Europarecht

Information des ersuchten Mitgliedstaats über die geplante Überstellung

Aktenzeichen  RN 5 E 17.51915

Datum:
11.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5 u. 7 S. 1
VwGO VwGO § 123 Abs. 1
AsylG AsylG § 29 Abs. 1, § 76 Abs. 4 S. 1
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 17 Abs. 1

 

Leitsatz

Eine wirksame Unterrichtung des ersuchten Mitgliedstaates darüber, dass die Überstellung nicht innerhalb der üblichen Frist von sechs Monaten vorgenommen werden kann, setzt nicht voraus, dass darin ein Datum genannt wird, bis zu dem die Überstellung spätestens erfolgt, auch wenn das Formblatt ein solches Feld vorsieht (entgegen VG Gelsenkirchen, Urteil vom 08. Februar 2017 – 1a K 8643/16.A –, Rn. 26ff., juris). (Rn. 21)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Schutz vor einer Überstellung nach Italien am 12.9.2017.
Der Antragsteller aus Sierra-Leone hatte in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Aufgrund eines Abgleichs der Fingerabdrücke lagen beim Bundesamt Erkenntnisse vor, aufgrund derer sich die Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31 ff – im Folgenden: Dublin-III-VO) ergab. Deshalb richtete das Bundesamt am 6.12.2016 ein Übernahmeersuchen an die italienischen Behörden. Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 9.1.2016 (Az. …-232), an die Bevollmächtigten des Antragstellers versandt am 31.1.2017, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2) und ordnete die Abschiebung des Antragstellers nach Italien an (Ziffer 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). Der Asylantrag sei gemäß § 29 Abs. 1 AsylG unzulässig, da Italien gemäß Art. 18 Abs. 1 b) Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, welche die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Nach den Erkenntnissen des Bundesamts würden in Italien keine „systemischen Mängel“ des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vorliegen, weshalb eine Überstellung nach Italien möglich sei.
Am 2.2.2017 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid erheben, die unter dem Az. RN 5 K 17.50099 geführt wird. Zugleich ließ er um Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO nachsuchen (RN 5 S. 17.50098). Dieser Antrag wurde abgelehnt mit Beschluss vom 21.2.2017, der Vertreterin des Antragstellers am 23.2.2017, der Antragsgegnerin am 24.2.2017 zugestellt.
Mit Fax vom 07.09.2017, am selben Tag bei Gericht eingegangen, ersucht die Vertreterin des Antragstellers um einstweiligen Rechtschutz gegen eine für den 12.9.2017 geplante Überstellung des Antragstellers nach Italien.
Zur Begründung des gegenständlichen Eilantrags wird im Wesentlichen ausgeführt, die Überstellungsfrist sei am 22.8.2017 abgelaufen, ohne dass die Überstellung erfolgt sei. Damit sei nun Deutschland für die Asylantragsbearbeitung zuständig, die Überstellung müsse unterbleiben. Ab 22.7.2017 sei der Antragsteller nach eigenen Angaben für ca. 4 Wochen in Abschiebehaft gewesen.
Der Antragsteller beantragt daher,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, den streitgegenständlichen Bescheid aufzuheben und die zuständige Ausländerbehörde – Regierung von Niederbayern – zu verpflichten, die für den 12.9.2017 geplante Abschiebung des Klägers auszusetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Sie legt Unterlagen aus ihren Akten vor. Unter dem 8.6.2017 wurde durch Kreuze auf einem Formblatt dem Ministero dell’Interno – Unità Dublino – in Rom, Italien auf Deutsch und Englisch mitgeteilt: „Eine Überstellung ist derzeit nicht möglich, weil: flüchtig.“ Das Datumsfeld in der eingerückt unter der weiteren Option „inhaftiert“ stehenden Eintragung „Die Überstellung erfolgt bis spätestens … gem. Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO.“ blieb leer. Unter dem 9.6.2017 erfolgte eine Mitteilung des Bundesamts an die Ausländerbehörde im Wesentlichen folgenden Inhalts: eine Überstellung sei derzeit nicht möglich, der Aufenthaltsort sei nicht bekannt, es sollen die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet werden, die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung ende nunmehr am 21.08.2018. In einer E-Mail vom 08.09.2017 teilte die Ausländerbehörde dem Bundesamt die Aufenthalte des Antragstellers wie folgt zusammenfassen mit: 3.4.2017 bis 19.7.2017: unbekannt, 20.7.2017 bis 17.8.2017: JVA …, 17.8.2017 bis 21.8.2017: unbekannt, seit 21.8.2017 …, W.
Mit Fax vom 10.9.2017, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, reagierte die Vertreterin des Antragstellers auf ihr gewährtes rechtliches Gehör zu obigem Sachverhalt wie folgt: in dem Schreiben vom 8.6.2017 sei kein konkreter Zeitpunkt benannt, es sei noch nicht klar, aus welchen Gründen davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller untergetaucht sei und wann dieses Untertauchen festgestellt worden sei. Außerdem sei die Abschiebehaft ja von einem Gericht aufgehoben worden. Es sei nachzuvollziehen, ob die Verlängerung der Überstellungsfrist rechtens gewesen sei.
Am 11.9.2017 teilte die Ausländerbehörde dem Gericht mit, dass der Antragsteller schon am 21.11.2016 der Gemeinschaftsunterkunft …, W. zugewiesen worden sei, vom 3.4.2017 bis 19.7.2017 sei der Antragsteller unbekannten Aufenthalts gewesen. Daher hatte die Ausländerbehörde am 3.4.2017 einen bereits gestellten Antrag auf Luftabschiebung stornieren müssen. Diese handschriftliche Stornierung mit dem Vermerk „untergetaucht seit 3.4.2017“ gab die Ausländerbehörde zusammen mit einer Mitteilung des Landratsamts F. vom 1.6.2017 zur Gerichtsakte. Diese Mitteilung hatte den Inhalt, dass laut Auskunft des Heimleiters der Gemeinschaftsunterkunft W. der Antragsteller seit dem 3.4.2017 untergetaucht sei. Telefonisch ergänzte eine Vertreterin der Ausländerbehörde, dass der Antragsteller sicher untergetaucht war, zur Festnahme ausgeschrieben worden war, die Polizei ihn dann aufgriff und er in Abschiebehaft saß. Diese Abschiebehaft sei wohl versehentlich nicht mit der im Dublin-Verfahren nötigen Begrenzung auf sechs Wochen beantragt worden, so dass deshalb ein Gericht die Haft wieder aufhob.
Zur Vervollständigung der Sachverhaltsdarstellung wird auf die Inhalte der Gerichtsakten in den Verfahren RN 5 S. 17.50098, RN 5 K 17.50099 und RN 5 E 17.51915 sowie auf die von der Antragsgegnerin vorgelegte Bundesamtsakte …-272 Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO, über den gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter zu entscheiden hat, hat keinen Erfolg. Selbst wenn aufgrund der bevorstehenden Überstellung Dringlichkeit und damit ein Anordnungsgrund gegeben sein sollte, besteht kein Anordnungsanspruch, da die Überstellungsfrist wirksam bis 21.08.2018 verlängert ist.
1. Auf Grundlage der dem Gericht vorliegenden Unterlagen ist das Vorliegen eines Anordnungsanspruches nicht glaubhaft (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO). Mit der nötigen Gewissheit war der Antragsteller in der Zeit vom 3.4.2017 bis 19.7.2017 flüchtig im Sinne von Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO, was eine Fristverlängerung rechtfertigte.
a. Grundsätzlich beträgt die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO 6 Monate „nach der Annahme des Aufnahme – oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat“. Das BVerwG führt zur Fristberechnung aus (BVerwG vom 27.4.2016, 1 C 22.15, Rn. 20f. – Hervorhebungen im hiesigen Verfahren):
„Daraus folgt, dass die Überstellungsfrist grundsätzlich mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch den anderen Mitgliedstaat anläuft. Die zweite Variante greift erst dann, wenn eine Überstellungsentscheidung erlassen wurde und wegen eines in Umsetzung der Vorgaben des Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO eingelegten Rechtsbehelfs nicht vollzogen werden kann. Dies ist nach nationalem Recht der Fall, wenn der Antragsteller bei dem Verwaltungsgericht Klage gegen die Abschiebungsanordnung erhoben und innerhalb der Frist von einer Woche gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt hat. Denn nach § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG ist eine Abschiebung bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag unabhängig vom Verfahrensausgang kraft Gesetzes nicht zulässig. Diese Regelung dient der Umsetzung des Art. 27 Abs. 3 Buchst. c Dublin III-VO. Danach sorgen die Mitgliedstaaten unter anderem dadurch für einen wirksamen Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat, bei einem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung zu beantragen, und die Überstellung ausgesetzt wird, bis die Entscheidung über den ersten Antrag auf Aussetzung ergangen ist.
Der Übergang von der ersten auf die zweite Variante des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO setzt allerdings voraus, dass die mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs angelaufene Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen war. Denn es versteht sich von selbst, dass die an den Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO geknüpften Rechtsfolgen durch ein Ereignis, das eine neue Überstellungsfrist in Lauf setzt, nicht rückgängig gemacht werden können. Zugleich ergibt sich aus Sinn und Zweck der in die zweite Variante aufgenommenen Beschränkung auf einen Rechtsbehelf, der aufschiebende Wirkung hat, dass bei dieser Variante der Beginn der Überstellungsfrist nur so lange herausgeschoben wird, wie die Überstellungsentscheidung wegen eines Rechtsbehelfs nicht vollzogen werden darf. Das ist nach nationalem Recht indes nicht mehr der Fall, wenn das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt hat. Denn ab diesem Zeitpunkt sind die Behörden aus Rechtsgründen nicht länger an der Durchführung der Abschiebung gehindert.“
Weiterhin führt das BVerwG aus (BVerwG vom 26.05.2016, 1 C 15.15, Rn. 11 – Hervorhebungen im hiesigen Verfahren):
Das Berufungsgericht vernachlässigt bei seiner Berechnung der Frist, die grundsätzlich mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat beginnt, dass bei einem rechtzeitigen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes (§ 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG) eine Abschiebung bis zu der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht vollzogen werden darf und daher die sechsmonatige Überstellungsfrist auch dann erneut in Lauf gesetzt wird, wenn das Verwaltungsgericht diesen Antrag ablehnt (s.a. BVerwG, Beschluss vom 27. April 2016 – 1 C 22.15 – Rn. 18 ff.). Aus der – zu Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin II-VO ergangenen – Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass dem Mitgliedstaat in Fällen der Inanspruchnahme von Rechtsschutz stets die volle Überstellungsfrist zur Vorbereitung und Durchführung zur Verfügung stehen muss und die Frist für die Durchführung der Überstellung daher erst zu laufen beginnt, wenn grundsätzlich vereinbart und sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird und lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 [ECLI:ECLI:EU:C:2009:41], P. – Rn. 43 ff.). Dem unionsrechtlichen Begriff der „aufschiebenden Wirkung“ eines Rechtsbehelfs unterfällt mithin unabhängig von der terminologischen Einordnung nach nationalem Recht auch das allein durch die Antragstellung nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG bewirkte gesetzesunmittelbare Abschiebungsverbot (§ 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG). Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich klar, dass dem Mitgliedstaat stets eine zusammenhängende sechsmonatige Überstellungsfrist zuzubilligen ist, so dass die in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, nach der eine bloße Hemmung einer mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs in Lauf gesetzten Überstellungsfrist anzunehmen ist (so VGH Mannheim, Urteil vom 27. August 2014 – A 11 S 1285/14 – NVwZ 2015, 92), nicht dem Unionsrecht entspricht.
b. Am 6.12.2016 war ein Übernahmeersuchen gestellt worden, mangels Reaktion galt dieses ab 20.12.2016 als angenommen nach Art. 25 Abs. 1 Dublin-III-VO, da Eurodac-Daten zugrundelagen. Sie wäre am 20.6.2017 erstmals abgelaufen. Durch Klageerhebung und Antragstellung gem. § 80 Abs. 5 VwGO am 2.2.2017 begann die 6-Monats-Frist mit der Ablehnung des Antrags neu zu laufen. Je nachdem ob auf Entscheidungsdatum oder letzte Zustellung abzustellen ist – was hier offen bleiben kann – würde diese also am 21.8.2017 oder 24.8.2017 geendet haben.
c. Dadurch, dass der Antragsteller flüchtig war, wurde die Frist jedoch bis 21.8.2018 verlängert, wie der Mitteilung vom 09.06.2017 zu entnehmen ist. Die Voraussetzungen hierfür nach Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO und Art. 9 Abs. 2 DVO (VO(EG) 1560/2003) lagen auch vor:
d. Zur nötigen Überzeugung des Gerichts war der Antragsteller flüchtig. Ein Asylbewerber gilt als „flüchtig“ im Sinne von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO bei jeder Form eines unbekannten Aufenthalts, mit der er sich vorsätzlich und unentschuldigt seiner Abschiebung entzieht (BayVGH, B.v. 29.4.2016 – 11 ZB 16.50024, juris). Dieses subjektive Moment im Sinne eines dolus eventualis ergibt sich aus dem Wort „flüchtig“, das eben mehr voraussetzt als nur „abwesend“ oder “nicht erreichbar“, aber die Inkaufnahme einer vergeblichen Abschiebung genügen lässt. Ein Asylbewerber ist bereits dann „flüchtig“, wenn er sich seiner sonst möglichen Überstellung durch sein Nichtdasein bewusst entzieht. (Umfassend zur Flüchtigkeit: VG Ansbach, Beschluss vom 29. August 2017 – AN 14 E 17.50998 –, Rn. 31, juris) Unter Anwendung dieser Grundsätze war der Antragsteller flüchtig. Sein Aufenthalt war über ca. 2,5 Monate den Behörden unbekannt, obwohl er schon mehrere Monate zuvor einer Gemeinschaftsunterkunft zugewiesen war, dann aber vom Heimleiter dort nicht aufgefunden wurde. Für ein Behördenverschulden gibt es dabei keinen Anhaltspunkt. Vielmehr deutet die bereits eingeleitete Luftüberstellung darauf hin, dass sich der Antragsteller dieser entziehen wollte. Aus der Aufhebung der Abschiebehaft durch ein Gericht lässt sich auch kein Anhaltspunkt gegen die Flüchtigkeit gewinnen. Insbesondere wurde die Haft nicht wegen Fehlens der erheblichen Fluchtgefahr nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO aufgehoben, sondern es wurde schlüssig vorgetragen, dass die zeitlich nicht begrenzte Beantragung der Haft hierzu führte.
e. Auch hinsichtlich des Verfahrensablaufs sind keine Fehler ersichtlich. Eine Verlängerungsentscheidung der Antragsgegnerin (vgl. zur Notwendigkeit VG Ansbach, Beschluss vom 29. August 2017 – AN 14 E 17.50998 –, Rn. 28, juris) wurde am 09.06.2017 getroffen. Die Unterrichtung darüber, dass die übliche Frist nicht eingehalten wird, nach Art. 9 Abs. 2 DVO fand unter dem 08.06.2017 statt und damit deutlich vor dem 21. bzw. 24.8.2017, dem Ende der zu dieser Zeit laufenden „üblichen“ Frist, sogar vor dem 20.6.2017, an dem die erste „übliche“ Frist abgelaufen wäre ohne Einlegung der Rechtsbehelfe. Dass kein Datum eingetragen war, bis zu dem spätestens die Überstellung erfolgt, schadet nicht. Art. 9 Abs. 2 DVO formuliert „unterrichtet (…) darüber“ und bezieht sich damit auf „die Überstellung nicht innerhalb der üblichen Frist von sechs Monaten (…) vornehmen kann“ und gibt anders als Abs. 1a keine neu zu vereinbarenden Termine vor. Die Höchstfrist von 18 Monaten ergibt sich durch Angabe des Grundes bereits aus Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO. Zwar ist die Unerheblichkeit des Fehlens der Datumsangabe in der Rechtsprechung umstritten (ausführlich und mit weiteren Nachweisen die Gegenansicht vertretend VG Gelsenkirchen, Urteil vom 08. Februar 2017 – 1a K 8643/16.A –, Rn. 26ff., juris), die Behörden des ersuchten Mitgliedsstaates mögen so noch nicht alle für die praktische Durchführung nötigen Angaben haben (wobei zunächst ja keine Überstellung durchgeführt werden wird) und es ist dem erkennenden Gericht unverständlich, weshalb die schon einen Tag später berechnete Frist nicht auch in dieses Formular eingetragen wurde, wenn die Möglichkeit der Überstellung nach weit verbreiteter Ansicht daran hängt. Rechtlich erheblich ist dies zur Überzeugung des erkennenden Richters jedoch nicht. Im Wortlaut von Art. 9 Abs. 2 DVO findet sich hierauf kein Hinweis, auch nicht unter Heranziehung der weiteren Sprachfassungen („cannot carry out the transfer within the normal time limit of six months (…) shall inform“, „Il incombe à l’État membre qui ne peut procéder au transfert dans le délai normal de six mois d’informer l’État responsable avant l’expiration de ce délai.“ jeweils ohne Angaben zum Inhalt dieser Information), es besteht aktuell kein konkreter Abstimmungsbedarf und grobe Planungen sind dem ersuchten Mitgliedsstaat auch durch Zugrundelegung der Höchstfristen möglich. Die Forderung nach weiteren Inhalten dieser Information scheint damit dem Streben nach einem zweckmäßigen Verfahrensablauf zu entspringen, rechtlich vorgeschrieben und bei Fehlen einen Verfahrensfehler begründet erscheint sie dem erkennenden Gericht nicht.
2. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.
Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

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