Europarecht

Keine systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Italien

Aktenzeichen  M 7 K 16.50397

Datum:
4.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 27a, § 34a Abs. 1 S. 1
VO (EU) Nr. 604/2013 Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2, Art. 29 Abs. 1
VwGO VwGO § 84 Abs. 1 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

Ein alleinstehender Mann läuft im Falle seiner Rückkehr nach Italien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr , wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden (ebenso OVG NRW BeckRS 2015, 45053, NdsOVG BeckRS 2015, 47840). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Tatbestand:
Der Kläger, nach eigenen Angaben ein Staatsangehöriger Eritreas, ist über den Sudan und Ägypten nach Italien und dann weiter über Österreich nach Deutschland gereist, wo er am 22. Juli 2015 ankam. Am 16. November 2015 stellte er bei den deutschen Behörden einen Asylantrag. Bei den persönlichen Gesprächen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 16. November 2015 und 19. April 2016 gab er an, in Italien seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden, einen Asylantrag habe er dort nicht gestellt. Er sei HIV-positiv und wolle nicht nach Italien rücküberstellt werden, da es dort keine Arbeit, keine Sicherheit und keine Freiheit gebe und er in Italien nicht behandelt werde.
Eine EURODAC-Abfrage der Beklagten ergab für den Kläger einen Treffer der Kategorie 2 (IT2…). Am 4. Januar 2016 wurde ein Aufnahmegesuch an Italien gerichtet, das unbeantwortet blieb.
Mit Bescheid vom 10. Juni 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 2). Der Asylantrag sei nach § 27a AsylG unzulässig, da Italien aufgrund der dortigen illegalen Einreise gem. Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Der Kläger habe während der Zweitbefragung am 19.04.2016 angegeben, er sei HIV positiv, Unterlagen dazu habe er aber trotz Aufforderung nicht vorgelegt. Gründe, die einer Überstellung nach Italien entgegenstehen könnten, seien weder vorgetragen noch ersichtlich.
Am 21. Juni 2016 erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragte,
den Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2016 aufzuheben.
Zur Begründung wurde vorgetragen, dass in Italien systemische Mängel bestünden. Ferner sei die Übernahmebereitschaft des Zielstaates nicht geklärt, da Italien der Übernahme nicht zugestimmt habe. Wie in Italien über den Asylantrag des Klägers entschieden worden sei, ergebe sich aus dem angefochtenen Bescheid nicht. Die Situation in Italien werde von der Rechtsprechung zunehmend kritisch gesehen.
Der Kläger wurde zum Erlass eines Gerichtsbescheids angehört und erklärte sein Einverständnis unter Hinweis darauf, dass die Überstellungsfrist abgelaufen sei.
Mit Beschluss vom 26. Juli 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Über die Klage konnte durch Gerichtsbescheid entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger wurde vorher gehört (§ 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO), die Beklagte und der Vertreter des öffentlichen Interesses haben durch allgemeine Prozesserklärungen auf vorherige Anhörung verzichtet.
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 27 a AsylG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gem. § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG kann das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Italien ist aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO sieht vor, dass Anträge auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft werden. Welcher Mitgliedstaat dies ist, bestimmt sich nach den Kriterien der Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO und zwar in der Rangfolge ihrer Nummerierung (Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO). Lässt sich anhand dieser Kriterien nicht bestimmen, welcher Mitgliedsstaat zuständig ist, so ist der erste Mitgliedstaat zuständig, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin-III-VO). Bei Anwendung dieser Kriterien ist die Italien für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig.
Dies folgt aus Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO. Danach ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, dessen Land-, See- oder Luftgrenze der Antragsteller aus einem Drittstaat kommend illegal überschritten hat. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Denn ausgehend von seinen eigenen Angaben hat der Kläger aus einem Drittstaat kommend als erstes die (See-) Grenze zu dem Mitgliedstaat Italien überschritten. Dies erfolgte – soweit ersichtlich – ohne einen Aufenthaltstitel und insofern illegal.
Aufgrund der daraus folgenden Zuständigkeit Italiens ist es gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a) Dublin-III-VO zur Aufnahme des Klägers verpflichtet. Dies hat zur Folge, dass in seinem Fall die Verfahrensvorschriften der Art. 21, 22 und 29 Dublin-III-VO zur Anwendung kommen. Es besteht hier eine Pflicht zur Aufnahme nach diesen Bestimmungen und nicht eine solche zur Wiederaufnahme nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) bis d) Dublin-III-VO i. V. m. Art. 23, 24, 29 Dublin-III-VO, weil Voraussetzung für eine Wiederaufnahme durch Italien wäre, dass der Kläger dort bereits ein Asylverfahren betrieben hätte. Dies ist nicht der Fall. Denn für den Kläger wurde, wie sich aus den Behördenakten ergibt, hinsichtlich Italiens (lediglich) ein EURODAC-Treffer der Kategorie 2 und kein solcher der Kategorie 1 erzielt, welcher nur einem Asylbewerber zugeordnet wird. Dies steht auch im Einklang mit den Angaben des Klägers gegenüber dem Bundesamt, wonach er in Italien keinen Asylantrag gestellt habe.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Überstellungsfrist aus Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO noch nicht überschritten, was zur Folge hätte, dass die Zuständigkeit für die Durchführung seines Asylverfahrens gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO auf die Beklagte übergegangen wäre.
Nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO erfolgt die Überstellung eines Antragstellers aus dem ersuchenden Mitgliedsstaat (hier: Deutschland) in den zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedsstaates nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat (Fall 1) oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese(r) gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO aufschiebende Wirkung hat (Fall 2). Der Fristbeginn bestimmt sich hier nach dem in Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO angesprochenen ersten Fall, wonach die maßgebliche Überstellungsfrist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahmegesuchs beginnt. Da die italienischen Behörden auf das Aufnahmegesuch vom 4. Januar 2016 nicht geantwortet haben, bestimmt sich die Annahme des Gesuchs nach der Fiktion des Art. 22 Abs. 1, 7 Dublin-III-VO. Mit Ablauf des 4. März 2016 trat demnach die Annahmefiktion des Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO ein, was die Verpflichtung Italiens nach sich zieht, den Kläger aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen. Die sechsmonatige Überstellungsfrist hat daher erst am 5. März 2016 zu laufen begonnen und ist derzeit noch nicht abgelaufen.
Die Beklagte ist auch nicht nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO gehindert, den Kläger nach Italien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen würden.
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. Es gilt grundsätzlich die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Allerdings hat nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat zur Folge, dass der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert ist, den Antragsteller an diesen Mitgliedstaat zu überstellen. Nur wenn ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren, so wäre die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 u. a. – juris Rn. 75, 80, 82, 85 und 86). Diese vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Grundsätze sind nunmehr auch ausdrücklich in die Dublin-Verordnung aufgenommen worden. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asyl-bewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 9). Für die Frage, ob dem Antragsteller bei einer Überstellung nach Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht, ist insbesondere auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – juris Rn. 15, 17; BVerfG, B.v. 18.8.2013 – 2 BvR 1380/08 – juris Rn. 28).
Ausgehend von diesen Maßstäben liegen systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Italien, die einer Abschiebung des Klägers entgegenstehen, nicht vor.
Das Gericht schließt sich hier der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an (vgl. zunächst Beschlüsse des EGMR v. 2.4.2013, Nr. 27725/10, und v. 18.6.2013, Nr. 53852/11, ZAR 2013, 336, 338; s. auch BayVGH, U.v. 28.2.2014 – 13a B13.30295 – juris Rn. 42). Unter Berücksichtigung der Berichte von Regierungs- und Nichtregierungsinstitutionen und -organisationen über die Aufnahmeprogramme für Asylbewerber in Italien kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hätten, zwar einige Mängel ausweisen mögen, dass die vorliegenden Materialien jedoch kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen würden. Berichte des UNHCR und des Menschenrechtskommissars wiesen auf jüngste Verbesserungen der Situation hin mit dem Ziel der Mängelbeseitigung; alle Berichte zeigten übereinstimmend und ausführlich die Existenz ausgearbeiteter Strukturen von Einrichtungen und Hilfsmaßnahmen, die auf die Bedürfnisse der Asylbewerber zugeschnitten seien. In dem Verfahren der Familie T. gegen die Schweiz (Nr. 29217/12) hatte die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Gelegenheit, sich mit den Verhältnissen in Italien erneut auseinanderzusetzen. Sie nahm die offenkundige Diskrepanz zwischen der im Jahr 2013 gestellten Asylanträge und der in den Einrichtungen verfügbaren Plätze zur Kenntnis sowie die Tatsache, dass der UNHCR in seinen Empfehlungen von 2013 tatsächlich eine Reihe von Problemen beschrieben hat, die sich auf die unterschiedliche Qualität der zur Verfügung stehenden Dienstleistungen – abhängig von der Größe der Einrichtungen – und auf einen Mangel an Koordinierung auf nationaler Ebene bezogen (vgl. U.v. 4.11.2014, abrufbar auf der Internetseite des EGMR, Rn. 110, 112, s. auch NVwZ 2015, 127 ff.). Sie stellte aber fest, dass die Struktur und die Gesamtsituation der Ausgestaltung der Aufnahmebedingungen in Italien allein nicht jegliches Überstellen von Asylbewerbern in dieses Land verhindert (Rn. 115). Diesen Grundsatz betonte der EGMR erneut in seiner Entscheidung vom 13. Januar 2015 (Nr. 51428/10, A.M.E./.Niederlande, abrufbar auf der Internetseite des EGMR) und wies die Beschwerde des Asylbewerbers gegen seine Überstellung nach Italien als unzulässig ab.
Soweit der EGMR in der Entscheidung T. die individuelle Lage der Beschwerdeführer im Lichte der Gesamtsituation untersucht und hierbei aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit der Personen individuelle Garantien von den italienischen Behörden bei der Wiederaufnahme verlangt hat, liegt hier eine vergleichbare Situation nicht vor. Das Gericht hat die besondere Schutzbedürftigkeit insbesondere asylsuchender Kinder betont, da sie spezifische Bedürfnisse hätten und extrem verletzlich seien. Dies gelte auch dann, wenn die Kinder von ihren Eltern begleitet würden (EGMR, U.v. 4.11.2014, a. a. O., Rn. 119). Diesen Unterschied zu einem – wie hier – fähigen alleinreisenden Mann, hat der Europäische Gerichtshof auch in seiner Entscheidung vom 13. Januar 2015 (Nr. 51428/10, a. a. O., Rn. 34) herausgestellt und ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bei einer Rückführung droht.
Es ist mittlerweile gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung, dass ein alleinstehender Mann im Falle seiner Rückkehr nach Italien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr läuft, wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Zuletzt haben dies das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen und das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen bestätigt (OVG NRW, U.v. 24.4.2015 – 14 A 2356/12.A – juris Rn. 20 ff. m. w. N.; U.v. 19.5.2016 – 13 A 516/14.A – juris Rn. 65 ff. m. w. N.; NdsOVG, U.v. 25.6.2015 – 11 LB 248/14 – juris Rn. 47 ff. m. w. N.). In diesen Entscheidungen wird ausgeführt, dass die vorliegenden Erkenntnisse nicht den Schluss rechtfertigten, dass der Asylbewerber während des Asylverfahrens die elementaren Grundbedürfnisse (wie Unterkunft, Nahrungsaufnahme, Hygienebedürfnis, medizinische Grundversorgung) nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen könne. Die Unterbringung in den staatlichen Einrichtungen werde grundsätzlich für die Zeit des Asylverfahrens und eines etwaigen Rechtsmittelverfahrens gewährleistet. Die bestehenden Mängel seien nicht so gravierend, dass damit ein grundlegendes systemisches Versagen des Mitgliedstaats vorliege. Eine andere Beurteilung sei auch nicht im Hinblick auf die derzeit besonders hohe Zahl von über das Mittelmeer in Italien ankommenden Flüchtlingen geboten. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung würde erst dann überschritten, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung des Problems ergriffen würden. Italien reagiere flexibel auf den Zu-strom. Ein alleinstehender Mann gehöre grundsätzlich nicht zu den besonders schutzbedürftigen Personen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, deren Rücküberstellung eine individuelle Garantieerklärung der italienischen Behörden hinsichtlich der Unterbringung erfordere (vgl. OVG NRW, U.v. 19.5.2016, a. a. O., Rn. 99 ff.; NdsOVG, U.v. 25.6.2015, a. a. O., Rn. 51, 56). Den in diesen Entscheidungen getroffenen tatsächlichen Feststellungen und Rechtsauffassungen schließt sich das Gericht an.
Auch aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich keine besondere Schutzbedürftigkeit. Soweit er bei seiner Befragung durch das Bundesamt gesundheitliche Probleme aufgrund einer HIV-Infektion vorgetragen hat, hat er dies trotz Aufforderung nicht durch ärztliche Bescheinigungen belegt. Im Übrigen führt das Bundesamt in seinem Bescheid zu Recht aus, dass Asylbewerber während ihres Asylverfahrens Anspruch auf freie medizinische Versorgung haben, so dass die Befürchtung des Klägers, er könne dort nicht behandelt werden, unbegründet ist.
Es liegt auch kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis vor. Das Bundesamt hat im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG die (rechtliche und tatsächliche) Durchführbarkeit der Abschiebung und damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde für die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn. 11 mit Verweis auf die einheitlich obergerichtliche Rechtsprechung). Wie das Bundesamt in seinem Bescheid vom 10. Juni 2016 zu Recht ausgeführt hat, sind solche Abschiebungshindernisse nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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