Europarecht

Kein rückwirkendes Eingreifen des Verwaltungsgerichts in endgültig abgeschlossenes und gerichtlich kontrolliertes Aufnahmeverfahren nach der Dublin III-Verordnung

Aktenzeichen  AN 17 E 20.50376

Datum:
22.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40007
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, Abs. 7 S. 2, § 88, § 123
AsylG  § 77 Abs. 1 S. 1
VO (EU) Nr. 604/2013 Art. 8 Abs. 2, Art. 17 Abs. 2

 

Leitsatz

1. § 77 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 AsylG verleiht dem Verwaltungsgericht nicht die Kompetenz, jenseits eines bereits abgeschlossenen und gerichtlich kontrollierten Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens nach Art. 20 ff. Dublin III-VO ein neues Zuständigkeitsbestimmungsverfahren zu eröffnen und durch die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Übernahme eines Antragstellers abzuschließen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die einem Asylantragsteller zustehende Rechtsschutzmöglichkeit geht nicht so weit, dass er von einem EU-Mitgliedstaat (hier: Griechenland) aus mittels eines verwaltungsgerichtlichen Eilantrags ein Verfahren beim potentiell zuständigen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) ohne Beteiligung des abgebenden Staates eröffnen kann. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der minderjährige Antragsteller begehrt von Griechenland aus den Nachzug zu seinem in Deutschland lebenden und über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügenden Onkel väterlicherseits bzw. die Durchführung seines Asylverfahrens in Deutschland aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO).
Der Antragsteller ist eigenen Angaben nach am … 2005 in …, Afghanistan, geboren und afghanischer Staatsbürger. Am 14. März 2019 stellte er nach seiner Einreise nach Griechenland in … über seine gesetzliche Vertreterin einen Asylantrag. Derzeit, seit dem 12. Juni 2020, ist er in einer Unterkunft des griechischen … für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in … untergebracht und erhält 30 Euro pro Monat als wirtschaftliche Unterstützung. Seiner Aussage nach leben Vater, Mutter und drei Geschwister noch in Afghanistan. Ein weiterer Bruder im Alter von 19 Jahren lebt seit dem Jahr 2015 in Deutschland. Zudem lebt eine Tante des Antragstellers seit 30 Jahren in Deutschland, momentan in einem … Vorort.
Sein Onkel väterlicherseits, … … …, geboren am …1965, zu dem der Zuzug begehrt wird, ist deutscher Staatsbürger und lebt in … zusammen mit seiner Ehefrau und vier Kindern. Der Onkel ist nach Angaben des Antragstellers seit 1997 in Deutschland und übt derzeit eine geringfügige Beschäftigung aus, dessen Ehefrau arbeitet als Haushaltshilfe mit einem Einkommen von etwa 1.300 Euro pro Monat.
Der Antragsteller wurde am 11. April 2019 im Rahmen des „Best Interests Asssessment“ im Auftrag des griechischen Migrationsministeriums durch die Nichtregierungsorganisation „ARSIS – Association for the social support of youth“ zur Bestimmung der Zuständigkeit für die Prüfung seines Asylbegehrens nach der Dublin III-VO befragt und gab dort an, dass er mit dem in Deutschland lebenden Onkel väterlicherseits etwa zwei bis dreimal pro Woche telefoniere und manchmal auch mit dessen Kindern über Social Media kommuniziere. Der letzte Besuch des Onkels beim Antragsteller und seiner Familie in Afghanistan sei etwa drei Jahre her. Der Onkel sei für ihn wie ein zweiter Vater, wenn er ihm am Telefon Ratschläge gebe. Sein Vater habe ihm zudem bei seiner Ausreise aus Afghanistan gesagt, er solle zum Onkel gehen; dies sei momentan sein einziges Ziel.
Am 5. Juni 2019 ersuchte Griechenland die Bundesrepublik Deutschland, die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages des Antragstellers nach Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO zu übernehmen. Das Gesuch enthielt neben dem entsprechend ausgefüllten Formblatt u.a. eine Abschrift des Anhörungsbogens des „Best Interests Assessment“ vom 11. April 2019, in dem wiederum eine Aufstellung über die verwandtschaftlichen Beziehungen des Antragstellers enthalten war, die Herrn … … … als Onkel väterlicherseits und dessen fünf Kinder (namentlich …, …, …, …, …*) als Cousins des Antragstellers aufführte. Weiterhin wurden Kopien des Reisepasses und des Personalausweises des Herrn … … … übersandt sowie eine Erklärung des Antragstellers vom 14. März 2019, dass dieser sich mit einer Prüfung seines Asylantrages durch die Bundesrepublik Deutschland einverstanden erkläre und seinen Wunsch äußerte mit dem in Deutschland lebenden Onkel väterlicherseits, … … …, zusammengeführt zu werden und eine Erklärung des Herrn … … …, dass dieser mit einer Zusammenführung mit seinem Neffen, dem Antragsteller, in Deutschland einverstanden sei. Schließlich enthielt das Übernahmegesuch ein Attest vom 21. März 2019 im Original und englischer Übersetzung des „Associate Professor of Cardiology“ … des „…“, in dem dem Antragsteller eine „distention of the right heart cavities on atrial connection“ diagnostiziert wurde, die weiterer Untersuchung bedürfe.
Die Bundesrepublik Deutschland lehnte dieses Aufnahmegesuch der griechischen Behörden mit Schreiben vom 2. Juli 2019 mit der Begründung ab, dass die verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Antragsteller und seinem in Deutschland lebenden vermeintlichen Onkel nicht durch Dokumente nachgewiesen sei. Im Übrigen sei die Dublin III-VO nicht anwendbar, wenn die Person, zu der zugezogen werden soll, deutscher Staatsbürger ist. Am 23. Juli 2019 remonstrierten die griechischen Behörden gegen die ablehnende Entscheidung Deutschlands und teilten mit, dass ein DNA-Test zum Nachweis der Abstammung in Auftrag gegeben worden sei und die Resultate sobald als möglich zur Verfügung gestellt würden. Im Übrigen sei die Anwendung des Art. 8 Dublin III-VO unbestritten nicht ausgeschlossen, nur weil der Onkel des Antragstellers deutscher Staatsbürger ist. Auf diese Remonstration hin erfolgte zunächst keine Antwort Deutschlands. Mit weiterem Schreiben vom 15. November 2019 übersandten die griechischen Behörden das Ergebnis des DNA-Tests vom 4. November 2019, welches eine die verwandtschaftliche Beziehung des Antragstellers zu seinem in Deutschland lebenden Onkel väterlicherseits bestätigte („Due to the above it can be considered with certainty that … … … is paternal uncle of … …“). Der DNA-Test wurde am 23. Juli 2019 durch die griechische Asylbehörde in Auftrag gegeben, am 29. Juli 2019 gab der Antragsteller im griechischen Labor (Forensic Service of Athens, Laboratory of DNA Analysis) eine DNA-Probe ab. Ebenfalls am 29. Juli 2019 gab der Onkel des Antragstellers eine DNA-Probe im Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums … ab, deren Auswertung das griechische Labor am 6. September 2019 erreichte. Auf die Übersendung des DNA-Tests vom 15. November 2019 durch Griechenland hin lehnte die Bundesrepublik mit Schreiben vom 21. November 2019 die Zuständigkeitsübernahme für den Antragsteller erneut und endgültig ab und führte aus, dass Griechenland das Ergebnis des DNA-Tests außerhalb jeder Frist der Dublin III-VO zur Verfügung gestellt habe.
Nachdem das Bundesamt mit E-Mails vom 13. März 2020 durch eine weitere Rechtsanwältin der Kanzlei des Antragstellerbevollmächtigten gebeten wurde, trotz der Ablehnung gegenüber den griechischen Behörden die Zuständigkeit für das Asylverfahren des Antragstellers zu erklären und hierauf keine Reaktion erfolgte, stellte der Antragsteller durch am 25. März 2020 beim Verwaltungsgericht … eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten einen Antrag nach § 123 VwGO, der zunächst auch den Onkel des Antragstellers als weiteren Antragsteller (zu 1)) umfasste. Sie beantragten zunächst,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 123 VwGO zu verpflichten, die ergangene Ablehnung im Dublin-Aufnahmeersuchensverfahren vom 21.11.2019 zurückzunehmen/aufzuheben und sich für den Asylantrag des Antragstellers zu 2. als Familienangehöriger des Antragstellers zu 1. für zuständig zu erklären.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO für eine Zuständigkeitsübernahme hinsichtlich des Antragstellers zu 2) vorlägen. Mittlerweile liege auch der DNA-Test vor, der beweise, dass es sich um Onkel (väterlicherseits) und Neffe handele. Diesbezüglich sei zu berücksichtigen, dass ein solcher DNA-Abgleich nicht innerhalb der durch die Dublin III-VO vorgesehenen Fristen zu organisieren sei und überdies die zeitliche Verzögerung den griechischen Behörden anzulasten sei. Im Übrigen sei der in Deutschland lebende Onkel des Antragstellers nach seinen persönlichen und finanziellen Verhältnissen bestens geeignet für dessen Wohl zu sorgen. Seine Ehefrau arbeite in Vollzeit und er in Teilzeit, weswegen einerseits eine stabile finanzielle Situation gegeben sei und andererseits der Onkel aufgrund seiner Teilzeitbeschäftigung die Zeit habe sich um den Antragsteller zu kümmern und ihn mit dessen Herzkrankheit zu unterstützen. Beide hätten bereits eigene Kinder großgezogen und könnten daher ein liebesvolles soziales Umfeld bieten. Ausreichend Wohnraum stehe zur Verfügung. Zudem handele es sich um einen minderjährigen unbegleiteten Flüchtling, der erheblich erkrankt und damit erhöht schutzbedürftig sei. Das ergebe sich aus dem beigefügten Attest des „…“ vom 20. Dezember 2019, in dem dem Antragsteller eine „congenital heart disease, secondary atrial communication and coexisting dilation of the right heart cavities” diagnostiziert werde. Die zur Behandlung erforderliche Operation werde darin als nicht unmittelbar eilig erachtet und könne in der näheren Zukunft vorgenommen werden. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich aus dem Gesundheitszustand des Antragstellers zu 2) und der aktuellen Lage in Griechenland sowie der Corona-Pandemie.
Die Antragsgegnerin beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führte sie aus, dass nicht alle erforderlichen Beweise innerhalb der vorgegebenen Frist eingereicht worden seien und deshalb die Bundesrepublik Deutschland nicht zuständig sei. Insbesondere hätte Griechenland einen DNA-Test schon ab dem 14. März 2019 veranlassen können, nachdem der Antragsteller an diesem Tag ein erstes Asylgesuch in Griechenland geäußert habe. Nach Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO sei bei der Bestimmung des nach Art. 7 bis Art. 15 Dublin III-VO zuständigen Mitgliedstaats von der Situation auszugehen, die im Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung auf internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat gegeben sei. Die Fristen nach der Dublin III-VO seien zur eindeutigen Zuständigkeitsbestimmung einzuhalten. Darüber hinaus scheide auch ein Anspruch auf Zuständigkeitsübernahme aus Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO aus. Hierfür sei die Bundesrepublik Deutschland bereits die falsche Antragsgegnerin, der Antragsteller müsse sich an Griechenland wenden, da nach Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO Griechenland ein Übernahmeersuchen stellen müsse. Davon abgesehen liege bereits keine Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen von Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO vor. Anders als bei Art. 16 Dublin III-VO beinhalte der weiter gefasste Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO kein intendiertes Ermessen, sondern biete mit dem Begriff der humanitären Gründe Raum zur Auslegung. Wenn nun schon bei Art. 16 Dublin III-VO die Trennung eines minderjährigen Kindes von seinen Eltern allein kein ausreichender Grund für eine Zusammenführung sei, sei kein Grund ersichtlich, warum im Rahmen von Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO das Vorliegen verwandtschaftlicher Beziehungen und die Bejahung humanitärer Gründe zu einer Ermessensreduzierung auf Null führen sollten. Auch aus den Erwägungsgründen 13 bis 17 der Dublin III-VO folge nicht, dass den Belangen Kindeswohl, Achtung des Familienlebens und Familieneinheit im Konfliktfall über den Wortlaut der Verordnung hinaus stets Vorrang einzuräumen wäre. Schließlich bestünden auch andere Möglichkeiten zur Familienzusammenführung, etwa nach Flüchtlingsanerkennung des Antragstellers in Griechenland durch das Freizügigkeitsrecht. Abschließend handele es sich bei dem vorliegenden Antrag um eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache.
Mit Schriftsatz vom 7. Juli 2020 nahm der Antragstellerbevollmächtigte den Antrag für den Antragsteller zu 1) (Onkel) zurück. Mit Beschluss vom 10. Juli 2020 (7 AE 1463/20) erklärte sich das Verwaltungsgericht … für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach (Az. hier AN 17 E 20.50269).
Das Verwaltungsgericht Ansbach – Einzelrichter – lehnte mit Beschluss vom 17. August 2020 (AN 17 E 20.50269 – juris) den Erlass einer einstweiligen Anordnung unanfechtbar ab, da weder die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO noch die des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO glaubhaft gemacht gewesen seien.
Zu Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO führte der Einzelrichter im Wesentlichen aus, dass es an der Glaubhaftmachung der tatbestandlichen Voraussetzung des „Sorgen Könnens“ gemäß Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO fehle. Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO verlange eine Einzelfallprüfung und die Fähigkeit zur Sorge müsse positiv bejaht werden (OVG Bremen, B.v. 7.10.2019 – 1 LA 213/19 – juris Rn. 15; Vogt/Méndez de Vigo, JAmt 2019, 122, 125: keine Regelvermutung). Der Begriff des „Sorgens“ gemäß Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO sei in der Verordnung nicht näher definiert, jedenfalls sei davon die Personensorge im Sinne des § 1631 Abs. 1 BGB umfasst, also die Pflicht (und das Recht), das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen (Thomann in Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 5. Ed. 1.7.2020, Art. 8 Dublin III-VO Rn. 17) . Mit „Pflege“ seien auch die Unterbringung, die Verpflegung, Bekleidung und die Gesundheitssorge gemeint (Veit in Hau/Poseck, BeckOK BGB, 54. Ed. 1.11.2019, § 1631 Rn. 3). Hinsichtlich des Aspektes der Unterbringung sei das Vorhandensein von Wohnraum glaubhaft zu machen, der wenigstens bestimmten Mindestanforderungen genüge; es dürfe insbesondere nicht zu einer sozialunverträglichen Überbelegung von Wohnraum kommen (VG Freiburg, B.v. 5.2.2020 – A 13 K 4642/19 – juris Rn. 29). Hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des aufnehmenden Verwandten, die zumindest für die Dauer des Asylverfahrens gegeben sein müsse, sei zu beachten, dass Ansprüche des Minderjährigen auf Sozialleistungen zu berücksichtigen seien (VG Freiburg, B.v. 5.2.2020 – A 13 K 4642/19 – juris Rn. 29; Thomann in Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 5. Ed. 1.7.2020, Art. 8 Dublin III-VO Rn. 17).
Es fehle an einer Glaubhaftmachung des ausreichenden Vorhandenseins von Wohnraum. Zwar sei glaubhaft vorgetragen, dass der Onkel des Antragstellers mit seiner Frau und vier weiteren Kindern im Alter von 19, 17 und zwei Mal 9 Jahren in einer Wohnung in der Straße … …, … …, lebe. Allerdings werde nur pauschal behauptet, dass der Onkel über ausreichend Wohnraum zur Aufnahme des Antragstellers bei sich verfüge, was angesichts von – den Antragsteller mitgerechnet – dann sieben Bewohnern einer Wohnung einer konkreteren Darlegung bedurft hätte (s. etwa VG Bremen, B.v. 7.2.2020 – 5 V 2557/19 – juris Rn. 36, wo die Antragstellerin, zu der zugezogen werden sollte, vorgetragen hat, dass sie dem zuziehenden weiteren Antragsteller ein Zimmer in ihrer Wohnung zur Verfügung stellen würde), die der Antragsteller jedoch trotz gerichtlicher Aufforderung (vom 17.7.2020 und vom 30.7.2020) näher zur Fähigkeit des Onkels für ihn im Sinne des Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO zu sorgen vorzutragen, nicht beigebracht habe. Dem neben der pauschalen Behauptung ausreichenden Wohnraumes angebotenen Beweis des Zeugnisses des Onkels des Antragstellers sei im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht nachzugehen gewesen. Zwar gelte auch im einstweiligen Rechtsschutz der Amtsermittlungsgrundsatz und sei eine Beweiserhebung grundsätzlich, soweit es die Eilbedürftigkeit zulasse, zulässig, gleichwohl stehe es im Ermessen des Gerichts, ob und welche Beweismittel es erhebe (W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 123 Rn. 24, 32). Denn umgekehrt komme gerade im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes den Mitwirkungspflichten des Antragstellers eine besondere Bedeutung zu (BayVGH, B.v. 15.3.2001 – 10 ZE 01.320 – NVwZ-RR 2001, 477). Auch sei das Gericht im Eilverfahren grundsätzlich nicht zu weiteren Ermittlungen und Hinweisen verpflichtet, mit Blick auf die Eilbedürftigkeit ergehe die Entscheidung aufgrund der innerhalb angemessener Zeit verfügbaren präsenten Beweismittel und von glaubhaft gemachten Tatsachen (HessVGH, B.v. 18.9.2015 – 3 B 1518/15 – NVwZ 2016, 88 Rn. 3; Kuhla in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 54. Ed. 1.7.2020, § 123 Rn. 68). Mit Blick auf die angebotene Zeugenvernehmung werde dies durch die Regelungen der § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO, § 294 Abs. 2 ZPO gestützt, nach der eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen könne, unstatthaft sei, d.h. anders gewendet nur möglich wäre, wenn sowieso Termin zur mündlichen Verhandlung oder auch zu einem Augenschein bestimmt würde, weil dann keine weitere Verzögerung einträte (so auch Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 56; a.A. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 123 Rn. 96).
Da zum einen der Antrag nach § 123 VwGO bereits am 25. März 2020, also vor etwa viereinhalb Monaten, beim Verwaltungsgericht … eingegangen sei, sei jede weitere Verzögerung der Entscheidung, wie sie durch eine Zeugenvernehmung entstehen würde, zu vermeiden. Nicht zuletzt können durch den Antragsteller angeregte längere Ermittlungen die im Rahmen des Anordnungsgrundes behauptete Dringlichkeit widerlegen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 VwGO Rn. 56). Zum anderen werde dem Antragsteller durch die Ablehnung einer Zeugeneinvernahme nicht die Garantie wirksamen Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG sowie Art. 47 GRCh abgeschnitten. Denn er habe die Möglichkeit und angesichts der Anhängigkeit bereits seit 25. März 2020 auch ausreichend Zeit zur Glaubhaftmachung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO auch durch andere, dann präsente Beweismittel im Sinne des § 294 Abs. 1 ZPO gehabt, etwa durch die Beibringung einer Versicherung an Eides statt des Onkels des Antragstellers, der im Übrigen vor Rücknahme des diesbezüglichen Antrages der Antragsteller zu 1) war, zu dem also Kontakt bestanden haben dürfte, noch dazu sowohl der Antragstellerbevollmächtigte als auch der Onkel des Antragstellers in … lebten bzw. der Kanzleisitz dort sei. Auch wäre die Vorlage des Mietvertrages bezüglich oder von Fotos der Wohnung des Onkels denkbar gewesen, um die räumlich ausreichenden Verhältnisse zu belegen. Warte der Antragsteller mit der Glaubhaftmachung hingegen mehrere Monate zu, um dann – nach zweimaliger gerichtlicher Aufforderung – ein nicht präsentes Beweismittel anzubieten, sei es im Eilverfahren ermessensgerecht, dem Beweisangebot wegen der damit einhergehenden weiteren Verzögerung nicht nachzukommen.
Zu Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO führte der Einzelrichter im Wesentlichen aus, dass ein Anspruch auf Zuständigkeitsübernahme auch nicht aus Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO folge, weil das der Antragsgegnerin diesbezüglich zustehende Ermessen nicht auf Null reduziert sei. Der Antragsteller sei zum Zeitpunkt des Übernahmegesuchs Griechenlands an Deutschland am 5 Juni 2019 14 Jahre alt und heute 15 Jahre alt; da Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO sich außerhalb deren Kapitels III befindet, greift nicht die sogenannte Versteinerungsklausel des Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO mit dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der ersten Antragstellung auf internationalen Schutz (Hruschka/Maiani in Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Ed. 2016, Art. 7 Dublin III-VO Rn. 4). Zwar könne im Alter von 14 oder 15 Jahren davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller grundsätzlich noch auf die Fürsorge von Erwachsenen angewiesen sei. Hier wird allerdings der Nachzug zu einem seit mehr als 20 Jahren in Deutschland lebenden Onkel väterlicherseits begehrt, der die Familie des Antragstellers in Afghanistan zwar alle zwei bis drei Jahre besucht habe, mit dem aber nie eine Lebensgemeinschaft bestanden habe. Momentan bestehe der Kontakt über zwei bis dreimalige wöchentliche Telefonate und mit den Kindern des Onkels (Cousins des Antragstellers) gelegentlich über Social-Media-Kanäle. Das Verhältnis zwischen Antragsteller und Onkel möge also gut sein, bestehe aber – von den damaligen Besuchen in Afghanistan abgesehen – nur auf räumliche Distanz. Zudem sei gegen eine Ermessensreduzierung auf Null anzuführen, dass der Antragsteller seine Heimat Afghanistan alleine, ohne seine noch dort lebenden Eltern, verlassen habe und weiter eigenen Angaben nach in Istanbul einen nicht näher beschriebenen Cousin getroffen und dort sechs Monate als Schneider (wohl als Näher) in einer Fabrik gearbeitet habe, um dann wiederum alleine nach Griechenland weiterzureisen. Damit sei nicht mit der für eine Ermessensreduzierung auf Null nötigen Dringlichkeit dargelegt, dass der Antragsteller gerade auf den in Deutschland lebende Onkel väterlicherseits als Betreuungsperson angewiesen sei. Im Übrigen sei hinsichtlich der derzeitigen humanitären Situation des Antragstellers festzustellen, dass er, ausweislich der durch seinen Prozessbevollmächtigten zu den Akten gereichten Bestätigung des griechischen … … vom 28. Juli 2020, in einer Schutzeinrichtung für unbegleitete Minderjährige des … … in … untergebracht sei und zusätzlich zur Unterbringung 30 Euro pro Monat als wirtschaftliche Hilfe erhalte. Auch die durch ein ärztliches Attest vom 20. Dezember 2019 belegte Herzerkrankung vermöge den Ermessensspielraum der Antragsgegnerin im Rahmen des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO nicht auf Null zu verengen. Darin sei dem Antragsteller eine „congenital heart disease, secondary atrial communication and coexisting dilation of the right heart cavities” diagnostiziert und eine Behandlung durch eine „closure of atrial communication“ angeraten worden. Im selben Attest sei jedoch auch festgestellt worden, dass die empfohlene Operation nicht als dringend angesehen werde und in der nahen Zukunft geplant werden könne („This operation is not considered urgent and can be planned in the near future“). Da das „…“ und der behandelnde Arzt in der Lage gewesen seien, die genannte Krankheit zu diagnostizieren, sei auch davon auszugehen, dass diese in Griechenland behandelt werden könne, insbesondere, da es sich um ein Krankenhaus in der Hauptstadt … handele, welches als Universitätskrankenhaus bezeichnet sei („…“). Im Allgemeinen sei laut der zur medizinischen Versorgung in Griechenland vorliegenden Erkenntnismittel von einem kostenlosen Zugang zu notwendiger Gesundheits- und Krankenhausversorgung für (vulnerable) Asylbewerber auszugehen, wenn auch in der Praxis das öffentliche Gesundheitswesen angesichts von Sparmaßnahmen unter Druck steht und der Zugang eingeschränkt sein könne. Alle Einwohner des Landes und Asylbewerber hätten rechtlich Anspruch auf eine medizinische Notfallversorgung unabhängig vom Rechtsstatus, wobei Notfälle oder komplexere Fälle in Krankenhäuser überwiesen würden (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, letzter Stand 19.3.2020, S. 24 ff.). In einer Zusammenschau aller für die humanitären Gründe im Sinne des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO relevanten Umstände, insbesondere der bislang nicht gelebten Gemeinschaft von Antragsteller und in Deutschland lebendem Onkel, der geschützten Unterbringung des Antragstellers in einer Einrichtung des griechischen … … sowie des – zumindest nicht in einem für die Glaubhaftmachung erforderlichen Maß widerlegten – Zugangs zu medizinischer Versorgung in Griechenland, ergebe sich keine Ermessensreduzierung auf Null und damit kein Anspruch des Antragstellers gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Zuständigkeitsübernahme. Und selbst wenn man oben der Gegenansicht beitreten würde, dass für den (Verpflichtungs-)Anordnungsanspruch im Rahmen des § 123 VwGO keine Ermessensreduzierung auf Null erforderlich sei, so verlange diese für einen Anspruch auf ermessenfehlerfreie Neubescheidung im Rahmen einer Regelungsanordnung, dass die Neubescheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu der vom Antragsteller beantragten Verwaltungsmaßnahme führe (Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 38. EL Januar 2020, § 123 Rn. 161b). Auch das sei nach dem eben Ausgeführten nicht der Fall.
Mit Schriftsatz vom 25. November 2020 erhob der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage (AN 17 K 20.50377) und stellte erneut einen Antrag nach § 123 VwGO (AN 17 E 20.50376). Zur Begründung führt er über das Vorbringen im bereits abgeschlossenen Verfahren AN 17 E 20.50269 (s.o.) aus, dass sich die Sachlage hinsichtlich der Wohnsituation beim Onkel des Klägers und Antragstellers geändert habe. Der älteste Sohn des Onkels sei ausgezogen, somit würden im Falle einer Familienzusammenführung sechs Personen dort leben (Onkel, dessen Ehefrau, deren drei Kinder sowie der Kläger/Antragsteller). Bei einer 90 m² großen Wohnung mit vier Zimmern, davon drei Schlafzimmer, stehe ausreichend Wohnraum zur Verfügung. Davon abgesehen könne nicht nur das Kriterium des Wohnraums als Nachweis für die Sorgefähigkeit gemäß Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO dienen, auch die charakterlichen und sozialen Fähigkeiten der Verwandten seien zu berücksichtigen. Schließlich bestehe eine hohe Eilbedürftigkeit, weil der Antragsteller an einer chronischen und operationsbedürftigen Herzerkrankung leide. Die Aussage im bereits vorgelegten ärztlichen Attest der Universitätsklinik …, dass die Operation noch aufgeschoben werden könne, sei ein Jahr her und der Antragsteller nunmehr dringend auf eine Fortsetzung der Behandlung angewiesen. Zudem trete die Gefahr durch die Covid-19-Pandemie. Der Antragsteller sei ein Hochrisikopatient und in seinem Heim bestehe nicht die Möglichkeit ausreichend Abstand zu anderen Bewohnern einzuhalten, um das Risiko einer Erkrankung zu minimieren.
Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin nach § 123 Abs. 1 VwGO zu verpflichten, die ergangene Ablehnung im Dublin-Aufnahmeersuchensverfahren vom 21. November 2019 zurückzunehmen/aufzuheben und sich für den Asylantrag des Antragstellers für zuständig zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den Akteninhalt und teilt mit, dass sich der Antragsteller vor erneuter Antragstellung bei Gericht nicht an das Bundesamt gewandt habe und auch die griechischen Behörden dies nicht getan hätten.
Mit Beschluss vom 7. Dezember 2020 hat der Einzelrichter nach Anhörung der Beteiligten das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache nach § 76 Abs. 4 Satz 2 AsylG auf die Kammer übertragen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogene elektronische Akte des Antragstellers beim Bundesamt sowie die Gerichtsakten, auch die des bereits entschiedenen Verfahrens (AN 17 E 20.50269) verwiesen.
II.
1. Der Antrag nach § 123 VwGO ist nach § 88 VwGO als ein Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO analog auszulegen.
Wenn wie hier bereits ein ablehnender und wegen § 80 AsylG nicht mehr angreifbarer Beschluss im Eilrechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO vorliegt und der Antragsteller wegen veränderter Umstände einen abändernden bzw. neuen Beschluss begehrt, ist ihm zunächst der Weg über § 927 ZPO (Aufhebung des Arrests wegen veränderter Umstände) versperrt, da die Verweisungsnorm des § 123 Abs. 3 VwGO diesen nicht in Bezug nimmt und sich angesichts der enumerativen Aufzählung der entsprechend anzuwendenden Normen aus der ZPO eine analoge Anwendung des § 927 ZPO verbietet (Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 123 Rn. 176 m.w.N.). Analog auf Anträge nach § 123 VwGO anzuwenden ist nach überwiegender Ansicht aber § 80 Abs. 7 VwGO. Aufgrund der Fixierung des Gesetzgebers auf die entsprechende Anwendung von Vorschriften der ZPO im Rahmen des § 123 VwGO sowie der verfassungsrechtlich grundgelegten prozessualen Waffengleichheit liegt eine planwidrige Regelungslücke bei § 123 VwGO vor. Eine vergleichbare Interessenlage ist insofern gegeben, als dass die Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und § 123 VwGO wegen § 123 Abs. 5 VwGO zwar unterschiedlichen Begehren des Antragstellers – Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage oder eine Sicherungs- bzw. Regelungsanordnung – exklusiv zugeordnet sind, jedoch beide dem einstweiligen Rechtsschutz dienen und nicht einsichtig ist, wieso nur im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine Abänderungsmöglichkeit bei veränderter Sach- und/oder Rechtslage bestehen soll. Dazu tritt im Allgemeinen, dass die Zuordnung von Eilanträgen zu § 80 Abs. 5 VwGO oder § 123 VwGO nicht selten zweifelhaft ist und verfahrensrechtliche Zufälligkeiten nicht zu unterschiedlichen Rechtsschutzstandards bei aufschiebender Wirkung und einstweiliger Anordnung führen sollen (so auch BayVGH, B.v. 15.4.2019 – 10 CE 19.650 – BeckRS 2019, 6729 Rn. 17; OVG Koblenz, B.v. 1.7.2015 – 2 B 10498/15.OVG – BeckRS 2015, 48109 Rn. 2; OVG Hamburg, B.v. 24.2.2009 – 3 Nc 258/08 – NVwZ-RR 2009, 543, 543 f.; VGH BW, B.v. 6.12.2001 – 13 S 1824/01 – NVwZ-RR 2002, 908, 909; Kuhla in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 55. Ed. 1.7.2020, § 123 Rn. 182; Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 123 Rn. 177; a.A. im Falle eines vorhergehenden ablehnenden Beschlusses nach § 123 VwGO Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 81, der einen weiteren Antrag nach § 123 VwGO für statthaft hält, in der Sache aber keinen Unterscheid zur analogen Anwendung des § 80 Abs. 7 VwGO sieht).
Angesichts der umstrittenen und schwierigen Rechtsfrage, wie veränderte Umstände im Eilrechtsschutz geltend zu machen sind, wenn bereits ein ablehnender und unanfechtbarer Beschluss nach § 123 VwGO vorliegt, ist eine Auslegung des Antrags nach § 123 VwGO der Antragsteller als ein Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO sachgerecht, § 88 VwGO, noch dazu wenn angesichts des Meinungsstreits sogar die Ansicht vertreten wird, dass dem Antragsteller ein Wahlrecht zwischen § 80 Abs. 7 VwGO und einem weiteren Antrag nach § 123 VwGO zustehen könne (Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL 2020, § 123 Rn. 177b). Angesichts dessen war es dem Antragsteller nicht zumutbar vorab zu erkennen, welcher Auffassung die zuständige Kammer des Verwaltungsgerichts Ansbach zuneigt und eine entsprechende Antragsauslegung angezeigt.
Der Antrag ist damit als Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 VwGO analog statthaft und auch sonst zulässig (2.), aber unbegründet (3.).
2. a)
Einem solchen Antrag steht auch nicht die Rechtskraft des ablehnenden § 123 VwGO-Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 17. August 2020 (AN 17 E 20.50269 – juris) entgegen. Beschlüsse im einstweiligen Rechtsschutz erwachsen zwar auch in formelle und materielle Rechtskraft. Diese wird allerdings durch § 80 Abs. 7 VwGO begrenzt, einerseits durch die Möglichkeit einer Abänderung des Beschlusses durch das Verwaltungsgericht von Amts wegen, § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO, andererseits durch einen Antrag der Beteiligten auf Änderung oder Aufhebung des Beschlusses wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände, § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO (BayVGH, B.v. 11.5.2000 – 12 CE 00.122 – juris Rn. 19; OVG Saarl, B.v. 22.8.2011 – 2 B 319/11 – NVwZ-RR 2011, 1000; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 75; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 123 Rn. 41; teils wurde und wird auch nur der Terminus Bindungswirkung verwendet, s. etwa BayVGH, B.v. 18.12.1998 – 7 ZS 98.1660 – juris Ls. 1, Rn. 33, 35; Gersdorf in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 55. Ed. 1.10.2019, § 80 VwGO Rn. 194 [jeweils zu § 80 Abs. 5 VwGO]). Soweit der Antragsteller solche veränderten Umstände geltend macht, steht die Rechtskraft bzw. Bindungswirkung des Beschlusses vom 17. August 2020 seinem Antrag nicht entgegen.
b) Die auch für einen Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO liegt vor. Diese setzt voraus, dass sich aus den neu vorgetragenen Umständen zumindest die Möglichkeit einer abändernden, günstigeren Entscheidung ergibt (OVG Hamburg, B.v. 23.9.2016 – 1 Bs 100/16 – BeckRS 2016, 53130 Rn. 19). Der Antragsteller hat mit Blick auf Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO vorgebracht, dass nach Erlass des Beschlusses vom 17. August 2020 zusätzlicher Platz in der Wohnung seines Onkels in Deutschland, zu dem zugezogen werden soll, freigeworden sei und somit das Merkmal des Sorge tragen Könnens des Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO nunmehr erfüllt sei. Daraus ergibt sich, für die Zulässigkeit ausreichend, die Möglichkeit eines nun bestehenden Übernahmeanspruchs gegen die Antragsgegnerin auf Zuständigkeitsübernahme hinsichtlich des Antragstellers aus Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit einer abändernden Entscheidung auf Basis des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO, soweit der Antragsteller darauf abstellt, dass sich seine gesundheitliche Situation durch den Zeitablauf seit dem ablehnenden Beschluss vom 17. August 2020 und die Entwicklungen hinsichtlich des Coronavirus SARS-CoV-2 in Griechenland verschärft hätten.
Antragsfristen kennt das Verfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO nicht (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 133).
3. Der damit zulässige Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO analog ist unbegründet.
Ein Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 123 VwGO hat dann Erfolg, wenn erstens gegenüber der Ausgangsentscheidung entscheidungserhebliche neue oder veränderte Umstände vorliegen oder solche entscheidungserheblichen Umstände im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemacht worden sind. In einem zweiten Schritt hat das Verwaltungsgericht unter Anlegung des Maßstabs für das Verfahren nach § 123 VwGO zu prüfen, ob auf Basis der neuen oder veränderten Umstände ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht sind (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 134).
Diese Voraussetzungen liegen weder für einen Anspruch auf Zuständigkeitsübernahme ausArt. 8 Abs. 2 Dublin III-VO noch aus Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO vor.
a) Hinsichtlich des Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO hat der Antragsteller veränderte, zum Zeitpunkt der ablehnenden Entscheidung über den Antrag nach § 123 VwGO am 17. August 2020 noch nicht vorliegende Umstände vorgetragen, nämlich, dass zwischenzeitlich der älteste Sohn des in Deutschland lebenden Onkels des Antragstellers als Referenzperson aus dessen Wohnung ausgezogen sei und nun genügend Platz für einen Zuzug des Antragstellers zur Verfügung stehe. Damit sei das Tatbestandsmerkmal des Sorge-Tragen-Könnens des Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO zum jetzigen Zeitpunkt erfüllt.
Ob dem so ist, kann offenbleiben, denn jedenfalls ist der Abänderungsantrag auch in Bezug auf Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO bereits aus einem anderen Grund abzulehnen. Denn es ist zwar gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen. Jedoch verleiht die Vorschrift dem Verwaltungsgericht nicht die Kompetenz jenseits eines bereits abgeschlossenen und gerichtlich kontrollierten Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens nach Art. 20 ff. Dublin III-VO gleichsam in Personalunion und eigenmächtig ein neues Zuständigkeitsbestimmungsverfahren zu eröffnen und durch die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme abzuschließen. Dies widerspräche zum einen dem Sinn und Zweck der Dublin III-VO, eine rasche Zuordnung des Asylbewerbers zu dem für seinen Antrag zuständigen Mitgliedsstaat zu gewährleisten, wie er bereits in deren Erwägungsgründen zum Ausdruck kommt. So soll nach Erwägungsgrund 4 zur Dublin III-VO das Gemeinsame Europäische Asylsystem „auf kurze Sicht eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrages zuständigen Mitgliedstaats umfassen“ und die genannte Formel nach Erwägungsgrund 5 zur Dublin III-VO „insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Gewährung des internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden“. Dieser aus den Erwägungsgründen sprechende Grundsatz der raschen Zuständigkeitsbestimmung findet in der Dublin III-VO durch zahlreiche Fristenregelungen seinen Widerhall. So hat ein Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, wenn er einen anderen Mitgliedstaat für zuständig hält, diesen so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von drei Monaten (zwei Monate bei Eurodac-Treffer) nach Antragstellung zu ersuchen, den Asylbewerber aufzunehmen, Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 Dublin III-VO. Geschieht dies nicht innerhalb der genannten Fristen, so ist gemäß Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 3 Dublin III-VO der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde. Eine ähnliche Regelung trifft, nur mit umgekehrten Vorzeichen, Art. 22 Dublin III-VO. Nach dessen Abs. 1 entscheidet der um die Übernahme des Asylbewerbers ersuchte Mitgliedstaat innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt des Gesuchs. Lässt der ersuchte Mitgliedstaat diese Frist ungenutzt verstreichen, ist nach Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für deren Ankunft zu treffen. Ähnliche Regelungen finden sich für das Wiederaufnahmeverfahren der Art. 23 ff. Dublin III-VO. Die Dublin III-VO etabliert also zugunsten der schnellen und klaren Zuständigkeitsbestimmung ein System starrer Fristen, das umgekehrt – wie meist bei (Ausschluss-)Fristenregelungen – zu Lasten der materiellen Gerechtigkeit im Einzelfall geht. Um den hierdurch entstehenden Friktionen entgegenzuwirken, ist die humanitäre Ermessensklausel des Art. 17 Dublin III-VO als Auffangregelung aufgenommen worden, welche aber das geschilderte Grundprinzip der Dublin III-VO nicht in Frage stellt. Allerdings ist bei aller Beschleunigung im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung nach der Dublin III-VO die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs gegen eine ablehnende Entscheidung eines Mitgliedstaates, der um Aufnahme eines Asylbewerbers ersucht wurde, vorzusehen, um dem europäischen Grundrecht des Art. 47 GRCh auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht Rechnung zu tragen (hierzu ausführlicher etwa VG Ansbach, B.v. 20.10.2020 – AN 17 E 20.50328 – juris Rn. 34). Ein solcher steht dem Asylbewerber, dessen Übernahme durch den ersuchten Mitgliedstaat abgelehnt wurde, nach nationalem Recht über einen Antrag nach § 123 VwGO im Wege des Eilrechtsschutzes, der ausnahmsweise die Hauptsache vorwegnimmt, zu Verfügung (stRspr der Kammermitglieder, s. nur VG Ansbach, B.v. 6.4.2020 – AN 17 E 20.50103 – juris; B.v. 13.8.2020 – AN 17 E 20.50216; B.v. 17.8.2020 – AN 17 E 20.50269 – juris; B.v. 20.10.2020 – AN 17 E 20.50328 – juris; B.v. 3.12.2020 – AN 17 E 20.50375 – juris [Auswahl]). Wenn nun aber wie vorliegend ein Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach der Dublin III-VO zwischen Griechenland als ersuchendem Mitgliedstaat und Deutschland als ersuchtem Mitgliedstaat durchgeführt und auf den Rechtsbehelf des Antragstellers, dessen Übernahme Deutschland abgelehnt hatte, gerichtlich überprüft und zum Entscheidungszeitpunkt insofern für rechtmäßig befunden wurde, als dass dem Antragsteller kein Anspruch auf Zuständigkeitsübernahme gegen die Antragsgegnerin zustand (VG Ansbach, B.v. 17.8.2020 – AN 17 E 20.50269 – juris), muss dieses im bereits dargelegten Interesse einer schnellen und klaren Zuordnung des Asylbewerbers als endgültig abgeschlossen betrachtet werden; als einzige Ausnahme ist die nicht fristgebundene humanitäre Ermessensklausel des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO zuzulassen, allerdings nur bei einem erneuten, hier nicht gegebenen Übernahmegesuch Griechenlands. Andernfalls würde man für unter Umständen lange Zeitläufe, potentiell nämlich so lange, bis Griechenland über den Asylantrag entschieden hat, die Zuständigkeitsbestimmung in der Schwebe halten, weil sich eine permanente Überwachungs- und Aktualisierungspflicht hinsichtlich der Zuständigkeitskriterien der Art. 8 ff. Dublin III-VO ergäbe. Ein solches Vorgehen widerspräche offensichtlich dem Regelungszweck der Dublin III-VO, die Kraft des europarechtlichen Anwendungsvorrangs dem nationalen § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG vorgeht.
Zum anderen würde eine zum jetzigen Zeitpunkt erfolgende Verpflichtung der Antragsgegnerin durch das Verwaltungsgericht, die Zuständigkeit für das Asylverfahren des Antragstellers zu übernehmen, weit in den nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung der Exekutive zustehenden Bereich eingreifen, weil sie nach endgültiger Beendigung, mithin außerhalb eines Aufnahmeverfahrens nach der Dublin III-VO erfolgte und sich damit auch über sämtliche Vorschriften über das Aufnahmeverfahren nach den Art. 20 ff. Dublin III-VO hinwegsetzen würde. Schließlich hat sich Griechenland seit dem ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts im Verfahren nach § 123 VwGO am 17. August 2020 nicht erneut mit der Bitte um Zuständigkeitsübernahme an die Antragsgegnerin gewandt. Das aber ist zwingende Voraussetzung für die Initiierung eines (neuen) Aufnahmeverfahrens, weil es sich bei dem Dublin-Verfahren in erster Linie um ein Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten zur Zuordnung der Prüfung von Asylanträgen handelt, bei dem der Asylbewerber nicht unmittelbar beteiligt ist; er stellt lediglich seinen Asylantrag, setzt aber nicht selbst das Dublin-Verfahren in Gang. Zwar steht ihm gegen eine getroffene Überstellungentscheidung in einen anderen Mitgliedstaat gemäß Art. 27 Dublin III-VO der Rechtsweg offen und erhebt der Europäische Gerichtshof mehrere Vorschriften der Dublin III-VO in den Rang subjektiver Rechte, die gerichtlich eingefordert werden können (EuGH, U.v. 7.6.2016 – Ghezelbash, C-63/15 – NVwZ 2016, 1157; EuGH, U.v. 7.6.2016 – Karim, C-155/15 – NVwZ 2016, 1155; EuGH, U.v. 25.10.2017 – Shiri, C-201/16 – NVwZ 2018, 43 Ls. 2 u. Rn. 35 ff.; EuGH, U.v. 26.7.2017 – Mengesteab, C-670/16 – NVwZ 2017, 1601; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 29 AsylG Rn. 42, bzgl. der Zuständigkeitskriterien der Art. 7 ff. Dublin III-VO sowie der Art. 21 Abs. 1 oder Art. 29 Dublin III-VO zum Ablauf von Antrags-, Antwort- und Überstellungsfristen). Gleichwohl geht die dem Asylbewerber und Antragsteller zustehende Rechtsschutzmöglichkeit nach Ansicht der Kammer nicht so weit, dass er vom Ausland (Griechenland) aus mittels eines verwaltungsgerichtlichen Eilantrags ein Verfahren beim potentiell zuständigen Mitgliedstaat (Deutschland) ohne Beteiligung des abgebenden Staates (Griechenland) eröffnen kann. Denkbar wäre insoweit nur, dass der Antragsteller vor den griechischen Gerichten zu erwirken versucht, dass der griechische Staat nochmals ein Aufnahmeverfahren nach den Art. 20 ff. Dublin III-VO in die Wege leitet.
b) Hinsichtlich des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO hat der Antragsteller nur insofern veränderte, zum Zeitpunkt der ablehnenden Entscheidung über den Antrag nach § 123 VwGO am 17. August 2020 (AN 17 E 20.50269) noch nicht vorliegende Umstände vorgetragen, als dass seit dem 17. August 2020 zusätzliche Zeit vergangen und allein durch den Zeitablauf die Herzkrankheit des Antragstellers als gefährlicher einzuschätzen und daher in Deutschland zu behandeln sei. Des Weiteren wird eine zusätzliche Gefährdung durch das Coronavirus SARS-CoV-2 vorgebracht, die zwar schon zum Zeitpunkt des Beschlusses vom 17. August 2020 bestand, sich aber seither verändert hat. Die vorgetragenen Veränderungen wurden – bis auf den Zeitablauf als solchen – schon nicht ausreichend dargelegt und belegt, sie führen auf jeden Fall nicht zu einem glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch Im Übrigen steht einer erneuten inhaltlichen Überprüfung des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO die materielle Rechtskraft bzw. Bindungswirkung des Beschlusses vom 17. August 2020 entgegen (s. dort unter II. 3. a)).
Auch angesichts der neu vorgetragenen Umstände verdichtet sich das der Antragsgegnerin im Rahmen des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO zustehende Ermessen nicht auf Null, was aber für eine Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderlich wäre (BayVGH, B.v. 3.6.2002 – 7 CE 02.637 – NVwZ-RR 2002, 839; nur berichtend, aber a.A. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 38. EL Januar 2020, § 123 Rn. 158 ff. m.w.N.). Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, inwiefern und inwieweit sich die Herzerkrankung des Antragstellers verschlimmert hat und vor allem, dass sie in Griechenland obschon der dort erfolgten differenzierten Diagnose in der Universitäts-Herzklinik des „…“ nicht behandelbar ist oder der Antragsteller keinen Zugang zu einer Behandlung hätte (s. insoweit schon die Ausführungen im B.v. 17.8.2020 – AN 17 E 20.50269 – juris Rn. 43), noch dazu der Antragsteller im Schriftsatz vom 25. November 2020 selbst vorbringt, bei Arztbesuchen Sprachprobleme zu haben, also eine medizinische Versorgung offenbar stattfindet. Im Übrigen dient Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO primär der Familienzusammenführung als humanitärem Belang, schafft aber keinen Anspruch auf medizinische Behandlung in Deutschland (VG Ansbach, B.v. 1.10.2020 – AN 17 E 20.50309 – juris Rn. 35). Soweit die gesteigerte Ansteckungsgefahr in Griechenland durch das Coronavirus SARS-CoV-2 vorgebracht wird, so besteht diese grundsätzlich auch in Deutschland. Für Deutschland berichtet die Johns-Hopkins-Universität von bisher etwa 1,5 Millionen Erkrankungen mit dem Coronavirus, wovon etwa 1,12 Millionen Menschen wieder genesen sind; die Anzahl der Corona-Toten beträgt 26.400. Für Griechenland werden circa 131.000 Infektionen bei 23.000 Genesenen gemeldet; die Zahl der Todesopfer beträgt 4.172 (Daten jeweils vom 21.12.2020). Setzt man diese Zahlen in Relation zur Bevölkerungsgröße – Deutschland mit etwa 83 Millionen Einwohnern, Griechenland mit etwa 10,7 Millionen (Eurostat, Pressemitteilung 114/2019, 10.7.2019) – ergibt sich in Griechenland kein gesteigertes, eine Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO rechtfertigendes Ansteckungsrisiko. Ganz im Gegenteil zeigen die aktuellen Zahlen der Johns-Hopkins-Universität bezüglich der täglichen Ansteckungen ein Abflachen in Griechenland, für Deutschland hingegen einen Anstieg. Im Übrigen ist nicht glaubhaft gemacht, dass in der Schutzeinrichtung des Roten Kreuzes in Athen, in der der Antragsteller untergebracht ist, angesichts seiner bekannten Vorerkrankung nicht die Möglichkeit einer Isolation oder verstärkten Abschottung besteht. Außerdem wäre er nach eigenem Vortrag auch in Deutschland in einer dann von sechs Personen bewohnten 90 m²-Wohnung untergebracht, die für ihn kein eigenes Zimmer vorsieht.
c) Soweit man, ohne dass dies durch den Antragsteller in seinem Vortrag begehrt wurde, auf den seiner Angabe nach ebenfalls in Deutschland lebenden Bruder als Referenzperson abstellt, wäre ein denkbarer Anspruch aus Art. 8 Abs. 1 Dublin III-VO nicht ausreichend glaubhaft gemacht.
d) Schließlich ist erneut und wie bereits im Beschluss vom 17. August 2020 (AN 17 E 20.50269) ausgeführt der Anordnungsgrund unzureichend glaubhaft gemacht, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO. Es wird wiederum und ausschließlich vorgebracht, die Eilbedürftigkeit ergebe sich aus der Erkrankung des Antragstellers und der Pandemie-Lage. Das trägt nach dem unter II. 3. b) Ausgeführten keine Eilbedürftigkeit.
Die einen Anordnungsgrund grundsätzlich rechtfertigende Gefahr eines unmittelbar drohenden Rechtsverlustes in Form des Herausfallens aus den Regeln zur Familienzusammenführung der Dublin III-VO durch den Fortgang des Asylverfahrens in Griechenland und eine mögliche Anerkennung des Antragstellers wird hingegen nicht aufgegriffen. Der bislang erfolgte Vortrag zum Vorliegen des Anordnungsgrundes stellt auf den gesundheitlichen Zustand des Antragstellers und eine mögliche Verschlechterung durch weiteres Zuwarten ab und damit letztlich auf das Interesse an einer medizinischen (Weiter-)Behandlung in Deutschland. Die individuelle Interessenlage des Antragstellers wiederum kann für die Verneinung eines Anordnungsgrundes ausschlaggebend sein (Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 123 Rn. 82a), wenn wie hier das vorgebrachte Interesse keine Eilbedürftigkeit trägt.
4. Die Kostenentscheidung folgt auch für das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO aus § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
5. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwaltes … … für das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO war mangels hinreichender Erfolgsaussichten gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO abzulehnen.
6. Die Entscheidung ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.

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