtlich der genauen Herkunft des Weines entstehen kann. Dies ist aber eine Frage des Einzelfalles und von den besonderen örtlichen Verhältnissen und der Gestaltung der Etikettierung im Einzelfall abhängig. Im Falle des streitgegenständlichen Weins des Klägers ist jedenfalls keine Täuschung des Verbrauchers zu besorgen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.
Die Revision wird zugelassen, weil die Frage, ob dem Lagenamen nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WeinV der Name der Gemeinde oder des Ortsteils stets hinzuzufügen ist grundsätzliche Bedeutung besitzt (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).