Europarecht

Keine Berechtigung zum Kraftfahrzeugführen mit einer tschechischen Fahrerlaubis

Aktenzeichen  AN 10 S 17.00653

Datum:
9.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
§ 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
§ 28 Abs. 4 Satz 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2500 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich mit seinem Eilantrag gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin, mit dem festgestellt wurde, dass ihm sein tschechischer Führerschein der Klasse B nicht die Berechtigung vermittelt, im Inland Kraftfahrzeuge zu führen.
Dem Antragsteller wurde im Jahr 2007 eine deutsche Fahrerlaubnis wegen Fahrt unter Drogeneinfluss entzogen und seitdem nicht mehr wieder erteilt. Bei einer Verkehrskontrolle durch die Polizei am 1. Februar 2015, zeigte der Antragssteller jedoch seinen am 20. Oktober 2014 in der tschechischen Republik, in … erworbenen Führerschein vor. Der Antragssteller war vor der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis in …, … gemeldet.
Nach der eingeholten Auskunft des gemeinsamen Zentrums der deutschen und tschechischen Polizei in … leben in dem Anwesen, das der Antragsteller als Wohnsitz für die Erteilung des tschechischen Führerscheins angegeben hatte, über 40 deutsche Staatsangehörige, denen auch die Fahrerlaubnis in Deutschland entzogen worden war. Nach den eingeholten Informationen der zuständigen tschechischen Polizei ist das Anwesen ein Reihenhaus, in dem eine Pension angemeldet war. Nach der von der Antragsgegnerin eingeholten Information des tschechischen Verkehrsministeriums hatte der Antragsteller unter der fraglichen Adresse vor der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis seinen Wohnsitz, wohnte auch dort und ging einer beruflichen Tätigkeit nach. Ob er persönliche bzw. familiäre Beziehungen habe, in Kontakt zu den lokalen Behörden stehe oder dort Eigentum habe, sei jedoch nicht bekannt. Die Mitteilung des gemeinsamen Zentrums sowie die Mitteilung und der aufgenommene Sachverhalt der tschechischen Polizei datiert über ein Jahr nach dem Datum der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis, vom 30.10.2017 (Meldeauskunft aus dem tschechischen Ausländerregister, durch das gemeinsame Zentrum mitgeteilt) und vom 3.12.2015 (Bericht der tschechischen Polizei, über das gemeinsame Zentrum mitgeteilt, über die vorangegangene Inspektion)
Diesen Sachverhalt nahm die Antragsgegnerin nach erfolgter Anhörung zum Anlass, unter dem 15. März 2017 den streitgegenständlichen Bescheid, zugestellt am 20. März 2015, zu erlassen. Mit dem Bescheid wurde festgestellt, dass der Antragsteller nicht berechtigt sei, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Zudem wurde er verpflichtet, den tschechischen Führerschein unverzüglich abzugeben, anderenfalls wurde die zwangsweise Einziehung angedroht. Die sofortige Vollziehung dieser beiden Verpflichtungen wurde angeordnet. Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass aus den vorliegenden Informationen hervorgehe, dass der Antragsteller seinen Wohnsitz vor der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis nicht dort sondern im Inland gehabt habe. Die tschechische Fahrerlaubnis sei daher rechtswidrig erteilt worden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 6. April 2017 am 7. April 2017 Anfechtungsklage und beantragte zugleich,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid wiederherzustellen.
Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass bei den vorliegenden Informationen der zeitliche Zusammenhang zu dem fraglichen Sachverhalt, dem Wohnsitz des Antragstellers vor der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis, nicht mehr gegeben sein.
Hierauf erwiderte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 19. April 2017 und beantragte,
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.
Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass es ausreiche, wenn die Informationen, die aus dem Ausstellermitgliedstaat herrührenden, darauf hindeuten, dass der Wohnsitz vor der Erteilung des Führerscheins aus einem EU-Mitgliedstaat im Inland gewesen sei. Dann sei die Frage des Wohnsitzes unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände, auch inländischer Umstände zu klären. In einer Gesamtschau sei eindeutig belegt, dass der Wohnsitz im fraglichen Zeitraum im Inland gewesen sei.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtssowie vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der teilweise zulässige Antrag ist unbegründet.
Der Antrag ist bereits unzulässig, soweit er sich gegen das in der Ziffer 2 des angegriffenen Bescheids enthaltende Zwangsmittel richtet. Denn der Antragsteller ist der Verpflichtung zur Abgabe seines Führerscheins zur Eintragung eines Sperrvermerks bereits nachgekommen. Damit fehlt es dem Antrag insoweit am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, da nicht davon auszugehen ist, dass die Antragsgegnerin entgegen der Vorschrift des § 37 Abs. 4 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (BayVwZVG) das angedrohte Zwangsmittel noch anwenden wird.
Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alternative 2 VwGO ist begründet, wenn das Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Aussetzung des angegriffenen Bescheids das Interesse am sofortigen Vollzug des Bescheids überwiegt. Wesentliches Indiz für diese Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind bei dieser Betrachtung summarisch zu würdigen.
Nach dieser summarischen Betrachtung stellt sich der angefochtene Bescheid, die Feststellung, dass der Antragsteller nicht berechtigt ist, von seiner am 20. Oktober 2014 für die Klasse B erteilten tschechischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, als rechtmäßig dar.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 28 Abs. 4 Abs. 2 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Danach kann die Behörde in den Fällen des Satzes 1 einen feststellenden Verwaltungsakt über die fehlende Berechtigung, mit einem EU-Führerschein im Inland Kraftfahrzeuge zu führen aussprechen. Diese Berechtigung gilt nach § 28 Abs. 4 Nummer 2 FeV nicht, wenn ausweislich vom Ausstellungsmitgliedsstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung der Antragsteller seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hatte, da dann der EU-Führerschein nicht rechtmäßig erworben sein würde, da in diesem Fall gemäß § 7 Abs. 1 FeV Deutschland für die Führerscheinerteilung zuständig gewesen wäre; diese Zuständigkeitsverteilung steht auch im Einklang mit dem maßgeblichen Unionsrecht.
Vorliegend liegen vom Ausstellerstaat herrührende Informationen vor, aus denen, unter zulässiger Würdigung sämtlicher Umstände hervorgeht, dass der Antragsteller seinen Wohnsitz bei der Führerscheinerteilung im Inland gehabt hatte.
Es liegt eine Mitteilung des gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit vor, die als vom Ausstellermitgliedstaat der tschechischen Republik herrührend anzusehen ist. (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 28 FeV Rn. 29). Nach dieser Information über die tschechische Adresse des Antragsstellers sind nunmehr dort über 40 deutsche Staatsangehörige, den Antragssteller eingeschlossen, gemeldet, denen fast allen die Fahrerlaubnis in Deutschland entzogen worden war.
Nach einer Mitteilung der zuständigen tschechischen Polizeiinspektion hatte diese im Herbst 2015 das streitgegenständliche Anwesen inspiziert. Es handelt sich insoweit um ein Reihenhaus, das als Pension geführt wird. Dabei hatte das Anwesen einen unbewohnten Eindruck gemacht. Gegen den tschechischen Eigentümer des streitgegenständlichen Anwesens wird strafrechtlich ermittelt.
Nach einer Auskunft des tschechischen Verkehrsministeriums vom 20. September 2016 bestätigte dieses, dass der Antragsteller in dem streitgegenständlichen Anwesen, … in … (dieser Wohnsitz lag auch der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis zu Grunde) für 185 Tage gewohnt habe, dort Unterkunft gehabt habe und beruflich tätig gewesen sei und damit das Wohnsitzerfordernis erfüllt sei. Über Beziehungen zu nahen Familienangehörigen, den Eigentumsverhältnissen und Beziehungen zu den Behörden sei nichts bekannt.
Es kann dahinstehen, ob diese Informationslage bereits als unbestreitbare Information darüber, dass der Antragsteller bei seiner Ausstellung keinen Wohnsitz in der Tschechischen Republik hatte, gewertet werden kann. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, die unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs (vergleiche insbesondere EuGH NJW 2012, 1341, Akyüz) erging, obliegt den Behörden und Gerichten des Aufnahmemitgliedsstaats, hier Deutschland, die Prüfung und Bewertung der Informationen des Ausstellermitgliedstaats. Für den Fall, dass die Informationen aus dem Ausstellermitgliedstaat zwar nicht abschließend den inländischen Wohnsitz erweisen, sondern lediglich auf einen falsch angegebenen ausländischen Wohnsitz hinweisen, ist es den deutschen Behörden und Gerichten ausdrücklich erlaubt, alle Umstände des anhängigen Verfahrens, auch alle inländischen Umstände und Erkenntnisse heranzuziehen. Dies gilt insbesondere, wenn sich Hinweise auf einen Scheinwohnsitz ergeben (BayVGH, B. v. 23. Januar 2017,11 ZB 16.2458 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die zitierte Rechtsprechung des EuGH).
Nach den aus der Tschechischen Republik vorliegenden Erkenntnissen handelt es sich bei dem Anwesen, in dem der Antragsteller gemeldet war, um ein Reihenhaus, in dem über 40 Personen gemeldet waren. Es leuchtet ein, dass die Anzahl der gemeldeten Personen nach den tatsächlichen Verhältnissen niemals alle ihren ordentlichen und realen Wohnsitz in dem Anwesen gehabt haben können, da dieses für eine Aufnahme von derart vielen Personen nicht groß genug ist. Zudem machte das Anwesen in der Inspektion im Jahr 2015 einen unbewohnten Eindruck. Auch wenn diese Inspektion und die gewonnenen Erkenntnisse zeitlich einige Monate nach der Ausstellung des Führerscheins für den Antragsteller datieren, deutet doch zumindest einiges darauf hin, dass es sich insofern die ganze Zeit um einen Scheinwohnsitz gehandelt hat. Denn nach den Erkenntnissen der Polizei … (Bl. 199 d. Akten) steht zumindest fest, dass schon vor Erteilung des Führerscheins zumindest 9 Personen -allesamt deutsche Staatsangehörigedort gemeldet waren. Auch dann wäre das Anwesen zu klein gewesen, um zusätzlich den Antragsteller aufzunehmen. Dieser Vermutung steht die Auskunft des tschechischen Verkehrsministeriums nicht entgegen. Zwar bestätigt diese, dass der Antragsteller vor der Ausstellung des tschechischen Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz dort gehabt habe, also gemeldet war, dies ist jedoch nicht mit den bekannten tatsächlichen Verhältnissen, die auf einen Scheinwohnsitz hindeuten, in Einklang zu bringen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Auskunft bzw. die tschechische Meldung nicht den Tatsachen entspricht. Außerdem weist die Auskunft aus, dass über persönliche Bindungen in Tschechien nichts bekannt sei. Persönliche Bindungen sind jedoch Voraussetzung für die Annahme eines Wohnsitzes (vergleiche § 7 Abs. 1 FeV).
Damit sind auch sonstige, auch inländische Umstände zu berücksichtigen, da Informationen aus der Tschechischen Republik darauf hindeuten, dass es sich um einen Scheinwohnsitz handelte. Unter Berücksichtigung dessen, dass nach den eingeholten Auskünften der Antragsgegnerin der Antragsteller während der gesamten Zeit des Verfahrens seinen Wohnsitz in … gemeldet hatte, diesen auch nicht abgemeldet hatte und auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dem Antragsteller seine deutsche Fahrerlaubnis wegen einer Fahrt unter Drogeneinfluss entzogen worden war, sodass mit einer Wiedererteilung in Deutschland nur unter erschwerten Bedingungen zu rechnen war, steht zur Überzeugung des Gerichts nach § 108 Abs. 1 VwGO fest, dass das Erfordernis des Wohnsitzes in Tschechien bei der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis nicht eingehalten wurde. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass der Antragsteller nichts vorgetragen hat, was die Vermutung, er hätte in der Tschechischen Republik lediglich unter einem Scheinwohnsitz gewohnt, erschüttern könnte (vergleiche zu diesem Erfordernis: BayVGH, B. v. 8.2.2017,11 ZB 16.2004).
Das Ermessen wurde fehlerfrei ausgeübt, § 114 Satz 1 VwGO. Dass die Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Bescheid erlassen hat, um eine Täuschung bei Verkehrskontrollen zu vermeiden, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden.
Die Begründung des angeordneten Sofortvollzugs wahrt die Anforderungen nach § 80 Abs. 3 VwGO. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer ist es im Bereich des Sicherheitsrechts, zu dem auch das Fahrerlaubnisrecht gehört, ausreichend, wenn der Sofortvollzug mit den Gründen, die auch den Bescheid rechtfertigen, begründet wird. Dies erklärt sich aus den Rechtsgütern der Verkehrssicherheit und des Lebens und der Gesundheit der übrigen Verkehrsteilnehmer, die mit dem Fahrerlagererlaubnisrecht letztlich geschützt werden sollen. Es war daher noch ausreichend, auch im vorliegenden Fall, den sofortigen Vollzug mit Sicherheitsinteressen zu begründen, um zu erreichen, dass der Antragsteller seinen zu Unrecht erworbenen tschechischen Führerschein nicht benutzt. Denn bei diesem rechtswidrig erworbenen Führerschein bzw. der tschechischen Fahrerlaubnis ist nicht gewährleistet, dass die Bedenken gegen die Fahreignung, die letztendlich zum Entzug der deutschen Fahrerlaubnis geführt hatten, ausgeräumt sind. Zwar sind Fahrerlaubnisse, die im EU-Ausland erworben werden, grundsätzlich anzuerkennen, allerdings eben nur, wenn das Wohnsitzerfordernis beachtet wurde.
Der Antrag ist daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit den Empfehlungen nach Ziffer 1.5 und Ziffer 56.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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